Zum Inhalt der Seite

Distant sleep, painted red

Jisbon
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Loaded dice

I)

Manchmal kippte die Welt von einem auf den anderen Moment.

Das hier war definitiv einer davon.

Und das Absurde war, das Lisbon noch nicht einmal genau sagen konnte, warum sie sich in dieser Situation wiederfand.

Sie stand gewaltig unter Druck (noch mehr als sonst), denn in den aktuellen Fall waren eine Menge hochrangiger Politiker beider Parteien verwickelt-genau wie deren Frauen. Ein toter Psychologe, mit einer ganzen Kartei voller wichtiger Klienten. Und einer Verlobten, die gerade zur Senatorin gewählt worden war.

Sac PD hatte die Nachbarn und die unvermeidlichen Gaffer befragt. Einer davon, Kenneth Bows, hatte ausgesagt, das er einen Streit zwischen Winters und dem Klienten, der jeden Dienstag bei ihm war, gehört hatte.

Weshalb Jane und sie hier waren. Und mit hier war ein lautes, einigermaßen volles, Fußballstadion gemeint. Wenn sie nicht so sehr unter Druck gestanden hätte, hätte sie wenigstens das Ende des Spiels abgewartet, aber so, wie die Dinge nun einmal lagen, hatte sie so viel Zeit nicht. Lisbon hasste Politik.

Und was Jane betraf…Den Anruf, der ihn eigentlich an den Tatort hätte bringen sollen hatte er zwar erhalten, aber er war nicht aufgetaucht. Und sie hatte ihn weder angerufen und angeschrien, noch gefragt, warum er nicht dort gewesen war (es war zu offensichtlich), dafür hatte sie ihn jetzt gezwungen, sie zu begleiten.

Nicht, das es ihr viel genutzt hätte. Auch jetzt war er mit seinen Gedanken ganz woanders. Während des Gesprächs mit Clade, dem Schiedsrichter, hatte er erst mit ein paar provozierenden und völlig unhilfreichen Bemerkungen geglänzt und war, als sich abzeichnete das der Verdächtige über ein wasserdichtes Alibi verfügte, schließlich ganz verschwunden.

Vielleicht war es sein schlechtes Gewissen, aber als sie sich müde, frustriert und in der Gewissheit, das Bows gelogen hatte in Richtung Ausgang aufmachte, präsentierte er ihr einen Becher Kaffee.

„Lächeln, Teresa.“

Einen langen Moment hatte sie ihn nur vorwurfsvoll angesehen, aber als er plötzlich die Augen verdreht hatte, hatte sie doch lächeln müssen und nach dem Becher gegriffen. Ein böser Fehler.

Es war der Moment, in dem die Kiss Cam sie erwischt hatte. Und der Moment, in dem die Panik über ihr zusammen schlug.

Der vernünftige, rationale Cop Teil von ihr wusste sehr genau, das sie sich irrational verhielt. So funktionierte das nicht und vor allem: so funktionierten sie nicht. Jane würde sie nicht küssen.

Aber der Teil von ihr, der alle diese schätzenswerten Eigenschaften nicht besaß, war sich da nicht so sicher. Dieser Teil wäre am liebsten gerannt. So weit wie möglich oder einfach nur nach Hause, um sich dort unter ihrer Bettdecke zu verstecken. Nicht, weil sie ihn nicht attraktiv fand (sich das nach schlaflosen Nächten mit seinem Bild vor Augen einzureden gelang nicht einmal ihr) oder noch nie darüber nachgedacht hatte, wie es wohl sein mochte, ihn zu küssen sondern weil sie Angst hatte. Wenn er das tat- wenn sie ihn das tun ließ- dann brachen sie endgültig auf dem dünnen Eis ein, auf dem sie seit Jahren um einander herumtanzten.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Das durfte nicht passieren. Das musste passieren. Sie wollte es nicht. Sie wollte es unbedingt.

„Manchmal ist die Welt ein seltsamer Ort.“, murmelte Jane, jedenfalls glaubte Lisbon, dass das seine Worte gewesen waren. Der Lärm und die Anfeuerungsrufe um sie herum machen es schwer, ihn richtig zu verstehen. Ein schwaches Lächeln spielte um seine Lippen und einen Moment lang fragte sie sich, wie viele ihrer Gedanken er erraten hatte.

Hilfesuchend griff sie nach ihrer Marke. Wenn sie die in die Kamera hielt, dann musste sich das Missverständnis doch aufklären, oder?

Aber er schüttelte den Kopf. Nur ganz leicht und doch war das schon genug, um sie ihre Hand zurückziehen zu lassen.

Sein Blick fiel auf ihren Mund und mit einem Mal wusste sie, das er zumindest darüber nachdachte, sie zu küssen.

Plötzlich war sie ganz ruhig. Weil sie in diesem Moment wusste, das die Verantwortung für was auch immer jetzt passierte bei ihm lag.

„Das Herz will, was es will.“

Und dann beugte er sich vor und küsste sie.

Auf die Wange.

Es war eine flüchtige Berührung. Seine Lippen streiften sie nur einen Moment lang, der Duft seines After Shaves stiegt ihr in die Nase und vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, das ein paar Bartstoppeln sie kratzten. Falls sie es sich nicht eingebildet hatte, bedeutet das, dass seine Jagd nach Red John hatte ihn wieder so sehr absorbiert hatte, das kein Raum für etwas anderes mehr bleib. Nicht für Fälle, nicht für sein Aussehen und ganz sicher nicht für Kiss Cams oder sie.

Dann trat er einen Schritt zurück. Zögerlicher Applaus brandete auf (die Zuschauer erwarteten ganz sicher mehr als einen keuschen Kuss auf die Wange), und dann interessierte sich schon niemand mehr für sie denn auf dem Bildschirm war schon das nächste Paar zu sehen. Ein echtes, vermutlich.

Jane sah sie prüfend an, immer noch dieses halbherzige Lächeln auf den Lippen. In seinen Augen stand die Frage, ob er das Richtige getan hatte- und wenigstens die konnte sie ihm beantworten.

„Tun Sie das nie…nie wieder!“, fauchte Lisbon.

Vielleicht wusste sie nicht, was sie gewollt oder erwartet hatte, aber sie wusste wenigstens, was sie nicht gewollt hatte. Das hier.

Auf die Wange. So wie Sophie Miller damals. Er hatte jedenfalls nicht dieselben Skrupel gehabt, Lorelei zu küssen, als die ihn dazu aufgefordert hatte. Was sagte das über ihre Stellung in Janes Universum aus? Auf einer Umlaufbahn mit der Psychologin, die ihm aus der Nervenheilanstalt rausgebracht hatte, aber Lichtjahre weit von der Geliebten eines Serienkillers entfernt? Gut genug, um ihn zu retten, aber nicht bedeutend genug, um..

„Viel Glück, Teresa. Liebe dich.“

Aber sicher doch, dachte sie ironisch.

Giftige Gedanken und alte Bekannte, aber so sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, sie abzuschütteln.

Jane sah sie immer noch unvermindert an, aber sein Grinsen flackerte und verschwand schließlich ganz. Er wollte etwas sagen, aber Lisbon schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. Für den Moment hatte sie wirklich genug von ihm und seinen Tricks gehabt.

„Halt, nein. Behalten Sie das besser für sich, ja?“

Sie rang sich ein Lächeln ab, das wahrscheinlich mehr von einer Grimasse hatte als alles andere.

„Besser, ich kümmere mich alleine um Bows. Sehen Sie einfach zu, das sie ins Büro kommen.“

Sie drehte sie sich um. Auf der Leinwand küsste sich inzwischen ein echtes Paar leidenschaftlich.

„Teresa?“

Ohne ein weiteres Wort begann sie, sich ihren Weg durch die Menge zu bahnen.

Jane folgte ihr nicht.
 

II)

„Mister Bows, öffnen Sie die Tür! Wir haben noch ein paar Fragen an Sie!“

Lisbon hob die Hand, um ein weiteres Mal an der Türe des halb verfallenen Hauses zu klopfen.

Manchmal hatte sie das Alles so satt. Hirnrissige Aktionen, Fragen, auf die es keine Antwort gab, Stunden und Tage, an denen er sie völlig aussperrt weil er mit den Gedanken ganz wo anders war.

Und seit Neuestem auch noch Küsse auf die Wange.

„CBI, aufmachen! Wir haben noch ein paar Fragen an Sie!“, wiederholte sie, während sie (heftiger als nötig) ein weiteres Mal gegen die Türe schlug.

Mit ein bisschen Glück würde sie so das ganze baufällige Gebäude zum Einsturz bringen. Und das wäre wirklich kein Verlust. Die grafittybeschmierten Wände, die rostigen Klinken und die blinden Fenster: alles hier atmete Verfall. Unter Garantie verschwendete Lisbon hier ihre Zeit. Entweder war der Verdächtige wirklich nicht da oder er versteckte sich Drinnen vor ihr. Dann würde sie mit einem Durchsuchungsbefehl wieder kommen müssen. Die Nachbarn brauchte sie jedenfalls nicht zu befragen, in dieser Gegend beantworte man Fragen der Polizei schon aus Gewohnheit mit nicht oder mit Lügen.

Eine schlechte Angewohnheit, aber eine weit verbreitete.

In diesem Moment klingelte auch noch ihr Handy. Sich einen Fluch verbeißend warf sie einen Blick auf das Display und stellte mit der viel zu vertrauten Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung fest, das es sich um Director Bertram handelte. Dann verdrängte Frustration diese Gefühlsmischung. Großartig, genau das, was sie jetzt brauchte. Noch mehr Druck, weiteres Drängen den Fall so schnell wie möglich zu lösen.

Aber bevor sie sich in das Unvermeidliche fügen konnte, hörte sie, wie irgendwo an der Rückseite des Hauses eine Tür zuschlug. Hastig schob sie ihr Handy zurück in die Jackentasche und griff nach ihrer Pistole, bevor sie sich in Richtung des Geräusches aufmachte. Heute würde sie sich keinen weiteren Fehlschlag leisten.

Natürlich wusste Lisbon, das sie sich etwas vormachte. Es ging nicht um Bows, oder jedenfalls nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz. Aber er war derjenige, der ihr Antworten schuldete. Anders als Jane. Bows war vielleicht ein Mörder und Jane war…
 

Es war ein weiterer dieser Momente, in denen die Welt kippte.

Lisbon war zu abgelenkt um den Mann zu bemerken, der sich hinter eins der rostigen Ölfässer duckte, als sie an ihm vorbeieilte.

Und als sie es tat, war es zu spät.

Die beiden Schüsse folgten so schnell aufeinander, das sie sie nur als eine einzige Explosion von Schmerz in ihrem Oberkörper wahrnahm. Sie verlor das Gleichgewicht und stützte hart zu Boden. Der Mann entfernte sich mit schnellen Schritten und sie bleib allein zurück. Ein paar Augenblicke lag sie so da und konzentrierte sich nur darauf, zu atmen. Das war schon schlimm genug.

Kurz darauf verlor sie das Bewusstsein.

Als Lisbon das nächste Mal aufwachte, waren höchstens ein paar Minuten vergangen. Ihre Lage hatte sich nicht wesentlich verbessert. Die Schmerzen waren höllisch und sie war immer noch allein. Aber sie hatte das schon mal durchgestanden. Sie würde nicht sterben. Nicht jetzt, nicht hier, weil sie einfach nicht hier sterben konnte. Nicht durfte. Sie hatte das alles doch schon einmal durchgestanden, auch wenn sie sich einbildete, das sie damals nicht so weh getan hatte.

Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, ihr Handy hervorzuholen. 911, sie musste 911 wählen. Ein paar Mal rutschte sie mit ihren, vom eigenen Blut, klebrigen und zittrigen Fingern ab, aber schließlich ertönte das Wählzeichen. In den Sekunden die vergingen, bis jemand ihren Notruf entgegen nahm musste sie absurderweise an ihre Examensfragen an der Akademie denken. Siebenundzwanzig a, „über den Einsatz im Feld und den Kontakt mit Verdächtigen: warum müssen Polizisten unter allen Umständen zu zweit ausrücken?“

Und dann war jemand am anderen Ende der Leitung. Sie zwang sich, ein paar Worte hervorzuwürgen, weil sie wusste, das die ihre einzige Chance waren.

„Lisbon..Hilfe…Schussverletzung.“ Zwischen jedem Wort verging eine kleine Ewigkeit. Das Luftholen fiel ihr schwer, das Sprechen wurde zu einem Ding der Unmöglichkeit.

Die Stimme drängte sie, ihren Aufenthaltsort zu nennen, aber alles, woran sie denken konnte, war die Antwort, die sie damals auf Frage siebenundzwanzig a gegeben hatte: „Um sich im Falle der Eskalation gegenseitig Schutz gewähren zu können. Zu ihrer eigenen Sicherheit“ Es war die richtige Antwort gewesen, natürlich. Schließlich war sie eine verdammt gute Schülerin gewesen.

Die Gegenwart verschwand mit rasendem Tempo, auch wenn sie darum kämpfte, bei Bewusstsein zu bleiben.

Ihr letzter klarer Gedanke war für Jane reserviert. Sie wollte nicht sterben, sie konnte nicht sterben, sie durfte nicht sterben. Das würde er nicht überleben. Und es durfte nicht sein. Nicht, mit so viel Ungeklärtem zwischen ihnen.

Nicht ohne ihn einmal geküsst zu haben.

Nicht…

Und dann hörte das Denken und Kämpfen auf und alles wurde schwarz.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2013-07-09T21:47:03+00:00 09.07.2013 23:47
Ich liebe Dramatik ;) Und dieses Kapitel enthält Dramatik, vor Allem zum Schluss. Lässt sich wunderbar lesen, auch wenn mir ein kleiner Fehler aufgefallen ist :P (Denn statt dann^^)


Zurück