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Josephine Klick - Allein unter Cops

von

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„Wo bleibst du?“, fragte ich Falk übers Telefon. Seit fünf Stunden war er schon unterwegs. Es dauerte nicht mehr lange bis Christopher und Hannes da waren. Vorher wollte ich aber noch unbedingt mit Fritz reden und dafür brauchte ich die Sachen von Falk.

„Ich mache hier kein Wochenendeinkauf, Josephine. Deine Wünsche sind ziemlich speziell”, entgegnete er in einem ruhigen Ton. Er musste meine Anspannung hören.
 

„Kannst du einschätzen, wann du hier bist?“

„Das kann ich durchaus“, sagte er und ich hörte im selben Moment jemanden an die Tür klopften. Ich drehte mich um und sah Falk. Er lächelte mich an während er sein Handy weiterhin ans Ohr hielt und mit der anderen Hand mir einen Rucksack präsentierte.

„Ich habe jetzt wirklich keine Nerven für deine Spielchen“, sagte ich und rollt mit den Augen. Ich ging auf ihn zu und nahm ihm den Rucksack ab. „Du hast alles bekommen?“

„War nicht leicht, aber ich hatte ein wenig Hilfe von einem Kollegen. Ist alles im Rucksack!“

„Danke, Falk.”

„Du weißt, dass ich mehr tun würde, wenn ich könnte.“
 

Ja, dass wusste ich. Aber der Fall lag nicht länger in unseren Händen. Wir durften nur noch im Hintergrund unterstützen. Fritz traf mit Hannes zusammen den Insider. Wie lange dauerte es noch bis er uns den genauen Ort mitteilte? Ich fühlte mich wie auf glühenden Kohlen.

„Du hast einen guten Kollegen.“ Falk hatte einen sanften Ton angeschlagen.

„Ich weiß...“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Auf Fritz konnte man sich immer verlassen. Selbst in Situationen, wo man es nicht erwartete.
 

„Ich bin froh, dass ich dich da nicht reinschicken muss.“ Falk blickte mich zögernd an.

„Ich nicht, Falk!“ Meine Stimme klang warnend. Er kannte meine Meinung zu diesem Thema. Er wusste, dass ich Fritz nicht in diesen Einsatz schicken wollte. Er sah mich entschuldigend an.

„Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wir hätten das Treffen alleine machen können. Aber es ist wie es ist und ich bin erleichtert, dass du nicht mit Johannes in diesen Einsatz gehst.“ Seine Worte halfen nicht. Ich wollte das im Moment nicht hören. Hoffentlich verlief das Treffen ohne Zwischenfälle.

„Ich gehe jetzt zu Fritz.“
 

Ich machte mich auf den Weg, konnte ihn aber nicht im Büro finden.

„Fritz“, sagte ich als ich ihn an der Kaffeemaschine fand. Er lächelte mich an. „Ich muss mit dir reden.“

Sein Lächeln verschwand und er sah mich ernst an. „Wenn es um den Einsatz heute geht... Darüber haben wir wirklich genug geredet.“

„Nein, haben wir nicht.“

Seine Augen wurden schmal. „Josephine, du hälst dich heute Abend da raus, ist das klar? Das ist eine Entscheidung vom Chef!”

„Das weiß ich”, versicherte ich ihm.

„Worum geht es dann?“, fragte er etwas ruhiger.

„Können wir das vielleicht woanders besprechen?“ Er sah mich skeptisch an, folgte mir aber in den Besprechungsraum. Ich musste mit ihm ungestört reden. Als die Tür zuging und er mich fragend ansah, wusste ich nicht wie ich beginnen sollte.
 

Ich ging zum Tisch und legte den Rucksack darauf. Wie konnte ich ihm den Fall am besten erklären? Während ich darüber nachdachte öffnete ich den Rucksack und sichtete den Inhalt. Er würde die Sachen für den Einsatz brauchen. Ich sollte mit der Weste anfangen. Natürlich lag sie ganz unten im Rucksack. Fritz brabbelte irgendwas im Hintergrund, was ich nicht verstand. Ich hörte nicht zu, da ich gerade mit der Weste zu tun hatte.
 

„Zieh bitte dein Oberteil aus“, forderte ich ihn auf als ich endlich dieses widerspenstige Teil in die Hände bekam.

„Bitte was?“ Fritz klang irritiert. Das musste gerade völlig falsch geklungen haben. Ich drehte mich zu ihm und deutete auf die Weste, die ich aus dem Rucksack zog.

„Ich habe hier etwas, das du tragen solltest.“ Er räusperte sich als er mein Anliegen verstand.

„Hast du nicht während der Besprechung behauptet, dass es nur ein Treffen mit einem Informanten ist? Warum dann die schusssichere Weste?”

“Zum Schutz, Fritz.” Er sah mich skeptisch an als ich ihm die Weste gegen den Brustkorb drückte. „Jetzt zieh die an!“
 

Er sah unschlüssig aus, nahm dann aber die Weste entgegen. Er legte die Weste auf den Tisch um sein Sweatshirt auszuziehen. Als er mit blankem Oberkörper vor mir stand musste ich meinen Blick abwenden. Ich schluckte. Warum macht mich das nervös? Mir war beim Kampftraining schon aufgefallen, wie gut Fritz gebaut war. Er hatte einen schönen männlichen Oberkörper. Man konnte die Kraft erahnen, die in ihm steckte. Genau die Sorte Mann an dessen Schulter man sich anlehnen wollte. Ich schüttelte meinen Kopf bei diesem Gedanken. Es war wirklich nicht zu glauben, dass ich in dieser Situation an solche Dinge dachte.
 

„Bielefeld?“, sagte Fritz und ich drehte mich wieder um. “Ich brauch mal Hilfe.” Er hatte eine der Laschen in der Hand, die auf dem Rücken befestigt wurden.

„Natürlich“, sagte ich und ließ den Rucksack los. Er drehte sich um, damit ich die Laschen befestigen konnte. Es war nicht unproblematisch, da ich nur meine linke Hand benutzen konnte. Ich zurrte gerade noch an seiner Weste als er seinen Kopf zu mir drehte und mich über die Schulter ansah.

„Woher hast du die eigentlich?“, fragte er mich. „Wir tragen doch sonst nur Westen zum drüberziehen. Die ist ja kaum dicker als ein Pullover.“
 

„Es würde nicht unbedingt das Vertrauen des Informanten fördern, wenn du mit den herkömmlichen Westen zum Treffen erscheinst. Wir brauchen also etwas Unauffälliges.”

„Trägt Hannes die Gleiche?” Ich zögerte, schüttelte dann aber meinen Kopf. Fritz zog seine Augenbrauen zusammen und drehte sich zu mir als ich gerade die letzte Lasche befestigte.

„Bielefeld“, sagte er warnend und ergriff meine Schultern. „Was ist hier los? Was verheimlichst du?”

Ich musste wegsehen, als ich seinem Blick nicht standhalten konnte. Warum hatte ich das Gefühl, dass er in meinen Kopf gucken konnte?

„Zieh dir erst mal dein Shirt wieder an, dann erzähl ich es dir.“ Ich konnte mich nicht konzentrieren, wenn er so vor mir stand.
 

Er zögerte einen Moment, löste dann aber seine Hände und zog sich wieder an. Die Weste lag eng an seinem Körper und das Shirt etwas lockerer darüber. Wenn er seine Jacke anzog, erkannte man nicht, dass er einen Schutz trug. Er sah mich ernst an und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich.

„Also gut, Bielefeld. Erzähl es mir!“

Ich gab ihm alle Informationen, die wir in den letzten Wochen gesammelt hatten. Fritz hörte mir geduldig zu und unterbrach mich nicht. Er blieb selbst ruhig, als er erfuhr, dass Hannes eventuell hinter der Sache steckte.
 

Ich konnte nicht glauben, dass ich ihm wirklich alles erzählt hatte. Aber sollte ich mich jetzt nicht erleichtert fühlen? Ich hatte seit Tagen den Wunsch gehabt ihm davon zu erzählen. Aber angesichts der möglichen Gefahr spürte ich keine Erleichterung. Ich war besorgt, dass ihm etwas passieren könnte.

„Davon wisst nur ihr zwei?“

Ich nickte. „Du bist der Erste mit dem ich darüber geredet habe.“
 

Er verschränkte die Arme vor der Brust und ich konnte seine Armmuskulatur arbeiten sehen. „Wolltest du deswegen unbedingt den Job machen?“, fragte er mich. Er versuchte ruhig zu bleiben, aber ich sah die Wut in seinen Augen. Als ich seine Frage bejahte drehte er sich kurz von mir weg und ich hörte ihn fluchen.

„Merkst du eigentlich wie bescheuert das ist? Du lässt dein Team im Dunkeln während du machst was du willst?”
 

„Ich wollte das nicht!“ Er sah mich strafend an und ich fühlte mich unbehaglich. „Tut mir leid“, sagte ich leise und senkte meinen Blick.

„Anscheinend nicht genug.“ Er klang wütend.

„Ich wollte es euch erzählen“, versicherte ich ihm.

„Warum hast du es dann nicht getan?“

„Ich hatte es Falk versprochen!“

„Dieser Falk kann mich mal“, entgegnete Fritz hitzig. „Der Typ ist nicht dein Partner. Ich, Josephine... Ich bin dein Partner! Und ich habe für deine Sicherheit zu sorgen. Hat sich dieser Vollidiot über die mögliche Gefahr keine Gedanken gemacht? Wie soll ich dich beschützen, wenn du solche Alleingänge machst?”
 

„Du musst den Einsatz nicht machen, wenn du glaubst, dass es zu gefährlich ist”, sagte ich ihm und versuchte zurück auf das eigentliche Thema zu kommen.

Er sah mich eine Weile schweigend an. Sein ganzer Körper wirkte angespannt. Worüber dachte er nach?

„Ich mach es“, sagte er.

Der Gedanke, dass ich ihn an diesem Einsatz nicht hindern konnte, machte mich unruhig. „Warum?“, fragte ich beinahe flüsternd.

„Ich weiß was passiert, wenn wir dieses Treffen absagen.“

Ich blickte ihn fragend an. „Was meinst du damit?“

„Du wirst früher oder später ein neues Treffen mit dieser Person vereinbaren und niemand von uns wird davon erfahren. Denkst du wirklich, dass ich das zulasse?“

Ich wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte, also schwieg ich.
 

„Ich mach es“, wiederholte er seine Worte.

Meine Brust zog sich zusammen. Ich hatte wirklich gehofft, dass er ablehnen würde.

„Ich nehme an, dass wir die anderen darüber zunächst nicht informieren?”, fragte er. Ich nickte ihm langsam zu.

„Wir wissen doch gar nicht, ob die Vermutung stimmt. Das sind sensible Informationen.”

„Und trotzdem hast du mir davon erzählt.”

Ich sah ihn ungläubig an. „Natürlich! Ich vertraue dir Fritz. Und ich lasse dich nicht in einen Einsatz gehen bei dem dir Informationen fehlen.“

Sein Blick wurde weicher. „Vielleicht irrt ihr euch.“

„Mittlerweile hoffe ich darauf“, sagte ich leise.
 

Ich drehte mich wieder zum Rucksack und holte ein kleines Mikrophone raus. Er sah mich an.

„Wir werden doch nachher verkabelt.“

„Ich weiß“, entgegnete ich und stellte mir vor ihn. „Aber hiervon weiß keiner!”

„Keiner?“

„Nur Falk. Er hat mir die Sachen besorgt. Das andere Kabel wird dir im Kragen und im Brustbereich angelegt. Wir sollten das hier also woanders platzieren...” Ich betrachtete seine Kleidung und überlegte, wo ich das Mikrophone unauffällig anbringen konnte.

„Vielleicht am Gürtel?“, schlug Fritz vor. „Dann kann ich den Akku in die Hosentasche stecken.“

„Gute Idee!“ Ich befestigte das Mikrophone am Gürtel seiner Hose und zog sein Shirt darüber. Als alles verkabelt war, sah ich ihn an.
 

„Vergiss nicht es zu aktivieren bevor du in den Einsatz gehst, ok?“

„Wenn du mir versprichst dich aus dem Rest heute rauszuhalten?“ Ich wollte ihm widersprechen, aber er unterbrach mich. „Bielefeld, ich meine das ernst. Ich kann mich nicht auf den Einsatz konzentrieren, wenn ich wieder irgendwelche Aktionen von dir befürchten muss. Ich kette dich hier fest, wenn es sein muss.”
 

„Wenn was passiert...“, wandte ich ein, wurde aber erneut unterbrochen.

„Dann verständigt ihr das SEK. Die sind doch eh informiert. Josephine, du hälst dich da heute raus, ist das klar?” Ich konnte es ihm nicht versprechen, also drehte ich mich von ihm weg.

„Ich habe noch was“, sagte ich und wühlte im Rucksack.

„Was denn noch?“, fragte Fritz genervt als ich seiner Bitte aus dem Weg ging. “Hast du noch eine Panzerausrüstung in dem Rucksack?“
 

Ich verdrehte die Augen und zog eine Pistole heraus. Fritz sah mich zweifelnd an.

„Wofür soll die sein?“

„Für dein Fußgelenk!“ Ich überreichte sie ihm mit der passenden Halterung. Sie war sehr klein - dadurch viel sie nicht auf oder erschwerte seine Bewegungen.

„Ich habe doch meine Dienstwaffe. Die sollte reichen.”

„Nimm sie einfach. Es ist nie verkehrt eine Zweite zu haben.”
 

Er sah mich kopfschüttelnd an, nahm aber die Pistole und prüfte sie. Fritz kniete sich auf den Boden um die Pistole am Fußgelenk zu befestigen.

„Zufrieden?”, fragte er mich und stand wieder auf.

„Ja“, sagte ich und versuchte meine Unruhe niederzukämpfen.

„Warum bist du so nervös? Du scheinst dir ja echt Sorgen zu machen“ Seine Stimme klang beinahe spöttisch. Ich musste an den Abend vor meinem Einsatz am Strich denken und wie ich dort mit den Jungs geredet hatte. Er sprach im gleichen Ton mit mir und das machte mich wütend. Ich verengte meine Augen.
 

„Ja, das tue ich. Ich mach mir sogar verdammte Sorgen! Hast du damit ein Problem?“ Er sah bei meinem Ausbruch überrascht aus. Ich war halt so. Meine Grenze war erreicht. Ich hatte Angst um ihn und mir war es egal, was er darüber dachte.
 

Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Ich wollte diesen Impuls nicht länger unterdrücken. Ich spürte seine Wärme, als ich mich gegen ihn drückte. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Ich hatte seine Nähe die letzten Tage vermisst.

„Pass einfach auf dich auf, ok?“, murmelte ich in sein Shirt und hielt ihn fest. Es dauerte nicht lange bis er meine Umarmung erwiderte und mich enger an sich zog.
 

An der Tür klopfte jemand und ich löste mich von ihm.

„Ja?“, rief ich und trat einen Schritt von Fritz weg. Ich war durcheinander und mied seinen Blick. Ich sollte mich zusammenreißen. Es war wichtig, dass wir vor einem Einsatz hochkonzentriert waren. Also musste ich Abstand zu Fritz gewinnen. Falk betrat den Raum und blickte uns an.

„Kann ich kurz stören?“

„Ja, wir haben alles geklärt.“

Er beäugte uns skeptisch. Ich spürte die Blicke von Fritz auf mir. Es trug nicht sonderlich dazu bei, dass ich ruhiger wurde.
 

„Die Kollegen vom Drogendezernat sind da.“

„Wir sind soweit“, sagte ich Falk, schnappte mir den Rucksack und ging auf ihn zu.

„Kann ich einen Moment mit Ihnen alleine reden, Herr Altenburg?“ Ich drehte mich erstaunt zu Fritz. Warum wollte er mit Falk reden? Mir war nicht wohl dabei die beiden alleine zu lassen. Aber Falk stimmte zu. Ich wurde zu den Kollegen geschickt. Widerwillig verließ ich das Zimmer und ließ die beiden alleine.
 

***
 

Falk saß mit mir zusammen im Wagen unweit der Lagerhalle als wir auf neue Informationen warteten. Der Informant müsste jeden Moment erscheinen. Ich testete unruhig immer wieder die Frequenz vom Zweitgerät, aber Fritz hatte es noch nicht aktiviert. Wollte er mir heimzahlen, dass ich auf seine Bitte mich rauszuhalten nicht reagiert hatte? Das war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für eine Lektion. Ich konnte ihm schlecht über das Hauptgerät sagen, dass er gefälligst sein zweites Mikrophone aktivieren sollte. Hannes war über die gleiche Frequenz verbunden und hörte alles was wir Fritz sagten.
 

Alex und Christopher hatten sich auf der anderen Seite vom Gelände platziert. Wir standen verdeckt, damit uns der Informant nicht bemerken würde.

„Könnt ihr schon was sehen?“, fragte Alex.

„Nein, noch nichts“, sagte Fritz leise. „Er ist schon eine viertel Stunde zu spät. Ob der noch kommt?“

„Der kommt mit Sicherheit“, sagte Hannes. „Bleibt geduldig!“
 

Es dauerte weitere zehn Minuten bis Hannes Bewegungen meldete. Aber es blieb nicht bei einer Person.

„Scheiße“, hörte ich Fritz fluchen und mein Atem stockte. Er meldete drei maskierte und bewaffnete Männer, die mit einem jungen Mann im Schlepptau auf die beiden zukamen. Es musste sich um den Informanten handeln. Wurde er als Geisel benutzt?
 

Mein Puls hämmerte als Fritz plötzlich seine Meldungen unterbrach. Ich hörte Männerstimmen die rumbrüllten und die Kollegen aufforderten ihre Waffen auf den Boden zu legen und zu ihnen zu schieben. Nein! Es war also doch eine Falle! Wie hatte ich nur zulassen können, dass Fritz dieses Treffen durchführt. Wir mussten ihn da rauskriegen. Und was war mit Hannes? Er wurde ebenfalls bedroht. Hatten wir uns getäuscht ihn zu verdächtigen?
 

Fritz versuchte ruhig mit den Männern zu reden.

Meine Brust zog sich zusammen und mein Magen verkrampfte sich. Alex informierte uns, dass er das SEK verständigt hatte. Er forderte Hannes und Fritz auf aus der Schussbahn zu gehen, wenn gestürmt wurde.
 

Ich blickte zu Falk. Er hatte sich in seinem Sitz vorgebeugt und lauschte mit verengten Augen dem Gespräch. Plötzlich war Funkstille und wir konnten nichts mehr hören. Was war passiert?

„Josephine?“ Es war Alex. Er klang etwas atemlos. „Kannst du mich hören?“

„Ja“, bestätigte ich. Warum hörte ich Alex, aber weder Fritz noch Hannes? Was war mit den Mikrophonen passiert?
 

War uns ein Fehler unterlaufen oder hatte sich der Informant verquatscht? Woher wussten die Männer, dass Fritz und Hannes Waffen trugen? Hatten Sie etwa auch die Kabel der Mikrophone durchtrennt? Diese Ungewissheit macht mich verrückt. Ich musste wissen, was dort passierte – musste in diese Lagerhalle! Falk hielt mich fest als ich aus dem Auto steigen wollte.
 

„Wo willst du hin?”

„Ich will da rein!“ Was dachte er denn, was ich vorhatte?

„Bleib hier, Josephine. Du weißt doch gar nicht was da los ist. Das SEK ist gleich da.“

Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf und versuchte seinen Griff zu lösen. „Du willst hier warten? Wer weiß wie lange das SEK braucht. Fritz ist da drin, verflucht noch mal!” Ich brüllte beinahe.

„Du darfst da nicht rein“, sagte Falk ernst und verstärkte seinen Griff um mein Handgelenk.

Ich sah ihn entgeistert an. Wusste er überhaupt, was er da sagte? „Sag mal spinnst du?“

„Ich habe deinem Kollegen versprochen dich da rauszuhalten - egal was passiert.”
 

Ich konnte nicht glauben was ich hörte. Hatte Fritz deswegen mit Falk alleine sprechen wollen? Verflucht sollte er sein. Sobald ich Fritz sicher aus der Sache rausgeholt hatte, würde er sich was anhören können.

„Josephine“, mahnte mich Falk als ich erneut versuchte mich von ihm zu lösen. Ich konnte mich aus seinem festen Griff einfach nicht befreien. “Beruhig dich! Versuch das zweite Mikrophone einzustellen.”

„Das hat er aus!“, fuhr ich ihn an. „Kapierst du das nicht?“
 

„Probiere es einfach noch mal!“

Ich schnaubte frustriert. Am liebsten würde ich ihm einfach eine reinhauen. Mit einer gebrochenen Nase wäre er lange genug abgelenkt, dass ich aus dem Wagen entkommen konnte. Aber er hätte mich vermutlich eingeholt, bevor ich die Halle erreicht hätte. Mein Puls schlug immer höher, aber ich versuchte ruhiger zu werden. Ich verstellte die Frequenz und suchte nach dem Mikrophone von Fritz. Meine Hand zitterte.
 

Fritz hatte tatsächlich das Zweitgerät angeschaltet. Ich hörte verzerrt die Stimme von Hannes. Er wurde eindeutig nicht länger bedroht. Er klang arrogant und überheblich. Wo waren die anderen Männer? Warum hörte ich sie nicht mehr?
 

Die Stimme von Hannes drang durch den Lautsprecher.

„...eigentlich gewünscht, dass ich diesen Einsatz mit deiner lieben Kollegin mache. Das hätte alles einfacher gemacht. Sie ist mir zu dich auf die Pelle gerückt.“ Sprach er von mir? Hatte er gemerkt, dass wir ihn im Verdacht hatten? Falk sah mich angespannt an. Wir hatten Recht! Hannes war korrupt. Er hatte uns mit den Männern in die Irre führen wollen. Wie lange war das schon sein Plan? Mir lief ein Schauer über den Rücken. Fritz war mit ihm in dieser Halle. Wir mussten was unternehmen!
 

„Ich hätte sie damals erschießen sollen als sie mich unterbrochen hat dieses kleine Flittchen unschädlich zu machen. Aber wenn du erst mal aus dem Weg geschafft bist, ist sie als nächste dran... Vielleicht ein tragischer Reitunfall?”

“Hannes,” sagte Fritz. “Das wird dir nichts bringen. Du hast längst die Kontrolle über die ganze Sache verloren. Wie viele willst du noch umbringen? Du kannst es nicht mehr vertuschen.”
 

“Doch das kann ich. Ich hatte alles im Griff bis dieser Fehler am Landwehrkanal passiert ist. Das bieg ich wieder hin und keiner wird was merken.”

Die Stimme von Hannes machte mich krank und mir lief ein Schauer über den Rücken als seine Worte in meinem Ohr nachhallten. Er war bereit alles zu tun. Er war bereit Fritz zu töten. Ich musste hier raus.
 

Ich beäugte Falk ohne meinen Kopf zu drehen. Er war konzentriert und lauschte dem Gespräch. Ich konnte nicht warten bis das SEK hier war und das Gebäude stürmte. Fritz würde bis dahin ganz gewiss nicht mehr Leben.

Ganz langsam ließ ich meine Hand in meine Jacke gleiten und umfing meine Handschellen. Dann ging alles sehr schnell. Eine Handschelle umfing das Lenkrad, die andere seine Hand. In der nächsten Sekunde stürzte ich aus dem Auto. Er bekam mit der freien Hand meine Jacke zu greifen, aber ich konnte mich aus ihr rauswinden. Ich landete unsanft auf dem Boden und meine verletzte Hand pochte schmerzhaft.
 

„Mach das nicht, Josephine“, sagte er flehend.

Er sah besorgt aus, aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Es ging um das Leben von Fritz.

“Tut mir leid, Falk.”

Ich drehte mich von ihm weg und lief im Laufschritt zur Lagerhalle. Ich musste vorsichtig sein. Ich konnte nicht wissen, ob die drei Typen von denen Fritz berichtet hatte wirklich weg waren. Waren sie geflüchtet nachdem Hannes sie über das SEK informiert hatte? Was plante er? Wollte er den Informanten und Fritz töten und sich dann selbst verwunden? Alle würden annehmen, dass es ein Überfall gewesen war, bei dem nur Hannes überlebt hatte. Er konnte nicht wissen, dass Fritz ein zweites Mikrophone hatte.
 

Ich musste mich beeilen. Vielleicht würde Falk sich bald von den Handschellen befreien oder Alex verständigen. Aber Alex musste doch genauso Fritz retten wollen.

Ich hörte einen Schuss, gefolgt von einem Zweiten. Mein Herz setzte einige Schläge aus. Panik stieg in mir auf. Hatten die Kugeln Fritz getroffen? Nein, daran durfte ich gar nicht denken. Ich würde nicht zu spät kommen. Ich durfte nicht zu spät kommen. Ich rannte weiter zur Lagerhallte und meine Schritte beschleunigten sich. Mein Herz pochte und es dröhnte in meinem Kopf.
 

Ich riss mit zittrigen Händen die Tür der Lagerhalle auf. Ein weiterer Schuss fiel und jemand stöhnte laut auf. Es war Fritz. Mir stiegen Tränen in die Augen und ich musste mich für eine Sekunde an der Mauer festhalten. Aber gerade jetzt, wo Fritz mich brauchte, durfte ich nicht versagen.

Ich hielt meine Waffe zittrig in den Händen. Würde ich überhaupt schießen können? Durch den Sturz aus dem Auto hatte ich kaum Kraft in der Hand. Ich lief um einige Lagercontainer herum. Was ich dahinter erblickte ließ meinen Atem stocken. Ich sah drei Personen auf dem Betonboden liegen. Überall war Blut. Mein Blick blieb an Fritz haften, der regungslos auf dem Boden lag.
 

„Fritz“ Ich rang nach Luft, hatte das Gefühl ersticken zu müssen. Es bildete sich Tränen in meinen Augen. Ich wollte nicht glauben, was ich sah.

„Fritz”, keuchte ich erneut und konnte mich noch immer nicht vom Fleck bewegen.
 

Plötzlich sah ich wie sich Fritz bewegte. Ich hielt meinen Atem für einen Moment an und ging einen Schritt auf ihn zu. Sein Brustkorb hob und senkte sich, bevor er einen Hustenanfall bekam und sich mit den Unterarmen ein Stück vom Boden abdrückte. Er drehte seinen Kopf und sah erschöpft in meine Richtung. Als er mich erkannte verengten sich seine Augen.
 

„Was machst du hier, verflucht noch mal?“ Seine Stimme klang kratzig. Ich atmete tief ein als mich die Erleichterung durchströmte. Tränen standen mir in den Augen. Er lebte. Fritz lebte. Meine ganze Anspannung ließ langsam nach. Als er vorsichtig aufstand und sich zu mir drehte, erkannte ich, dass seine Lippen aufgeschlagen waren und er eine Platzwunde am Kopf hatte. Ich sah das Einschussloch in seinem Sweatshirt. Die Weste hatte verhindert, dass die Kugel ihn direkt ins Herz traf. Er verschwamm vor meinen Augen als sie sich mit Tränen füllten.
 

„Josephine“, hörte ich die Stimme von Fritz. Er klang so sanft als er auf mich zukam. Ich ließ die Wärme, die er in mir auslöste ohne Widerspruch zu. Meine Ängste waren vergessen. Fritz würde mir niemals das Herz brechen, nein, er hatte es geheilt, ohne dass ich es bemerkt hatte! Vermutlich wusste er nicht mal, was er da tat. Die Angst ihn zu verlieren war größer als alles andere was ich je erlebt hatte. Er würde für mich immer mehr sein als nur ein Kollege, ob ich nun Angst davor hatte oder nicht spielte keine Rolle mehr. Diese Erkenntnis ließ mich erschaudern. Ich zitterte am ganzen Körper.
 

Wenige Schritte vor mir blieb er stehen und sah mich besorgt an.

„Josephine.“ Wie konnte er in so einer Situation um MICH besorgt sein? Dieser Mann war einfach außergewöhnlich. Ich lächelte und wischte mir die Tränen aus den Augen.

Mein Lächeln gefror als ich hinter Fritz eine Bewegung wahrnahm. Es war Hannes, der blutverschmiert und auf wackeligen Beinen mit seiner Waffe auf Fritz zielte.
 

Es blieb keine Zeit für eine Warnung. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper. Ich rannte die letzten Schritte auf Fritz zu, um ihn aus der Schusslinie zu bringen. Während ich mit meinem Körper Fritz beiseite stieß, feuerte ich mit meiner Waffe einen Schuss in die Richtung von Hannes ab. Im selben Moment, sprangen die Türen der Lagerhalle mit lauten Gebrüll auf. Mein Körper durchfuhr ein brennender Schmerz, als mich die Kugel traf, die Fritz hätte treffen sollen.



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