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Denn sie wissen, was sie tun…

von Susu-chan
von

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Kapitel 19 - Raimi

Kapitel 19 – Raimi
 

„Mein Gott, Marik!“, hörte ich eine Stimme panisch rufen. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch sie waren von Blut verkrustet. Als ich versuchte meine Arme zu heben, spürte ich einen stechenden und brennenden Schmerz.

Mühsam öffnete ich die Augen. Es fühlte sich an, als hätte ich mir dabei ein paar Wimpern ausgerissen, doch das war egal.

„Dein Arm…“, ächzte Raimi. Ich drehte leicht den Kopf.

Mein rechter Arm war zerbeult, blutete heftig und es ragten sogar ein paar Knochensplitter heraus. Ich spürte keinen Schmerz.

Er war komplett taub, wenn ich ihn liegen ließ.

„Ich…ich versuche ihn zu heilen!“, sie kniete sich neben mich und legte mir vorsichtig die Hände auf den verdrehten Arm.

Als ich spürte, wie sich meine Knochen neu ordneten, kam auch der Schmerz wieder.

Ich fing an wie am Spieß zu schreien. Es fühlte sich an, als würde man ihn mir wieder brechen, und einmal war wirklich genug. Hitzewellen schossen durch meinen Körper, gefolgt von Schmerz.

„Aufhören!“, kreischte ich „HÖR AUF!“

Ich spürte wie Hände mich packten und festhielten.

„Sie darf sich nicht bewegen! Marik, es ist gleich vorbei!“

Mir traten Tränen in die Augen. Mein Arm pochte und ich hätte Raimi am liebsten weggeschlagen. Da war mir die Taubheit doch lieber.

Nach einer gefühlten Ewigkeit voller Qualen zog sie die Hände weg. Mir war heiß, mein Arm war verbeult und ich war voller Blut, aber ich war froh, dass sie es getan hatte.

Er war zwar nicht ganz geheilt, aber immer hin konnte ich ihn wieder etwas bewegen.

„Hast du den Splitter?“, fragte Shadow sachlich und Heriot half mir auf – Besser gesagt, er trug mich.

„N-Nein…er hat mich…fertig gemacht…“, presste ich mühsam hervor und spürte, wie wütend ich war.

„Was ist passiert?“

„Das ist doch egal! Er hat mir ins Gesicht getreten. Ins Gesicht. Es tut weh. Dafür trete ich ihm ins Gesicht. Dann kann Heriot ihm den Arm brechen und ich trete ihm nochmal ins Gesicht.“

„Mit Vergnügen.“, erwiderte Heriot und versuchte möglichst meine Verletzungen nicht zu berühren.

„Das heißt, sie haben den Splitter.“, stellte Raimi leise fest „Und das heißt auch, dass wir sie irgendwann suchen müssen, um ihn zurück zu bekommen.“

Shadow schien der Gedanke genauso wenig zu gefallen, wie uns.

Ich sah die drei an. Sie wirkten nicht schlimm verletzt, Raimi hatte ein paar Streifwunden, aber keine allzu tiefen.

Zum Glück war ihnen nichts passiert.

„Wir gehen zurück zum Schiff. Marik muss sich dringend erholen.“, befahl der Igel. Heriot lief los, aber er ging extra so, dass ich keine Erschütterung spürte.

Meine Nase war bestimmt gebrochen, mein Kopf blutete, man hatte mir in die Schulter geschossen, mir den rechten Arm zertrümmert…psychisch gesehen müsste ich total hysterisch sein. Aber ich fühlte mich nicht so.

Ich hatte Schmerzen, aber ich zitterte nicht wie Espenlaub oder weinte.

Vielmehr wollte ich Rache haben für das, was dieser Kerl mir angetan hatte.

Und was er Sichi angetan hatte. Es war nicht die persönliche Schuld dieses Kerls, aber er war ein Teil der Bande, die für Sichis Tod gesorgt hatten.

Wir kamen am Strand an.

„Warte“, sagte ich zu Heriot und er blieb stehen.

„Wir wollten Sichi…doch noch die letzte Ehre erweisen.“

„A-Aber Marik…du bist verletzt…“, stammelte Raimi und ich wollte den Kopf schütteln, doch dann wurde mir schlecht dabei. Zum Glück musste ich nicht laufen, denn dann hätte ich mich übergeben müssen. Vielleicht hatte ich eine Gehirnerschütterung.

„N-Nein, das ist egal. Zwei Minuten halte ich noch aus.“, widersprach ich und ließ mich von Heriot in den Sand setzen. Ich erwartete, dass er mir widersprechen würde und darauf bestünde, dass ich sofort in ein Krankenhaus käme, aber er blieb still. Vielleicht war ihm der Ernst der Lage bewusst und er konnte verstehen, dass Sichi jetzt wichtiger war als ich.

Sie zögerte noch kurz, ehe sie die Urne herausholte.

Shadow ignorierte uns und stieg schon mal in das Shuttle, das weiter weg stand und von den man aus den Strand nicht sehen konnte.

„Beeilt euch. Ich warte höchstens 10 Minuten.“

Heriot blieb neben mir stehen. Da ich nicht laufen konnte, hatte ich auch nichts dagegen.

„Jeder von uns sagt etwas. Zwei Minuten oder so.“, Raimi öffnete den Deckel vorsichtig „Und dann können wir die Asche verteilen. Kann ich kurz…mit ihm allein…?“

„Achso. Ja klar.“, erwiderte ich etwas überrascht. Heriot hob mich hoch und wir entfernten uns wieder, ehe wir ihr den Rücken zudrehten.

Ich hörte das Klappern von Porzellan, als sie die Urne absetzte.

Dann ein leises Flüstern, als sie sich von ihm verabschiedete…und das Knirschen von Sand. Ich runzelte die Stirn.

War sie gegangen?

Ich hörte ein Geräusch, dass an einen heruntergefallenen Teller erinnerte.

Heriot drehte sich mit mir um, bevor ich ihn darum bitten konnte.
 

– 20 Minuten vorher (Raimi) –
 

„Leute! Wo ist Marik!?“, rief Raimi über das Kampfgetümmel hinweg. Sie atmete schwer und starrte das Mobianermädchen an, dessen Handflächen aufgerissen waren und aus dem nun ständig Licht strömte. Es war grell und explodierte förmlich im Kopf, wenn man es auch nur ansah. Raimi wollte gar nicht wissen was passieren würde, wenn sie es abbekäme.

„Ich weiß es nicht. Wir haben größere Probleme!“, entgegnete Shadow barsch. Heriot hingegen drehte sich zu ihr um und schien gleich suchen gehen zu wollen, doch der Igel packte ihn und zog ihn wieder auf seine Position.

„Du bleibst hier! Sie kann auf sich selbst aufpassen und zu zweit werden wir mit diesem Mädchen nicht fertig!“, fauchte er, als im selben Moment helles Licht auf ihn zuschoss und er zurückspringen musste.

Das Mädchen fing an zu lachen wie verrückt und der Ninja warf eins seiner Messer nach ihr. Es streifte ihre Halsschlagader, die Haut riss auf und fing an zu leuchten. Sie presste eine Hand auf die Wunde und stoppte den Lichtfluss.

„Okay, so was habe ich noch nie gesehen.“, sagte Raimi etwas beunruhigt. Sie standen in einem Dreieck um ihre Gegnerin herum, die durch die Unterzahl keineswegs beunruhigt wirkte.

Shadow sprintet auf sie zu und rollte sich zu einer Kugel zusammen, doch bevor er sie treffen konnte, baute sich ein Schild vor ihm auf, der ihn wieder zurückwarf.

Derweil versuchte Raimi sie von hinten zu erwischen und wirbelte ihren Stab, um ihr einen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen, doch das Mädchen wich aus und sie verfehlte ihr Ziel. Sie spürte, wie ihre Waffe gepackt wurde und von ihr weggerissen, ehe sie etwas scharfes und langes in ihrem Bauch spürte. Raimi sprang panisch zurück und starrte auf die Nadel, die aus ihr herausragte.

Doch im nächsten Moment löste sie sich in Luft auf und keine Wunde blieb zurück.

Sie blinzelte irritiert. Was war das? Ein Ablenkungsmanöver?

Als sie wieder aufsah, konnte sie noch gerade dem Lichtstrom ausweichen, der auf sie zuschoss. Er erwischte einen alten Stand, der augenblicklich anfing zu brennen.

„Mein Stab!“, rief sie Heriot zu, der sich kurz bückte, um ihr ihre Waffe wieder zu geben.

„Vorsicht!“, schrie Raimi, als ein weiterer Strahl in seine Richtung flog. Er hob den Stab auf und wich so schnell aus, dass sie ihn nur noch als Schemen wahrnahm. Als er wieder auf den Beinen war, warf er ihr den Stab zu.

Sie fing ihn auf und starrte ihn kurz an.

Er war so schnell gewesen. Fast schon so wie Shadow…

„Ahahaha!“, hörte sie das Mobianermädchen wieder kichern. Es war das Lachen eines unschuldigen Kindes, das einem Insekt die Flügel herausreißt.

Ein Blitzähnlicher Strahl kam aus ihrer Handfläche und traf Shadow am linken Bein. Er stolperte, fing sich und sprang, ehe er sich zu einer Kugel zusammenrollte und auf sie zuschoss.

Sie streckte die Hand aus und ein weiterer Schild entstand, der ihn zurückwarf.

„Ihr könnt mich nicht besiegen! Ihr seid schwach und erbärmlich! Ahahaha…Haha…ürgh…“, das Mädchen stockte und würgte. Sie krümmte sich zusammen, als hätte sie unsagbare Schmerzen.

Raimi sah sofort ihre Chance. Sie stand am nächsten bei ihr und rannte auf sie zu, den Stab in der rechten Hand, mit der Absicht, ihren Brustkorb zu durchbohren.

„H-Hör auf…zu töten…i-ich will n-niemanden…verletzen…“, hörte sie ihre Feindin noch ächzen. Bevor sie aber abbremsen oder nachfragen konnte, hatte sie schon die Spitze ihres Stabes durch den Rücken der kleinen Person gebohrt.
 

Raimi ließ ihre Waffe fallen, als hätte sie sich daran verbrannt.

Was war das gerade? Was hatte es gesagt?

Es wollte niemanden…verletzen?

„Gut gemacht.“, bemerkte Shadow. Er beugte sich neben die Leiche und durchsuchte sie.

„Ha-Habt ihr das gehört?“, fragte sie etwas erschrocken.

„Was?“, erwiderte Heriot. Er wirkte unruhig.

Bestimmt wollte er Marik suchen.

Shadow hob die Hände zu der Maske. Als er sie abzog, konnte man en Zischen vernehmen, als wäre es eine Gasmaske.

Raimi spürte, wie ihr kalt wurde.

Ein Kind.

Ein kleines, erst 7-jähriges Kind war unter der Maske zu sehen. Entlang ihres hübschen Gesichts sah man Einstichstellen, wie von einer Nadel.

Als sie zu der Maske sah, wusste sie auch warum: Entlang am Rand verliefen viele tausende Nadeln, die sich in ihr Fleisch gebohrt hatten.

„Ein kleines Mädchen?“, stellte Heriot verwundert fest „Die Stimme war kindlich, das wusste ich. Aber ein kleines Mädchen…?“

„Oh Gott.“, flüsterte sie bloß.

Im nächsten Moment drehte sie sich um und übergab sich so lange, bis sich ihr Magen zusammenzog und sie nur noch klare, zähe Galle spuckte.

Sie hatte ein Kind umgebracht. Ein 7-jähriges Kind!
 

“Ich will…niemandem…wehtun…“
 

„Sie hat es nicht freiwillig getan.“, ächzte sie nach einer Weile „Sie hat uns nicht freiwillig bekämpft. Sie wurde manipuliert! Und ich habe sie umgebracht!“

Gegen Ende ihres Satzes wurde sie immer lauter und auch hysterischer.

„Ich habe ein Kind umgebracht! EIN KIND!“

Ihr Kopf ruckte zur Seite, als Shadow ihr eine Ohrfeige gab.

„Beruhig dich. Das ist erbärmlich.“, sagte er ruhig „Es wurde kontrolliert, dass kann sein. Aber es ist besser, dass es tot ist, als wenn es weiterhin gegen seinen Willen mordet, oder?“

Raimi hustete und versuchte nicht wieder in Hysterie zu verfallen. Ein kleines, kleines Mädchen…

„Wir müssen Herrin Marik finden.“, lenkte Heriot vom Thema ab. Sie starrte ihn an.

Marik…was würde Marik zu ihrer Tat sagen? Sie wusste, wie sehr sie Kinder liebte.

Gott, sie betete sie praktisch an. Wäre Raimi für sie ein schlechter Mensch? Eine…Mörderin?

„Wenn es ein erwachsener Mobianer gewesen wäre, wärst du nicht halb so entsetzt.“, bemerkte Shadow bloß und stand auf. Er ließ die Maske fallen.

„Natürlich wäre ich das! Immerhin hat sie uns nicht freiwillig angegriffen!“, protestierte sie wütend „Sie wurde kontrolliert! Ich habe auch gehört, wie gesagt hat, dass sie niemanden mehr verletzen will…“

Heriot schien genug von der Diskussion zu haben. Er packte Raimi am hinteren Teil ihres Kragens, stellte sie auf die Füße und ging los.

„Wir gehen jetzt Herrin Marik suchen.“, stellte er klar. Shadow runzelte die Stirn, sagte aber nichts dagegen und sah sich ebenfalls um.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht war Marik losgegangen, um den Splitter zu suchen.

„Gab es nicht zwei?“, fragte sie dann leiser. Sie machte sich Sorgen um ihre Freundin.

Außerdem hatte sie Bauchschmerzen. Das lag bestimmt an den Schlägen, die sie einstecken musste.

Heriot bog ab und ging geradewegs auf ein Spiegelkabinett zu. Als man Kampfgeräusche daraus hörte, rannte er sofort schneller.

Raimi versuchte mit ihm Schritt zu halten, aber er machte einfach viel zu große Schritte und Shadow…es versteht sich ja wohl von selbst, warum sie nicht mit ihm mithalten konnte.

Als sie dann endlich keuchend ankam, war ihr irgendwie schwindelig. Sie wusste nicht woran das lag, denn die Strecke war nun wirklich nicht so weit gewesen.

„Mein Gott, M-Marik!“, rief sie erschrocken, als sie ihre Freundin blutüberströmt am Boden liegen sah.

Angst erfasste sie. Bitte, bitte, bitte nicht auch noch sie!

Marik zuckte zusammen, als sie versuchte die Arme zu bewegen. Der rechte war grausam verdreht und gebrochen, sodass Raimi fast schlecht wurde. Sie öffnete mühsam die Augen und blinzelte.

Raimi bekam kaum mit, was sie nuschelte. Ihr Arm beschäftigte sie sehr viel mehr.

Wer konnte einem so den Arm brechen? Es sah nicht so aus, als wäre er einfach nur gebrochen. Es wirkte, als wäre er aus dem Inneren zersplittert worden.

Einfach so.

„Dein Arm…“, brachte sie nur heraus.

Sie legte vorsichtig ihre Hände auf die aufgeplatzte Haut „Ich versuche es zu heilen! Haltet sie fest, sie darf sich nicht bewegen!“

Raimi biss sich auf die Unterlippe. Das dürfte nicht nur sehr schmerzhaft für Marik werden, sondern auch extrem Kräfte aufzehrend für sie selbst. Bei ihrem derzeitigen Kräftestand würde es riskant sein, doch sie musste es versuchen, sonst würde sie bleibende Schäden davontragen. Hoffentlich war keiner der Knochensplitter in die Nähe einer wichtigen Arterie gekommen, sie kannte sich mit so etwas nicht sonderlich gut aus.

Ihre Hände fingen an grünlich zu glühen, als ihre Heilkräfte zum Einsatz kamen. Sofort fing Marik an zu schreien und zu zappeln, aber Shadow und Heriot hielten sie unerbittlich fest. Schweißtropfen rannen Raimi über die Stirn, als sie ihre eigene Energie weitergeben musste.

Es war schwer den Energiefluss zu stoppen, wenn er einmal angefangen hatte. Sie musste aufpassen, sonst würde sie am Ende noch daran sterben.

Ihre eigenen Wunden fingen an sich zu weiten und Blut lief ihr über den Arm. Taubheit erfasste ihre Hände und sie wurden kalt.

Mariks Arm verdrehte sich wieder, aber diesmal in eine normale Position. Die Knochensplitter verschwanden und ihre Haut glättete sich.

Raimi zog scharf die Luft ein und versuchte den Energiefluss zu stoppen. Noch kurz strömte er, dann hörte es auf.

Ihr wurde schwindlig. Sicherheitshalber blieb sie neben ihrer Freundin sitzen, versuchte wieder zu Atem zu kommen und sich ihre Anstrengungen nicht anmerken zu lassen.

Die Stimmen ihrer Freunde drangen nur schwach an ihr Ohr. Ihr Hals war trocken und sie zitterte, als sie aufstand um den Anderen zu folgen. Unter Anstrengung schaffte sie es, zu laufen ohne einzuknicken.

Sie wollte nicht, dass man ihr ihre Schwäche anmerkte. Deswegen ging sie immer ein Stück gerader, wenn sich einer der Drei zu ihr umdrehte. Hauptsächlich war das Marik, denn Heriot kümmerte sich nur um seine Herrin und Shadow…dem war es grundlegend egal, was aus einem anderen wurde.

Bei jedem Schritt fühlte Raimi, wie sie schwächer wurde. Schmerz durchzuckte ihren Bauchbereich und ihre Hände wurden einfach nicht wärmer, egal wie sehr sie auch an ihnen rieb.

Das war immer ein schlechtes Zeichen. Sie hatte nicht mehr genug Energie. Sie musste sich ganz dringend schlafen legen oder etwas Essen. Oder meditieren…

Hauptsache…nicht mehr...laufen…

„Warte!“, hörte sie Marik plötzlich rufen.

Heriot blieb stehen und Raimi gezwungenermaßen auch.

„Wir wollten Sichi doch die letzte Ehre erweisen.“, sagte sie.

Die Mobianerin schluckte schwer.

„A-Aber…du bist…verletzt…“, stammelte sie. Sie wollte auch seine Asche verstreuen, doch sie war so unglaublich müde.

„N-Nein, das ist egal. Zwei Minuten halte ich noch aus.“, erwiderte sie bestimmt. Raimi nickte zögerlich.

Wenn Marik das schaffte, würde sie es auch schaffen. Immerhin wurde ihr nicht der komplette Arm gebrochen. Sie hatte nur heilen müssen und hatte ein paar kleinere Verletzungen, da sollte sie nicht gleich so schlapp machen!

„Jeder von uns sagt etwas. Zwei Minuten oder so.“, schlug die Mobianerin vor und holte vorsichtig Sichis Urne aus ihrer Tasche. In ihren kalten Händen fühlte sie sich warm und lebendig an.

„K-Kann ich kurz…mit ihm allein…?“, fragte sie zögerlich. Sie wollte nicht, dass Marik ihre Schwäche sah. Außerdem störte sie es, dass Heriot dabei war, doch er musste seine Herrin tragen, da sie selbst zu schwach zum Laufen war.

Sie gab ihre Bestätigung und ging ein paar Meter weg, ehe sie sich umdrehte.

Vorsichtig stellte Raimi die Urne in den Sand.

Der Schmerz in ihrem Bauch würde größer. Sie spürte, wie ihre Arme auch kalt wurden.

Trotzdem. Nichts war wichtiger, als dieser Moment.

Es war die letzte Chance Sichi all das zu sagen, was sie nie zu seinen Lebzeiten gesagt hatte.

„Hey.“, sagte sie leiser, als sie sich neben die Urne setzte.

Man sollte meinen, dass man sich total bescheuert fühlt, wenn man mit einer Vase spräche. Doch es war nicht so. Für Raimi war es nicht einfach eine Vase, es war ihr bester Freund.

Ihr kleiner Bruder, auch wenn er doppelt so groß war wie sie.

„Ich weiß, dass du kitschige Abschiede hasst“, fuhr sie fort und schaffte es zu lächeln, auch wenn es kein glückliches Lächeln war „Aber du musst dir wenigstens das hier über dich ergehen lassen.“

Die Urne blieb stumm und der Schmerz in ihrem Bauch wuchs.

Sie hustete.

„Du warst für mich…wie ein nerviger, kleiner Bruder, der ständig Sachen kaputt macht. Du warst stur, total unsensibel und du wusstest nie, wann man den Mund hält. Trotzdem…ich hatte dich…so furchtbar lieb…“

Raimi schloss kurz die Augen. Ja…man merkt erst wie sehr man etwas liebt, wenn es nicht mehr da ist. Sichi hatte nie großen Wert auf Gefühlsduselei gelegt – Außer, wenn es um ein Mädchen ging in das er verknallt war. Da wurde er oftmals viel zu aufdringlich und kitschig, aber sonst…er tat zwar so, als wäre er nur der Waffenfreak, aber im Inneren war er genauso weich wie jeder andere.
 

„Hey, wer ist hier weich?“
 

Raimi riss die Augen auf.

Sichi stand grinsend neben ihr, an der Stelle, wo eben noch die Urne gestanden hatte.

Er steckte die Hände in die Hosentasche.

„Du hast gut gekämpft.“, sagte er anerkennend „Auch wenn du dir das Geschnulze am Ende hättest sparen können. Das war ja peinlich.“

„Halt die Klappe.“, erwiderte sie bloß, doch sie musste lächeln.

Die Schmerzen waren verschwunden.

Sie fühlte sich frei und glücklich.

„Können wir dann?“, fragte er und reichte ihr eine Hand.

Ohne darüber nachzudenken, ergriff sie sie. Sie spürte nichts, außer der Wärme seiner Hand.

Er grinste.

Im nächsten Moment fing er an sich aufzulösen, in viele, kleine leuchtende Funken. Raimi merkte, dass dasselbe mit ihr passierte, doch sie ließ seine Hand nicht los. Und nichts auf der Welt könnte sie dazu bewegen.

Sie schloss die Augen und spürte, wie sie sich von innen her auflöste. Wie alle Angst von ihr abfiel, bis nichts mehr übrig blieb…

Und sie verschwand.
 

Lieber Gott…

Nicht einmal mein Leben fühlt sich so real an, wie diese warme Hand…



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