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Am Tag ist es leicht

von

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Ratten

Drei Monate vergehen, und Ibiki bekommt seinen Schlafrhythmus langsam wieder in den Griff. Grund dafür ist ein unerwarteter Glücksfall: Er hat einen Weg gefunden, die Ratten zu vertreiben, die ihn jede Nacht heimsuchen. Vielleicht stimmt es wirklich, was einige sagen. Was einen nicht umbringt, macht einen stärker.

„Hast du immer noch keine Missionen?“, fragt Asuma bei einem ihrer Abende auf Gais Dach. Es hat sich eingebürgert, dass sie sich jeden zweiten Freitag dort treffen, und Ibiki ist das sehr recht. Er merkt daran, dass Zeit vergeht.

„Nein. Aber ich trainiere eifrig, und ich habe mich längst erholt. Ich werde wohl demnächst zu Hokage-sama gehen und ihm sagen, dass ich wieder einsatzfähig bin.“

„Ach, wirst du das“, sagt Asuma grinsend, und Ibiki fällt jetzt erst wieder ein, dass er der Sohn des Hokage ist. Man verliert es schnell aus den Augen, weil der Hokage schon so alt ist, und weil Asuma seine Herkunft nicht an die große Glocke hängt.

„Morgen ist Samstag, da habe ich frei. Wie wär's mit einem Trainingskampf, Ibiki? Wenn du dich gut schlägst, werde ich meinem Vater ausrichten, dass du als Shinobi wieder zu gebrauchen bist.“

„Meine Karriere ist nicht von deiner Gnade abhängig, damit das klar ist“, sagt Ibiki schmunzelnd. „Aber von mir aus gern. Endlich mal wieder ein richtiger Kampf ... klingt gut.“

„Das ist eine hervorragende Idee!“, mischt Gai sich ein, dessen Augen leuchten. „Ich bin der Schiedsrichter! Wir treffen uns morgen Vormittag um elf auf Trainingsplatz fünf, am Waldrand. Ich warte! Wer bis Viertel nach elf nicht da ist, hat automatisch verloren!“

„Es sollte eigentlich ein kleiner Kampf werden, Gai“, sagt Asuma und verdreht die Augen. „Zwischen Ibiki und mir.“

„Aber ihr braucht einen Schiedsrichter!“, protestiert Gai.

Ibiki hört der sich anschließenden Streiterei nicht zu, er ist in Gedanken längst woanders. Morgen wird er die Gelegenheit haben, seine neue Technik auszuprobieren. Hoffentlich wird es klappen.
 

„Es soll richtig heiß werden heute!“, verkündet Ima am nächsten Tag beim Frühstück und schaufelt Zucker auf ihre Cornflakes. „Ich gehe schwimmen, mit Kozue und noch ein paar anderen. Willst du auch mitkommen, Ibiki?“

„Tut mir leid, ich kann nicht“, erwidert Ibiki. „Habe einen Trainingskampf.“

Vater sieht von seiner Zeitung auf. „Ach ja? Wieso denn das?“

„Asuma hat es vorgeschlagen. Ich dachte, ich könnte wieder ein bisschen Übung kriegen. Wir hören auch auf, bevor wir uns gegenseitig umbringen.“

„Wie beruhigend“, sagt Vater trocken. Ima lacht nervös.

„Na, dann ... vielleicht ein andermal.“

„Willst du mitkommen und zusehen?“, bietet Ibiki an.

„Ach ... nein.“

Sie senkt den Blick, und ihm fällt auf, dass sie ihn nie hat kämpfen sehen. Sie kennt ihn als ihren großen Bruder, als den Clown, der Genjutsus für sie macht. Aber nicht als Kämpfer.
 

Der Trainingsplatz ist eine kleine Waldlichtung mit sonnenverbranntem Rasen und drei alten Holzpfählen, die nebeneinander in den Boden gerammt sind. Gai und Asuma sind schon da, als Ibiki eintrifft.

„Ich habe beschlossen, heute nachsichtig mit dir zu sein“, begrüßt Asuma ihn großspurig. „Immerhin bin ich schon Chuunin.“

„Ja, seit ganzen vier Tagen“, erwidert Ibiki grinsend. „Also bilde dir nichts darauf ein.“

Zu seiner Überraschung haben sich im Schatten des Waldrandes ein paar Zuschauer eingefunden, die offenbar gestern auf dem Dach von dem Kampf erfahren haben. Ebisu und Genma sind da und dieses Mädchen, mit dem Asuma neulich schon geredet hat. Kurenai, überlegt Ibiki und sieht unwillkürlich nach, ob sie schwarze Augen hat. Hat sie nicht.

„Was macht denn das ganze Volk hier?“, fragt er Asuma.

„Die dachten, der Kampf könnte lustig werden.“

„Also!“, ruft Gai und hebt die Arme. „Ich bin der Schiedsrichter! Erste Regel. Das hier ist ein Trainingskampf, also keine lebensgefährlichen Techniken.“

„Fast alle Techniken sind irgendwie lebensgefährlich“, wendet Asuma ein.

„Aber ... nichts allzu Gefährliches. Zweitens. Wenn ich sage, dass der Kampf vorbei ist, ist er vorbei.“

„Drittens, alle tun, was du sagst“, fährt Ibiki ungerührt fort.

„Viertens“, sagt Asuma, „der Verlierer gibt einen aus.“

„Der Schiedsrichter macht die Regeln, nicht ihr!“ Gai schüttelt tadelnd den Kopf. „Es ist mir ein Rätsel, wie du mit deiner Disziplin die Chuunin-Prüfung bestehen konntest, Asuma.“

„Also, legen wir langsam los?“, fragt Asuma, ohne auf ihn einzugehen.

„Ja doch, ja doch. Ach ja, ihr müsst euch an das Protokoll halten! Einander ansehen und das Zeichen mit den zwei Fingern, ihr wisst schon. Los!“

„Ist ja gut.“

Sie stellen sich voreinander auf und sehen einander in die Augen. Beide haben die Hand in derselben Pose erhoben, zwei Finger nach oben ausgestreckt als Zeichen der Herausforderung. Asuma sieht nicht aus, als würde er sich um seinen Sieg ernsthaft Sorgen machen. Seine Selbstüberschätzung könnte ihm zum Verhängnis werden. Realistisch betrachtet, denkt Ibiki, ist sie sogar seine einzige Chance, Asuma zu schlagen.

„Seid ihr bereit?“

„Ja.“

„Ich auch.“

„Also gut!“ Gai streckt den Arm zwischen ihnen aus und holt tief Luft. „Der Kampf beginnt ... jetzt!“

Er hat den Arm kaum gehoben, als sie auseinander schnellen wie zwei Pfeile von der Sehne. Ibiki zieht sich in den Schatten des Waldes zurück, während Asuma zehn Schritte weiter stehen bleibt, eine seiner Klingen in der Hand. Kein normales Kunai, sondern eine Art Schlagring mit verlängerter Schneide an einer Seite. Sieht genauso fies aus, wie es ist. Er kommt ihm besser nicht zu nahe, denkt Ibiki und beginnt, seine Siegel zu schließen.

„Komm schon raus, Ibiki! Wir wollen kämpfen, nicht stundenlang umeinander herumschleichen!“

Asuma legt die Stirn in Falten und überlegt offensichtlich, ob er Ibiki folgen soll oder ob er damit in eine Falle läuft. Gai beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung.

„Sag nicht, du hast kalte Füße bekommen! Wo steckt du?“

Im nächsten Moment schnappt Asuma nach Luft und senkt langsam den Blick. Ratten strömen aus allen Richtungen auf ihn zu, der Boden um ihn herum ist von ihnen bedeckt. Er hebt die gezackte Klinge in seiner Hand, weiß aber offensichtlich nicht, wo er anfangen soll. Die Ratten ziehen einen engen Kreis um ihn, aber wenn Ibiki will, kann er dafür sorgen, dass die Tiere Asuma auffressen. Es hat eine Weile gedauert, bis ihm der beste Weg eingefallen ist, seine Angst zu beherrschen: Indem er sie zu seiner eigenen Waffe macht.

„Ach du liebe Güte“, knurrt Asuma. Lautlos pirscht Ibiki sich durch die Bäume an ihn heran, so nah es geht. Etwa zwei Meter von ihm entfernt muss er die Deckung der Blätter aufgeben. Er holt noch einmal tief Luft, umklammert sein Kunai und lässt sich hinter Asumas Rücken aus dem Baum fallen. Asuma hört das Rascheln der Zweige und fährt im letzten Moment herum. Er blockt Ibikis Kunai mit der Klinge ab, die Zähne zusammen gebissen. Ibiki verliert die Konzentration, das Genjutsu löst sich in Wohlgefallen auf. Asuma stößt ihn weg, und Ibiki bemerkt schmerzhaft, dass er ein paar Zentimeter kleiner und ein paar Kilo leichter ist. Mühsam findet er sein Gleichgewicht wieder und bringt sich mit zwei Sätzen rückwärts außer Reichweite.

„Das war ein Genjutsu?“, fragt Asuma und grinst. „Gar nicht schlecht ... für einen Genin.“

Ibiki spart sich einen geistreichen Konter. Das Genjutsu war fehlerfrei, aber er konnte es nicht lange genug aufrecht erhalten, und ein zweites Mal wird Asuma nicht auf den Trick hereinfallen. Eine neue Strategie muss her.

Noch bekommt er keine Zeit, darüber nachzudenken, weil mehrere Kunais auf ihn zu zischen. Sie sind nicht gezielt genug, um ernsthaft gefährlich zu werden, aber sie reichen, um ihn zu beschäftigen. Er muss ausweichen, bleibt mit dem Fuß in einem Loch im Rasen hängen und stürzt auf den Rücken. Fluchend rappelt er sich auf, und als er wieder auf den Füßen steht, ist Asuma verschwunden.

Misstrauisch runzelt Ibiki die Stirn. Mit Tricks und Täuschungen zu kämpfen ist seine Aufgabe, doch nicht die von Asuma, der am liebsten geradeheraus vorgeht und in diesem Kampf ohnehin der Überlegene ist. Warum hat er sich zurückgezogen, und vor allem, wo ist er? Er sieht nur den Wald und den Himmel und Gai, der einige Schritte Abstand hält. Von Asuma keine Spur.

Er muss irgendetwas planen, und er könnte jederzeit auftauchen, aus jeder Richtung, theoretisch sogar von unten. Wenn Ibiki eines hasst, dann ist es, nicht zu wissen, was vorgeht. Er sieht sich um, Schweiß im Nacken, ein Kunai umklammert. In irgendeinem Baum, hinter einem Felsen, irgendwo muss er doch sein! Die Sekunden verrinnen, und wie immer, wenn er nervös ist, tastet seine Zunge nach der Narbe an der Innenseite seiner rechten Wange.

Sie ist nicht da.

Innerhalb eines Wimpernschlags ist Ibiki klar, was das bedeutet. Die Narbe muss da sein, aber er spürt sie nicht. Mit seinen fünf Sinnen kann also irgendetwas nicht stimmen, und dafür gibt es nur einen naheliegenden Grund.

Kai!“

Er lässt das Kunai fallen und klatscht die Hände zusammen für das Siegel, das sein Chakra für einen kurzen Moment zum Stillstand bringt. Seine Sicht flackert, und dann ist da Asuma, ohne jede Deckung, zwei Schritte vor ihm. Anstatt seinem ersten Impuls nachzugeben und zurückzuweichen, zieht Ibiki ein neues Kunai hervor und springt geradewegs auf ihn los. Asuma reißt erschrocken die Augen auf.

„Scheiße!“

Sie stoßen zusammen und stürzen zu Boden, Ibiki obenauf. Bevor er einen klaren Gedanken fassen kann, spürt er etwas Kaltes an seiner Kehle.

„Rühr dich nicht“, sagt Asuma, der auf dem Rücken liegt, eine seiner Klingen in der Hand.

„Du dich auch nicht“, erwidert Ibiki. Die Spitze seines Kunais zeigt geradewegs auf Asumas Halsschlagader. Asuma blinzelt verwirrt, wird sich der Situation bewusst und muss lachen.

„Nicht schlecht. Wirklich.“

„Ich denke, der Kampf ist entschieden!“, ruft Gai, der näher getreten ist. „Und zwar steht es unentschieden!“

„In dem Fall ist der Kampf doch nicht entschieden, Gai“, tadelt Ibiki ihn. „Achte ein bisschen auf deine Ausdrucksweise.“

Gai verschränkt die Arme. „Vielleicht erkläre ich Ibiki doch zum Verlierer, wegen Klugscheißerei gegenüber dem Schiedsrichter.“

„Unsinn“, sagt Asuma, drückt Ibikis Arm mit dem Kunai weg und setzt sich auf. „Unentschieden klingt gut.“

„Obwohl ich Genin bin?“, fragt Ibiki grinsend.

Asuma macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ich bin ja kein Unmensch. Aber eigentlich schade, dass die letzte Aktion nicht geklappt hat.“

„Du wolltest mich mit meinen eigenen Waffen schlagen – ich muss zugeben, das hat Stil.“

„Ganz genau. Unter ein Genjutsu setzen, und dann ganz cool hingehen und bang, zuschlagen. Licht aus. Gute Nacht.“

„Beinahe hätte es geklappt.“

„Woran hast du es gemerkt?“, fragt Gai interessiert. „Ich meine, Asuma ist bestimmt kein Genjutsu-Experte, aber ...“

Asuma lacht schallend auf. „Sagt der, der das einfachste Ninjutsu nicht hinbekommt! Aber die Frage ist berechtigt, Ibiki. Woran hast du es gemerkt?“

Ibiki tastet mit der Zunge nach der Narbe und lächelt. „Sag ich nicht. Ist mein Geheimnis.“

„Spielverderber“, sagt Asuma vorwurfsvoll.

„Jedenfalls ist der Kampf beendet!“, verkündet Gai munter. „Gebt euch die Hand zum Zeichen der Harmonie!“

„Muss das sein?“

„Ja! Das hat Tradition!“

„Also gut.“

Sie haken die Finger ineinander, Asuma grinst, und Ibiki erwidert es. Ein paar der ungebetenen Zuschauer klatschen Beifall.

„Übrigens schade, dass es unentschieden ausgegangen ist“, fällt Ibiki plötzlich ein. „Der Verlierer hätte einen ausgeben müssen.“

„Halb so schlimm“, sagt Asuma achselzuckend. „Dann gibt eben der Schiedsrichter einen aus.“



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