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Am Tag ist es leicht

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Warnung: Blut, Gewalt, Moral im Arsch. Komplett anzeigen

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Verrohung

Es dauert fast eine Stunde, bis Shikaku auftaucht, Aoba, Mizuki und Hayate im Schlepptau. Er springt von einem Baum und nickt Tokara und Ibiki zu.

„Ich habe schon gehört, dass ihr den Abtrünnigen überwältigen konntet. Gute Arbeit.“

Dann sieht er den Gefangenen auf dem Boden, und sein Gesicht verdüstert sich schlagartig.

„Raus mit der Sprache. Was habt ihr mit ihm angestellt?“

Der Mann wimmert und rollt sich zu einer Kugel zusammen.

„Mir war langweilig“, erwidert Ibiki arglos. „Also habe ich ein paar Genjutsus an ihm ausprobiert. Und übrigens, ich habe ein komplettes Geständnis von ihm. Tokara hat mitgeschrieben.“

„Die Sache war seine Idee!“, sagt Tokara sofort und zeigt auf Ibiki.

„Natürlich war es meine Idee. Ich bestehe darauf.“

Fassungslos sieht Shikaku zwischen dem Gefangenen und Ibiki hin und her. Er runzelt die Stirn und nickt einige Male.

„Ihr bleibt hier und macht euch bereit zur Abreise. Ibiki, wir müssen uns unterhalten. Dort drüben.“

Ibiki zuckt die Achseln und folgt Shikaku einige Schritte weiter weg. Die anderen sehen ihm hinterher und tuscheln, aber er achtet nicht auf sie.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragt Shikaku wütend, sobald sie außer Hörweite sind.

„Ihn unter ein Genjutsu gesetzt und seine drei Kinder vor seinen Augen geköpft.“

Einen Moment lang fehlen Shikaku die Worte. „Ah. Und wie nennst du das? Erweiterte Verhörtechniken?“

„Ich würde es Folter nennen. Ich halte nichts von Euphemismen.“

„Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da sagst, Ibiki? Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“

„Ich sagte doch, mir war langweilig“, erwidert Ibiki. „Und ich wollte die Wahrheit herausfinden. Mehr nicht.“

„Mehr nicht? Ich weiß nicht, ob ich diese Aktion lobend erwähnen oder dir deswegen eine Abmahnung erteilen lassen soll!“

„Abmahnung? Wofür? Dass ich der Wahrheit auf ihrem Weg geholfen habe?“

„Der Befehl für dein Team und dich lautete nur, den Mann aus seinem Versteck zu treiben und Alarm zu schlagen. Ihn gefangen zu nehmen war nicht eure Aufgabe. Ja, ich sehe ein, dass das zu eurer eigenen Sicherheit notwendig war. Ich bestreite auch nicht, dass ein Verbrecher wie er nicht viel Fingerspitzengefühl verdient. Aber all das gibt dir nicht das Recht, ihn zu foltern!“

„Ich dachte, so würde man mit Abtrünnigen umgehen, besonders in Kriegszeiten.“

„Es gibt dir nicht das Recht, Morino Ibiki!“, brüllt Shikaku ihn an. „Du bist ein einfacher Genin, du bist dreizehn Jahre alt! Gefangene auseinander zu nehmen ist verdammt nochmal nicht deine Aufgabe, dafür haben wir in Konoha Spezialisten! Dass du dir so etwas überhaupt ausdenken konntest, schockiert mich schon!“

„Ich habe so etwas am eigenen Leib erfahren“, erwidert Ibiki und versteht selbst nicht, wieso er so ruhig bleibt. Er fühlt sich, als würde er schweben, als könnte ihm nichts und niemand etwas anhaben. Vielleicht ist es das Gefühl, Macht zu besitzen. Shikaku sieht ihn an und atmet tief durch.

„Was passiert ist, ist passiert. Ich werde dich jedenfalls nie wieder mit Gefangenen allein lassen.“

„Schade. Dabei war es diesmal ziemlich effektiv.“

„Strapaziere meine Geduld nicht überflüssig!“ Shikaku schließt die Augen und massiert sich die Schläfen. „Wenn ich nicht deinem Vater diese Blamage ersparen wollte, würde ich dem Hokage raten, dich bis auf Weiteres zu suspendieren.“

„Zu suspendieren? Mit welcher Begründung?“

„Psychische Instabilität und eindeutig sadistische Neigungen.“

Ibiki muss lachen. Shikaku starrt ihn an, aber er kann nicht damit aufhören. Es amüsiert ihn so.

„In einer Welt, in der zehnjährige Kinder zum Kriegsdienst eingezogen werden, soll psychische Instabilität ein Grund sein, jemanden zu suspendieren? Hast du diesen Gedanken zu Ende gedacht, Shikaku?“

Shikaku verengt die Augen. „Du kannst dich bei deinem Vater bedanken, dass ich diese Angelegenheit nicht weiter verfolgen werde. Wenn du dich beruhigt hast, kannst du wieder zu uns stoßen. In einer Stunde brechen wir nach Konoha auf.“

Er wendet sich ab und geht, und Ibiki gluckst weiter in sich hinein. Psychische Instabilität. Es ist einfach zu komisch.
 

„... ekelhaft“, sagt Tokara gerade, als Ibiki zurückkommt.

„Was?“

Er bemerkt Ibiki und wird blass. „Ach, gar nichts.“

Hayate und Mizuki starren Ibiki an. Aoba spricht einige Schritte weiter mit Shikaku, sie sehen nicht herüber. Tokara hat seinen durchnässten Pullover ausgezogen und sich in Aobas grüne Weste eingewickelt. Er fröstelt immer noch.

„Hast du wirklich ein Genjutsu bei ihm angewandt?“, fragt Hayate. Ibiki weiß nicht recht, ob das in seiner Stimme Ehrfurcht oder Entrüstung ist. Vielleicht eine Mischung aus beidem.

„Ja.“

„Was für eins?“

„Das kann ich dir nicht sagen“, erwidert Ibiki streng.

„Warum nicht?“

„Weil du Albträume bekommen würdest, und ich habe keine Lust, das deiner Mama zu erklären.“

„Sehr witzig“, murrt Hayate und runzelt die Stirn. „Nur, weil ich erst neun bin.“

„Allerdings, genau deswegen. Zerbrich du dir also nicht deinen kleinen Kopf darüber. Tokara, du hörst auf zu heulen. Und Mizuki hält die Klappe.“

„Ich habe nicht einmal etwas gesagt!“, protestiert Mizuki.

„Doch, jetzt gerade, und schon war es zu viel. Hättest du doch auf mich gehört.“

„Manchmal bist du ein richtiges Arschloch, weißt du das?“

„Ich analysiere nur ein bisschen“, erwidert Ibiki achselzuckend. „Wenn ihr nicht wollt, dass ich mit euren Schwächen herumspiele, versteckt sie besser“

„Was für Schwächen?“

„Jeder Mensch hat Schwächen. Bei diesem Abtrünnigen waren es seine Kinder ...“

„Jetzt bilde dir nichts darauf ein, dass du das herausgefunden hast“, murmelt Tokara. „Auf das mit den Kindern wäre sogar ich gekommen.“

„Tokara, du bist verwirrt. Nicht jetzt, sondern ständig. Und zu leichtgläubig auch, insbesondere Hochrangigen gegenüber. Hayate hat ständig den Drang, zu beweisen, dass er nicht schwächer ist als wir, weil er kleiner ist. Besten Dank, Hayate, die Botschaft ist angekommen. Und Mizuki spricht mit gespaltener Zunge. Was das zu bedeuten hat, weiß ich auch nicht, aber es macht mich aggressiv.“

Hayate verzieht den Mund.

„Ich weiß nicht, ob das gerade intelligent oder einfach nur unhöflich war“, brummt Tokara.

„Ich sage immer noch, er ist ein Arschloch“, beharrt Mizuki.

„Vielleicht ist es alles gleichzeitig“, erwidert Ibiki bescheiden.
 

Er sitzt auf dem Dach vor dem Küchenfenster, baumelt mit den Beinen und betrachtet die in Fels gemeißelten Köpfe der Hokage, die über das Dorf wachen. Im Mondlicht sind sie gut zu erkennen. Es kommt Ibiki vor, als würde der dritte Hokage ihn direkt ansehen, als könnte er dem Blick dieser leeren, steinernen Augen nicht entkommen. Er hat dem alten Mann versprochen, sich Hilfe zu holen, wenn er sie braucht. Schon damals hat er gewusst, dass es nie dazu kommen wird. Er braucht keine Hilfe, nicht einmal, wenn Shikaku irgendetwas von psychischer Instabilität erzählt. Ibiki kommt zurecht. Es ist alles in Ordnung.

„Ibiki?“

Er dreht sich um. Ima späht aus dem Küchenfenster, die Augen klein vor Müdigkeit.

„Was machst du da draußen?“

„Konnte nicht schlafen.“

Sie klettert neben ihn, setzt sich auf die Ziegel und zieht das Nachthemd über ihre Füße.

„Und du, Ima?“

„Ich auch nicht“, murmelt sie und betrachtet die Hokageköpfe. Ob sie den Blick des Dritten genauso bemerkt wie Ibiki?

„Ich muss dich was fragen“, sagt Ima langsam.

„Was denn?“

„Du darfst aber nicht sagen, dass ich irgendwie krank bin oder so.“

„Wieso sollte ich?“

„Ich habe ... habe mich nämlich gefragt, ob ...“ Sie holt tief Luft. „Hast du auch manchmal Spaß dabei?“

„Wobei?“

„Beim ... Kämpfen.“

Ibiki zuckt die Achseln. „Ich denke schon. Es ist gut, stark zu sein.“

„Ja“, murmelt sie und wendet ruckartig den Blick vom Hokagefelsen ab, als würde sie sich schämen. „Aber ich meine ... ich meine eigentlich ... was anderes.“

„Du kannst mir alles erzählen, Ima“, sagt Ibiki und tastet nach ihrer Hand. „Das weißt du, oder?“

Sie nickt langsam. „Bei unserer letzten Mission ist mir was ... Seltsames passiert. Es war eine Aufklärungsmission, weißt du, reine Routine. Wir haben ein Waldstück zugewiesen bekommen und sollten nachsehen, ob es dort Fallen gibt. Explodierende Siegel. Solche Dinge.“

Ibikis Miene verdüstert sich. Es sollte ihn nicht schockieren, dass sie die unerfahrenen Kinder bevorzugt auf solche Missionen schicken. Minensuchermissionen. Kanonenfuttermissionen. Objektiv betrachtet ist es logisch, dass Konoha keinen seiner kostbaren Jounin für einen solchen Einsatz opfern will. Ganz persönlich macht es ihn trotzdem wütend, dass seine kleine Schwester durch einen einzigen falschen Schritt hätte zerfetzt werden können.

„Da war ein Shinobi. Aus Iwa, hat Sensei später gesagt. Er ist ganz plötzlich aufgetaucht, direkt vor Homare und mir. Sensei und Shunsuke waren ein Stück weiter weg. Wir waren völlig starr vor Schreck, und Sensei hat geschrien.“ Ima holt Luft, und ihre Stimme rutscht etwas tiefer. „Tötet ihn! Schlitzt ihm die Kehle auf! Tötet ihn schon!

Ibiki sieht sie von der Seite her an und stellt fest, dass sie zehn Jahre alt ist. Nächste Woche wird sie elf.

„Der Iwa-Nin wollte irgendwelche Siegel machen, aber Homare hat sich an seinen Arm geklammert. Und ich habe ein Kunai genommen, bin auf ihn drauf gesprungen und habe auf seinen Hals eingestochen. Immer auf den Hals. Er ist hingefallen, aber ich war auf ihm drauf, und ich habe zugestochen. Ich wusste ja nicht, ob er schon tot war. Ich musste sicher gehen.“

„Du musstest dein eigenes Leben schützen“, sagt Ibiki ruhig. „Jeder hätte das gemacht.“

„Ich hatte die Hände voller Blut. Es war alles voll, alles rot. Sensei hat mich weggezogen, seine Hände waren auch voller Blut. Und er hat Homare und Shunsuke gesagt, sie sollen den Mann anfassen. Seinen Hals. Und wir hatten alle die Hände rot, mit Blut. Und Sensei hat gesagt, wir sollten es nicht abwaschen.“

Ibiki hebt ihre Hand hoch und betrachtet sie eingehend. „Nichts mehr zu sehen.“

„Ich hab es abgewaschen, als ich zu Hause war. Es hat geklebt. Es war hart geworden. Das war ekelhaft.“

Ima starrt auf die Dachziegel vor ihren Füßen, dann gibt sie sich einen Ruck und dreht den Kopf. Sie sucht Ibikis Blick mit einer Nervosität, die er an ihr nicht kennt. Sie ist seine Schwester. Ihm gegenüber war sie noch nie nervös.

„Ibiki? Das ist noch nicht alles.“

„Was denn noch?“

„Ich glaube ... es hat mir Spaß gemacht.“

Eindeutig sadistische Neigungen, hallt Shikakus Stimme in Ibikis Kopf wieder.

„Du hast doch gesagt, du fandest es ekelhaft.“

„Ja, aber erst nachher! Als ich auf ihm drauf war mit dem Kunai, da war es okay. Es hat mir Spaß gemacht, glaube ich. Es war richtig. Und später habe ich das Blut gesehen, und ich habe verstanden, was ich getan hatte. Dann fand ich es ekelhaft. Also ... mich selbst.“

„Das musst du nicht“, sagt Ibiki ernst. „Sicher warst du einfach etwas verwirrt in dem Moment. Du musstest dein Leben retten, da kann man schon einmal etwas tun oder fühlen, was man sonst nicht tun würde. Aber es wird nicht wieder vorkommen, hörst du, Ima? Du bist in Ordnung. Es wird alles gut.“

„In drei Tagen muss ich auf meine nächste Mission“, murmelt Ima. „Wird es dann wiederkommen, Ibiki? Ich will das nicht.“

„Es wird nicht wiederkommen. Weißt du nicht mehr, was ich dir damals gesagt habe, nachdem ich diese Narbe bekommen habe und du dir solche Sorgen um mich gemacht hast? Ich habe gesagt, dass wir beide uns trotzdem nicht verändert haben. Innen drin bist du ein guter Mensch, Ima, und das kann dir niemand nehmen. Krieg führen und kämpfen macht seltsame Dinge mit einem, aber das ist nicht von Dauer. Irgendwann wird wieder Frieden sein, und dann musst du nicht mehr auf Missionen, wo du Leute umbringen musst. Dann kriegst du richtige Genin-Missionen. Nicht so brutales Zeug.“

Ibiki kommt es vor, als würde er mit sich selbst reden.

„Versprochen?“, fragt Ima leise. „Dass der Krieg irgendwann vorbei ist?“

„Versprochen“, sagt er und legt die Arme um sie. Ima lehnt den Kopf an seine Brust, und plötzlich schluchzt sie auf und krallt die Hände hinten in sein Hemd. Ihre Tränen durchnässen seine Kleider.

„Weine nur, kleine Schwester“, flüstert er. „Es wird alles wieder gut.“



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