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Erkundungsmission Elf

oder als die Fremden vom Himmel herabkamen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo,
in diesem Kapitel habe ich die Wörter Tränen aus Glas, eine Kristallkugel, fliegende Fetzen, ein verwirrender Traum, ein Pinsel, ein Speicherchip, ein Klon und Vakuum verwendet. Mich hat der Ehrgeiz gepackt und ich versuche alle beim Wettbewerb vorgegebenen Wörter einzubauen.

Eine Warnung an alle Leser, die glauben die Geschichte geht so fluffig weiter wie bisher, ab nun wird es düsterer, unglückliche Todesfälle von Charakteren sind nicht auszuschließen. Wer damit ein Problem hat, sollte hier nicht weiterlesen.

Allen anderen wünsche ich viel Spaß bei der Lektüre! Komplett anzeigen

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Die Erkundungsmission

Jane Smith drehte die Kristallkugel in ihrer Hand. Es war ein Erbstück von ihrer Großmutter. Ihre Großmutter hatte sie ihr als Erinnerung mitgegeben, als Erinnerung daran, dass nicht alles wissenschaftlich zu erklären sei. „Früher glaubten die Menschen man könnte mit einer Kristallkugel die Zukunft vorhersagen. Heute wissen wir, dass es nicht möglich ist und dennoch faszinieren uns Kristallkugeln nicht nur wegen ihrer Ästhetik, sondern wegen dem sie umgebenden Mythos.“ Das hatte ihre Oma ihr erzählt, als sie ihr die Kristallkugel überreicht hatte. Jane legte die Kugel zur Seite. Sie wurde im Forschungstrakt erwartet, wo die ersten Daten des Erkundungsrovers ausgewertet wurden. Endlich würden sie mehr über diesen neuen möglicherweise für Menschen geeigneten Planeten erfahren. Es war der elfte Planet in der Feenkreis-Galaxy. Janes Schlussfolgerung, was den Namen Feenkreis-Galaxy betraf war, dass wer auch immer sich diesen Namen ausgedachte hatte, eine Faible für Mythologie gehabt haben musste.

In Labor drei scharten sich fast alle Wissenschaftler der SS Merian um den Monitor, auf welchem die Daten des Rovers zu sehen waren. Jane quetschte sich zwischen Indira und Carlos, um auch etwas sehen zu können. Der Rover bewegte sich auf einen Wald zu. „Erinnert an die Dschungel, wie sie vor der Zerstörung ausgesehen haben,“ murmelte Carlos. Jane nickte abwesend. Nun flatterte ein Lebewesen ins Bild. Es war zu schnell, als das der Rover ihm mit der Kamera folgen konnte, doch anscheinend war das Wesen am Rover interessiert, da es immer wieder als Schemen durchs Bild flog. Schließlich erhielten sie ein scharfes Bild, als das Wesen nah vor der Kameralinse in der Luft stoppte. Jane schnappte nach Luft.

„Das gibt’s doch nicht“, entfuhr es Indira.

„Wow“, flüsterte Pierre.

„Es sieht aus wie ein lebendig gewordenes Bild aus einem viktorianischen Märchenbuch“, wisperte Jane, während sie das Wesen auf dem Monitor anstarrte. Es hatte annähernd humane Gestalt, orange Haut, grell rotes Haar und schwirrende purpurne Insektenflügel. Alle verfolgten gebannt, wie das Wesen seine Hand ausstreckte und den Rover berührte. Da kein Audiokontakt bestand, konnten sie den Schrei des Wesens nicht hören, aber sie sahen, wie es floh. „Jim, folg ihm“, wurde der Techniker, der den Rover steuerte, angewiesen. Weit kam Jim nicht. Es gelang ihm zwar den Rover hinter die Baumgrenze zu fahren, doch kurz darauf stießen sie auf einen Fluss, den der Rover nicht überqueren konnte. „Analysier den Sand. Der schimmert wie pures Gold“, forderte Pierre, einer der Geologen unter den versammelten Wissenschaftlern. Jane verfolgte wie Jim, den Rover dazu brachte etwas Sand zur Analyse einzusammeln und dann wendete. Eine ganze Zeit lang konnten sie nur noch mehr Landschaft des Planeten bestaunen. Erst in den Bergen kam es zu einer weiteren Begegnung mit einer Lebensform. Wieder war es ein fliegendes Wesen, einer Eidechse sehr ähnlich. „Ein kleiner Drache! Ich glaub mich tritt ein Pferd! Haben wir hier einen Planeten voller mythologischer Lebensformen gefunden oder was,“ murrte Carlos. Alle starrte die winzige, fliegende, golden schimmernde Echse an, die den Rover attackierte. Mehrere Feuerlohen kamen aus dem Maul des Wesens. „Mist! Es hat den Speicherchip gegrillt!“ Jim schlug mit der Hand auf den Rand der Konsole.

Pierre stöhnte. „Das heißt alle Daten, die noch nicht übertragen wurden sind weg!“

„Und wir kriegen keine Neuen,“ fügte Indira hinzu.

Doktor Scott erhob sich, „Wie ihr alle wisst hat Captain Green einer Erkundungsmission zugestimmt, da soweit bekannt, die Lebensbedingungen auf dem Planeten dies ermöglichen. Das heißt wir können neue Daten sammeln, auch wenn wir ein paar verloren haben. Dr. Indira Chandra, Dr. Pierre Dupond, Dr. Chen Li, Dr. Carlos Martinez, Dr. Jane Smith, Sie wurden für die Mission ausgewählt. Suchen Sie ihre Instrumente und, was Sie sonst noch brauchen, zusammen. Inzwischen sind Sie ja an das Prozedere gewöhnt.“

Jane neigte den Kopf. Zusammen mit den anderen Missionsmitgliedern kümmerte sie sich um die notwendigen Vorbereitungen.

Jane verstaute mit Carlos die vakuumverpackte Nahrung, wobei sie dem üblichen Gekabbel zwischen Indira und Pierre lauschte. „Ich hoffe dieses Mal hast du an die Pinsel gedacht,“ war Pierre zu vernehmen.

„Denk doch selbst dran. Ich bin nicht derjenige, der Steintaub mit Pinseln auf Petrischälchen zum analysieren tupft“, gab Indira zurück.

„Alles verstaut, Leute,“ erkundigte sich der Sicherheitsoffizier, dessen Sicherheitsinstruktionen sie nun erneut zu lauschen hatten, bevor ihnen erlaubt würde einen fremden Planeten zu betreten. Die Wissenschaftler bestätigten, dass sie ihre Ausrüstung sicher untergebracht hatten.

Im Shuttle auf dem Weg zum Planeten waren alle still und hingen ihren Gedanken nach. Jane bedauerte, dass ihnen nicht erlaubt war die Luft dieses Planeten zu atmen. Es wäre eine willkommene Abwechslung zur recycelten Luft auf dem Raumschiff. Dennoch wusste sie, weswegen es notwendig war auf bislang unerforschten Planeten einen Raumanzug zu tragen. „Fünf Minuten bis Eintritt in die Atmosphäre,“ erklang die automatische Warnung des Bordcomputers, woraufhin alle sich auf leichte Turbulenzen gefasst machten.

Jane atmete erleichtert auf als das Shuttle endlich gelandet war. „Okay, Leute. Ihr wisst, was zu tun ist. Dr. Li und ich warten hier auf euch. Meldet euch regelmäßig und kommt in einem Stück zurück,“ richtete die Shuttle-Pilotin das Wort an sie.

„Verstanden, Raja,“ erwiderten sie unisono per Funk schon aus der Sicherheitsschleuse heraus. Carlos öffnete die Ausstiegsluke und betrat als Erster den Planeten.

„Es ist.... wunderschön,“ meldete er. „Die Gravitation ist erdähnlich. Keine Probleme in der Hinsicht.“

Jane folgte ihm hinaus und musste gestehen, dass er recht hatte. Das Shuttle war neben der Drone, des Erkundungsrovers gelandet, welche sie zusammen mit dem Rover gegen Ende ihrer Mission ins Shuttle laden sollten.

Janes Blick glitt zum Wald hinüber. Er bestand aus riesigen Bäumen, deren Wipfel sie nicht einmal sehen konnte, wenn sie den Kopf in den Nacken legte. Die Blätter der Bäume variierten in Schattierungen von grün bis bläulichgrau. Zwischendurch waren leuchten violette, rote, gelbe oder auch weiße Punkte auszumachen, die wohl Blüten sein mussten. „Zuerst Richtung Wald. Dort warten interessante Proben. Haltet Funkkontakt,“ wies Raja sie an.

„Ich möchte mir diesen Fluss näher ansehen.“, war Pierre zu vernehmen.

„Kein Wunder. Sag uns dann, ob der Sand wirklich aus Gold besteht,“, hörte Jane Carlos, der schon auf den Wald zu marschierte. „Ich seh mal, ob ich noch ein paar dieser Lebewesen zu Gesicht kriege.“

Jane holte zu ihm auf, da sie schon darauf brannte die Pflanzen zu untersuchen. Indira blieb in der Nähe des Shuttles. Sie begann Luft- und Bodenproben zu nehmen.

Während Jane schon beim ersten Baum zum Stehen kam, um ihn genauer zu untersuchen, verschwand Carlos in die Tiefen des Waldes.

Eine Weile war nur das Atmen und das Geraschel der Raumanzüge, sowie gelegentliche Ausrufe des Entzückens über Funk zu hören. Jane vertiefte sich in die Untersuchung der Pflanzen und kam nur langsam voran.

„Ich hab eine Probe vom Sand,“, erklang Pierres Stimme. „Woha, was... bist du schön. Ich tu dir nichts.“

„Basis an Dupond. Was haben Sie entdeckt?“

„Ei-ein Pferd. Ein blaugrünes Pferd, dass aus dem Fluss kommt. Es ist wunderschön. Ich aktiviere die Kamera.“

Neugierig zog Jane ihr Notepad aus ihrer Tasche, stellte es an und verfolgte, wie Pierre sich dem Pferd näherte.

„Sei vorsichtig. Ich hab noch nie so ein Pferd gesehen,“ wandte Carlos ein.

„Was kann schon passieren, es ist ein Pferd. Und nicht mal ein sonderlich Scheues,“ erwiderte Pierre. Jane beobachte auf ihrem Notepad, wie seine Hand in den Sichtbereich der Kamera kam als er sie nach dem Pferd ausstreckte. „Oh, was bist du doch für eine Schönheit“, drang seine Stimme an ihr Ohr. Er berührte das Tier am Nasenrücken und als es ruhig blieb, ging er dazu über es am Hals zu streicheln.

„Pierre, hör auf. Du gerätst ins Wasser,“ warf Carlos ein.

„Hmh.“

Jane verfolgte wie Pierre seine Hand vom Hals des Tieres zu lösen versuchte. Es war als klebe sie fest. Unscharfe wacklige Bilder zeugten davon, dass er versuchte sich freizustrampeln. „Hey, nein, nicht, Stopp!“ Wasser spritzte über die Kameralinse, Pierres Stimme verkam zu einem Gurgeln. Das Letzte, was die Kamera aufnahm, waren weiße fliegende Fetzen und eine rote Flüssigkeit, die über die Linse spritzte.

„Oh, mein Gott! Li, bitte...,“ stotterte Jane.

„Bin schon unterwegs.“

Jane, die noch immer von ihrer Position am Waldrand aus das Shuttle sehen konnte, drehte sich um und beobachtete, wie der Arzt des Teams und Indira auf sie zugerannt kamen.

„Hast du Pierres Position, Raja?“

„Ja, der Sender funktioniert noch. Folgt einfach dem Signal.“

„Sind sonst alle in Ordnung? Indira?“

„Mir geht es gut.“

„Jane?“

„Alles in Ordnung.“

„Carlos?“

Stille.

„Carlos? Melde dich? Hast du nicht mitbekommen, was mit Pierre geschehen ist? Carlos?“

Nicht auch noch Carlos, schoss es Jane durch den Kopf, während sie durch den Wald stolperte. Dicht gefolgt von Chen, immer dem schwachen Signal von Pierres Sender nach.

Sie fanden seine Leiche halb im Fluss liegend. Der Raumanzug war zerrissen. Das Glas des Helmes gesplittert und seine Kehle war von etwas mit sehr scharfen Zähnen herausgerissen worden. Hastig wandte Jane sich von diesem Anblick ab. Sie atmete angestrengt ein und aus.

Chen kniete neben der Leiche, wobei er es vermied dem Fluss nahe zu kommen, soweit dies möglich war. „Raja, trag ins Logbuch ein, dass Doktor Pierre Dupond um 1400 Bordzeit verstarb,“ teilte er der Pilotin mit ruhiger Stimme mit.

„Verstanden. Habt ihr Carlos auf eurem Weg gesehen?“

Jane räusperte sich. „Nein. Wir bringen Pierre zum Shuttle, dann suchen wir Carlos,“ beschloss sie. Mit zitternden Fingern hob sie den Probenbeutel mit dem goldschimmernden Sand auf, der neben der Leiche lag. Pierres letzte Tat sollte nicht völlig umsonst gewesen sein. Dabei bemerkte sie tropfenförmige durchsichtige Steine, welche rund um die Leiche verstreut waren. Sie verstaute den Beutel mit der Sandprobe, zog einen ihrer eigenen Probenbeutel aus der Tasche und steckte eine paar der durchsichtigen Steine hinein.

„Kannst du mal mit anpacken,“ wurde sie von Chen gebeten. Schaudernd nickte Jane, da ihr klar war, was er mit anpacken meinte. Zu dritt gelangten sie, die Leiche mit sich schleppend, nur langsam zum Shuttle zurück.

Am Waldrand trafen sie auf Carlos, der ohne etwas zu sagen Indiras und Janes Platz übernahm. Im Shuttle legten sie die Leiche in der winzigen Krankenkabine ab. Carlos zerrte den Helm von seinem Raumanzug. „Was ist passiert?“

„Sag du uns lieber, warum du nicht auf Rajas Funkspruch reagiert hast,“, fauchte Indira ihn an.

„Kurz nachdem Pierre uns von diesem Pferd erzählt hat, ist bei mir der Funk ausgefallen. Ich hab nichts von euch gehört und ihr mich wohl auch nicht. Das hier ist auch ohne sichtbare Störungen hinüber.“ Carlos legte sein Notepad auf den Tisch. „Also, was ist jetzt mit ihm geschehen?“

„Ich schätze es war dieses Pferd,“ murmelte Jane.

„Pferde haben kein Raubtiergebiss;“ wandte Chen ein. „Und was immer ihm das angetan hat, war ein Raubtier.“

„Aber das Pferd war das einzige Lebewesen in der Nähe, soweit wir wissen und ich konnte sehen, dass seine Hand irgendwie an diesem Tier gehaftet hat. Sie auf den Aufzeichnungen seiner Kamera nach,“ erwiderte Jane.

„Wird ich, wenn ich die Leiche seziert habe.“

Indira seufzte, nahm Jane die Probenbeutel ab und zog sich ins Bordlabor zurück um eine Analyse durchzuführen. Jane schüttelte den Kopf. Es war so typisch Indira, wenn etwas ungewöhnliches geschah, verzog sich die Kollegin ins Labor und begrub sich unter Arbeit.

Carlos derweil spielte an seinem Funkgerät am Helm herum, welches knisternd wieder zum Leben erwachte. Genauso unvermittelt schaltete sich sein Notepad auf dem Tisch wieder ein. „Verstehe einer die Technik,“ hörte Jane ihn grummeln. Er drehte sich zu ihr. „Da wir nichts mehr für Pierre tun können, schlage ich vor mit der Mission weiter zu machen.“

„Dem stimme ich zu, aber ihr geht nicht mehr alleine raus. Bildet Teams und nehmt Waffen mit,“ ließ sich Raja über den Bordfunk vernehmen.

„Ich hab da einen Baum entdeckt, den ich dir unbedingt zeigen muss,“ teilte Carlos Jane mit, während beide ihre Raumanzüge richteten und eine Betäubungspistole an ihren Werkzeuggürteln befestigten

„Im Wald?“

„Ja, gehen wir trotzdem?“

„Wir gehen!“

Jane achtete darauf entschlossen zu klingen, obwohl sie sich nicht ganz wohl damit fühlte in den Wald zurück zu kehren. Eine Erkundungsmission erforderte immer Mut, weil man nie genau wissen konnte, was einem auf einem neuen Planeten erwartete, selbst wenn vorher so viele Daten wie möglich gesammelt worden waren. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass Mitglieder einer Erkundungsmission umkamen. Unfälle geschahen, besonders wenn fremde Lebensformen involviert waren.

„Indira lässt euch mitteilen, dass dieser Planet immer seltsamer wird. Seit sie die Analysen der Bodenproben hat, ist sie nur noch am Kopfschütteln. Pierres goldener Sand hat sich wirklich als Gold herausgestellt und die Analyse deiner durchsichtigen Steine ergab ein chemisches Gemisch aus Tränenflüssigkeit und Glas,“ teilte Raja ihnen mit, nachdem sie mehrere Minuten unterwegs gewesen waren.

„Gläserne Tränen?“ Jane blieb kurz stehen. „Ich hab Tränen aus Glas gefunden?“

„Laut Analyse, ja.“

„Dieser Planet erinnert mich immer mehr an alte Märchen,“, murrte sie daraufhin.

„Du meinst, wie das Märchen vom perfekten Klon eines Menschen,“ mischte sich Carlos ein.

„Doch nicht solche Technikmärchen. Ich meine wirklich alte Märchen, solche die schon seit mehr als tausend Jahren erzählt werden.“

„Ach, dieses längst überholte Mythologiezeugs, was dich schon im Studium fasziniert hat! Xenobotanik und Anthropologie. Echt seltsame Mischung.“

„Musst du grad sagen als Xenobiologe und Xenovirologe!“

„Hört auf zu streiten und achtet lieber auf eure Umgebung. Wir wollen schließlich nicht noch so einen Unfall, wie den von Pierre,“, rief Raja sie zur Ordnung.

Carlos führte Jane über die Lichtung, in den Wald auf einem Pfad, der von Wildtieren geschaffen zu sein schien. Nach einer kurzen Wanderung, während der Jane sich nach jedem Knacken eines Zweiges umgesehen hatten, erreichten sie den Baum, welchen Carlos ihr zeigen wollte. Jane fielen mehrere Vergleiche mit Erdenpflanzen ein. Die Blätter des Baumes waren violettrot so wie die Blätter einer Blutbuche, aber von der Form erinnerten sie an die schmalen Blätter einer Trauerweide. Trotz des kräftigen, aber recht kurzen Stammes rankten die Äste des Baumes an anderen Bäumen empor und schlangen sich haltsuchend um Äste und Stämme. Dies erinnerte Jane wiederum an Blauregen. In Trauben hingen winzige sternförmige, hellgrün-gelbliche Blüten von den Zweigen. An einigen der Trauben hingen runde hellgrüne Beeren. Ein Lächeln schlich sich auf Janes Mund. Sie konnte Carlos nur zustimmen, dieser Baum war sehenswert. Rasch aktivierte sie ihre Kamera, damit auch spätere Forscher etwas von diesem Anblick haben würden.

„Danke, Carlos,“ wandte sie sich an ihren Kollegen, nur um festzustellen, dass er sie anscheinend nicht gehört hatte, da er unbeirrt auf den Baum zuging. „Carlos, kannst du mich hören?“ Nichts. Das bedeutete wohl sein Funk war wieder ausgefallen.

„Raja, wenn Carlos ein paar Proben von dem Baum hat, kommen wir zurück.“

Stille.

„Raja?“

Keine Reaktion.

Jane schnaubte, griff sich ihr Notpad und wollte eine Textnachricht schreiben, doch das war nicht möglich. Der Bildschirm ihres Notpads war schwarz. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Was wenn der Ausfall von Carlos Technik kein Zufall gewesen war? Sie sah sich nach Carlos um und fluchte. Carlos stand direkt vor dem Baum, ohne Helm. Sein Blick war auf eine zarte Gestalt im Baum gerichtet. Es schien eine junges Mädchen oder eher weibliches Wesen zu sein. Ihre Haut war von dem gleichen weißlichen Ton wie die Rinde des Baumes. Ihr langes Haar, welches ihre Gestalt zum Teil verdeckte, war so rot wie die Blätter. Sie sang und streckte eine Hand mit überlangen, schlanken Fingern nach Carlos aus. Jane trat vor. In diesem Moment wandte das Wesen den Blick von Carlos ab und sah Jane in die Augen. Der Mund des Wesens verzog sich zu einem bösartigen Lächeln. Ein Rascheln lenkte Janes Aufmerksamkeit von dem Wesen zum Baum. Die Äste, welche sich zuvor um andere Bäume geschlungen hatten, waren in Bewegung geraten. Sie schlängelten und wandten sich von den Bäumen ab und um Carlos herum, der keinerlei Anstalten machte zu fliehen. Einen Moment stand Jane nur wie gelähmt da und verfolgte, wie die Äste sich immer mehr um Carlos wickelten. Das Geschehen vor ihr kam ihr wie einer dieser verwirrenden Träume vor, in denen etwas gänzlich unmögliches geschah und man nur hilflos zusehen konnte.

Jane ballte ihre Fäuste. Dies war kein Traum und sie war nicht hilflos! Entschlossen zog sie ihre Pistole. Ihre Hand zitterte als sie mehre Betäubungspfeile abschoss, die nichts bewirkten. Sie schluckte. Wenn sie zu Carlos lief und versuchte ihn fortzuziehen, brächte sie sich selbst in die Reichweite der wogenden Äste. Aber wäre das so schlimm. Dieses Wesen war so schön anzusehen und die Stimme erst. Vorhin war ihr diese herrliche Stimme gar nicht aufgefallen. Ein Röcheln unterbrach ihre Überlegung. Jane schüttelte den Kopf. Was auch immer dieses Wesen war, sie durfte sich nicht davon in die Falle locken lassen. Sie schaute zu Carlos und das war Anreiz genug, die Schritte, die sie sich auf das Wesen zu bewegt hatte, zurück zustolpern. Carlos war vor Äste kaum zu sehen. Das, was Jane im Gedächtnis blieb, war der Anblick, wie ein dicker Ast, um Carlos Kehle lag und ihm die Luft abschnürte. Sie wirbelte herum und rannte davon, wobei sie glaubte aus der Richtung des Baumes ein trockenes Knacken gehört zu haben. Ohne auf ihren Weg zu achten hastete Jane vorwärts. Nur weg von diesem Wesen!

Äste schlugen gegen ihren Körper, aber das nahm sie kaum wahr. Um so deutlicher spürte sie die Feuchtigkeit auf ihren Wangen, welche dazu führte, dass das Visier ihres Helmes beschlug.

Irgendwann hielt sie heftig keuchend an und stütze sich nach Atem ringend an ihren Knien ab. Sie zitterte. Das war jetzt schon der zweite Tote auf dieser Mission. Konnte es sich dabei wirklich noch um Zufall handeln?

Langsam richtete Jane sich wieder auf. Für Carlos konnte sie nichts mehr tun, jetzt musste sie zusehen, dass sie zum Shuttle zurück fand. Automatisch checkte sie ihre Notepad und stellte zu ihrer Verwunderung fest, dass es einwandfrei funktionierte. „Also war es dieses Wesen,“ murmelte sie.

„Jane, bist du das?“

„Raja, oh, ich bin ja so froh, dass der Funk wieder geht!“

„Was ist passiert. Dem Signal nach bist du verdammt weit vom Shuttle weg.“

Jane schluckte den Kloß in ihrer Kehle runter. „Der Baum, da war ein Wesen. Ein wunderschönes Wesen. Sah wie ein Mädchen aus. Es... es hat Carlos zu sich gelockt und... ich konnte nichts tun!“

„Beruhig dich und komm zurück. Es zieht Nebel auf. Ich schick dir eine Übersicht auf dein Pad. Chen und Indira warten auf der Fläche vorm Shuttle auf dich.“

„Verstanden.“

Jane hielt das Pad schmerzhaft fest umklammert, bis es die versprochenen Geodaten anzeigte, mit deren Hilfe sie zum Shuttle zurück finden konnte. Sie schaltete die Leuchte an ihrem Raumanzug an, bevor sie sich langsam in Bewegung setzte. Ihr Blick geisterte hektisch umher, immer darauf gefasst einem weitere tödlichen Lebewesen zu begegnen. Zu ihrer Beruhigung ließ sich kein Lebewesen blicken, dafür nahm der Nebel stetig zu. Zuerst waren es nur dünne tanzende Schwaden über dem Gras gewesen, die sich allmählich zu einer dicken undurchdringlichen Nebelwand zusammen zogen, bis Jane nur noch eine Armlänge weit sehen konnte. Selbst die starke Leuchte an ihrem Anzug mochte den Nebel nicht weiter zu durchdringen. Ihr Herzschlag hatte sie sich beschleunigt, nur die beruhigenden Worte ihrer Kollegen über Funk, halfen ihr, voranzuschreiten und nicht einfach heulend auf dem Boden zusammenzusinken.

„Du hast es gleich geschafft. Ich seh’ schon den Schein deiner Leuchte,“ war Indira zu vernehmen. „Ich komm dir entgegen.“

„Danke,“, mehr brachte Jane nicht heraus. Sie stolperte voran, darauf bedacht Ästen auszuweichen.

„Indira, bist du sicher. Ich hab nichts gesehen,“, hörte sie Chen.

„Doch dahinten. Nur ganz kurz. Ich glaub sie läuft gerade wieder in die falsche Richtung. Bin gleich zurück.“

„Raja, hast du Janes Signal?“

„Klar.“

„Wo ist sie?“

„Östlich von dir. Indira, du bist nördlich. Du kannst sie gar nicht gesehen haben.“

„Dann stimmt was mit dem Funk nicht. Ich seh’ den Schein ihrer Leuchte jetzt deutlich und sie läuft in die falsche Richtung“, widersprach Indira.

Jane lief ein Schauder über den Rücken, während sie dieses Gespräch verfolgte. Könnte es sein, dass sich im Nebel etwas verbarg, dass Indira mit seinem Schein vom Shuttle weglockte? Sie beschleunigte ihre Schritte nur. Und dann sah sie es. Vor sich in der Luft schimmerte eine grüne Kugel, die sich auf sie zu bewegte, sie umkreiste, um sich dann neckisch von ihr zu entfernen.

„Indira, was immer du da siehst bin nicht ich,“ versuchte sie ihre Kollegin zu warnen.

„Red keinen Quatsch ich seh’ doch den blauen Schein deiner Leuchte ganz deutlich!“

„Aber ich seh’ deinen nicht und vor mir schwirrt ein grünes Licht herum!“ Jane wusste, dass sich ihre Stimme hysterisch anhörte.

„Ganz ruhig ich bin gleich bei di-ahhhh!“ Auf Indiras Schrei folgte ein Krachen. Das Splittern von Glas war zu vernehmen, genauso wie ein entsetzliche dumpfer Aufprall.

„Indira!“ Alle drei schrien es gleichzeitig und erhielten nicht einmal ein Stöhnen als Antwort.

„Raja, gib mir ihre Koordinaten ich gehe und...“

„Du kommst zurück ins Shuttle, Chen. Das ist ein Befehl. Ich riskiere nicht noch ein Mitglied der Mission. Jane, verlass dich nur auf deine Daten. Du schaffst das Mädchen! Ich weiß es!“

Jane biss die Zähne zusammen und begann zu rennen. Fast lief sie gegen einen Stamm, sie wich aus und iher Fuß verhakte sich an etwas. Sie streckte die Hand aus, um sich aufzufangen. Es tat weh als sie auf dem Boden aufschlug. Das grüne Leuchten schwebvte direkt über ihr genau außerhalb ihrer reichweite. Nun halfen Rajas Versicherungen Jane nicht mehr. „Ich kann nicht mehr! Lasst mich in Ruhe! Bleibt weg von mir! Ich folge euch nicht! Ihr kriegt mich nicht! Ich bleib hier sitzen bis der Nebel weg ist,“ stammelte sie am ganzen Körper zitternd. Chens und Rajas Aufmunterungsversuche über Funk bekam sie nicht mit, zu sehr war ihre Aufmerksamkeit von dem grünlich schimmernden Wesen in Anspruch genommen, welches um sie herumschwirrte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2014-02-03T13:35:45+00:00 03.02.2014 14:35
Woar, heftig. Ich bin begeistert! Genau so habe ich mir die weitere Story gewünscht! Nix mehr mit Kindermärchen. ^^

Also, daß das komische, rauchspuckende "Wesen" mit den vielen Armen und Mäulern ein Rover war, hatte ich nicht erwartet. Ich hab die Stelle im vorherigen Kapitel mehrfach gelesen und mir angestrengt Gedanken gemacht, wie dieses Tier wohl der Beschreibung nach aussehen muss. Das es eine Maschine ist, hatte ich gar nicht in Betracht gezogen. XD

In erster Linie finde ich es erstmal toll, daß in dem Kapitel so viele Menschen draufgehen. (Klingt krank, oder?) Liegt vielleicht einerseits daran, daß ich sie in der Geschichte als Eindringlinge und Zerstörer empfinde, und andererseits sicher auch daran, daß man zu wenig über sie erfahren hat um sie liebzugewinnen. Sind halt nur ein paar Namen, die der Reihe nach von der Liste gestrichen werden.

Die auf dem Planeten heimischen Wesen finde ich auch super. Von dem Pferd würde ich zu gern Bilder sehen. Gibt es Fanarts dazu? Oder basieren sie auf bekannten Fabelwesen? Mir ist als hätte ich in einem Fabelwesenlexikon schonmal alte Zeichnungen von einem "Seepferd" gesehen, vorn Pferdekörper, hinten Fischschwanz. Wie eine Meerjungfrau, nur halt mit Pferde- statt Menschenoberkörper. Leider hab ich das Lexikon nicht mehr.
Das Baumwesen hatte auch was. Schön blutrünstig. ^^ (Ich steh gerade auf blutrünstig, keine Ahnung warum.) Kurzum scheint mir der gesamte Planet ziemlich wehrhaft, und das gefällt mir gut.
Ich frag mich nun bloß, ob die Shee auch so angriffslustig drauf sind wie der scheinbar gesamte Rest der Planetenbevölkerung.


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