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Nur ein einziger Tag

von

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Wünsche

Der Weg zu der heißen Quelle führte über eine überdachte Treppe, die etwa fünfzig Stufen den steilen Hang hinunter führte.

In dem kleinen Vorraum herrschte eine behagliche Wärme, die von einem kleinen Ofen aus ging. Heißes Wasser und Tücher zum waschen lagen bereit, ebenso wie eine Tablett mit einer Sake-Flasche und zwei kleinen Schälchen.

Nachdem sie sich gewaschen hatten, war es endlich soweit.

Souji schob voller Vorfreude den Vorhang aus Stoff zur Seite, der den Vorraum von den Onsen trennte, und blieb gebannt stehen.

Abermals blickte er an diesem Tag auf eine Zauberwelt aus Eis. Der graue Himmel war hier und da ein wenig aufgeklart und gleißendes Sonnenlicht ergoss sich durch das silbergraue Wolkenmeer auf die Waldlichtung vor ihnen und liess die raureifbedeckten Bäume wie Sterne funkeln.

Eine gurgelnde Quelle ergoss heißes Wasser in das große Felsbecken, aus dem weißer Nebeldampf dem hellen Sonnenlicht entgegen stieg.

Souji hätte sich ewig in diesem Anblick hingeben können, aber -

„Souji, du frierst noch am Boden fest...“ bemerke Toshi trocken.

Plötzlich wurde ihm der gefrorene Steinboden unter seinen nackten Füßen bewusst.

Mit einem gespielten entsetzen Aufschrei überwand Souji die wenigen Schritte zu den zwei letzten Stufen, die in das heisse Wasser führten.

„Aahrg, heiiiiiiiiiiiiiiiiisssssssssssssssss!!!“ folgte der nächste Aufschrei.

Toshi schnappte sich das Tablett mit dem Sake und folgte ihm amüsiert. Zum Glück waren sie die einzigen Gäste.
 

Das Spiel aus Sonnenlicht und Eis währte nicht lange. Nach wenigen Minuten schon schlossen sich die Wolkenlücken wieder und hinterließen nur noch einheitliches Grau.

Toshi schenkte sich von dem Sake ein, dessen Wirkung prompt folgte. Er wusste nicht mehr wann er zum letzten mal so entspannt gewesen war. Souji verzichtete dankend, also leerte er die kleine Flasche ganz alleine.
 

Schliesslich fielen die ersten Schneeflocken. Erst waren es nur wenige, jedoch wurden sie mit jeder Minute größer und größer.

„Sugoi, nee? So große Schneeflocken...“ Souji stand fasziniert auf und streckte seine Arme dem fallenden Schnee entgegen. Er versuchte eine Schneeflocke auf seiner Hand landen zu lassen, hatte aber keinen Erfolg.

„Setz dich wider hin, es ist viel zu kalt um hier in der Gegend rum zu stehen...“

Souji rollte mit den Augen und versuchte es noch ein allerletztes mal.

„Souji...“

„Haaaaaaaaaaaaaai, ich habs ja verstanden.“ erklärte er und sank zurück ins Wasser.

Der Schnee fiel schnell dichter und dichter, immer mehr Flocken gingen in der heißen Quelle nieder und schmolzen in einem Augenblick davon.

Souji konnte sich nicht daran satt sehen.
 

Als sie vor lauter Schnee kaum noch die Hand vor Augen sehen konnten, beschloß Toshi das Bad zu beenden. Zurück in dem kleinen Vorraum merkte Souji wie müde er war. Das Bad hatte gut getan, aber jetzt hätte er sich auf der Stelle hier auf den Boden legen können um zu schlafen. Erschöpft trocknete er sich ab und zog den frischen Yukata an, jedoch ging alles viel langsamer als er wollte. Die steile Treppe zurück in den Ryokan kam ihm wie ein unüberwindbares Hindernis vor.

Toshi schien seine Gedanken zu erraten, denn er legte wortlos den Arm um ihn und schob ihn langsam Richtung Treppe. Souji hatte keine Kraft mehr zu protestieren und richtete seine ganze Konzentration darauf, keine von den steinernen Stufen zu verfehlen.

Als sie endlich zurück auf ihrem Zimmer waren, liess er sich auf den Tatami nieder, griff nach einem der Sitzkissen die neben dem kleinen Tisch lagen und schlief wenige Sekunden später ein.

Toshi seufzte. Es war sinnlos jetzt noch den Futon zu richten, er würde Souji nur aufwecken bei dem Versuch in dort hinein zu bringen. Er holte wenigsten die Decke aus dem Wandschrank und legte sie vorsichtig über Souji. Dann streckte er sich ebenfalls auf den Tatami aus und lauschte dem gleichmäßigen, ruhigen Atem neben ihm.
 


 

Souji starrte auf die zahlreichen Schälchen und Teller auf dem Tisch. Jede einzelne Schale sah aus wie ein eigenes Kunstwerk. Das Porzellan war edel und schön bemalt und die Speisen bis auf das kleinste Detail angerichtet. Außerdem gab es noch einen kleinen steinernen Topf, der unten mit Kohle befüllt war und auf dessen Rost zwei Fische und Kartoffeln gegrillt wurden.

Zu schade das sein Appetit in letzter Zeit nicht gerade der beste war.

„So viele tolle Sachen...darf ich das hier haben, Hijikata-san?“ fragte Souji und deute auf eine kleine Schale mit eingelegten Kürbis.

Toshi musste lachen. „Es ist alles zweimal da, Souji. Hast du das nicht bemerkt?“

„Hmm, ich bin wohl noch zu müde...aber dann..“ Souji griff sich die Schale.

„Itadakimasu!“
 


 

Er wusste nicht mehr, wann er das letzte mal so viel gegessen hatte. Obwohl er wenig Hunger gehabt hatte, waren alle Gerichte so lecker gewesen, dass er einfach immer weiter gegessen und zuletzt noch Hijikata-san sein Dessert abgeschwatzt hatte – sehr zu dessen Belustigung. Jetzt wollte er eigentlich nur noch wieder schlafen, obwohl er sich auf ein zweites Bad im Onsen gefreut hatte. Jedoch war Souji wenig überzeugt davon, dass er den Weg dorthin - und vor allem auch wieder zurück- heute Abend noch auf sich nehmen konnte.

Er stieß einen enttäuschten Seufzer aus und wollte sich gerade wieder hinlegen, als die Stimme des Mädchens, welches vorhin das Essen gebracht hatte, hinter der Shoji-Tür zum Garten erklang.

„Es ist nun alles für Sie vorbereitet. Bitte genießen Sie ihr Bad.“

Dann waren nur noch das Klackern von Geta auf Stein zu hören, welches rasch leiser wurde und schließlich ganz verstummte.

Souji blickte Toshi fragend an.

„Willst du nicht nachschauen?“

Souji stand zögerlich auf und schob beide Türen gleichzeitig zurück um den Blick in den Garten freizugeben.

Alles schöne, was er heute gesehen hatte, erblasste neben dem Anblick der sich ihm nun bot.

Die Wolken hatten sich verzogen und einen sternenklaren Himmel hinterlassen. Gelbes Mondlicht erhellte den kleinen Garten und liess den Schnee glitzern, der alles unter sich begraben hatte. Was unter der dicken weißen Schicht lag, konnte Souji nur erahnen. Ein Gebilde schien ein Brunnen zu sein, die kleine Eisfläche linkerhand vielleicht Teich. Nur die große Laterne aus Stein war eindeutig zu erkennen, erleuchtet von einer kleinen Kerze erfüllte sie den Garten zusätzlich mit einem warmen Licht.

Aber das bemerkenswerteste an dem Garten war nicht seine pure Schönheit aus weißem, reinen Schnee sondern die Holzwanne mit dampfenden Wasser, die direkt neben der großen Laterne unter einem kleinen Dach aus Holz stand.

Souji drehte sich mit einem Lächeln zu Toshi um.

„Ihr habt davon gewusst, nicht wahr?“

Toshi grinste und nahm den letzten Schluck Sake.

Souji ließ sich noch einmal einen Augenblick von dem Bild vor ihm verzaubern, dann beschloss er, dass er Teil dieses Bildes sein wollte.

Er steifte seinen Yukata ab und liess ihn achtlos zu Boden fallen. Der frostige Nachtwind schlug ihm entgegen und er beeilte sich durch den frischen Schnee zu der warmen Wanne zu kommen.
 

Toshi hob den Yukata auf und legte ihn auf den Futon. Dann stopfte er sich seine Pfeife, nahm seinen Haori und setzte sich trotz der Kälte raus auf die Engawa. Souji lag mit geschlossenen Augen in der Wanne, weiße Dampfschwaden stiegen um ihn herum empor.

„Wofür hast du am Schrein gebetet?“ fragte Toshi unvermittelt.

„Für Schnee...und Regen...“ erklärte Souji und öffnete die Augen.

„Regen?“

„Ja, aber kein normaler Regen...“

Souji liess seinen entrückten Blick über den Garten aus Eis schweifen.

„Einen Regen aus Kirschblüten...darum habe ich den Kami gebeten...“

Toshi musste nicht weiter fragen. Auch so war ihm klar, das es Soujis Wunsch an den Kami war, noch den nächsten Frühling zu erleben.

Sie verfielen in Schweigen. Eingehüllt in melancholischer Stille hing jeder von ihnen seinen Gedanken nach. Außer dem leichten Nachtwind war kein Laut zu hören, völlige Stille umgab sie, die nur von dem gelegentlichen Wasserplätschern unterbrochen wurde wenn Souji sich in der Wanne bewegte.

„Dein erster Wunsch wurde dir ja schon erfüllt...für den zweiten musst du dem Kami aber noch ein paar Wochen Zeit geben.“ meinte Toshi schließlich in dem wenig hoffnungsvollen Versuch Souji aufzumuntern.
 

„Ich weiß...“
 

Sie verfielen abermals in Schweigen. Toshi wünschte sich, er hätte nicht nachgefragt. Nachdem es Souji heute so erstaunlich gut gegangen - von der Erschöpfung der Reise einmal abgesehen - hätte er sich gewünscht, dass sie zumindest für diesen einen Tag so tun konnten, als wäre alles in Ordnung, als wäre ihre Zeit nicht begrenzt, sondern unendlich wie der sternenübersäte Himmel über ihnen.

Er inhalierte den letzten Rest Tabak und blies den Rauch genüsslich dem gelb leuchtenden Vollmond entgegen.

Als er merkte, dass er beobachtet wurde, wandte er seinen Blick wieder Souji zu, der seine Arme auf den Rand der Wanne aufgestützt hatte und ihn schelmisch angrinste.
 

„Nee...Hijikata-san...wollt ihr nicht auch reinkommen?“
 

Toshi legte lächelnd seine Pfeife zur Seite. Wie immer wusste Souji genau, was es brauchte um ihn aufzuheitern.
 

„Ich dachte schon, du fragst nie...“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liest noch jemand mit? Ich weiss, es gibt mal wieder recht wenig Handlung wie meistens in meinen Geschichten.
Dieses Kapitel habe ich größtenteils bereits im Juli geschrieben. Irgendwie schreibe ich gerne über die Jahreszeiten, die ich aktuell gerade nicht erlebe^^
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Komplett anzeigen

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