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Josephine Klick - Allein unter Cops

von

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Das Klingeln vom Wecker dröhnte in meinen Ohren und ich stöhnte gequält auf. Allein der Wunsch, endlich zu wissen was mit Fritz war, ließ mich völlig erschöpft und übermüdet aufstehen.

Bevor ich die Hupe vom Auto hörte, schaffte ich noch mich im Bad fertig zu machen und ein Brot zu schmieren.
 

Am Auto angekommen öffnete ich die Tür. Alex lächelte mich erschöpft an.

„Morgen, Josephine.“

„Morgen, Alex“, erwiderte ich, setzte mich aber nicht in den Wagen. „Kann ich heute bitte fahren?“, fragte ich. Er sah mich erstaunt und ich gab ihm die nötige Erklärung bevor er wieder ein `vergiss es´ loslassen konnte. „Ich möchte, dass du dir auf dem Weg ne Akte ansiehst. Du stimmst mir bestimmt zu, dass es beim Fahren wohl schlecht geht.“
 

Er überlegte kurz, nickte mir dann zu und schnallte sich ab. Alex nahm auf dem Beifahrersitz Platz und ich setzte mich auf die Fahrerseite. Ich drückte ihm die Akte in die Hand.

„Lies sie dir in Ruhe durch. Du hast sie bestimmt schon gesehen, oder?“ Während ich vom Hof fuhr, überflog er kurz den Fall.
 

„Waldi hatte mir die gestern gezeigt. Aber ich fand nicht, dass sie uns weiterhelfen würde. Es gibt doch keinerlei Parallelen zu der Sache mit Fritz.“ Ich nickte ohne ihn anzusehen.

„Das dachte ich vor meinem Verhör auch. Aber die Fragen von gestern, ähnelten einfach zu sehr dem Protokoll vom 4. Juni. Lies dir das durch!“ Alex überflog das Protokoll, indem die Kollegin befragt wurde. In diesem Gespräch hatte sich heraus gestellt, dass die beiden ein Paar waren.

„Solche Fragen hat dir der Altenburg gestellt?“
 

„Ja, er wollte wissen, ob ich mit Fritz eine rein dienstliche Beziehung führe, ob ich glaube, dass er nicht nur einfach versucht hat eine Kollegin zu retten, sondern speziell mich. Er wollte wissen, ob ich mir vorstellen kann, mit welchen Gefühlen Fritz wohl diese Entscheidung getroffen hat. Alex, Herr Altenburg hat nach einem Motiv gesucht und nicht nach dem Grund für Notwehr. Besonders nachdem Kollegen berichtet hatten, dass er Clemens vorher schon während der Geiselnahme gedroht hat, ihn zu töten. Ich sehe da schon einige Parallelen zu dem Fall hier.“

„Aber das ist doch Wahnsinn“, sagte Alex etwas atemlos.

„Das finde ich auch.“ Alex schwieg einen Moment und sah nachdenklich aus dem Fenster. Ich drehte mich zu ihm.
 

„Alex? Alles klar?“, er räusperte sich und schlug die Akte zu.

„Ja, alles gut. Ich will nur endlich wissen, wie es für Fritz weitergeht.“

„Glaube mir, dass will ich auch“, stimmte ich zu. „Wie verlief deine Befragung gestern?“

Alex berichtete mir von seinem Gespräch mit Herrn Altenburg. Einige Äußerungen von Alex machten mir Bauchschmerzen. Ich wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte, also sagte ich nichts weiter dazu. Er würde es sich selber denken können. Zumindest hatte er Fritz als einen verlässlichen Kollegen beschrieben, der einen stabilen Gemütszustand hatte. Und vielleicht lag ich auch völlig falsch mit meinen Vermutungen.
 

„Es wird schon gut gehen, Alex“, versuchte ich ihm und auch mir Mut zuzusprechen. Im Augenwinkel konnte ich sehen wie er stumm nickte und wieder aus dem Fenster sah. Alex musste sich nicht nur um Fritz sorgen. Sollte das Urteil negativ ausfallen, musste auch Alex mit einem Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung rechnen.
 

Viertel vor Zehn waren wir da. Mich überraschte es nicht, als der Chef uns entgegen kam.

„Sie sind früh“, begrüßte er uns.

„Sie auch“, erwiderte ich. „Wollen Sie Fritz besuchen?“

„Ich habe heute schon mit ihm gesprochen“, ließ er uns wissen. Alex und ich sahen ihn verwirrt an.

„Aber die Besuchszeiten fangen doch erst um Zehn an“, sagte ich.
 

Er lächelte mich an. “Ich bin der Chef. Ich brauche keine Besuchszeiten.“ Sein Lächeln verschwand langsam und sein Blick wurde ernster. „Kann ich kurz mit Ihnen sprechen, Josephine?“

„Natürlich“, entgegnete ich überrascht.

„Alleine“, sagte er eindringlicher und sah dabei zu Alex. Der nickte nur und suchte den nötigen Abstand.
 

„Josephine“, begann mein Chef. „Sie haben gestern eine gute Befragung abgeliefert.“

„Sie waren dabei?“ Ich war überrasch, aber eigentlich sollte mich das nicht wundern.

„Es waren einige Beobachter im Nebenzimmer“, erklärte er. „Sie sind schwer zu knacken, Josephine.“ War das ein Lob?

„Danke, Chef. Aber Herr Altenburg ist schwer einzuschätzen.“

„Das ist wohl wahr”, stimmte er mir zu und hielt einen Moment inne. „Fritz hat nach Ihnen gefragt“, sagte er schließlich. Ich konnte es nicht vermeiden, aber mein Puls schnellte augenblicklich in die Höhe. „Mehrfach“, ergänzte er und sah dabei nachdenklich aus. „Er wirkte besorgt und wollte wissen, wie es Ihnen geht.“
 

Besorgt? Er hatte mich doch gestern gesehen und wusste, dass es mir gut ging. Aber als ich unsere Begegnung wie ins Gedächtnis rief, erinnerte ich mich an meine kühlen Worte und seinen Gesichtsausdruck dabei.

„Ich wollte ihn jetzt sowieso besuchen.“

Irgendwas schien den Chef zu beschäftigen. Bevor er weitersprach sah er sich kurz im Flur um.

„Vielleicht sollten Sie ihn heute nicht besuchen“, sagte er leise.

„Wieso?“ Seine Aussage verwirrte mich.

„Fritz hat gute Chancen das Ganze einigermaßen unbeschadet zu überstehen“, begann er.

„Und Sie glauben, dass mein Besuch dem im Weg stehen könnte?“, fragte ich und hörte selber, wie kindisch und beleidigt ich klang.
 

„Josephine“, sprach er im ruhigen Ton. „Was glauben Sie, was die Kollegen, die mit der Untersuchung beauftragt wurden, drei Stunden lang besprechen?“ Als ich darüber nachdachte, dämmerte es mir langsam. Sie würde sich natürlich nicht zum Fall drei Stunden lang besprechen. Waren die Besuchszeiten deswegen genau auf den Zeitpunkt der Besprechung gelegt worden? Wurden die Besuche von Fritz beobachtet? Was erhofften sie sich dadurch? Egal wie sehr ich Fritz sehen wollte, ich musste jetzt das tun, was das Beste für ihn war.
 

„Ich verstehe, Chef.”

„Ich wusste doch, dass Sie ein schlaues Mädchen sind”, sagte er erleichtert.

„Aber Alex wird Fritz besuchen dürfen?”

„Ja und deswegen muss ich mit ihm auch nochmal sprechen. Sie entschuldigen mich?”

Er ließ mich stehen und ging zu Alex. Beide begannen ihr Gespräch. Immer wieder sah Alex etwas ungläubig zu mir rüber, nickte dem Chef aber zu.

„Wir hätten dann alles geklärt“, kam der Chef mit Alex auf mich zu.
 

„Du gehst du jetzt zu Fritz?“, fragte ich Alex der zustimmend nickte. „Kannst du mich danach anrufen?“

„Ich melde mich sobald ich kann“, versicherte er mir.

„Danke.“

„Sie sollten jetzt wirklich gehen. Ich rufe Ihnen ein Taxi, Josephine.“

„Okay“, sagte ich schwach und folgte dem Chef den Flur entlang. Bestimmt wollte er sicherstellen, dass ich nach Hause fuhr und nicht ins Revier.
 

„Frau Klick, Sie wollen schon gehen?“, hörte ich die Stimme von Herrn Altenburg hinter mir bevor wir das Gebäude verlassen konnten. Widerwillig drehte ich mich um. Der Chefermittler kam uns entgegen.

„Wollte nur kurz Herrn Amann nach den aktuellen Stand fragen“, sagte ich knapp.

„Den weiten Weg für eine Frage? Hätte ein Anruf nicht genügt? Oder wollten Sie Herrn Munro einen Besuch abstatten?“
 

„Nein, dass wollte ich nicht. Herr Mahler wird ihn besuchen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Herr Munro bei Ihnen in guten Händen ist. Wenn Sie mich entschuldigen, ich habe noch einige Fälle aufzuarbeiten.“ Ich wedelte mit der Akte umher, steckte sie anschließend aber in meine Tasche.

„Sie arbeiten nach so einem Tag wie gestern?“

Ich seufzte gespielt theatralisch. „Das Verbrechen wartet nicht, Herr Altenburg.“

„Da haben Sie vermutlich Recht“, stimmte er mir zu. „Dann möchte ich Sie nicht länger aufhalten. Ich wollte nur gerade Herrn Amann abholen.“

„Ich bin sofort da“, entgegnete mein Chef. Er klopfte mir kurz auf die Schulter. „Alex meldet sich später bei Ihnen.“ Ich nickte und verließ das Gebäude.
 

Als ich im Taxi saß gab ich dem Fahrer meine Adresse, entschied mich aber bereits nach der nächsten Kreuzung doch zum Revier zu fahren.

Karin und Waldi staunten nicht schlecht mich im Büro stehen zu sehen.

„Josephine?“, fragte Karin. „Was mach du denn hier? Du hast doch heute frei.“

„Ich weiß“, entgegnete ich, ging auf Waldi zu und legte ihm die Akte auf den Tisch. „Ich wollte nur die Akte zurückgeben.“ Das stimmte natürlich nur zu Hälfte. Ehrlich gesagt, wollte ich nicht nach Hause. Aber das konnten sich die beiden vermutlich denken.
 

„Hat sie denn geholfen?“, wollte Waldi wissen.

„Ich denke schon“, gab ich zurück. Ich setzte mich auf meinen Bürostuhl. „Und was ist bei euch so los?“

„Ach heute ist es ruhig“ Karin lächelte mich an. „Kein Chef da, keine offenen Fälle. Da schafft man endlich mal den ganzen Papierkram.“

„Kann ich euch mit irgendwas helfen?“ Beide schauten mich für einen Moment fragend an. Ich konnte aber sehen, dass sie mich verstanden.
 

Karin schnaubte. „Du bist echt ein unverbesserlicher Fall. Aber ich glaube, warte mal kurz...“ Sie blickte zu Ewald. „Waldi, hast du die Videodateien schon aufgearbeitet?“ Ewald sah sie erstaunt an, zögerte einen Moment, schüttelte aber dann den Kopf. „Hervorragend“, setzte Karin an. „Du kannst also gerne die ganzen digitalen Aufzeichnungen von den letzten Fällen zuordnen. Die Videodateien müssen auch noch umbenannt und archiviert werden.“
 

Ich nickte zustimmend. „Wird erledigt“, rief ich übertrieben euphorisch aus. Waldi verdrehte die Augen und Karin lachte.

„Am Besten schnappst du dir die Kopfhörer von Fritz.“

Bei seinem Namen, verstummte meine Euphorie. Es war Irrsinn. Ich wollte in diesem Moment an seiner Seite sein und ihn unterstützen, aber man hatte uns noch keine Minute gegeben, um miteinander zu reden. Ich musste mich einfach ablenken, bis ich endlich Gelegenheit bekam mit ihm zu sprechen.
 

Ich fuhr den Rechner von Fritz hoch und nahm auf seinem Stuhl Platz. Der kleine Fußballtisch stand unaufgeräumt neben seinem Schreibtisch. Neben dem Monitor stand ein Bild von seinem kleinen Sohn Ben und ihm. Er hatte Ben fest im Arm und beide lachten vergnügt. Es versetzte mir einen Stich. Ich hatte Fritz noch nie so unbeschwert gesehen. Irgendwie wirkte er oft traurig, als wenn ihn etwas beschäftigte. Der Gedanke ergriff mich, dass ich den Fritz kennen wollte, der so unbeschwert in die Kamera lächelte.
 

Ich schüttelte die Gedanken ab und versuchte mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Dateien der letzten Fälle sortierte ich nach Datum und legte diese dann in den entsprechenden Ordnern ab. Als nur noch Videodateien im Hauptordner waren, setzte ich mir die Kopfhörer auf. Es tat gut die Stimmen von meinen Kollegen zu hören. Natürlich wusste ich nach wenigen Sekunden um welchen Fall es sich handelte, aber die Stimmen von Alex und Fritz beruhigten mich. Die wenigen Befragungen, die ich durchgeführt hatte, übersprang ich schnell und sortierte sie den entsprechenden Ordnern zu.
 

Die beiden waren ein Team. Ich könnte niemals Fritz für Alex ersetzen. Und das wollte ich auch nicht. Ich brauchte Fritz genauso in unserem Team.

„Fritz“, hörte ich die Stimme von Alex durch die Kopfhörer rauschen. Ich blickte auf den Monitor, konnte aber nichts erkennen. Die Kamera filmte noch, aber es war kein Zeuge im Zimmer. Nur der leere Tisch und der Stuhl waren zu sehen. Immer wieder flackerte ein Schatten durchs Bild. Ich konnte Schritte hören. Jemand musste die ganze Zeit auf und ab gehen.
 

„Warum sagst du ihr es nicht einfach, Fritz?“

„Was soll ich ihr denn sagen? Dass ich mir ihre Akte aus Bielefeld besorgt habe, um in ihrem Privatleben zu schnüffeln? Dieses Ding liegt jetzt schon fast seit einem halben Jahr in meinem Rolley. Ich will das nicht mehr.“ Ich schluckte bei seinen Worten. Er hatte meine Akte? Ich selber hatte meine Akte nie gesehen und wusste daher auch nicht was darin stand. Was hatte er dadurch in Erfahrung gebracht?
 

Enttäuschung machte sich in mir breit und ich überlegte das Video einfach zu löschen und nach Hause zu fahren. Ob er mich gerettet hatte oder nicht, er schien mir immer noch nicht zu vertrauen. Meine Neugier ließ mich jedoch weiter dem Gespräch folgen. Wenn er schon in meine Akte gesehen hatte, warum sollte ich nicht auch ein privates Gespräch von den beiden mit anhören? Vor allem, wo es doch offensichtlich um mich ging.
 

„Wir hatten keinen leichten Start, Fritz. Sie wird das verstehen. Gerade als Team ist es doch wichtig die andere Person einschätzen zu können. Denkst du nicht auch so? Mit Ihren Alleingängen hat Sie uns am Anfang ganz schön zu schaffen gemacht.“
 

„Aber so ist es nicht mehr“, wandte Fritz ein und überraschte mich damit. So war es nicht mehr? Natürlich hatte es sich gebessert, aber ich hatte mir trotzdem in den letzten Ermittlungen genügend Alleingänge erlaubt. Es war kein leichter Start gewesen, dennoch hatte ich meine Partner nicht ausspioniert.
 

„Wir arbeiten schon viel besser im Team“, gab Fritz zu bedenken. Es wunderte mich, dass er meine Partei bei dem Thema ergriff. „Du hast doch selber gesagt, dass sie für unsere Ermittlungen wichtig geworden ist.“

„Stimmt.“ So etwas sagte Alex über mich? Von ihm klang das beinahe wie ein Kompliment.

„Und ich bin da ganz deiner Meinung“, sagte Fritz weiter. Dank der Aussagen hatte fast den Grund für meine momentane Wut vergessen. Als ein lauter Knall durch den Kopfhörer schallte und die Hände von Fritz auf dem Tisch landeten, zuckte ich zusammen. Er ballte seine Hände zu Fäusten.

„Aber ich hasse den Gedanken“, begann er und machte eine Pause. Instinktiv hielt ich die Luft an. „Dass die Vollidioten von der Zweiten Bielefeld als Lockvogel benutzen wollen. Das schmeckt mir gar nicht. Warum hat sie dem Scheiß auch zugestimmt?“
 

Ich hörte Alex neben der Kamera seufzen. „Vermutlich, weil sie mal wieder die Welt versucht zu retten?“

„Nicht sehr hilfreich, Alex“, stöhnte Fritz.

„Sie will vermeiden, dass es ein weiteres Opfer gibt. Das ist eben Bielefeld.“

„Aber es ist gefährlich“, schnaubte Fritz und verschwand wieder aus dem Bild. „Wenn Bielefeld bei dem Einsatz nur ein Haar gekrümmt wird, reiß ich den Idioten den Arsch auf.“
 

„Fritz“, ermahnte Alex ihn.

„Ich meine das ernst“, entgegnete Fritz.

„Ja, das fürchte ich auch“, keuchte Alex. „Aber Fritz, keiner von uns will, dass Josephine was passiert. Wir werden schon auf sie aufpassen.“

„Ich will mir gar nicht ausmalen, was ich tun wür-“ das Video fing plötzlich an zu rauschen, der Ton verklang und wenig später war alles schwarz und das Video zu Ende. Ich starrte den Monitor noch einige Sekunden an. Hatte der Akku der Kamera schlapp gemacht? Genau in diesem Moment? Was für ein Mist, dachte ich. Zu gerne hätte ich gewusst, wie es weiter ging.
 

Ich schüttelte meinen Kopf. Vielleicht sollte ich froh sein. Der Zorn über die Akte war verflogen. Ich zog mir das Video auf mein Handy und löschte anschließend die Datei vom Rechner.

Die beiden hatten sich echt Sorgen um mich gemacht - vor allem Fritz. Seine Sprüche im Auto hatte ich nicht voll genommen, aber er meinte sie wirklich ernst. Mir taten meine Alleingänge mittlerweile selber Leid. Wir waren ein Team, ich konnte mich auf die beiden verlassen und ich wollte, dass auch die beiden sich auf mich verlassen konnten. In Bielefeld hatte ich nie solche Kollegen gehabt. Ich war dankbar für die neue Chance hier in Berlin und ich wollte niemanden mehr aus diesem Team missen. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Entwickelte ich etwa Heimatgefühle für dieses hässliche Berlin?
 

Ich blickte verstohlen zum Rolley als ich wieder an meine Akte dachte. Am Liebsten wollte ich gleich nach dem Ding suchen, aber ich konnte nicht einfach im Rolley von Fritz wühlen. Ich musste also warten bis Karin und Waldi Feierabend machten. All zu lange sollten die beiden heute wohl nicht arbeiten - immerhin war heute Freitag.
 

Ich vertrieb mir die Zeit mit weiteren Videos und der Ablage. Es tauchten immer wieder kleine Privatgespräche von den beiden auf. Jemand musste dringend ihnen erklären, wie die Kamera sich ausschaltete. Als ich ein Video öffnete in dem Fritz über Stefanie schimpfte, löschte ich es augenblicklich. Es war genug für einen Tag gewesen. Jeder verdiente seine Privatsphäre.

Was tat Waldi mit diesem Videos? Ich hoffte für ihn, dass die Aufnahmen ein Versehen waren? Aber warum hatte er sie nicht gelöscht?
 

***
 

„Du solltest jetzt auch Schluss machen. Eigentlich solltest du ja heute gar nicht hier sein“, sagte Karin, als sie sich gerade ihre Jacke anzog. Beide machten gleichzeitig Feierabend.

„Ich ordne nur noch schnell die restlichen Videos zu und dann bin ich auch weg. Keine Sorge, ich schlage mir nicht wieder die Nacht um die Ohren“, sagte ich lächeln, bevor mein Blick zu Waldi ging und ich ihn ermahnend ansah. „Und darüber lieber Waldi, reden wir Montag noch mal“, ließ ich ihn wissen und zeigte auf den Monitor.
 

Er blickte mich schuldbewusst an. „Ich kann doch nichts dafür, wenn die Jungs ständig-“

„Lass uns Montag darüber reden, okay?“, unterbracht ich ihn.

„Jaaah“, sagte er gedehnt, willigte aber nicht ganz freiwillig ein.

„Also dann euch beiden ein schönes Wochenende.“

„Danke, Josephine. Dir auch. Erhol dich endlich mal“, sagte Karin bevor sie das Zimmer verließ. Waldi folgte ihr.
 

Ich wartete noch einen Augenblick für den Fall, dass einer von beiden noch was vergessen hatte. Aber das Zimmer blieb leer. Langsam beugte ich mich vor zum Rolley und versuchte die erste Schublade zu öffnen. Aber sie war verschlossen. Ich fluchte leise. Wenn Fritz den Schlüssel bei sich hatte, würde ich nicht an die Akte kommen.

Mir fiel ein, dass Alex und Fritz immer für den Notfall ein Schlüsselbund mit allen Ersatzschlüsseln hier im Büro lagerten. Wo konnte der wohl sein?
 

Ich wanderte im Zimmer umher und suchte nach dem Schlüsselbund. Lange dauerte es nicht, bis ich fündig wurde. Jedoch musste ich einige Schlüssel ausprobieren bis ich endlich den richtigen fand.

„Na, geht doch!“, murmelte ich ungeduldig, als ich endlich das Klacken vom Schloss hörte. Die Akte lag gleich ganz oben im ersten Fach ohne Beschriftung. Aber auf dem Deckblatt der ersten Seite stand mein Name. Ich packte sie in meine Tasche ohne weiterzulesen. Schnell schloss ich den Rolley wieder ab und legte das Schlüsselbund zurück. Die letzten Videos verschob ich schnell in die entsprechenden Ordner und fuhr den Rechner runter.
 

Warum hatte mich der Mahler eigentlich noch nicht kontaktiert? Alex war doch sonst immer so verlässlich. Als ich mein Handy aus der Tasche wühlte, musste ich feststellen, dass es aus war. Verflucht nochmal, war mein Akku etwa leer? Warum hatte ich das nicht eher kontrolliert... Was war das heute eigentlich mit technischen Geräten und deren Akkus? Karin hatte zum Glück immer ein Ladegerät auf Arbeit. Ich holte von ihrem Schreibtisch das Kabel und versorgte mein Handy mit Strom.
 

Es dauerte einige Momente bis mein Telefon endlich soweit war. Zehn Anrufe in Abwesenheit und zwei Sprachnachrichten standen auf dem Display. Sieben Anrufe waren von Alex, drei von meinem Vater. Verdammt. Ich hörte die erste Sprachnachricht ab...

„Josephine“, hörte ich die Stimme von meinem Vater. „Melde dich doch bitte wann du nach Hause kommst. Ich hab dich lieb.“
 

Ich hatte immer noch keine Lust mit ihm zu reden. Aber damit er sich keine Sorge machte, schickte ich ihm schnell eine SMS. „Mir geht es gut. Mache dir keine Sorgen. Wird heute spät. Josephine.“ Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, hörte ich die zweite Sprachnachricht ab.

„Josephine, verflucht nochmal. Warum gehst du eigentlich nicht an dein Handy? Versuch dich seit ner Stunde zu erreichen.“ Die Nachricht kam von Alex. Er klang etwas gehetzt. Ich hielt den Atem an. Was hatte die Untersuchung ergeben?
 

„Josephine, hör zu. Die lassen Fritz raus.“ Alex machte eine kurze Pause. Im selben Moment atmete ich zitternd aus. Fritz war frei? Ich spürte wie die Erleichterung mich durchströmte.

Ich musste mich erstmal sammeln. Er hatte nicht gesagt, dass Fritz frei war. Sie würden ihn aber rauslassen. Das hieß doch zumindest, dass es vorrübergehend keine Untersuchungshaft gab, oder?

Bevor ich mir weiter was zusammenreimen konnte, fuhr Alex fort.
 

„Also zumindest bis die Untersuchungen abgeschlossen sind und sich entscheidet ob jemand klagt. Der Chef hat dafür gehaftet, dass Fritz jederzeit für die Ermittler zur Verfügung steht. Er kommt in etwa ner halben Stunde raus und dann fahren wir ins Büro. Seine letzten Fälle sollen beleuchtet werden. Du weißt ja wie das läuft. Die werden bestimmt ein psychologisches Gutachten erstellen wollen.“ Das war doch gut, oder? Keine Untersuchungshaft, zumindest solange niemand klagte. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass die Staatsanwaltschaft sich einmischte oder Frau Bremer?
 

„Wirst du da sein, Josephine?“, fragte mich Alex in der Sprachnachricht. „Melde dich bei mir! Vielleicht bis später.“ Ich schaute auf die Uhr. Er hatte mir vor ca. einer Stunde auf die Mailbox gesprochen. Sie mussten jeden Moment da sein. Ich hörte Schritte auf dem Gang und mein Herz fing an laut zu pochen. Ich spürte deutlich, wie es gegen meinen Brustkorb schlug und mir in den Ohren dröhnte.
 

Als die Tür aufging, stand ich wie angewurzelt da. Zunächst betraten einige Beamte den Raum, die ich nicht kannte. Dann sah ich meinen Chef, Herrn Altenburg, Alex und ...

„Fritz“, rief ich aus, ohne darüber nachzudenken. Ich war so froh ihn zu sehen. Er war im Türrahmen stehen geblieben und lächelte mich zögernd an.

„Josephine.“



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