Zum Inhalt der Seite

The Son

Der etwas andere Nebenjob
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

CHAPTER ONE

CHAPTER ONE

Noch immer leicht verstört, ging Ryu Wortlos hinter Hiro her. Ein Yakuza. Sein erster Job in Japan und das ausgerechnet bei einem angehenden Yakuza. Oder war Hiro bereits ein Yakuza? Vielleicht war er somit nun selber einer? Ryu fühlte sich nicht gut. Er war verunsichert und auch ein wenig verängstigt. Nervös wandte er sich an Hiro. „Sag mal... Wo gehen wir eigentlich hin?“ Keine Antwort. Ryu viel auf, dass er Hiro noch kein einziges Wort hatte sagen hören. War er immer so schweigsam? Er entschloss sich, besser nichts weiter zu sagen.

Eine ganze Weile folgte Ryu Hiro schweigend. Sie gingen zwei Stockwerke in die Tiefe. Dort folgten sie einem langen Gang, bis sie zu einer roten Eisentür kamen. Wortlos zog Hiro einen Schlüssel aus seiner Tasche. Oder zumindest glaubte Ryu, es sei ein Schlüssel. Es war eine Art langer, silberner Metallstab mit vielen rechteckigen Markierungen darauf. Er schob ihn in eine kleine Öffnung und löste einen kurzen, klickenden Mechanismus aus. Neben der Tür klappte plötzlich eine Art Bildschirm auf, auf dem drei Kreise aufleuchteten. Hiro legte seinen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger auf die Kreise, bis der Bildschirm sein Farbe von rot zu blau wechselte. Die Kreise verschwanden und ein Zahlenfeld erschien. Hiro tippte eine Zahlenfolge ein und der Bildschirm wurde grün. Erst, als der Bildschirm wieder einklappte, klickte es abermals und die rote Eisentür öffnete sich einen Spalt breit. Hiro sah Ryu an und winkte ihn mit einer Kopfbewegung hinein. Als die Tür sich hinter ihnen wieder schloss drehte Ryu sich noch einmal um. „Was ist denn das für ein abgefahrenes System? So was hab ich ja noch nie gesehen!“ Wieder kein Wort. Als Ryu jedoch bemerkte, in was für Räumlichkeiten er sich befand, verschlug es ihm selbst die Sprache. Er befand sich in einer Art Wohnung. Oder, wohl eher, einem riesigen Loft. Es glich einem gewaltigen, offenen Wohnzimmer. Der Boden war ein perfekt polierter dunkler Holzfußboden. Rechts war ein großes, gemütlich aussehendes Sofa vor dem größten Flatscreen aufgebaut, den Ryu je gesehen hatte. Davor standen etliche Spielkonsolen, von den Klassikern bis hin zu einigen von denen Ryu meinte, sie wären noch gar nicht auf dem Markt. In der Mitte des Raumes war ein großer, rechteckiger Esstisch, an dem locker acht bis zehn Leute Platz fanden. Dahinter befand sich eine offene Kochnische. Rechts war eine sehr lange Liegewiese, bedeckt mit Kissen und Decken. Sie war vor einer kahlen Wand. Ryu wunderte sich, warum dort kein Bild hing. Eine Theke mit Bar gab es auch. Und das war nur die untere Etage. Eine Treppe führte in die Etage darüber, die offen war. Man hätte vom Geländer aus die gesamte untere Etage, bis auf die Kochnische, im Blick behalten können, von allen Seiten.

Ryu zog seine Schuhe aus und schlüpfte in die Gästepantoffeln. Er beschaute sich das Loft ganz genau. Die Liegewiese, die Bar, die Theke, den weißen Tiger, die Kochnische, den... den weißen Tiger? „Oh. My. Fucking. God!“ Ryu wagte es nicht, sich zu bewegen. Da saß tatsächlich neben der Liegewiese, ganz gechillt, ein großer, weißer Tiger und starrte ihn an. „Bitte sag mir, dass der Vegetarier ist!“ Er konnte Hiro grinsen sehen. „Keine Angst, Leia ist zahm. Luca ist da schon gefährlicher.“ Ryu nahm nicht so richtig wahr, dass Hiro soeben die ersten Worte mit ihm gewechselt hatte. Ihn beschäftigte viel mehr, was noch gefährlicher sein konnte als ein Gottverdammter weißer Tiger? Dann hörte er hinter sich ein wütendes Knurren. „Dreh dich jetzt bloß nicht um.“, warnte Hiro ihn. „Und was soll ich tun?“ Er zuckte mit den Schultern. „Beten?“ „WTF?“ Hiro lachte laut auf. „Na los, Luca, sei brav! An den wirst du dich jetzt gewöhnen müssen. Na mach schon, ab in die Ecke!“ Als Ryu hörte, wie das Knurren verstummte, drehte er sich langsam um. Ein großer, dunkelbrauner Dobermann saß in seinem Körbchen neben der Liegewiese und fletschte die Zähne. „Was ist denn das für ein Höllenhund?“ Hiro setzte sich gemütlich auf das Sofa. „Ich hab ihn vor sechs Jahren, als er noch ein Welpe war, alleine in einer Gasse gefunden und aufgepäppelt. Seitdem weicht er mir nicht mehr von der Seite. Nicht einmal mein Vater kommt an ihn heran.“ Ryu zeigte auf die andere Seite der Liegewiese. „Und... der Tiger?“ „Leia ist handzahm. Die würde keiner Fliege was zuleide tun!“ Ungläubig schaute Ryu zu dem großen Tiger. Dieser lag, völlig verpennt, auf einem großen Kissen und gähnte. Die Zähne, die dabei zum Vorschein kamen, regten bei Ryu Fantasien an, die allesamt blutig endeten. „Mach es dir hier irgendwo gemütlich.“ Vorsichtig durchquerte Ryu den Raum und setzte sich neben Hiro auf die Couch. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Ryu musterte Hiro aus den Augenwinkeln. Er war gut einen Kopf kleiner als er. Er wirkte noch schmächtiger, als er ihn in Erinnerung hatte. Sein Haar war aber genauso zottelig. „Also, Hiro... Erzähl mal was über dich.“ Hiro hatte inzwischen eine seiner Konsolen eingeschaltet und raste mit einem virtuellen Rennwagen eine kurvige Strecke entlang. „Hiro, achtzehn, 6. November, Skorpion, ledig, unschuldig.“ Ryu war sich nicht sicher, was er mit dieser knappen Information anfangen sollte. Und was genau er mit 'unschuldig' meinte. „Okay. Ryu, zwanzig, 28. Mai, Zwilling, Single, nicht interessiert.“ Hiro sah ihn skeptisch an. Das Spiel, dachte Ryu, konnte er auch spielen. „Was um alles in der Welt meinst du denn mit 'nicht interessiert'?“ Er zuckte mit den Schultern. „Das, was es heißt.“ Hiro war eindeutig nicht sein Typ. Er mochte Männer, die älter waren als er. Größer. Die halt alles in allem irgendwie dominanter wirkten. Hiro war das genaue Gegenteil. „Du bist wieder dran. Hobbys?“ Hiro ignorierte ihn. „Wenn ich dich beschützen soll, dann muss ich auch ein bisschen was von dir wissen.“ Hiro sah ihn, leicht verächtlich, von der Seite an. „Du warst nur die Notlösung.“ Notlösung? „Wie, Notlösung? Was soll das denn heißen?“ Hiro seufzte genervt. „Vater wollte mir, nach dem Vorfall von Mittwoch, unbedingt Personenschutz an die Seite stellen. Ich will aber nicht über den Campus rennen und dabei so einen Terminator-Verschnitt im Schlepptau haben. Also hab ich ihm von deiner Aktion berichtet. Eins führte zum nächsten und so kamen wir dann auf die Idee. Wir waren allerdings darauf vorbereitet gewesen, dich erst mal auf dem Gelände zu suchen. Dass du uns dann direkt am ersten Tag in die Arme läufst war Zufall.“ Ryu atmete tief durch. „Okay... das ist ja... interessant zu wissen.“ Notlösung. Das Wort hatte er schon einmal gehört. Von der letzten weiblichen Beziehung, die er hatte. Danach hatte sich das Thema 'Frauen' endgültig für ihn erledigt. „Das ändert jetzt aber nichts an der Situation. Ich soll dich beschützen, also muss ich was über dich wissen.“ Hiro grinste ihn herablassend an. „So einfach geht das nicht. Die Infos musst du dir schon verdienen.“ Ryu dachte nach. Dann viel sein Blick zufällig auf den Bildschirm und er erkannte, was Hiro da eigentlich spielte. „Gut, wenn das so ist, dann hätte ich eine Idee.“ Hiro schaute nicht von seinem Spiel weg. „Und die wäre?“ „Das Spiel, was du da zockst... Rein zufällig bin ich darin ungeschlagener Meister in meinem Viertel.“ „Und was willst du mir damit sagen?“ Er grinste. „Wir fahren gegeneinander. Je eine Runde, Und immer, wenn ich dich besiegt habe, bekomme ich eine Info von dir.“ Ryu sah Hiro an, wie er über diesen Vorschlag nachdachte. „Und wenn ich gewinne, dann darf ich fragen?“ Ryu nickte. „Gut, einverstanden!“

Hiro war ein härterer Gegner, als Ryu gedacht hatte. Er konnte dennoch einige Informationen aus ihm herausbekommen. So erfuhr er Beispielsweise, dass Hiro es liebte zu kochen, noch nie ausserhalb Japans war, lieber auf die Verfilmungen wartete, als das Buch zu lesen und sich gerne in der Innenstadt aufhielt, wenn sein Vater es zuließ. Umgekehrt wusste Hiro nun aber auch, dass Ryu ein Morgenmuffel war, Sport und Fast Food liebte, vier Sprachen beherrschte und, na ja, eben auf Männer stand. Überraschenderweise schien Hiro diese Info sehr locker zu vernehmen.

Wohl, weil Ryu bereits im Vorfeld klar gemacht hatte, dass er kein Interesse an ihm hatte.

Sie befanden sich gerade in einem hitzigen Kopf-an-Kopf Rennen. Es sah so aus, als ob Hiro mit seinem getunten Audi die Nase vorn hatte. Doch Ryu schnitt ihm gekonnt den Weg ab mit seinem Toyota und war knapp eine Sekunde schneller im Ziel. „Ich bin wieder dran!“ Hiro murmelte genervt etwas vor sich her. „Jetzt sei kein schlechter Verlierer!“ Eine Info, die er bekam, auch ohne zu fragen. „So, ich würde gerne wissen, was genau du eigentlich studierst.“ Die Frage beschäftigte ihn schon die ganze Zeit. Was studiert der Sohn eines mächtigen Yakuza? Vielleicht irgendwas mit Politik? Oder eher etwas Wirtschaftliches? „Kriminologie.“ Ryu nickte langsam. „Kriminologie. Klar. Wieso nicht. Das braucht man ja auch... so als Yakuza.“ Ihm wurde jetzt erst bewusst, was er da eigentlich sagte. Plötzlich klingelte es. Hiro stand auf und ging zu einem Lautsprecher an die Wand. „Ja?“ „Sir, die Habseligkeiten ihres neuen Leibwächters sind da.“ So schnell? „Stellen sie sie ab, er wird sich schon selbst irgendwie einrichten.“

Zehn Minuten später stand Ryus Koffer im Raum. Hiro schaute ihn zweifelnd an. „Wie, das ist alles? Nur das Ding da?“ Ryu zuckte mit den Schultern. „Mehr hab ich halt nicht.“ Hiro schüttelte ungläubig mit dem Kopf, beließ es aber dabei. Er deutete die Treppe hinauf. „Das dritte Zimmer rechts. Mit der grünen Tür. Es ist schon spät, ich koch mal was.“ Während Hiro sich in die Küche begab, schleppte Ryu seinen schweren Koffer die Treppe hinauf. In der grünen Tür steckte bereits ein Schlüssel. Er drehte ihn herum und betrat das Zimmer. Es war ein großer Raum, mit einem großen Schreibtisch, einem noch größeren Schrank und einem noch viel größerem Bett. Ein gewaltiges Bett. Hiro ließ seinen Koffer fallen und schmiss sich auf die Matratze. „Ein Wasserbett, ich brech zusammen!“

Nach zwanzig Minuten hatte er seine Klamotten in den Schrank geräumt und seine Bücher in das Regal über dem Schreibtisch. Die Fotos seiner Familie und Freunde, die alle noch in einem Umschlag waren, würde er später irgendwo platzieren. Ihm viel auf, dass neben seinem Bett die gleiche, seltsame Wand war wie unten im Hauptraum. Plötzlich leuchtete in seinem Zimmer ein rotes Licht auf. Dreimal. Dann hörte es wieder auf. Besorgt ging er wieder nach unten. Hiro stand am Herd und briet irgendetwas in einer Pfanne. Es roch köstlich. „In meinem Zimmer hat es eben rot geleuchtet. Bedeutet das was?“ Hiro werkelte seelenruhig am Herd weiter. „Das wirst du schon noch erfahren.“ Hiro holte zwei Teller aus dem Schrank. Dann servierte er Hühnchen, Reis und Gemüse. Den Tisch hatte er bereits gedeckt. „Setz dich“ wies er Ryu an und setzte sich ebenfalls. Das Essen schmeckte köstlich. „Du kochst gut. Das ist hervorragend!“ Hiro errötete etwas. Ryu grinste, überrascht, dass der kleine, reiche, arrogante Bengel auch eine süße Seite hatte. Er hatte fast aufgegessen, da hörte er plötzlich ein seltsames Geräusch. Ein Klopfen war irgendwo aus dem Loft zu hören. „Ist hier noch jemand?“ fragte er Hiro. Dieser zeigte kauend auf die seltsame, kahle Wand. „Ist da jemand hinter?“ „Nur Lenny.“ Ryu sah ihn an. „Wer ist Lenny? Ein Mitarbeiter?“ Hiro grinste furchteinflößend. „So was in der Richtung.“ Das klopfen hörte auf. „Du hast morgen auch frei, oder?“ fragte Hiro. „Wie? Ach so, ja. Ich muss immer nur Montags, Mittwochs und Donnerstags zu Vorlesungen.“ Hiro lächelte. „Genau wie ich.“ Ryu schaute sich, nach einer Uhr suchend, um. „Wie spät ist es jetzt eigentlich?“, fragte er gähnend. Hiro schaute auf die Rolex an seinem Handgelenk. „Halb elf.“ „Halb elf schon? Dann geh ich pennen.“ Ryu stand auf und stellte seinen Teller in die bereits geöffnete Spülmaschine. „Das erste mal, dass ich nicht selber spülen muss.“ sagte er leicht grinsend. Hiro räumte seinen Teller ebenfalls weg. „Hast du für morgen schon was geplant?“ fragte er Ryu. „Nein, wieso?“ Hiro zuckte, leicht schüchtern, mit den Schultern. „Wenn du willst, dann zeige ich dir ein bisschen was von Tokyo. Viel zu lernen hast du nach dem ersten Tag bestimmt eh noch nicht.“ Ryu strahlte. „Gerne! Ich freue mich schon seit Monaten drauf, endlich mal Tokyo Live zu erleben!“ Hiro legte sich auf die Couch. „Gut, morgen um halb zehn geht’s los.“
 

Sein Wecker klingelte um viertel nach Acht. Mit noch geschlossenen Augen haute er unsanft auf den Knopf, der den nervtötenden Alarm beendete. Sein Zimmer kam ihm ungewöhnlich hell vor. In den Loft gab es, da es sich zwei Etagen unter dem Erdgeschoss befand, keine Fenster. Ohne Lampen war es in dem ganzen Loft Stockfinster. Hatte er im Schlaf irgendwie eine Lampe aufgemacht? Langsam öffnete er die Augen... und wünschte sich, er hätte das gelassen. Direkt vor seinen Augen sah er ein weit aufgerissenes Maul auf sich zukommen. Große, spitze Zähne reiten sich darin. Mit einem lauten Aufschrei sprang er Rückwärts aus dem Bett. Dort, wo vorher noch die seltsame Wand war, war nun eine Glasscheibe. Dahinter war nur Wasser... und ein... „HIRO!!!“ Nur mit seinem Schlafanzughose bekleidet stürmte er aus dem Zimmer hinaus hinunter in den Wohnbereich. Hiro saß gemütlich am Tisch und frühstückte Seelenruhig. „Was schreist du denn so rum?“ Schwer atmend und schweißgebadet stand Ryu vor ihm. „Was... bei allen Göttern... ist... DAS!?“ Hiro schaute in die Richtung, in die Ryu deutete. Im Wohnbereich war die seltsame Wand ebenfalls verschwunden und brachte ein, offenbar, riesiges Aquarium zum Vorschein. Darin zog allerdings nur ein einziger Fisch seine Kreise. „Ach, das ist Lenny.“ Seelenruhig tippte er wieder auf seinem iPad herum. „...Lenny? Das da ist... Lenny?“ Ryu traute seinen Augen immer noch nicht, obwohl er 'Lenny' keine Sekunde aus den Augen ließ. „Ja. Unser effektivster Mitarbeiter.“ Ryu wich einen Schritt zurück. „Das ist ein Hai.“ Hiro grinste ihn an. „Ein weißer Hai, um genau zu sein. Wir haben ihn seit er ganz klein war.“ Ryu war fassungslos. „Was frisst... Lenny denn so?“ „Heute ist Dienstag, oder?“ Ryu nickte. „Dienstags bekommt er meistens Rind... oder Anwälte.“ Ryu hielt es das erst für einen makaberen Scherz. Doch dann dachte er an das Klopfen, welches er am Vorabend noch gehört hatte. Er schaute sich Lenny an, der noch immer mit weit aufgerissenem Maul durch das riesige Becken schwamm. Zwischen seinen Zähnen, wie Ryu erschreckend feststellte, hing eine silberne Armbanduhr. „Und ich dachte, der Tiger wäre das schlimmste...“ „Immer, wenn Lenny was zu Futtern bekommt, leuchtet das rote Licht auf. Dann haben wir fünf Minuten Zeit um die Wand runter zu lassen.“ Ryu nickte langsam. „Jetzt Zieh dich erst mal an und iss was!“
 

Nachdem Ryu geduscht und angezogen war, bekam er keinen Bissen von seinem Frühstück hinunter. Immer, wenn er es versuchen wollte, klatsche das weiße Monstrum mit seiner Flosse gegen die Scheibe. Hiro meinte, er würde das nur tun, bis er sich an Ryus Anblick gewöhnt hätte. Dann würde er auch begreifen, dass er kein Futter war.

Um Punkt halb zehn, Hiro war sehr auf Pünktlichkeit bedacht, fuhren sie in das Zentrum der Stadt. Ryu war beeindruckt und vergaß für einen Augenblick die tierische Kuriositätensammlung seines Schützlings. Tokyo war gewaltig! Die riesigen, bunt beleuchteten Gebäude ließen sogar den Times Square in New York verblassen, den Ryu noch das Jahr zuvor besucht hatte. Hiro zeigte ihm einige Sehenswürdigkeiten, seine persönlichen Lieblingsorte und ging mit ihm Mittags in ein Sushi Restaurant. Allerdings brauchte er einen Moment, um sich zum Essen durchzuringen. Bei dem Anblick der Köche, die Seelenruhig den Fisch auseinander nahmen, kam ihm die unangenehme Vorstellung, wie Hiros spezieller 'Fisch' wohl die Köche auseinander nehmen würde. Hiro futterte in aller Seelenruhe ein Lachsröllchen nach dem anderen. „Schmeckt's dir nicht? Das ist einer der besten Läden in Tokyo.“ Ryu schüttelte mit dem Kopf. „Nein, es ist echt super. Es ist nur...“ Er sprach sehr leise weiter. „Warum zum Teufel haltet ihr euch einen... einen Lenny?“ Er wollte nicht, dass irgendwer hörte, wie er von einem weißen Hai als Haustier sprach. Die Leute würden ihn noch für verrückt erklären. Hiro sprach seelenruhig weiter. „Er gehört meinem Vater. Ich durfte ihm nur den Namen geben.“ „Und da hast du dich für Lenny entschieden?“ Er zuckte mit den Schultern. „War das Erste, was mir einfiel.“ „Das Erste, was MIR heute Morgen in den Sinn kam war 'Holy Shit'!“ Hiro schaute ihn zweifelnd an. „Ich glaube nicht, dass das ein guter Name wäre.“ „Passender als Lenny.“

Nach dem Essen zog Hiro Ryu in ein gewaltiges Einkaufszentrum. „Willst du shoppen, oder was?“ Hiro beschaute Ryu abfällig von oben bis unten. „Nein, aber du! So kann ich mich nicht mit dir blicken lassen.“ Ryu beschaute sein Spiegelbild in einem der Schaufenster. Er trug eine alte Jeans, ein Shirt und seine rote Sportjacke von der High School.

„Wir haben halt nicht viel Kohle.“ „Los komm... Wir machen jetzt ein Umstyling.“

Und was für eins! Am Ende des Tages erkannte Ryu sich selbst nicht wieder. Eingekleidet in die modernsten, und teuersten, Designerklamotten stand er in seinem Zimmer im Loft und beschaute sich im Spiegel. Auf dem Bett lagen jede Menge Tüten mit Markennamen. Seine Haare waren nun etwas kürzer und ziemlich modern geschnitten. Aber er gefiel sich. „Yumi wird vor Neid erblassen!“ Hiro hatte die meisten Sachen ausgesucht. Er schien da irgendwie ein Händchen für zu haben. Und er sah aus, als ob ihm das alles höllisch viel Spaß machte. Ryu stellte sich vor, wie Hiro im Shoppingwahn durch die schillernden Straßen von New York irrte. Er sortierte die neuen Sachen in seinem Kleiderschrank ein. Das Meiste davon war schwarz oder dunkelblau, was Ryu sehr zusprach. Während er noch mit seinen Sachen beschäftigt war, breitete sich ein köstlicher Duft im Loft aus. Hiro war wohl wieder am kochen. Schnell verstaute er noch den Rest im Schrank und eilte die Treppe hinunter. „Sag mal, du kochst aber jetzt nicht immer wegen mir, oder?“ Hiro schüttelte den Kopf. „Nein, ich koche dann, wenn ich Lust drauf hab. Auf dich wird keine Rücksicht genommen. Weder bei der Zeit, noch bei der Auswahl.“ Ryu spürte, wie sein Magen allmählich zu knurren begann. Ihre Sushi-Pause war ja auch schon ziemlich lange her. „Wenn du magst, ein bisschen kochen kann ich auch, ich könnte also...“ Blitzschnell griff Hiro nach dem größten Küchenmesser aus dem Messerblock und drehte sich, mit dem Messer auf Ryu zeigend, um. „Wenn du meinem Herd auch nur einen Meter zu Nahe kommst, ich schwöre dir, dann endest du als Fischfutter!“ Das war eindeutig. Ryu wich ein Stück zurück, die Hände schützend nach oben gehalten. „Okay, okay! Es war nur ein Vorschlag, musst du ja nicht annehmen.“ Hiro steckte das Messer wieder weg und wandte sich wieder dem Herd zu. Ryu setzte sich auf die Liegewiese und schaute ihm bei seiner eifrigen Tätigkeit zu. Hiro war ein sehr merkwürdiger Kerl. Er wirkte auf Ryu wie jemand, der so gut wie nie Angst zeigte und immer eine gewisse Haltung bewahrte. Ryu war sich sicher, dass ihm dieses Verhalten in seiner Kindheit antrainiert wurde. Er beobachtete seinen Schützling noch eine ganze Weile. Er trug nur eine helle Jeans und ein hellblaues Hemd. Ryu wunderte sich jedes Mal aufs Neue, wie zerbrechlich Hiro wirkte. Sein Anblick regte bei Ryu tatsächlich seinen Beschützerinstinkt an.

Er war vollkommen in Gedanken versunken, als er neben sich einen heißen Atem spürte. Als seinem zur Seite drehte, bemerkte er, dass Leia, der weiße Tiger, nun direkt neben ihm saß. Ängstlich wich Ryu zurück. „Liebes Kätzchen... braves Kätzchen... hoffentlich sattes Kätzchen...“ Hiro lachte auf. „Die will nicht fressen, sondern schmusen. Kraul sie mal hinter den Ohren.“ Leia senkte den Kopf vor Ryu. „Wie? E-einfach an die Ohren fassen?“ „Klar, dann bist du ganz schnell ihr bester Freund.“ Ryu hatte nicht das Gefühl, dass er eine große Wahl hatte. Also hob er vorsichtig seine Hand und begann damit, dem Tiger die Ohren zu kraulen. Dieser schloss die Augen und ließ seinen Kopf genussvoll auf die Kissen sinken. Ryu wurde etwas mutiger und kraulte fester. Und während er da saß, den Tiger kraulte und Lenny dabei zusah wie er wohl versuchte, ein Loch im Glas zu finden um Ryu mitsamt seiner neuen Klamotten zu verputzen, dachte er so bei sich: 'Ich werde schon irgendwie das Beste daraus machen.'


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo erstmal!
Das erste Kapitel hat etwas gedauert, da in meiner Wohnung derzeit weder Internet noch Telefon geht. (An dieser Stelle möchte ich die zwei betreffenden Anbieter verfluchen und hoffe, dass ihnen auf ewig die Socken in die Schuhe rutschen).
Jedenfalls bin ich auf Weihnachtsbesuch bei der Familie und habe wieder Internet^^
Liebe Grüße, das Fay <3 Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück