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Erwischt

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Erwischt

Um 5.30 Uhr in der Frühe geschahen in Sindria nicht viele Dinge, was daran lag, dass die Meisten um diese Zeit endlich ins Bett gefallen waren und die wenigsten schon wieder einen Weg heraus gefunden hatten. Es war eine ruhige, entspannende Zeit, in der man mit sich und der Welt alleine sein konnte.

Ja'far gähnte. Es war eindeutig noch zu früh, sogar für ihn.

Verschlafen huschte er durchs Zimmer, sammelte frische Kleidung zusammen und begann sich anzuziehen. Anziehen half beim aufwachen.

Hatte es schon immer getan.

Ein Luftzug wehte durch das Zimmer und ließ ihn unwillkürlich schaudern. Es schien heute kühl zu sein. Sein Blick wanderte zum Fenster, erwartete halb draußen Regentropfen zu sehen, doch da war nichts.

Ja'far stutzte.

Es war ihm zwar bewusst, dass er dazu neigte Fenster zu schließen, bevor er ins Bett ging, doch irgendwie hatte er angenommen, dass er es vergessen hatte.

Hatte er nicht.

Er blinzelte einmal, blinzelte zweimal.

Wenn der Luftzug nicht vom Fenster gekommen war, woher dann?

Betont langsam legte er die Kleidung auf dem Bett ab und marschierte durch den Raum, bis er im toten Winkel der Tür verschwand. Wollte Sin ihn wieder ärgern?

Bestimmt wollte Sin ihn wieder ärgern.

Wahrscheinlich hockte er mit irgendetwas vor der Tür und wartete darauf, dass er sich fertig anzog, damit er das Irgendetwas ins Zimmer werfen und sich über das Ergebnis freuen konnte.

Verdammt, er hatte angenommen Sin wäre aus dem Alter raus.

Aber wenn Sin wie ein Kind spielen wollte, würde er ihn eben wie ein Kind auflaufen lassen.

Leise schlich er auf die Tür zu, achtete genau darauf im toten Winkel zu bleiben und keinen Laut von sich zu geben, der ihn hätte warnen können.

Ein Schritt, dann noch einer. Seine Hand legte sich auf die Klinke, während die andere nach einem Messer griff.
 

„Erwischt“, grollte er, als er die Tür aufzog und auf den Gang stürzte. Doch was ihn dort erwartete, hatte er nicht vorhergesehen. Da war kein Sin, der sich fluchend unter seiner Attacke hindurch duckte. Sein Klinge traf auf Widerstand und das brachte ihn völlig aus dem Konzept.

Er hatte getroffen.

Er hatte wirklich getroffen! Er hatte -

„Masrur?“, entfuhr es ihm, als der Gang um ihn herum stärker in sein Bewusstsein trat und er bemerkte, in was er gerade seine Klinge versenkt hatte.

Oh, das war nicht gut.

Ganz und gar nicht gut.
 

Stumm drückte er das Tuch auf die Wunde. Wahrscheinlich hätte er sich entschuldigen sollen, immerhin spießte man nicht alle Tage einen Freund mit einem Messer auf, aber Masrur schwieg und er brachte es einfach nicht über sich, die einvernehmliche Stille zu brechen.

Dabei hätte er gerne so einiges gefragt.

Zum Beispiel: „Was hast du vor meiner Tür gemacht?“, „Wieso bist du nicht irgendwo draußen?“, „Solltest du nicht im Bett liegen und schlafen?“

Der Geruch nach Kamille hing schwer in der Luft und Ja'far konnte nur vermuten, dass sie in Masrurs empfindlicher Nase brannte. Wahrscheinlich würden sie beide den ganzen Tag danach stinken. Masrur schlimmer als er.

Er seufzte.

„So tief ist es nicht.“

Ja'far blickte auf, doch sein Freund starrte stur weiter aus dem Fenster.

„Du blutest wie ein Schwein.“

Masrur zuckte mit den Schultern, eine Bewegung, die offenbar unklug war. Tat wohl doch mehr weh als er zugeben wollte. Ja'far drückte weiter auf die Wunde. Vielleicht sollte er ja doch ...

„Es tut mir leid“, nuschelte er gegen Tuch und Schulter.

Ja, es tat ihm leid. Er mochte Masrur. Er hatte ihn nicht verletzen wollen. Eigentlich hatte er niemanden verletzen wollen. Er hatte nur – Ja, was eigentlich?

„Du hast gedacht ich wäre Sinbad.“

Ja'far nickte. Er gab es ungern zu, aber Masrur hatte recht. Er hatte ihn verwechselt und diese Verwechslung war schuld, dass er jetzt hier hockte und dämliche Kamille auf einer Stichwunde verteilte, hoffend, dass das endlich dafür sorgen würde, dass sein Gegenüber aufhörte zu bluten.
 

Mit Sin wäre ihm so etwas nicht passiert.

Sin wäre dem Messer ausgewichen.
 

Sein Gegenüber schwieg, doch dieses Mal war die Stille keinesfalls angenehm. Sie hatte etwas drückendes, vorwurfsvolles und vermittelte zu allem Überfluss auch noch, dass seine Entschuldigung nicht so gut angekommen war, wie er gehofft hatte.

„Ich sagte doch, es tut mir leid. Was willst du noch?“, entfuhr es ihm gereizter als er eigentlich wollte. Das lag an der Kamille. Das lag ganz sicher an der Kamille. Daran und an dem Blut, an dem er zu nicht ganz kleinen Teilen schuld war. Freunde sollten nicht nach Kamille stinken oder bluten und sie sollten auch nicht stur aus dem Fenster starren so als wäre man gar nicht da.

Gab es dort draußen etwas anderes zu sehen als Wolken? Etwas das interessanter oder wichtiger war als die Wunde oder er?

Ja'far drückte das Tuch stärker auf die lädierte Haut und versuchte krampfhaft sich nicht aufzuregen. Er war nicht in der Position um sich jetzt aufzuregen. - Immerhin war das alles seine Schuld.
 

„Ich will, dass du mich einmal so wie ihn behandelst.“

Er stutzte.

Was hatte Masrur gerade gesagt?

„Du willst, dass ich dich vor die Tür setze?“, fragte er ungläubig nach und zu seiner persönlichen Freude registrierte er, dass sein Freund sich endlich von dem Fenster löste um ihn anzusehen. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann schüttelte Masrur den Kopf.

Wie erwartet wollte er so eine Behandlung natürlich doch nicht.

Wobei, hätte er Sin in so einer Situation einfach vor die Tür gesetzt? Er hätte geschimpft, ja, aber er hätte die Wunde natürlich versorgt. Genauso wie er es jetzt bei Masrur tat. Wo lag also der Unterschied? Was war es, dass er in Masrurs Augen falsch machte?

Sollte er schimpfen?

Sich wegen dem Überfall beschweren? Sollte er doch Fragen stellen?
 

Stumm löste er das Tuch um einen Blick auf den Einstich werfen zu können. Scheinbar hatten seine Bemühungen langsam Erfolg. Die Blutung hatte nachgelassen und ermöglichte es ihm nun einen Verband anzulegen. Einen Verband, den er eigentlich holen sollte, aber obwohl er es wollte, schaffte er es einfach nicht aufzustehen.

„Du denkst also ernsthaft, dass ich Sin anders behandele als dich?“, platzte es stattdessen aus ihm heraus, „Wie kommst du auf den Unsinn?“

„Weil du es tust.“
 

Er wusste nicht, wie lange er einfach nur auf die Haut rund um die Wunde gestarrt hatte um Masrurs Vorwurf zu vergessen, aber er ahnte, dass dieses Verhalten langsam seltsam wirkte. Er sollte aufstehen, den Verband holen oder versuchen den Fanalis von seiner Kleidung zu bekommen, damit er sich fertig anziehen konnte.

Er sollte vieles, aber er tat es nicht. Stattdessen dachte er nach.

Über den Vorwurf, über Masrur, über Sin.

Alles drehte sich im Kreis.

Masrur schwieg eisern und würde ihm bestimmt keinen weiteren Hinweis mehr geben. Jedenfalls keinen, mit dem er etwas anfangen konnte und Sin zu wecken, nur um ihn zu fragen ob er ihn irgendwie bevorteilt hatte. Das war doch albern.

Immerhin, er war der König, er sollte in gewissen Situationen bevorteilt werden.

Umständlich kämpfte er sich auf die Beine. Er musste endlich diesen Verband holen, damit es irgendwie vorwärts ging. Er musste -
 

„Du weißt aber schon, dass ich dich gern habe?“

Ja'far biss sich auf die Zunge. Er und seine große Klappe. Warum hatte er nicht einfach gehen können? Er hätte den Fanalis ignorieren und weiter machen sollen. Stattdessen sagte er so einen Blödsinn, den sein Gegenüber nur falsch verstehen konnte. Den er selbst falsch verstehen würde, einfach weil er nur falsch zu verstehen war.

Und dann starrte Masrur ihn auch noch so komisch an. Konnte er nicht wieder aus dem Fenster sehen? Das war doch eben noch interessanter gewesen als er.

„Sehr gern?“

Die Worte hingen im Raum wie der Gestank nach Kamille, waberten in seinem Kopf herum und vernebelten ihm die Sinne.

„Ja“, hörte er sich zugeben, „sehr gern.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Von:  mor
2014-10-04T16:06:43+00:00 04.10.2014 18:06
die Story ist wirklich gut und hat Potential für eine Fortsetzung ^^
Von: Arcturus
2014-08-15T21:05:40+00:00 15.08.2014 23:05
Nur damit du es weißt: Sin mag schlafen, träumen und schnarchen, aber ich wette, er facepalmt aktuell trotzdem. Einfach weil. x'D
Ja, die beiden sind Knallschoten. Sie sind definitiv Knallschoten. Und ich glaub ihm nicht, dass da nur die kamille schuld ist. *hust*
Antwort von:  _Delacroix_
15.08.2014 23:08
Ausnahmsweise würde ich ihm sogar mal zustimmen.
Die Beiden haben mich wirklich sehr geärgert... Immer das gemacht, was sie nicht sollten.


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