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Ich warte auf dich

von

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Kindheitserinnerungen

Lenja rannte so schnell ihre Beine sie trugen durch die Korridore. Sie musste Thorin finden noch ehe Thráin ihr auf den Fersen war. Sie wusste nicht, ob er ihr nach dem blutigen Zwischenfall folgen würde. Ob er nun nur noch mehr seinen widerlichen Plan verfolgte und ihr abscheuliche Dinge antun würde. Ob er sie doch in Frieden ließe. Oder wie auch immer diese Situation ausgehen sollte. Sie wollte nicht daran denken, dass man ihr vielleicht keinen Glauben schenkte. Sie, die Zwergin, die sich Thorin nahm und anscheinend nicht genug davon bekam und zugleich auch mit seinem Vater anbandelte. Eine Dirne würde sie sein. Nichts weiter als ein Weib, dass mehrere Männer gleichzeitig bediente.

Tränen stiegen in ihren Augen auf. Was sollte ihr Leben wert sein, wenn er ihr nicht glauben würde? Blut war bekanntlich dicker als Wasser. Und wenn sie nun seinen Vater der versuchten Vergewaltigung bezichtigte, würde dies nicht die Vorstellungskraft eines jeden Sohnes sprengen?
 

Die Zwergin war verzweifelt. Sie wusste nicht in welche Richtung sie gelaufen war. Niemand war ihr auf den dunklen Gängen begegnet. Sie kannte sich nicht in ihnen aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit erblickte sie am Ende des Korridors einen Schatten. Ohne zu wissen, wer es war oder ob es überhaupt eine gute Idee sein konnte, rief sie lautstark nach Hilfe. Die Verzweiflung ließ ihr keine Zeit mehr zur Überlegung.
 

Der Schatten blieb stehen und wandte sich schnell in ihre Richtung. Ohne es geahnt zu haben, war sie in die absolut richtige Richtung gelaufen. Thorin stand mit weit aufgerissenen Augen vor ihr. Die pure Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben als er Lenja schützend in die Arme nahm.
 

„Was in Durins Namen ist passiert? Wie siehst du überhaupt aus?“, rang er nach Worten als er sie bei sich sicher wusste.
 

Heiße Tränen liefen der Frau über das Gesicht. Ihr gesamter Körper schmerzte und sie rang nach Luft. Sie hätte nicht gedacht, dass sie noch einmal in ihrem Leben, genauso wie nach Ásgrímurs Taten, so schnell ihre Beine in die Hand nehmen musste.
 

„Bring mich in Sicherheit“, war alles was sie unter großem Aufwand über ihre Lippen brachte.
 

Sogleich fand sie sich auch in einem großen Raum wieder. Wie sich herausstellte, waren dies Thorins Gemächer. Sie hatte diesen Ort noch nie zuvor betreten und wünschte sich nichts Sehnlicheres als ihn unter anderen Umständen hätte kennenlernen dürfen.

Immer noch mit ihrem Gesicht an seiner Brust vergraben, ließen sich die beiden zusammen auf einem gepolsterten Sofa nieder. Vorsichtig strich Thorin ihr über den Rücken. Lenja begann erneut zu schluchzen und wollte nicht aufsehen. Seine warme Hand berührte ihre Wange.
 

„Lenja, mein Herz, was ist denn mit dir geschehen? Du bist so durcheinander und deine Kleidung scheint auch nicht mehr ganz heil zu sein. Wer oder was hat dir derart Angst eingeflößt, dass du allein durch die Gänge gelaufen bist?“, wollte der Zwerg wissen.
 

Er vernahm ein Wimmern an seiner Brust. Die Feuchtigkeit ihrer Tränen hatte bereits sein blaues Hemd an einigen Stellen durchnässt.
 

„Thráin“, war alles, was sie sagen konnte bevor sie sich fester an ihr Gegenüber klammerte.
 

Thorin versteifte sich sofort. Lenja hatte das Gefühl, dass seine Atmung kurz aussetzte. Seine Anspannung nahm sekündlich zu.
 

„Thráin?“, wiederholte er scharf.
 

„Ja“, machte Lenja.
 

„Mein Vater hat dir etwas angetan, das dich kreuz und quer durch die Gänge trieb?“, fragte er und zog die Zwergin unter leisen Protest von seiner Brust, um ihr direkt in die Augen zu blicken.
 

„Er wollte sich an mir vergehen, Thorin! Kaum hatte er den Raum betreten, beleidigte er mich aufs Schändlichste. So obszön, so verwerflich. Bis es mir dann zu viel wurde und ich ihn einfach stehen lassen wollte. Doch er hat mich aufgehalten, mich unter Gewalt an die Wand gepresst, um sich dann mit mir gegen meinen Willen vereinigen zu wollen. Er wollte mich schänden“, sprach Lenja atemlos.
 

Der Zwerg blickte düster drein und sprang wie von einem Tier gestochen von seinem Platz auf. Mit dem Rücken zu ihr gewandt, schritt er hastig auf und ab. Mehrere Male durchfuhr er mit einer Hand seinen schwarzen Schopf. Die Frau betrachtete ihn mit verweinten Augen. Seine Reaktion ließ sie erzittern. Sie war sich nicht sicher, ob er ihr glaubte. Ob er überhaupt verstand, was passiert war. Ob er es überhaupt in Betracht zog, dass sein Vater zu so einer Tat fähig sein konnte.
 

„Glaubst du mir?“, fragte Lenja zögerlich und durchbrach damit die Stille.
 

Thorin blieb abrupt stehen. Er drehte sich zu ihr um und als sie seinen Blick sah, blieb ihr Herz fast stehen. Sie hatte ihn noch nie mit einem solchen Gesichtsausdruck gesehen. Sie hatte das Gefühl jeden Augenblick sterben zu müssen bei dem Hass, der dort auf seinen Zügen lag.
 

„Dir glauben?“, fragte er scharf.
 

Lenja schluckte. Nein, das tat er nicht. Sie war sich sicher, dass alle Liebe in diesem Moment aus seinem Geist verschwunden war. Wenn nicht er ihr vertraute, brauchte sie es gar nicht erst bei Balin oder Dwalin versuchen. Eine Dirne, wie sie, interessierte niemanden.
 

Doch plötzlich durchfuhr er mit seiner Hand seine Haare und ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder. Er schaute sie wieder freundlicher an und nahm dann zögernd ihre Hand in die Seine. Er hielt sie fest als er versuchte ihr ein Lächeln zu schenken.
 

„Natürlich glaube ich dir. Du weißt nicht, was er sich bereits alles geleistet hat. Ich habe immer gehofft, dass er es sich nicht trauen würde mir in die Quere zu kommen. Doch wie es scheint, weiß er nicht, wo die Grenzen sind. Es tut mir leid, dass du mit diesem Abschaum nur knapp einem Unglück entkommen bist."
 

Er streichelte ihre Hand und hauchte ihr ein Kuss auf die Stirn.
 

Lenja sah Thorin fassungslos an: „Ich verstehe nicht recht. Was willst du mir damit sagen? Ich dachte, ein Vater würde seinem Sohn so etwas nicht antun und du deutest etwas an, was nicht in das Bild eines liebenden Vaters passt.“
 

Thorin lachte verächtlich auf: „Väter. Du müsstest eigentlich nur zu gut wissen, was es heißt sich seinen Erzeuger nicht aussuchen zu können. Glaubst du, du bist die einzige Person, die sich lieber einen anderen Vater gewünscht hätte? Nein. Auch ich musste mit ansehen, wie Thráin alles kaputt machte. Er hat weder meine Mutter, Dis, Frerin oder mich geliebt. Alles, was er wollte, war uns alle zu peinigen und für etwas zu bestrafen, für das wir nichts konnten.“
 

Die Zwergin musste blinzeln. Was kam da soeben zu Tage?
 

„Er hat meine Mutter geehelicht und mit ihr drei Kinder gezeugt, nur weil mein Großvater es so wollte. Eine Zwergin aus adeligem Hause sollte es sein. Sie sollte den Fortbestand Durins sichern. Keiner konnte von einer Liebeshochzeit sprechen. Mit meiner Geburt hatte er bereits seine Pflicht getan, doch er quälte sie weiter. Er nahm sich jedes Weib, was nicht schnell genug entkam. Viele kamen jedoch freiwillig auf sein Lager. Und meine Mutter musste alles still erdulden.

Ich kann mich noch genau an die Situation erinnern als sie mit meiner Schwester in den Wehen lag. Ich sollte ihn darüber in Kenntnis setzen, dass er im Begriff war erneut Vater zu werden. Ich suchte ihn überall. In seinem Arbeitszimmer, unten in den Stallungen, in den Waffenkammern. Doch ich konnte ihn nirgends erblicken. Schließlich kam ich unverrichteter Dinge an den Kammern der Zofen meiner Mutter vorbei als ich seine Stimme vernahm. Ich blieb stehen und lauschte, ob ich mich nicht geirrt hatte. Doch eindeutig! Ich erkannte ihn. So öffnete ich in meinem kindlichen Eifer ohne nachzudenken die Tür und mir blieb fast das Herz stehen. Er lag keuchend und schwitzend über einer Vertrauten meiner Mutter und hatte nichts Besseres zu tun als sie wie ein Tier zu nehmen während sein Weib im Begriff war ihm ein Kind zu gebären! Die Zwergin erblickte mich recht schnell, wie ich vom Donner gerührt in der offenen Tür stand und meinen Blick nicht von dem wenden konnte, was ich dort sah. Sie versuchte Thráin darüber in Kenntnis zu setzen, was nicht einfach war. Doch als auch er meine Anwesenheit vernahm, schwor ich mir mit dieser Person nie wieder ein Wort zu wechseln. Er hielt kurz inne, während er immer noch mit der Zwergin vereint blieb, und forderte mich auf zuzusehen, wie man es einer Frau richtig besorgte. Als ob dies nicht schon für eine junge Seele genügen würde den eigenen Vater mit einer anderen Frau als der eigenen Mutter zu erwischen, fügte er noch hinzu, dass meine Mutter sich immer unmöglich anstellen würde, wenn er sie härter nehmen wollte.“
 

Lenja öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch so schnell er offen stand, schloss sie ihn auch wieder. Sie war sprachlos. Und das passierte nicht sonderlich oft in ihrem Leben. Selbst ihrem eigenen Erzeuger hatte sie einiges zugetraut. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ásgrímur je außerehelich aktiv gewesen war. Er war ein Monster, aber Láfa hatte ein solches Drama zum Glück nicht zu ihren Lebzeiten erdulden müssen.
 

„Und nun wollte er sich dich nehmen, um mir eins auszuwischen. Es ist der pure Neid und Hass auf unser Glück, dass ihn dazu treibt. Und er hat es eindeutig übertrieben! Die Grenzen sind überschritten worden. Dieser Abschaum wird noch sehen, was er davon hat dich schänden zu wollen. Er wird den Tag verfluchen als er mich in die Welt setzte!“, Hass leuchtete in seinen Augen.
 

Die beiden Zwerge schreckten auf. An der Tür vernahmen sie lautstarkes Gepolter. Jemand hämmerte vermutlich mit beiden Fäusten dagegen.
 

„Jetzt nicht“, rief Thorin.
 

Doch der ungebetene Gast vor dem Portal schien sich nicht abwimmeln zu lassen. Es hämmerte weiter. Entnervt kniff der Zwerg die Augen zusammen. Mit einem Schwung war er auf den Beinen und stampfte auf die Tür zu.

Lenja hatte bereits Mitleid mit der armen Person, die nicht wusste, wie sehr Thorin vor Wut schäumte. Wer auch immer dort stand, würde seinen Kopf unter dem königlichen Donnerwetter einziehen müssen. Der Zwerg riss die Tür auf und erstarrte.

Vor ihm stand Thráin, der sich ein blutdurchtränktes Tuch auf sein linkes Auge hielt.
 

„Ist sie hier bei dir? Wo versteckt sich die kleine Dirne?“, polterte der Kronprinz und wollte in die Gemächer eintreten.
 

Sein Sohn versperrte ihm den Weg: „Verschwinde bevor ich mich vergesse! Du bist nicht mehr wert als ein Stück Dreck! Wenn du dich ihr noch einmal nähern solltest, dann kannst du deinen Kopf unter dem Arm tragen!“
 

„Spricht man so mit seinem Vater? Was hat sie dir für Lügen erzählt?“, fauchte Thráin.
 

„Ein Vater willst du sein? Das fällt dir ja früh ein! Nimm deine Beine in die Hand und verschwinde! Welcher Vater würde sich das Weib seines Sohnes nehmen wollen? Du bist Abschaum und eine Schande für Durins Erben!“
 

„Was weißt du schon? Bevorzugt von Thrór führst du ein Leben ohne Sorgen. Da kannst du deinem Vater auch ein paar Freuden zugestehen.“
 

Und schon schoss Thráin die rechte Faust seines Sohnes entgegen. Er traf ihn direkt unterhalb seines verletzten Auges. Er taumelte zurück und starrte den Jüngeren verwirrt an.
 

„Ich hätte das schon viel eher machen sollen. Und wenn du noch nicht genug hast, dann lass es mich wissen“, brüllte Thorin ihm entgegen.
 

So schnell der ungebetene Gast gekommen war, verschwand er auch wieder.
 

Lenja atmete auf. Doch ein gewisses Quäntchen Unbehagen blieb



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