Zum Inhalt der Seite

Josephine Klick - Allein unter Cops

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Sind das die Bilder von Frau Becker?“, fragte mich Alex, der vor einer großen Metaplanwand stand und die angehefteten Fotos von der Feier betrachtete.

Ich legte den Stapel auf seinen Schreibtisch. „Ja, Waldi hat die gerade frisch gedruckt. Sie hat sich ziemlich gesträubt, aber mit ein wenig Überzeugungsarbeit hat sie dann zugestimmt. Das sind die Letzten. Dann haben wir von allen Gästen die Aussagen und die Fotos.“

Es sah mich etwas gequält an, als er sich wieder zu den Fotos wandte. „Und trotzdem sind wir kein Stück weiter!“
 

Ich konnte seine Frustration verstehen. Wir hatten alle Gäste der Feier befragt und die Fotos ausgewertet ohne einen Schritt weitergekommen zu sein. Zwei Wochen hatte uns das gekostet, ohne Erfolge. Wir betrachteten beide nachdenklich die Fotos auf der Metaplanwand.

„Habt ihr was Neues?“, fragte eine Stimme neben mir. Ich war so tief in meinen Gedanken versunken, dass ich regelrecht zusammenzuckte und mich erschrocken umdrehte.

Fritz stand neben mir und schaute ebenfalls auf die Bilder vor uns, als er genüsslich in einen Apfel biss.

„Das ist aber noch nicht der letzte Stand, oder? Wo sind die neuen Bilder?“, fragte Fritz.

„Hinter dir“, entgegnete ich und deutete auf den Schreibtisch von Alex. Das waren die letzten Bilder. Wir hatten den Rest schon beschriftet, auf der Metaplanwand chronologisch sortiert und ausgewertet. Auf keinem der Bilder waren uns Besonderheiten aufgefallen. Die Gäste hatten sich auch an nichts Ungewöhnliches erinnern können, wenn sie sich aufgrund des Alkoholpegels überhaupt an was erinnerten.
 

Ich beobachtete Fritz, wie er auf den Schreibtisch von Alex zuging und sich die frisch gedruckten Bilder nahm.

„Dann wollen wir mal sehen, was auf den Fotos so zu sehen ist.“ Er nahm das erste Bild in die Hand und betrachtete es eine Weile bis er es uns reichte. Alex nahm ihm das Foto ab und platzierte es an der Metaplanwand. Wir konnten einige Lücken füllen. Mittlerweile hatte ich das Gefühl auf der Feier dabei gewesen zu sein, so viele Bilder hatten wir uns schon angesehen.

„Man, man, man...“, hörte ich Fritz sagen, als wir die Hälfte der Bilder bereits an der Wand befestigt hatten. „Die Frau konnte sich wohl nicht entscheiden, welchen Mann sie an dem Abend wollte.“

„Fritz“, mahnte ich ihn.

„Was denn?“, fragte er unschuldig.

„Das sollte hier keine Rolle spielen, außer du findest ein Foto, wo sie mit dem Opfer auf dem Balkon knutscht.“ Ich sah das Foto an, dass mir Fritz reichte.
 

Wieder waren es die selben Personen und jeden von ihnen hatten wir befragen. Es war frustrierend.

„Das bringt uns nicht weiter“, fluchte ich und befestigte ein weiteres Foto. Ich drehte mich wieder zu Fritz, damit er mir ein neues Bild reichte. Fritz sah nachdenklich auf die Schnappschüsse, die er in der Hand hielt.

„Manchmal muss man geduldig sein um das zu finden, was man sucht, Bielefeld“, sagte er mit einem seltsamen Unterton ohne mich anzusehen. Dann nahm er ein weiteres Bild und reichte es Alex der

an der Wand befestigte und mit ein wenig Abstand betrachtete.

„Die junge Dame muss ja wirklich betrunken gewesen sein“, sagte Alex. Ich konnte darauf nichts erwidern und auch Fritz blieb stumm.
 

Ich beäugte ihn von der Seite. Aber er blickte weiter konzentriert auf die Fotos vor ihm. Mich erinnerte Alex Anmerkung wieder an den Abend, an dem Fritz mich am Taxistand geküsst hatte. Auch ich war betrunken. Ich fühlte mich augenblicklich unwohl. Ich wollte mich nicht erinnern, nicht daran denken und doch tat ich es schon wieder.
 

Ich hatte gehofft, dass nach dem Gespräch mit Fritz die Sache für mich erledigt sei. Aber das war nicht der Fall. Ich erwischte mich, wie ich ihn manchmal gedankenverloren anstarrte. Ich legte noch immer jedes Wort von ihm auf die Goldwaage, während er sein Verhalten mir gegenüber nicht geändert hatte. Ich überspielte das meistens mit nicht immer passenden Sprüchen oder suchte mir Aufgaben im Außendienst, um vor ihm fliehen zu können. Warum hatte ich nur so viele Probleme mit der Sache? Vielleicht beschäftigte es mich so sehr, weil ich befürchtete wieder den gleichen Fehler wie in Bielefeld gemacht zu haben? Ich wollte mein Team nicht verlieren. Ich wollte Fritz nicht verlieren
 

Mir war klar, dass der Innendienst an Fritz zerrte. Er war nicht der Typ der seine Zeit hinter einem Schreibtisch verbringen wollte. Er musste raus um Verbrecher zu jagen und nicht in Akten nach ihnen zu suchen.

Unseren Kollegen was es ebenfalls aufgefallen. Ewald hatte schon gewitzelt, dass jemand mit Fritz unbedingt mal wieder Gassi gehen sollte. War das der Grund für seine häufigen Stimmungsschwankungen? Machte ich aus einer Mücke einen Elefanten und brachte ihn damit zur Weißglut?
 

„Was ist los?“, fragte Alex plötzlich. Ich sah zu ihm und sah, dass er Fritz anblickte. Fritz sah uns konzentriert an.

„Ich glaube, wir haben hier jemand Neuen.“ Alex und ich gingen auf Fritz zu und er zeigte uns das Bild. Er hatte Recht. Mir fiel sofort der Mann im Hintergrund auf. Er stand weder auf der Gästeliste, noch hatten die Kollegen seine Personalien aufgenommen, auch auf keinem weiteren Foto war er zu sehen.

„Das Foto wurde um 1:42 Uhr gemacht. Passt also auch in den Zeitraum, in dem die Tat verübt wurde“, sagte ich und beide stimmten mir zu.

„Ist er noch auf anderen Fotos zu sehen?“, fragte Alex. Wir gingen die restlichen Fotos durch, aber er war auf keinem weiteren Bild. Ich nahm Fritz das Foto ab und machte mich auf den Weg in mein Büro.

„Wo willst du denn hin?“, rief er mir hinterher. Ich drehte mich noch einmal zu ihm.

„Es sollte doch offensichtlich sein, dass ich Frau Becker anrufe. Vielleicht weiß sie wer das ist.“ Als er nichts erwiderte, drehte ich mich um und setzte meinen Weg fort.
 

„Seinen Namen kenn ich nicht“, sagte Frau Becker übers Telefon. „Aber er ist mit einer Kommilitonin von mir zusammen. Christine Felber heißt sie.“

Christine Felber? Diesen Namen kannte ich. Sie junge Frau hatte gerade erst heute Morgen an meinem Schreibtisch einige Fragen beantwortet.

„Vielen Dank, Frau Becker. Sie haben uns sehr geholfen. Wir melden uns, wenn wir noch weitere Fragen haben sollten.“ Nach dem Gespräch suchte ich die Unterlagen von Frau Felber raus.

Wenn sie genauso offen diese gläserne Facebook-Kultur lebte wie die anderen, konnte ich darüber die Identität des Mannes auf dem Foto rausfinden. Es dauerte nicht lange bis ich fündig wurde. Ich druckte die Unterlage, schnappte mir das Blatt und ging wieder ins Büro meiner Kollegen.
 

„Thomas Grünert“, sagte ich als ich den Raum betrat. „Das ist unser Mann.“

„Das ging schnell Sherlock“, sagte Alex und grinste mich an.

„Sherlock hätte damit früher vielleicht größere Probleme gehabt. Aber in Zeiten von Facebook und Co... Ihr wollt gar nicht wissen, was ich alles über seine Freundin rausgefunden habe.“ Ich ging auf die beiden zu und überreichte ihnen den Ausdruck.

„Wie kommst du auf seine Freundin?“, fragte Fritz.

„Seine Freundin ist Christine Felber. Ich habe sie heute Morgen verhört. Sie stand auf der Gästeliste, ist aber nicht zur Feier gegangen. Andreas Richter und sie hatten kurz vor der Feier einen Streit.“ Beide wurden hellhörig.

„Worum ging der Streit?“, wollte Alex wissen.

„Die beiden haben in einem Fotokurs zusammengearbeitet. Sie hat gemodelt und er hat die Fotos gemacht. Im Nachgang waren ihr diese aber zu freizügig. Sie wollte nicht, dass er sie veröffentlich.“

„Er war natürlich anderer Meinung.“ Ich konnte der Vermutung von Fritz nur zustimmen. Meine beiden Kollegen sahen sich vielsagend an.
 

„Thomas Grünert war gewiss nicht glücklich, dass Nacktbilder von seiner Freundin veröffentlich werden sollten“, sagte Alex und sah Fritz und mich an.

„Das werden wir rausfinden“, bestätigte ich. Alex nickte mir zu, sah aber dann auf die Uhr. Ich schaute ihn etwas verwirrt hinterher, als er zu seinem Schreibtisch ging und sich seine Jacke schnappte.

„Ja, aber nicht mehr heute, Josephine“, entgegnete er mir und zog sich langsam die Jacke an. Ich sah ihn fragend an. Was meinte er damit?

„Nicht mehr heute?“, sagte ich und nahm Fritz das Bild ab, wo der junge Mann drauf zu sehen war. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. „Jungs, der Typ ist tatverdächtig. Er könnte der Mörder von Andreas Richter sein.“

„Könnte, Josephine. Wir haben keinen Beweis. Ewald ist weg. Wir würden eine Weile brauchen, bis wir seine Adresse haben. Schau auf die Uhr. Es ist schon spät. Wir kriegen heute Abend niemanden mehr für eine Befragung. Reicht es dir nicht, wenn du ihm morgen die Handschellen anlegen kannst?“
 

Beide sahen mir an, dass ich nicht zufrieden war. Wie konnten sie jetzt einfach Feierabend machen, wo wir vielleicht den Mörder hatten. Alex knöpfte seine Jacke zu, während er mich noch immer ansah. „Hör zu, Josephine. Lass uns morgen weitermachen. Wir werden heute Abend niemanden mehr verhören. Wenn ich heute nicht pünktlich Zuhause bin, damit Caroline zum Joga kann, dann verspreche ich dir werde ICH wohl das nächste Mordopfer sein.“ Er kam auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter. „Tut mir leid.“

Alex verabschiedete sich noch von Fritz und verschwand aus dem Büro.
 

Ich blickte Fritz verständnislos an als wir alleine waren. Unter anderen Umständen hätte ich heute noch darauf hoffen können mit ihm diesen Thomas Grünert aufzusuchen.

„Mich brauchst du nicht so ansehen, Bielefeld. Ich bin raus. Ich habe Innendienst.“

„Ja“, sagte ich gedehnt als ich ihm entnervt die Unterlagen aus den Händen nahm und mich von ihm wegdrehte. „Ich weiß. Ich weiß“, murmelte ich und machte mich auf den Weg in mein Büro. Ich hörte wie er mir folgte, als ich zu meinem Schreibtisch ging.

„Was ist?“, fragte ich als ich mich in meinen Bürostuhl setzte.

„Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragte er mich vorsichtig. Eigentlich war die Frage wirklich lieb von ihm, trotzdem verengte ich meine Augen.

„Du willst doch nur sicherstellen, dass ich mich nicht alleine auf die Suche nach dem Typen mache.“ Als er mit den Achseln zuckte atmete ich frustriert aus. „Du hättest es zumindest leugnen können“, sagte ich genervt.
 

Die Lösung lag vielleicht direkt vor uns. Trotzdem wollten beiden, dass ich bis morgen warte? In mir sträubte sich alles dagegen, aber ich hatte wohl keine andere Wahl. Ich atmete tief durch um mich zu beruhigen. Im selben Moment dachte ich an die Worte von Fritz. `Manchmal muss man geduldig sein um das zu finden, was man sucht...´

Es war ungewöhnlich so etwas von Fritz zu hören. Aber ich musste ihm Recht geben. Ich wollte, dass die Teamarbeit funktioniert. Also musste ich für Kompromisse offen sein und Geduld zeigen.

Ich öffnete mein Mailprogramm um Waldi die nötigen Daten rüberzuschicken. Da Fritz noch immer im Büro stand drehte ich mich zu ihm.
 

„Wartest du auf was?“

„Ja, auf ein Antwort“, entgegnete er knapp.

Ich drehte mich zu ihm und versuchte zu lächeln. Ich war mir sicher, dass es gequält wirkte. „Danke fürs Angebot, Fritz. Aber ich werde den Bus nehmen.“

Ich sah ihn fragend an, als er nichts erwiderte. Er schwieg mich weiterhin an. Die Stille machte mich nervös. Ich versuchte die Unsicherheit zu überspielen und reckte mein Kinn. „Sind wir jetzt mit dem Babysitting durch oder willst du mich auch noch zum Bus bringen?“
 

Er zog seine Augenbrauen zusammen, als er mich unzufrieden ansah. Ich konnte hören, wie er schwer ausatmete. Mir war bewusst, dass meine Worte nicht besonders höflich formuliert waren. Aber manchmal konnte ich einfach nicht anders, auch wenn es mir schon jetzt leid tat, dass ich ihn so bissig angefahren hatte. Ich ärgerte mich über mich selbst. Warum konnte ich nicht normal mit ihm umgehen? Er hatte doch nichts falsch gemacht. Er drehte sich wortlos um und ging in sein Büro.

„Fritz“, rief ich. Er ging noch einige Schritte, blieb dann aber stehen und sah mich über die Schulter hinweg an. Es war an der Zeit endlich wieder rational mit meinem Partner zusammenzuarbeiten.
 

„Was ist?“, wollte er wissen. Ich konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht deuten und musste schlucken. Ich atmete einmal durch und lächelte ihn vorsichtig an.

„Ich muss noch eine Mail an Waldi schreiben. Danach würde ich für heute auf die Verbrecherjagt verzichten und Feierabend machen. Gehen wir gemeinsam?“ Als er nichts sagte, fühlte ich mich wieder unbehaglich. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht wieder irgendwas Unpassendes zu sagen. Fritz sah zu Boden und ich dachte schon, dass er ohne mir zu antworten gehen würde, aber dann sah er mich an und fing an zu lächeln.

„Ich fahr nur noch meinen PC runter, dann können wir los.“

Ich erwiderte sein Lächeln. „Ich bin dann gleich bei dir, schreibe nur noch schnell die Mail an Waldi.“
 

Fritz verschwand in seinem Büro und ich schrieb schnell die Nachricht zu Ende, bevor wir uns auf den Weg zum Parkplatz machten.

„Ich soll dich wirklich nicht fahren?“, fragte er mich erneut, als wir auf dem Weg nach draußen waren.

„Nein, wirklich nicht. Das wäre ein viel zu großer Umweg. Aber schön, dass du dir Sorgen um mich machst.“

„Ich mache mir doch keine Sorgen um dich. Eher um die armen Verbrecher, die dir vielleicht in die Arme laufen könnten.“ Fritz grinste mich frech an und ich rollte (konnte nur) mit den Augen (rollen).

„Ich verstehe sowieso nicht, warum du dir nicht endlich eine Plakette für den Wagen holst“, sagte er, als wir den Flur entlang gingen.

„Ich werde mir eh bald einen Neuen holen müssen. Meiner wird nicht mehr lange machen.“

„Weißt du denn schon, was es für einer werden soll?“, fragte er mich.

„Ich mag meinen Jetzigen. Ich denke, dass ich mir den Nachfolger holen werde.“
 

Draußen angekommen hatte ich mich schon fast zum Gehen abgewandt als ich mich doch noch einmal zu ihm umdrehte. „Ihr wartet doch morgen auf mich?“

„Du hast also vor morgen später anzufangen?“, fragte er mich.

„Ja, habe noch einen Termin. Werde wohl gegen zehn Uhr da sein.

„Ich denke, solange wird Alex wohl warten können. Wir wollen dir ja nicht den Spaß nehmen, den Täter wieder dingfest zu machen.“ Er lächelte mich verspielt an und auch ich konnte ihn endlich entspannt anlächeln.

„Dann verpass nicht deinen Bus“, sagte er, als er seinen Wagen nach einem Moment der Stille öffnete.

„Du hast Recht. Ich sollte mich auf den Weg machen. Nacht, Fritz.“

„Nacht, Bielefeld“, erwiderte er.
 

***
 

„Ich frage Sie noch einmal, Herr Grünert“, hörte ich die Stimme von Fritz durch die Lautsprecher. „Haben Sie Herrn Richter geschlagen an dem Abend?“

Ich saß neben Ewald und wir schauten beide auf den Monitor vor uns. So konnten wir den Tatverdächtigen beobachten, der von Fritz und Alex verhört wurde. Wieder einmal war ich am Verhör nicht beteiligt. Mir war es schleierhaft, wie die beiden das immer hinbekamen. Aber zumindest hatte man mir gewährt Herrn Grünert heute Morgen festzunehmen. Ich hatte es durchgehen lassen, weil ich gestern etwas zickig gewesen war.
 

Er verschränkte seine tätowierten Arme, als er Fritz und Alex abwechseln beobachtete ohne was zu sagen. Ich versuchte Verletzungen an seinen Händen zu finden, aber nach über zwei Wochen konnten wir wohl nicht mehr erwarten etwas zu erkennen. Tereza hatte Blessuren beim Opfer entdeckt, die auf einen Schlag ins Gesicht deuteten. Vielleicht hatte Herr Grünert also das Opfer geschlagen, bevor er ihn über den Balkon gestoßen hatte. Mit seinem muskulösen Körperbau hatte er auf jeden Fall die Kraft dafür.
 

„Herr Grünert“, warnte Fritz ihn, als er noch immer schwieg und meine beiden Kollegen mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah.

„Ich war sauer“, begann er schließlich mit einem rauen, aber energischen Tonfall. „Der wollte Nacktfoto von meiner Freundin veröffentlichen... Was würden Sie denn tun? Erst bringt er Christine dazu sich vor ihm auszuziehen und dann macht er auch noch Fotos von ihr, die er der ganzen Welt zeigen will. Das konnte ich doch nicht so stehen lassen.“

„Also haben Sie ihn ins Gesicht geschlagen?“, schlussfolgerte Alex. Unser Tatverdächtiger nickte.

„Und dann haben Sie ihn vom Balkon gestoßen“, sagte Fritz ruhig.

„Nein, Herrgott noch mal. Ich habe ihn doch nicht getötet“, sagte er entschieden. „Ich habe ihm eine gescheuert. Ja, das gebe ich zu. Ich habe ihm gesagt, dass er die Finger von Christine lassen und mir die Bilder und die Negativen geben soll. Er meinte, dass die Bilder sein Vermächtnis an die Welt seien und er mir die Fotos nicht geben würde. Daraufhin habe ich ihm eine geknallt und bin gegangen. Aber ich habe ihn nicht vom Balkon gestoßen.“
 

Fritz und Alex ließen nicht locker. Die Befragung dauerte an und ich konnte die Erschöpfung in den Augen des jungen Mannes sehen. Entweder war er ein sehr guter Lügner oder er war wirklich unschuldig. Aber wenn dieser Mann unser Opfer nicht umgebracht hatte, waren wir wieder bei Null. Er blieb bei seiner Aussage und langsam bekam ich das Gefühl, dass er die Wahrheit sagte. Aber wenn er nicht der Täter war, gab er nur noch eine Möglichkeit...
 

Es klopfte an unserer Tür und ein junger Mann betrat den Raum. Ich stand vom Stuhl auf und ging auf ihn zu.

„Hallo“, sagte ich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bin Martin Felber“, begann er. „Der Bruder von Christine Felber.“ Im nächsten Moment sah er an mir vorbei und zum Monitor, auf dem Herr Grünert zu sehen war.

„Er war es nicht“, sagte Herr Felber, als er mich wieder ansah. Ich folgte seinem Blick zum Monitor, dann blickte ich ihn wieder an.

„Ich gehe davon aus, dass Sie eine Aussage machen möchten?“, fragte ich ihn.

Nachdem Herr Felber die Frage bejahte, wandte ich mich an Waldi. „Kannst du dich bitte kurz um Herrn Felber kümmern? Ich hole die Jungs.“ Ewald nickte. Dann sah ich wieder Herrn Felber an. „Warten Sie hier bitte auf mich.“ Im nächsten Moment war ich auch schon aus dem Zimmer verschwunden.
 

Ich klopfte an die Tür, bevor ich eintrat. Fritz und Alex sahen mich fragend an. „Ihr solltet vielleicht kurz hier unterbrechen“, ließ ich beide wissen. Fritz zog die Augenbrauen hoch.

„Bielefeld, wir sind hier mitten in einem Verhör“, entgegnete er und deutete auf Herrn Grünert.

„Das weiß ich, Fritz“, antwortete ich ruhig. „Aber hier draußen wartet jemand, der eine Aussage machen will. Und es könnte dieses Verhör hier völlig verändern“, sagte ich mit Nachdruck und sah beide eindringlich an. Sie verstanden und folgte mir nach draußen.
 

Wir gingen zu Herrn Felber, der mit Waldi zusammen im Büro auf uns wartete. Fritz und Alex stellten sich vor und begrüßten ihn.

„Sie wollen eine Aussage machen, Herr Felber“, erinnerte ich ihn und forderte ihn auf anzufangen.

„Ja, das will ich.“

„Warum glauben Sie, dass Herr Thomas Grünert unschuldig ist?“, fragte ich Herrn Felber.

„Weil ich den Abend mit ihm in einer Bar verbracht habe.“

Die Jungs sahen ihn genauso skeptisch an, wie ich es tat. War es ein verzweifelter Versuch Herrn Grünert ein Alibi zu verschaffen? „Aber wir haben Fotos von ihm und er hat auch zugegeben, dass er da war und einen Streit mit dem Opfer hatte“, entgegnete ich Herrn Felber.

Der junge Mann nickte zustimmend. „Ich habe auch nicht gesagt, dass wir nicht da gewesen sind.“
 

„Wir?“, fragte Alex. „Sie waren also auch da?“

„Ja, ich war auch da. Thomas wusste nicht wo Andreas wohnte, deswegen habe ich ihn hingebracht. Wir hatten uns verabredet für einen Männerabend im `Finnegan´s Irish Pub´ in Steglitz. Er war sehr betrunken und fing die ganze Zeit an über die Fotos zu faseln. Ich sagte ihm, er sollte mit Andreas darüber reden. Er sei vielleicht ein wenig abgehoben manchmal, wenn es um seine Kunst ging, aber generell konnte man mit Andreas vernünftig reden. Ich wusste nicht, dass dort eine Party stattfand.“ Er machte eine kurze Pause und gab uns Zeit über das gesagte nachzudenken.

Ich verengte meine Augen, da mir etwas nicht ganz nachvollziehbar erschien. „Aber es war doch schon nach Mitternacht“, wandte ich ein. „Wenn Sie nicht wussten, dass eine Feier geplant war, warum sind Sie da noch hingefahren? Jeder normale Mensch schläft um so eine Uhrzeit.“
 

„Andreas schlief nie vor 3 Uhr“, informierte Herr Felber uns. „Er war ein Nachtschwärmer und entwickelte am liebsten Nachts seine Fotos. Ich hatte Christine oft von ihm abholen müssen, weil es sehr spät geworden war und sie nicht alleine durch Berlin fahren sollte. Ich war mir sicher, dass er noch wach war.“

„Was ist dann passiert?“, fragte Fritz nach.

„Wir sind mit dem Taxi hingefahren und ich habe unten gewartet. Es hat mir aber zu lange gedauert. Also bin ich nach oben gegangen. Habe die beiden streitend auf dem Balkon gefunden. Thomas hatte Andreas gerade ordentlich eine gewischt und ich bin dazwischen gegangen. Ich musste ihn halb aus der Wohnung zerren. Er war sehr aufgebracht, beruhigte sich aber als wir wieder draußen waren. Den Rest der Nacht waren wir im Irish Pub. Aber eines ist sicher: Thomas ist nicht verantwortlich dafür, dass Andreas vom Balkon gestürzt ist. Andreas war noch sehr lebendig, als wir los sind.“
 

Ich sah Alex und Fritz an. Beide sahen nachdenklich aus, ließen die Informationen langsam sacken. Die Aussage von Herrn Felber klang plausibel. Natürlich mussten wir das Ganze noch überprüfen. Wenn das Alibi sauber war, standen wir wieder ganz am Anfang. Und langsam bekam ich ein ungutes Gefühl.
 

***
 

„Und?“, fragte ich Fritz, als dieser ins Büro kam.

„Der Taxiservice hat eine Fahrt mit zwei Männern um die 25 Jahre um 1:50 Uhr von der Wohnung zum Irish Pub bestätigt. Die Leute vom Irish Pub konnten wir noch nicht erreichen. Alex ist gerade dran und versucht da jemanden zu erwischen.“

Fritz stand neben mir, als ich auf meinem Stuhl sitzend zu ihm hoch sah. Er stand mit verschränkten Armen vor mir und schnaubte. „Es ist unglaublich, dass wir diesen Grünert wirklich gehen lassen mussten.“

„Aber wieso festhalten, wenn er es nicht wahr?“, fragte ich ihn nachdenklich.

„Du glaubst an seine Unschuld?“, entgegnete er mir skeptisch.

„Du nicht?“, fragte ich.

„Ich weiß nicht“, begann er. „Ich weiß nur, dass er der Einzige ist, den wir bisher als Tatverdächtigen festnehmen konnten. Alles spricht gegen ihn, außer die Aussage vom Schwager. Und der könnte auch ein Mittäter sein. Immerhin ist dieser Grünert bereits polizeilich bekannt wegen Körperverletzung.“

Natürlich hatte Fritz Recht. Aber als ich alle Fakten in Gedanken noch einmal durchging, ergriff mich wieder dieses ungute Gefühl.
 

„Dir geht doch schon wieder etwas durch den Kopf, Bielefeld“, sagte Fritz, als er sich an meinen Schreibtisch lehnte und mit seinem Zeigefinger auf seine Schläfe klopfte.

„Weißt du, Fritz“, begann ich und lehnte mich mit verschränkten Armen in meinen Stuhl zurück. „Bei uns auf dem Dorf gab es eine alte Dame, die sich immer beklagt hat, dass irgendjemand ihre Eier über Nacht klaute. Sie lagen nicht mehr im Nest, wie sonst. Das ging etliche Tage so. Wir hielten als Kinder sogar einmal Wache, um den Täter zu überführen. Später stellte sich raus, dass niemand ihr jemals auch nur ein Eier geklaut hat. Ein Großteil der Hühner war einfach zu alt und legte nicht mehr und die beiden jungen Hühner hatten ihre Eier nie ins Nest gelegt, sondern immer draußen ins Gras. Es war erst ihrem Enkel nach etlichen Wochen beim Rasenmähen aufgefallen.“
 

Fritz sah mich stirnrunzelnd an. Offensichtlich verstand er nicht, was ich ihm damit sagen wollte.

„Würdest du mir bitte erläutern, was du mir mit dieser Dorfgeschichte sagen willst? “ Ich zog eine Augenbraue hoch.

„Ich möchte damit sagen, dass wir jede Nacht hätten Wache schieben können vor diesem Hühnerstall und nie einen Täter entdeckt hätten, weil es keinen gab.“ Er sah mich noch immer stirnrunzelnd an, ohne etwas zu sagen. Ich konnte sehen, dass Fritz über die Worte nachdachte.

„Kein Täter?“, begann er skeptisch. „Meinst du, dass er ohne Fremdverschulden vom Balkon gestürzt ist?“

„Wir haben doch nur einen Mordverdacht nicht ausschließen können wegen des Streits auf dem Balkon und den Verletzungen im Gesicht, die nicht vom Sturz stammten. Aber wenn diese Hinweise nicht zu dem Sturz geführt haben...“

„Du redest von Selbstmord?“, unterbrach er mich.

Ich sah ihn ernst an. „Oder kannst du mir eine andere Erklärung liefern?“
 

Wir schwiegen beide für eine Weile. Er blickte im Raum umher und ich tippte mit meinen Fingern auf dem Schreibtisch, als mein Handy anfing zu vibrieren. Ich beugte mich vor, um auf den Display zu sehen. Als ich den Namen las, ergriff ich schnell das Handy, bevor Fritz ebenfalls den Namen lesen konnte. Ich stand auf.

„Ich gehe mir mal ´nen Kaffee holen“, sagte ich und verließ den Raum. Sobald ich das Zimmer verlassen hatte antwortete ich dem Anrufer.

„Herr Altenburg...“

„Hallo Frau Klick“, begann er. „Was macht der Fall?“, fragte er mich mit freundlicher Stimme. Ich war verwundert. Warum rief er mich an? Er hatte doch gesagt, dass er warten würde, bis der Fall abgeschlossen sei. „Machen Sie Fortschritte?“

„Wir stecken gerade ein wenig fest“, antwortete ich. „Ich weiß nicht, wie lange wir noch für den Fall brauchen. Sonst hätte ich mich auch schon längst bei Ihnen gemeldet.“

„Das versteh ich.“ Er schwieg, setzte im nächsten Moment aber wieder erneut an. „Ich muss Ende nächster Woche nach Frankfurt auf einen mehrwöchigen Lehrgang“, informierte er mich.

„Oh“, sagte ich nur. Warum erzählte er mir das? „Wie lange wird der dauern?“

„Er ist für drei Wochen angedacht“, teilte er mir mit, schwieg dann wieder für einen Augenblick. „Frau Klick, ich kann verstehen, wenn Sie gerade viel zu tun haben“, setzt er erneut an. „Aber ich habe mir gedacht, dass ich Ihnen vielleicht eine Kopie der Akte vorbeibringen könnte. Auch wenn Sie noch keine Zeit dafür haben. Vielleicht passt es ja irgendwann, während ich in Frankfurt bin. Ich fände es schade, wenn es sich wegen meiner Abwesenheit noch weiter nach hinten verschieben würde.“

Jetzt verstand ich, warum er angerufen hatte.

„Ja“, stimmte ich ihm zu. „Das ist eine gute Idee. Ich würde mich dann in den Fall einlesen, sobald es zeitlich passt.“

„Vielleicht können wir uns ja auf einen Kaffee morgen treffen“, schlug er vor.
 

Ich stutzte einen Augenblick. Auf einen Kaffee treffen? Vielleicht wäre es nicht gut, wenn man uns irgendwo in einem Cafè mitten in Berlin sichten würde. Der Fall von Fritz war noch nicht lange her und man könnte etwas Falsches annehmen.

Wie konnte ich das Problem diplomatisch lösen? Selbst wenn ich dem Fall zustimmen würde, wüsste ich noch nicht wann ich den Chef danach fragen konnte. Wie lange sollten wir warten, um genug Gras über den Fall von Fritz wachsen zu lassen?
 

Es machte keinen Sinn jetzt darüber nachzudenken. Ich hatte den Fall noch nicht einmal gelesen. Vermutlich konnte ich ihm gar nicht helfen. Auch wenn er sich anscheinend sicher war.

„Ich habe momentan wirklich sehr wenig Zeit, Herr Altenburg“, begann ich zögernd. „Vielleicht kann mir Sophia die Unterlagen vorbei bringen?“

„Sie denken, dass ich mich noch nicht wieder auf dem Revier blicken lassen kann?“, fragte er ernsthaft besorgt.

„Ich weiß es nicht“, antwortete ich ehrlich. „Aber ich denke in einigen Wochen, sollte das kein Problem mehr sein.“
 

Ein längeres Schweigen breitete sich am anderen Ende aus. „Na gut“, willigte er ein. „Ich werde Sophia vorbei schicken, sobald es passt.“

Er verabschiedete sich von mir und wir beendete das Gespräch. Ich ging zum Getränkeautomaten und zog mir in aller Ruhe einen Kaffee. Ich war etwas erschöpft und brauchte jetzt ein starkes Getränk, welches mich durch den Rest des Tages bringen würde. Mit dem Kaffeebecher bewaffnet, machte ich mich wieder auf den Weg in mein Büro.
 

Im Zimmer angekommen, lehnte Fritz noch immer - mit vor der Brust verschränkten Armen - an meinem Schreibtisch.

„Den Kaffee zu holen, hat ja ganz schön lange gedauert“, sagte er und klang dabei ein wenig schroff.

Ich sah ihn erstaunt an. Woher kam der Stimmungswechsel? Ich hatte doch verhindert, dass er sehen oder hören konnte, dass Herr Altenburg angerufen hatte. Er reagierte immer so schrecklich empfindlich, wenn es um diesen Mann ging.

„Wieso gehst du eigentlich immer raus beim Telefonieren?“ In seiner Stimme klang ein gereizter Unterton mit.

“Ist es dir lieber, wenn ich meine ganzen privaten Gespräche im Büro erledige und meine Kollegen damit behellige?“, sagte ich in neutralem Ton.
 

Er ging jedoch nicht weiter darauf ein. „Was hast du denn so Wichtiges zu besprechen? War das schon wieder dieser Altenburg?“ Ich seufzte. Ich hatte schon befürchtet, dass er es erahnen würde.

„Ja war er“, bestätigte ich seine Vermutung. Ich konnte sehen, wie der Kieferknochen von Fritz anfingen zu arbeiten, wie sich die Augenbrauen langsam zusammenzogen und er mich ernst ansah. Ich fuhr in ruhigem Ton fort.

„Fritz, haben wir nicht schon einmal darüber gesprochen, dass ich das Recht habe, dass Privates privat bleibt?“

Ich konnte ein Funkeln in seinen Augen erkennen. Es war ein gefährliches Funkeln. Er stieß sich vom Schreibtisch ab und kam langsam auf mich zu, fixierte mich.

„Was hast du denn mit diesem Typen zu klären, was du als privat bezeichnen würdest?“, fragte er mich in einem erschreckend ruhigen Ton.

Langsam begann auch ich mich innerlich anzuspannen. Es hatte sich doch gerade erst alles zwischen uns einigermaßen normalisiert. Ich wollte jetzt nicht schon wieder einen unnötigen Streit provozieren, aber ich war auch nicht bereit nachzugeben.
 

Mein Telefon klingelte in diesem Moment und ich konnte sehen, dass sich der Blick von Fritz noch

mehr verfinsterte, wenn das überhaupt möglich war. Ich holt mein Handy aus meiner Jackentasche. Aber noch bevor ich ans Telefon gehen konnte, schnappte sich Fritz mein Handy und beantwortete den Anruf.

„Jetzt hören Sie endlich auf meine Kollegin ständig zu belästigen“, begann Fritz in einem energischen Tonfall. „Das ist ja nicht zum Aushalten. Vielleicht können Sie es sich schwer vorstellen, aber wir sind im Dienst und haben wichtigeres zu tun, als nur auf Anrufe von Leuten wie Ihnen zu warten...“

Fritz holte Luft und ich konnte in seinem Ausdruck sehen, dass er dem Anrufer noch einiges an den Kopf werfen wollte, aber plötzlich hielt er inne und wurde ganz ruhig.
 

Als seine Augen sich weiteten wurde ich hellhörig. Ich versuchte zu lauschen, was am anderen Ende gesagt wurde, konnte aber nichts verstehen.

„Na-natürlich“, sagte Fritz. Seine Tonlage hatte sich völlig geändert. Er klang beinahe unsicher. Neugierig sah ich ihn an als er mir langsam das Handy reichte. Er schaut mich schuldbewusst an, vermied aber den Blickkontakt mit mir und sah zu Boden.

„Dein Vater“, sagte er zögernd.
 

Ich musste laut Auflachen, als ich den Gesichtsausdruck von Fritz saß. Beinahe hätte man ihn als niedlich bezeichnen können. Es musste ihm peinlich sein, das konnte ich ihm ansehen. Ich fand, dass ihm dieser sanfte Gesichtsausdruck stand. Ich kicherte noch als ich das Telefon an mein Ohr nahm.

„Papa?“, fragte ich.

„Kleines“, antwortete er. „Was ist denn bei euch los? Ist alles ok mit deinem Kollegen?“

„Ja, keine Sorge“, entgegnete ich. „Fritz meinte das nicht so. Er hat dich mit jemanden verwechselt.“ Ich sah Fritz an und zog meine Augenbrauen hoch. Er drehte sich grummelnd weg. Ich musste innerlich grinsen.

„Warum rufst du an?“, fragte ich meinen Vater.

„Bist du das Wochenende auf dem Gestüt?“

„Ja, bin ich“, antwortete ich verwundert. „Warum willst du das wissen?“

„Ich wollte das Wochenende hochkommen und dich und Viktor besuchen. Der neue Hengst soll ja ein Prachtexemplar sein.“

„Ja, Viktor hat ein gutes Händchen für solche Sachen. Der Hengst ist sehr gut ausgewählt.“

„Ich komme Samstag Vormittag. Würde dir das passen?“

„Natürlich passt das.“ Wir sprachen noch einen Moment miteinander und verabschiedeten uns.

Sobald ich mein Handy wieder in meiner Jackentasche verstaut hatte, nahm ich ein Schluck Kaffee und sah Fritz an. Er mied meinen Blick.

„Mein Vater lässt dich grüßen“, setzte ich an. „Er weiß es sehr zu schätzen, dass du versuchst mich vor Stalkern zu bewahren und ich soll dir seine Entschuldigung aussprechen, dass er uns bei der Arbeit gestört hat.“

„Du weißt doch, dass ich das gar nicht zu ihm sagen wollte“, gab er unzufrieden zurück.

„Hast du aber...“, sagte ich leichthin und zuckte die Schultern. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr. „Wo bleibt eigentlich Alex?“, wunderte ich mich. „Vielleicht sollte wir mal nach ihm sehen.“ Fritz folgte mir als ich in das Büro der beiden ging. Ich fand Alex an seinem Schreibtisch. Er telefonierte gerade.

„Ja, es kommt gerade an“, sagte er. „Vielen Dank für die Information. Sagen Sie bitte Herrn Richter, dass uns das allen schrecklich leid tut. Ja, ich weiß Bescheid. Wenn noch was sein sollte, melden wir uns. Vielen Dank.“ Alex legt auf und atmete schwer bevor er uns ansah.
 

„Was ist los“, fragten Fritz und ich im selben Moment.

„Selbstmord“, antwortet Alex. Er schien noch ein wenig verwirrt zu sein von der Information. Einen Moment lang herrschte Stille. Wir wussten natürlich, was er mit diesem einen Wort meinte. Gerade vor wenigen Minuten hatten wir doch selber noch über diese Möglichkeit gesprochen. Zum Schluss hatte ich es also doch geahnt. Das war natürlich auch der Grund, warum wir keine Beweise finden konnten.

Fritz stöhnte auf. „Ich glaube es nicht. Bielefeld hat schon wieder Recht.“ Ich musste mir bei seinem gequälten Gesicht ein Grinsen verkneifen.

Alex sah Fritz fragend an. „Wie meinst du das?“

„Während du hier telefoniert hast, hat Bielefeld den Schluss gezogen, dass es sich um Selbstmord handeln müsse, wenn der Streit auf dem Balkon nicht zum Sturz führte.“ Alex sah zu mir und zog fragend die Augenbrauen hoch.
 

„Es war nur eine Vermutung“, sagte ich.

„Es war auf jeden Fall nichts im Affekt. Er hat am Tag der Party einen Brief im Postamt abgegeben. Der Brief ging nach Seoul zur Firma vom Vater. Es handelt sich um einen Abschiedsbrief. Er scheint das alles geplant zu haben“, sagte Alex, als er zum Fax ging und den Ausdruck holte.

„Der Abschiedsbrief“, sagte Alex. „Der Vater hat die Handschrift bestätigt und die Sekretärin hat uns eine Kopie gefaxt.“

„Also ist der Fall abgeschlossen?“

Alex nickte mir zu. „Abgesehen davon, dass wir den Fall den Kollegen übergeben müssen, sind wir mir allem durch. Auch das Alibi von Grünert und Felber wurde bestätigt. Es gibt also nichts mehr für uns zu tun. Ihr wisst doch was das heißt, oder?“
 

Als Fritz und ich ihn fragend ansahen begann er zu grinsen. „Wir können heute Nachmittag am Schießtraining teilnehmen“, sagte Alex und sah uns unschuldig an. Ich rollte mit den Augen und selbst Fritz schüttelte mit dem Kopf. Es war eher untypisch für Alex so etwas `Unkorrektes´ zu sagen. Aber genau das war unser Beruf. Und so grausam es war, der Alltag ging weiter.
 

***
 

„Bielefeld“, sagte Fritz, der neben mir an den Schießstand trat, als ich gerade damit beschäftigt war, meine Dienstwaffe nachzuladen.

„Ja?“, fragte ich.

Er lächelte mich verschmitzt an. „Du hast auch schon mal besser getroffen“, sagte er, deutete auf die Zielscheibe vor mir und sah mich herausfordernd an.

„Vielleicht“, sagte ich leichthin und tat gelangweilt. „Und trotzdem bin ich um einige Punkte besser als du.“ Es überraschte mich, dass er darauf nicht reagierte und was fieses erwiderte. Er lächelte mich weiterhin nur an.

„Was hast du eigentlich am Wochenende vor?“, fragte er mich, als ich erneut meine Waffe nachladen musste. Ich wandte mich zu ihm. Hatte er dem Telefonat heute doch nicht gelauscht?
 

„Mein Vater kommt dieses Wochenende Viktor und mich besuchen.“

„Oh“, sagte er, als wenn er sich jetzt erst wieder daran erinnern konnte. „Dann wirst du wohl keine Zeit haben, oder?“, fragte er mich. Ich sah ihn verwundet an. Klang er enttäuscht?

„Warum?“, fragte ich.

„Ich habe das Wochenende endlich mal wieder Benny und er hat beim letzten Mal schon gefragt, ob wir dich und Wotan mal wieder besuchen könnten.”
 

Jetzt verstand ich endlich die Fragerei. Ich lächelte ihn an. “Natürlich habe ich Zeit für ne Reitstunde. Papa und Viktor werden eh hauptsächlich sich mit dem neuen Hengst beschäftigen. Also wenn Benny ein bisschen reiten will oder sich den neuen Hengst ansehen mag, könnt ihr gerne vorbei kommen.”

„Da wird er sich freuen”, Fritz wirkte erleichtert.

„Das ist doch selbstverständlich. Ich habe es ihm versprochen” , entgegnete ich. Er sah nachdenklich aus.

„Ich möchte aber nicht, dass du es als Verpflichtung empfindest. Wenn es dir also nicht passen sollte...”

„Das ist doch Quatsch. Mach dir mal keine Gedanken deswegen”, unterbrach ich ihn. “Ich mag Benny sehr und ich freue mich schon, wenn ihr am Wochenende vorbeikommt.“
 

Es war nicht nur daher gesagt. Ich mochte Benny wirklich. Er war ein freundlicher, aufgeweckter Junge. Fritz konnte froh sein, so einen tollen Sohn zu haben. Ich konnte immer den Stolz in Fritz´s Augen sehen, wenn er von seinem Sohn sprach.

Ich schob das gefüllte Magazin in meine Waffe und fixierte abermals die Zielscheibe vor mir. Dann hielt ich inne und schaute zu Fritz. Er stand noch immer da und sah mich an.

“Falls ihr Großstädter so was wie Gummistiefel haben solltet, bringt sie mit!”

Langsam bildete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück