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Composer of Time

von

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Nach dem Sturm

Am nächsten Morgen war der Sturm vorübergezogen. Als Yuuto aus einem traumlos erscheinenden Schlaf erwachte, erinnerte er sich immerhin sofort, weswegen er eigentlich in diesem fremden Bett lag. Aber dann fiel ihm auch wieder ein, dass er seit Jahren nicht mehr in einem vertrauten Bett geschlafen hatte, da es für einen Eternal keine wirkliche Heimat mehr gab.

Sein Blick fiel neben ihn, wo er einen leeren Platz erwartete – aber zu seiner Überraschung entdeckte er eine friedlich schlafende Aselia. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, die Knie angewinkelt, die Hände unter ihr Gesicht gelegt.

Normalerweise war sie stets vor ihm wach, saß dann bereits am Fenster oder war trainieren, je nachdem, wo sie sich eigentlich gerade befanden. Aber da sie im Moment noch schlief, wollte Yuuto sie nicht stören. Er wusste ja nicht, wie lange es gedauert haben mochte, bis sie endlich eingeschlafen war. Deswegen stand er möglichst leise auf und trat selbst ans Fenster, das er öffnete.

Der Himmel war vollkommen klar, die Luft so wunderbar rein, wie er sie niemals vor seinem Besuch in Phantasmagoria erlebt hatte. Möglichst tief sog er die gereinigte Luft ein, genoss sie, lebte für einen kurzen Moment regelrecht auf, obwohl es so früh am Morgen war.

Erst nach diesem Atemzug fielen ihm auch die Geräusche in diesem kleinen Ort auf. Die geschäftigen Rufe, das Klappern der Wägen und das Dröhnen irgendwelcher Arbeiten, verrieten, dass das Dorf wirklich nicht so verlassen war, wie es am Vortag noch gewirkt haben mochte.

Zu sehen war von ihrem Fenster, das in einen Hinterhof zeigte, allerdings nichts. Im Moment konnte er nur einen verlassenen roten Ball entdecken, der darauf wartete, dass sein Besitzer zurückkehrte, um mit ihm zu spielen.

Yuuto fuhr herum, als er hörte, wie sich im Bett hinter ihm etwas bewegte. Aselia sah ihn aus bereits hellwachen Augen an, sagte aber nichts.

„Guten Morgen, Aselia.“

Sie erhob sich aus dem Bett, kam mit raschen Schritten auf ihn zu – und umarmte ihn. Das Gesicht gegen seine Brust gedrückt, murmelte sie etwas, das sich wie „Guten Morgen“ anhörte … jedenfalls wenn Yuuto es richtig verstand.

Nachdem sie ihm versichert hatte, dass sie gut geschlafen habe, löste sie sich wieder von ihm und sah selbst aus dem Fenster hinaus. Yuuto betrachtete sie dabei von der Seite. Sie wirkte nicht mehr so unnahbar wie noch am Tag zuvor, vermutlich hatte sie gut geträumt, jedenfalls hoffte er das.

„Yuuto“, sagte sie plötzlich, ohne ihn anzusehen, „können wir uns die Stadt ein wenig ansehen?“

„Natürlich.“

Wenn sie ohnehin nichts anderes tun konnten, als auf Tokimis Ankunft zu warten, machte es auch nichts, wenn sie zwischendurch beobachteten, wie die Menschen in dieser Welt lebten. Immerhin störten sie den natürlichen Ablauf nicht.

Aselia schloss das Fenster wieder, dann zog sie sich ihre Rüstung an, die sie zum Schlafen stets ablegte. Yuuto zog derweil seine alte Schuluniform wieder an (wie lange nutzte er diese eigentlich schon zum Kämpfen?) und warf sich danach den weißen Mantel über, den er einst als Etranger von Rakios erhalten hatte. Es waren Dinge, die ihn mit seinem alten Leben als Mensch verbanden, deswegen wäre es eigentlich vernünftiger, sie endgültig loszuwerden – aber er brachte es einfach nicht übers Herz, sich davon zu trennen.

Als sie beide fertig waren, verließen sie das Zimmer wieder und kehrten in den Vorraum des Gasthauses zurück. Niemand war zu sehen, aber da sie nicht frühstücken wollten, kümmerte Yuuto sich auch nicht darum.

Auf den Straßen bemerkte Yuuto sofort, dass die Aufregung des heutigen Tages daher rührte, dass es sich um einen Markttag handelte. Nur wenige Schritte nach dem Verlassen des Gasthauses, gelangten sie auf die Hauptstraße, die mit allerlei Marktständen gesäumt war. Die Luft vibrierte regelrecht von all den verschiedenen Stimmen, die durcheinandersprachen, zu handeln versuchten oder erklärten, wie sie eine reife Frucht erkannten, oder sich über die neuesten Ereignisse in ihren Familien unterhielten, meckernd oder lachten.

Marktschreier, zumeist männlich, versuchten, Kunden anzulocken, in denen sie ihre Waren anpriesen, dabei taten sich besonders jene Verkäufer hervor, die Stoffe oder Fleisch anboten – allerdings waren bei beiden derartigen Anbietern die Preise derart schwindelerregend hoch, dass sich kaum jemand dorthin verirrte, und auch Yuuto zog es vor, bei den wesentlich günstigeren Farmständen innezuhalten, um sich dort das Angebot anzusehen. Aselia blieb dabei stets bei ihm, ihren linken Arm in seinem rechten untergehakt.

Die unterschiedlichsten Obst- und Gemüsesorten, die sie beide nie zuvor gesehen hatten, waren auf ihnen aufgebaut. Besonders beeindruckt war Yuuto von einem Stand, der lila Äpfel verkaufte. Allein vom Aussehen her wirkten sie exotisch wie giftig, aber gleichzeitig erinnerten sie ihn auch an das Haar von Aselia und Euphoria. Ersterer ging es wohl ebenso, denn sie hatte den Kopf ein wenig geneigt und betrachtete die Äpfel ebenfalls.

Der eigentliche Händler hinter dem Stand war gerade mit einigen Kunden beschäftigt, aber rechts des Tisches stand eine junge Frau, deren blondes Haar in zwei Pferdeschwänze geteilt war. Obwohl ihr Gesicht von der Sonne gebräunt war, was für Arbeit auf dem Feld sprach, waren ihre Sommersprossen doch recht deutlich zu sehen.

Irgendwie süß.

„Menschen“, hörte er 'Seikens' Stimme in seinem Inneren, „ich werde euch wahrscheinlich nie verstehen.“

Das erwarte ich auch nicht von dir.

„Gut.“

Die Frau, die bislang als Marktschreierin gedient hatte, wandte sich ihnen mit einem strahlenden Lächeln zu. „Guten Morgen~. Seid ihr Reisende?“

Aselia reagierte wie gewohnt nicht, deswegen übernahm Yuuto es, den Morgengruß zu erwidern und dann zu antworten: „Das ist richtig. Wir sind gestern Abend erst angekommen.“

Begeistert davon klatschte sie in die Hände. „Wir haben nicht oft Reisende hier~. Vor allem keine, die so besonders aussehen.“

Als sie das sagte, blickte sie hauptsächlich die immer noch abwesend wirkende Aselia an.

Keine große Überraschung. Immerhin ist sie die Außergewöhnliche von uns beiden.

„Möchtet ihr vielleicht einen Malnae?“, fragte die Frau. „Als kleine Kostprobe und als Gastgeschenk.“

Ehe einer von ihnen antworten konnte, hatte sie bereits einen besonders hübschen lila Apfel – das musste dann wohl das sein, was sie Malnae nannten – herausgesucht und reichte diesen an Aselia weiter. Dadurch erwachte sie aus ihrem traumgleichen Zustand und nahm die Frucht verwirrt an sich. Es blieb an Yuuto, sich dafür zu bedanken, doch die Frau winkte sofort ab. „Kommt einfach wieder, wenn euch die Frucht schmeckt. Übermorgen ist der nächste Markttag. Ich zähle auf euch.“

Sie zwinkerte den beiden verschwörerisch zu, Yuuto dagegen fragte sich, ob sie wirklich derart überzeugt von ihrem eigenen Produkt war.

Da sie sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, Aufmerksamkeit zu generieren, zuwandte, setzten Yuuto und Aselia ihren eigenen Weg fort. Dabei bemerkte er, dass sie die Frucht ratlos in der Hand drehte, als wüsste sie nichts damit anzufangen.

„Willst du ihn nicht essen?“, fragte Yuuto.

„Nein“, erwiderte sie leise. „Er erinnert mich an Euphie.“

Genau wie ihn schon zuvor. Aber wenn sie ihn nicht aß, wurde er mit der Zeit schlecht, das konnte sie doch unmöglich wollen – oder?

„Ich werde ihn erst einmal behalten“, sagte sie, nachdem sie die Frucht an ihrer Kleidung ein wenig abgerieben hatte.

Damit war das Thema erledigt, deswegen ließ Yuuto wieder den Blick schweifen – und bemerkte dabei ein nagendes Gefühl in seinem Gehirn, das ihm etwas mitzuteilen versuchte, ohne dass er an die Botschaft selbst gelangen konnte.

„Und du willst der Weise sein“, spottete 'Seiken', aber er wartete auf keine Reaktion seitens seines Trägers. „Erinnerst du dich an den Sturm letzte Nacht? Denkst du nicht auch, dass es dafür erschreckend trocken ist?“

Natürlich! Er war während des tosenden Sturms eingeschlafen, aber trotz des starken Regens sah hier alles so aus, als hätte es seit mindestens einer Woche kein Wasser mehr gesehen.

„Aselia.“

„Mhm?“ Sie hob den Kopf, um ihn anzusehen.

„Kannst du spüren, ob sich die Luftfeuchtigkeit in letzter Zeit geändert hat?“

Als ehemals blauer Spirit, heute aber Eternal, der immer noch eine Affinität zu blauem Mana aufwies, sollte das eigentlich ein Kinderspiel für sie sein. Und tatsächlich konnte sie ihm antworten, wenn auch nicht unbedingt so, wie er erwartet hatte: „Die Luft ist trocken. Es dürfte schon lange nicht mehr geregnet haben.“

Sie zog die Brauen zusammen, also bemerkte auch sie, dass etwas nicht richtig sein konnte.

„Wir sollten ins Gasthaus zurück“, sagte Yuuto. „Wir müssen überlegen, was hier vorgeht.“

Und das gelang sicher am besten, wenn sie unter sich waren und nicht auf eventuelle Zuhörer achten mussten. Bislang waren sie zwar allen noch ziemlich egal, wie er mit einem kurzen Blick umher feststellte, aber er wollte nicht riskieren, dass sich das änderte. Falls sie in eine Falle getappt waren, sollte der Fallensteller nicht sofort erfahren, dass sie bereits davon wussten.

Gemeinsam kehrten sie ins Gasthaus zurück, diesmal war aber jemand hinter dem Tresen – allerdings handelte es sich dabei nicht um John. Stattdessen war es eine Frau, die ein hell gemustertes Kopftuch über ihrem dunkelbraunen Haar trug. Die Ähnlichkeit zwischen ihr und John war offensichtlich, deswegen konnte man sich denken, dass sie verwandt waren – aber inwiefern?

Als sie die beiden sah, lächelte sie sofort, wodurch kleine Fältchen um ihre Augenwinkel entstanden. „Hallo. Braucht ihr ein Zimmer?“

Aselia neigte wieder den Kopf, deswegen übernahm Yuuto erneut das Reden, wie er es inzwischen gewohnt war: „Ja, wir möchten gern noch eine Nacht bleiben.“

Sie schien sich zwar ein wenig an dem noch zu stören – jedenfalls runzelte sie ihre Stirn –, sagte aber nichts dazu, sondern gab ihnen nur einen Schlüssel. „Das Zimmer ist ganz das eure. Ich hoffe, ihr werdet eine schöne Nacht haben.“

Yuuto bedankte sich und nahm den Schlüssel an sich. Aselia schien derweil genug von dem Schweigen zu haben: „Wo ist John?“

Die Frau hinter dem Tresen blinzelte irritiert. „Hm? Tut mir leid, ich kenne keinen John.“

Um ihr neu erwachtes Misstrauen sofort zu bekämpfen, schaltete Yuuto sich wieder ein: „Wir haben den Namen nur in der Stadt gehört. Vielleicht haben wir da etwas verwechselt?“

Ihre Stirn glättete sich augenblicklich wieder. „Oh, das kann sein. Mein Name ist Jane, das klingt ähnlich wie John. Vielleicht deswegen?“

„Das wird es sein.“ Yuuto lächelte nervös, hoffte aber, dass Jane das nicht bemerkte. „Wir gehen dann besser mal nach oben. Lasst Euch von uns nicht stören.“

Ehe Aselia noch etwas sagen konnte, zog Yuuto sie bereits mit sich, die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Es war mehr als deutlich, dass etwas nicht in Ordnung war – und sie müssten nun erst einmal klären, worum genau es sich dabei handelte.
 

Unzufrieden schnalzte er mit der Zunge. Er hatte es geschafft, die Welt zu ändern – aber die Eternal waren immer noch da. Dummerweise war seine Fähigkeit nicht dazu geeignet, diese mächtigen Shinken-Träger aus der Welt zu entfernen, sie beschränkte sich nur darauf, alles andere Mana zu wandeln. Aber das war auch nicht der Hauptgrund seiner Tätigkeit gewesen.

Normalerweise, wenn er diese Fähigkeit einsetzte, waren die sich selten in diese Welt verirrenden Eternal derart irritiert, dass sie sofort wieder abreisten. Aber diese nicht.

Also musste es doch bedeuten, dass sie wegen einer Mission hierhergekommen waren. Eine Mission, die möglicherweise mit ihm in Verbindung hing, vielleicht sogar seine Vernichtung beinhaltete. Aber das konnte er nicht zulassen.

Also berührte er die Kugel erneut und ließ eine andere Melodie spielen, als er dem Mana dieser Welt erneut seinen Willen aufzwang und es Stück für Stück zu ändern begann.



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