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Die misslungene Zähmung

von Sternenschwester
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So ein weiter Beitrag der im Zuge zu dem Heft: +(03/10) - Triumph und Tragödie - Napoleon - (Juni- September)… wobei der Fokus vor allem auf die Beziehung von Theodor (Bayern) und Agnes (Tirol) liegt, da dank Napoleon Tirol zwischen 1805 und 1814 an Bayern ging. Tagebucheintragungen und Rahmenhandlung wechseln sich ab.

Agnes->Tirol
Theodor (ich in den Tagebuchpassagen)->Bayern
Hagen->Brandenburg
Katharina->Kärnten
(Bilder der Oc, bis auf Theo, sind in meinen (Sternenschwester) Account zu finden) Komplett anzeigen

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Die misslungene Zähmung

Die misslungene Zähmung
 

29.12.1805 -

Heute kam Agnes in München an. Ich muss nicht darauf hinweisen, dass die Ankunft - wie auch der Empfang - eine Zerreißprobe für die Nerven von uns allen war. Sie hat einen denkbar schlechten Eindruck beim Personal hinterlassen und auch wenn ich noch immer überzeugt bin, dass es nötig ist, Agnes in der nächsten Zeit unter Beobachtung zu stellen, so graut es mir vor den nächsten Tagen.
 

Theodor war sich durchaus bewusst, dass es nicht einfach sein würde, wenn Agnes in seinen Haushalt kam. Er war geistig jede noch so erdenkliche Szene im Kopf durchgegangen, doch was folgte, hätte er sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht ausdenken können. Agnes hatte ihn persönlich noch nie gemocht, doch nun schlug ihm in ihrer Gestalt das volle Misstrauen ihrer Kinder entgegen. Er hatte auch gewusst, dass er sich die Aufgabe, Agnes‘ Vertrauen zu erlangen, nur noch mehr erschweren würde, wenn er sie zwang, fern von ihrer Heimat an seiner Seite in München zu wohnen. Doch er traute ihr nicht und wusste nur zu gut, dass dieses Misstrauen berechtigt war. So wurde er nicht enttäuscht, als sie nur wenige Stunden, nachdem er sie halb in ihre Gemächer hatte schleifen lassen müssen, einen Fluchtversuch unternahm. Wie gut war ihm noch die Scham in Erinnerung geblieben, als er sein Gesinde über ein hysterisches Weib auf seinem Grund hatte reden hören. Es bekümmerte ihn sehr, das sich Agnes ihm gegenüber völlig verschloss und ihn herrisch abwies, egal mit welchen Anliegen er ihre Nähe suchte. Dabei behandelte er sie äußerst zuvorkommend. Den Flügel, welcher er ihr zugewiesen hatte, ließ an Bequemlichkeit nichts missen und auch sonst fehlte es an nichts. Bei der Dienerschaft hatte er zwar auf ihre Loyalität ihm gegenüber geachtet, aber dennoch bedacht, Männer und Frauen zu nehmen, die aus der Nähe der tirolerischen Grenze stammten. Doch all dies hatte nichts genutzt und als die sonst herrische Agnes nach ein paar Wochen in eine düstere Stimmung verfiel, in der sie apathisch alles über sich ergehen ließ, so wünschte Theodor sich im Geheimen, sie würde ihn wieder so ankeifen wie früher.
 

18.05.1806 -

Katharina Karwank war bei mir zu Besuch. Sie erkundigte sich nach Agnes‘ Wohlbefinden und bat mich, sie zu sehen. Ich stimmte nur widerwillig zu, da sie mich dies abschließend nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit fragte.
 

Während des ganzen Jahres umwarb er sie, während sein Monarch seine Berater dazu anhielt, nicht den Unmut der tirolerischen Bevölkerung auf sich zu ziehen. Er hatte ihr sogar versprochen, ihr ihre alteingesessenen Verfassung und Privilegien zu lassen. Sie jedoch warf ihm einen höhnischen und hochmütigen Blick zu, als traute sie seinem Wort nicht, dabei wollte er doch nur ihre Anerkennung und seine Bemühungen beschränkten sich nicht nur auf die politische Ebene. Auch privat opferte er viel Zeit dafür, sie für sich zu gewinnen. Nicht als Liebhaberin, doch er wollte sie sich angenehm machen, sodass ihre Interaktionen nicht wie früher mit gefährlich knisternder Anspannung gefüllt waren. Er wusste, dass der einfache Weg wäre, sie zurück nach Tirol zu schicken, doch nach zahlreichen missglückten Fluchten und der sehr miserablen Stimmung in dem nun südlichsten Teilen seines Landes befand er dies als unklug. Zwar war er sich durchaus bewusst, dass er die Unzufriedenheit ihrer Kinder nicht vor ihr verstecken konnte, schließlich spürte sie diese in jedem Winkel ihrer Seele, aber sie in seiner Nähe zu wissen und sie zu überwachen zu können, beruhigte ihn ungemein. Er ließ ihre Post öffnen und kontrollierte, wer zu ihr vorgelassen wurde, aber er erlaubte ihr dennoch mit ihren Bekannten einen regen Briefwechsel zu führen. Einmal war sogar Katharina zu Besuch gekommen und auch wenn das Lächeln der Tirolerin nicht ihm galt, so zierte es die nächsten Wochen ihr Gesicht, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Zudem es ihr seitdem auch wesentlich besser ging und sie Stück für Stück zu ihrem alten Wesen, welches sie seit ihrer Ankunft in München offenbar verloren hatte, zurückfand.
 

14.10.1806 -

Ich spüre wegen der heutigen Soirée eine tiefe Unruhe in mir. Seitdem ich heute früh aufgewacht bin, frage ich mich ständig, ob es eine gute Idee ist, darauf zu bestehen, dass Agnes heute Abend meine weibliche Begleitung ist. Habe ich mich nicht durch sie schon genug vor der Gesellschaft blamiert?
 

Er buhlte auch regelmäßig mit Geschenken um ihre Aufmerksamkeit, wobei er sich genau überlegte, was und wie. Die ersten Präsente hatte sie ihm wütend um die Ohren gehauen und ihn unter wüsten Beschimpfungen wortwörtlich und höchst unmanierlich aus ihren Zimmern gejagt. Die Darauffolgenden, welche er ihr - klüger geworden nach seinen ersten Versuchen - häppchenweise zukommen ließ, wurden zum Teil zurück geschickt, zum anderen Teil behalten, mit der Rückmeldung, sie werde diese Aufmerksamkeiten, wenn sie wieder in Tirol war, in die tiefste Schlucht der Alpen werfen. Doch als er sie mehr oder minder nötigte, an einem von ihm organisierten Ball zu erscheinen, war er nicht nur von ihrer ungewöhnlich eleganten Erscheinung überrascht, wenn nicht sogar beeindruckt, sondern nahm es als ein gutes Zeichen, dass sie den Schmuck aus Rubinen angelegt hatte, welchen er ihr nur Tage zuvor geschickt hatte. Sie verhielt sich während des ganzen Abends vielleicht nicht perfekt vorbildlich, aber sie nahm sich zurück und legte die grundnötigsten Manieren an den Tag, welche man von einer Angehörigen ihres Geschlechtes, wie auch ihres Standes erwarten konnte. Als er sie jedoch nach der Soirée bis zu ihrem Flügel begleiten wollte, fing er sich schneller eine Ohrfeige ein, als er sich bewusst wurde, dass sie ihn eben als zu aufdringlich empfand. Doch wenigstens bewies ihm das, dass sie wieder auf dem besten Weg war, die alte Agnes zu werden.
 

25.01.1807 -

Hagen ist zurzeit bei mir auf Besuch. Er ist in seiner Art ungewöhnlich diskret und doch nimmt man nur allzu sehr den Schatten Gilberts wahr. Mir ist wohl bewusst, wofür er her gekommen ist. Verdammter Preuß. Schnüffelt jedem und allem hinterher. Ein gutes hat jedoch der Besuch seines Bruders. Agnes ist seit seinem Eintreffen wie ausgewechselt. Sie beansprucht seine Zeit und Aufmerksamkeit, kaum ist das etikettiere Geplänkel beendet. Seitdem sie ihn in ihrer Nähe weiß, ist sie plötzlich auch viel umgänglicher geworden. Ich weiß nicht, warum, aber wenn ich sie beide sehe, wie sie durch den Garten flanieren, so überkommt mich eine leichte Eifersucht. Doch worauf ich genau eifersüchtig bin, weiß ich nicht zu sagen. Vielleicht auf die Tatsache, dass dieser Preuß nur mit seiner Anwesenheit das geschafft hat, worum ich nun seit Monaten kämpfe…
 

Doch so sehr sich die Lage in seinem privaten Haushalt normalisierte, so kritischer wurde sie in den Tiroler Gebieten. Es keimte und auch die Stimmungsschwankungen von Agnes wurden ausgeprägter. Zwar hatte er versucht, sie so sanft wie möglich in seinen Verwaltungsapparat einzugliedern, doch auch er konnte sie nicht vor gewissen Umwälzungen bewahren. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihr nichts von den innenpolitischen Angelegenheiten zu erzählen, spürte sie doch die Unzufriedenheit ihres Volkes, doch als er sie einst von den Änderungen bezüglich ihrer Brauchtümer aufklärte, war er mit Kopfschmerzen von dem hitzigen Gemütsausbruch seitens der Tirolerin ins Bett gegangen. Er verstand zwar wahrlich nicht, wie man so dickköpfig an längst veralteten Ritualen festhalten konnte, aber musste zähneknirschend eingestehen, dass mit diesem Schritt seitens der Politik seines Königs er im Punkt Vertrauen bei ihr um Riesenschritte zurückgefallen war. Dabei war dies nicht der einzige Aspekt, der ihre Beziehung auf das Schwerste belastete. Nach mehr als einem Jahr am Münchner Hof verzehrte sie die Sehnsucht nach ihren heimatlichen Bergen. Regelmäßig musste er fürchten, dass sie wieder zurück in die melancholische und düstere Apathie verfiel, wie bei ihrer Ankunft. So versuchte er Anfang des Jahres alles, um sie abzulenken. Als Brandenburg für eine Woche an seinem Hof verweilte, um in Gilberts Namen die Fühler nach seiner politischen Raison auszustrecken, glaubte er sogar, es geschafft zu haben. Hagens Anwesenheit erweis sich zwar bei Weitem nicht so erfolgreich wie Katharinas Besuch, aber er hatte zur Folge, dass sie ihre Aufmerksamkeit und vor allem ihre Launen auf einen anderen richtete, auch wenn Theodor eifersüchtig eingestehen musste, dass sich der weißblonde Norddeutsche besser hielt als er. Auch schien es, als würde Agnes die Gesellschaft des Anderen bei Weitem der Seinigen bevorzugen. Wenn er sie aus der Ferne in seinem Garten spazieren sah, bemerkte er regelmäßig, wie die Tirolerin in der Anwesenheit seines Gastes offen und herzlich lachte, oder ihm mit interessiertem Blick zuhörte. Öfters ärgerte er sich über die Nähe, welche die beiden teilten und die er seit einem Jahr vergeblich zu erlangen suchte. Beinahe war er sogar froh, als der Brandenburger endlich nach sieben Tage abgereist war und doch erschien es dem Bayern, als würden sie sich beide beim Abschied näher stehen, als es schicklich galt. Doch das Angenehme an der ganzen Sache war, dass zu seinem Glück die Freude, die der Besuch Agnes gemacht hatte, für ein paar Wochen anhielt.
 

02.04.1808 -

Roddy war heute zu Besuch und er hat mir kein gutes Gefühl hinterlassen, als er wieder nach Wien aufgebrochen ist. Zum einen weil er gegen meine Anweisungen das Gespräch mit Agnes gesucht hat, zum anderen waren da die Andeutungen, dass Europa auch in den nächsten Jahren nicht zur Ruhe kommen werde. Irgendetwas ist gerade dabei, sich zusammen zu brauen und ich muss gestehen, dass ich mich vor der Entladung des kommenden Sturmes fürchte.
 

Den Sommer verbrachte er dann alleine, da er Agnes nicht lange nach Roderichs Besuch wieder zurück nach Tirol geschickt hatte. Nicht nur ihre Sehnsuchtsausbrüche waren schlimmer geworden, er hatte auch ganz gut verstanden, wer der Adressat des einen Meter breiten Felsbrockens war, welcher durch sein Fenster in sein Arbeitszimmer seines kleinen Jagdschlösschens nahe der Berge gedonnert war und nicht nur die Fensterscheiben zerbrach, sondern auch gleich einen ganzen Teil seiner Außenwand mit. Die meisten Riesen waren in ihren geistigen Reaktionen nicht die Schnellsten und Theodor hatte schon öfter den Verdacht gehabt, dass die Zeit im Schneckentempo an ihnen vorbei kroch, doch wenn sie erst einmal einen Entschluss gefasst hatten, so waren diese Naturverkörperungen fast unmöglich aufzuhalten. So hatten die Tiroler Riesen zwar über ein Jahr gebraucht, um sich des Fehlens der temperamentvollen, schwarzhaarigen Nation bewusst zu werden, aber dafür zeigten sie ihm umso deutlicher, was sie davon hielten. Am gleichen Tag, als diese steinerne Post ihm während einer Jagd auf minder sanfte Weise ins Arbeitszimmer gelegt worden war, hatte er einen Brief nach München verfasst, der Agnes aufforderte, augenblicklich nach Tirol zu reisen und ihre alten Beschützer zu beruhigen. Als er nur ein paar Tage später in seiner Residenz in Bayern wieder ankam, war die Tirolerin mit Mann und Maus verschwunden.
 

22.03.1809 -

Die Boten sind eingetroffen und nun sind alle Zweifel ausgeräumt. Der Sturm, welcher sich durch die Umwälzungen, die die Auflösung von Tirol als Land mit sich zog, zusammenbraute, ist nun dabei, sich gegen mich zu wenden. Tirol erhebt sich. Während ich hier schreibe, bricht die Morgendämmerung ein und das Farbenspiel erscheint mir blutig rot. Auch wenn noch die Stille hinter meinem Fenster herrscht und nur ein paar Singvögel verschlafen zu trällern beginnen, so glaube ich schon, die Trommeln zu hören, die kommenden Schüsse und das, was mich am meisten erschreckt, das höhnische Lachen Agnes‘.
 

Agnes begann zu rebellieren und Theodor musste sich bitter eingestehen, dass eine Zähmung der vorlauten Tirolerin als unmöglich war.

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Historischer Kontext:
Nach dem zweiten Koalitionskrieg (1799-1801) musste Österreich 1805 Tirol an Bayern abtreten, was zu Spannungen im Tiroler Land führte. Welche dann eskalierten als Bayern, nach Jahren des Kuschelkureses auf politischer Ebene, dann doch begann die alte Verfassung von Tirol aufhob und begann Tirol in vielen Bereichen neu zu strukturieren, gegen den Wiederstand der Bevölkerung. Nach einer Zwangsaushebung von Truppen 1809 erhoben sich die Tiroler und befreiten dreimal das Land. Doch nach einen halben Jahr mussten die Aufständischen sich geschlagen geben.


Die verschiedenen Tagebuchdaten orientieren sich nur beim Monat an ein historisches Ereignis. Die Tageszahlen sind zufällig.

Betagelesen von: KahoriFutunaka Komplett anzeigen

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