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Ich warte auf dich

von

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Den Stein ins Rollen bringen

Der Entwurf war eingereicht. Dieses Stück der Arbeit war getan. Alles andere lag nun nicht mehr in Lenjas Händen. Ob sie den königlichen Auftrag erhalten wollte, wusste sie nicht. Etwas viel Wichtigeres war ihr jedoch Gewahr. Und dies war ein kleiner, aber feiner positiver Nebeneffekt des Ganzen gewesen. Sie liebte dank des Enkels, der sie in ihrer Arbeitsstube aufgesucht hatte. Das Juwel interessierte die Zwergin nicht mehr; es war der Zwerg, der ihr das Angebot unterbreitet hatte, den sie begehrte.
 

In den vergangenen Wochen konnte sie es kaum erwarten, wenn er sie bei der Arbeit besuchte. Sie freute sich über seine Anwesenheit und über die liebevollen Zärtlichkeiten, die die beiden miteinander austauschten. Für Lenja gab es bald nichts Schöneres auf dieser Welt als das Küssen. Sie musste sich immer wieder daran erinnern das Luftholen nicht zu vernachlässigen. Wenn sich ihr Herz überschlug und Thorins Nähe suchte, vergaß sie die Welt um sich herum. Sie fühlte nur noch seine Wärme und die kleinen elektrisierenden Stöße, die ihre Küsse in ihrem Körper auslösten. Sie liebte es seinen Geruch einzuatmen, seinen Bart auf ihren Wangen zu spüren, wie er ihre weiche Haut neckte, seine Lippen mit ihren eigenen zu berühren, ihn zu schmecken, wenn ihre Zungen sich im wilden Kampf berührten und dabei gedankenverloren mit seinen dunklen Zöpfen zu spielen.
 

Das Küssen war ihre höchste Motivation. Sehr zu ihrer beider Freude konnten sie es zu einem schönen Teil in Lenjas Arbeit machen. Eine gute Mischung aus Arbeit und Vergnügen sollte es sein und das war es auch. Nach einer weiteren erfolgreichen Etappe in ihrem Handwerk bekam die Zwergin als kleine Motivationshilfe den süßen Geschmack der Liebe zu kosten.
 

Thorin besuchte sie auch weiterhin nachdem sie ihm den fertigen Entwurf für das Arkenjuwel eines Tages in die Hände gedrückt hatte.

Er blieb unterschiedlich lang bei Lenja. Je nachdem, wie es um seine Verpflichtungen stand, bestimmte dies ihre gemeinsame Zeit. Eher selten kam er sie bei sich zu Hause besuchen, wenn er tagsüber keine freie Minute für seine „Flocke“ finden konnte.

Er hatte ihr auch erklärt, warum er es nicht tat. Er wollte Dwalin nicht noch zusätzlich provozieren. Er wollte ihm Zeit gönnen zuallererst mit sich und der neuen Situation ins Reine zu kommen. Erst dann wollte er der Zwergin auch vor den Augen ihres Onkels so begegnen, wie es ihre gemeinsame Liebe verlangte.
 

Lenja tippte zwar auch darauf, dass Ári ein wenig dazu beitrug, dass Thorin sie nicht zu oft daheim besuchen wollte, doch behielt sie ihren Gedanken für sich.

Der Kleine war immer höchst neugierig, wenn seine Schwester männlichen Besuch hatte und ständig in ihrer Nähe. Sie wusste nicht, ob sie sich das einbildete. Sie wusste auch nicht, woher sein starkes Interesse kam. Sie konnte es sich aber denken, denn eines Abends als Ári nach einem kurzen Besuch Thorins bereits in seinem Bett schlummern sollte, hörte sie seine Stimme leise mit Dwalin sprechen. Wahrscheinlich hatte ihr Onkel dem Jungen eingebläut seine Schwester gut im Auge zu haben, wenn sie nicht allein war. Ein kleiner Spion im Dienste des besorgten Onkels kam ihr der Gedanke und sie musste lächeln. So viele Männer, die sich um den Platz in ihrem Herzen zu streiten schienen. Doch hätte den vier Zwergen, ihren Männern, eigentlich klar sein sollen, dass keiner den anderen auch nur ansatzweise verdrängen konnte.
 

Die Tür zu ihrer Arbeitsstube wurde quietschend geöffnet und Thorin stand strahlend im Eingang: „Wirf dir etwas über, geliebtes Flöckchen! Thrór verkündet bald wer den Auftrag erhält. Nimm deine Sachen und komm mit in den Thronsaal.“
 

„Wie stellst du dir das vor? Ich muss das Collier hier heute noch fertigstellen. Da kann ich nicht einfach zwischendurch kurz beim König vorstellig werden und meine Arbeit unterlassen. Egal, wer er ist, ob König oder nicht, ich kann nicht hier weg“, entgegnete Lenja.
 

Es entsprach ja wirklich der Wahrheit. Sicherlich war sie neugierig, wie ihr Entwurf aufgenommen worden war. Doch hing von diesem realen, direkt vor ihren Augen liegenden Schmuck ihr Lohn ab.

Typisch König! Einfach alles stehen und liegen lassen, nur um zu schauen, was in dessen königlichen Oberstübchen vorging. Nein, das widersprach ihrer Natur. Keiner sollte von ihr besser behandelt werden, nur weil er eine andere Abstammung besaß.
 

Thorin kam näher an ihre Werkbank heran. Er schüttelte leicht den Kopf und grinste sie keck an bevor er hinter sie trat. Dort verweilte er nur kurz. Kaum war er hinter sie getreten, spürte sie auch schon seine Lippen an ihrem Ohr.
 

„Lass das sein!“, schimpfte sie.
 

Doch er hörte nicht auf ihre Einwände. Er wusste, wie er sie an dieser Körperstelle zum Schnurren wie ein Kätzchen bringen konnte. Und er wollte sich dies auch zu Nutze machen. Er küsste sich einen imaginären Weg von ihrem Ohr hinunter über ihren Hals, nur um den direkten Weg wieder nach oben zurück zunehmen. Lenja kniff ihre Augen zusammen. Das war wirklich eine süße Folter! Sie hatte sich auf die Lippen gebissen, nur um ihr leises Stöhnen direkt im Boden ersticken zu können. Eine unbekannte Hitze, die sich immer mehr in die Richtung ihres Unterleibs schlich, ließ sie aufschrecken.
 

„Worum folterst du mich? Meinst du mich dadurch mit zu deinem Großvater schleifen zu können?“, fragte die Zwergin hörbar mit ihrer Selbstbeherrschung kämpfen.
 

„Erfasst, mein kleines Flöckchen. Wenn nicht mache ich hier solange weiter bis du mir unter den Augen vor Wonne wegschmilzt“, flüsterte er ihr ins rechte Ohr.
 

„Das ist Erpressung!“, begehrte sie belustigt auf.
 

„Ich weiß“, entgegnete Thorin und hauchte ihr einen zarten Kuss direkt auf ihre Ohrmuschel.
 

„Gut, gut! Du hast gewonnen! Ich ergebe mich, Eure Schmusität“, lachte Lenja auf.

„Vielleicht hätte ich mir ja doch eher einen Kesselflicker als einen Prinzen suchen sollen“, sprach sie weiter als sie sich ihren Umhang über die Schultern warf und als Quittung einen verärgerten Blick erntete.
 

**
 

Es herrschte reges Treiben als die beiden Zwerge durch die Gänge des Erebors immer näher in die Nähe des Thronsaals schritten. Lenja war so als ob sie ab und an Getuschel hinter sich vernahm. Doch jedes Mal, wenn sie sich in die Richtung dieses vermeintlichen Geräusches drehte, vernahm sie nur noch Stille. Hatte sie sich das eingebildet? Spielte ihr Verstand ihr Streiche? Hilfesuchend wandte sie ihren Blick an Thorin. An seiner Reaktion konnte sie ablesen, dass auch er etwas hinter ihrer beider Rücken vernommen hatte und nicht richtig zuordnen konnte.
 

Tuschelte man in den dunklen Gängen über sie? Zerriss man sich das Maul, weil der Prinz händchenhaltend mit einer einfachen jungen Frau aus dem Volk daherkam? Wollte man ihnen ihr Glück nicht gönnen? Spottete man über sie? Hatte es bereits die Runde gemacht, dass diese Zwergin auch noch sich erdreistete und einen Entwurf für den Arkenstein an den König gerichtet hatte? Das schien doch eindeutig Bevorzugung gewesen zu sein, wenn sie jetzt auch noch ausgerechnet den Auftrag erhielt, oder etwa nicht? Hatte diese Göre denn überhaupt Ahnung von dieser Schmiedekunst oder reichte es allein aus, dass sie dem Prinzen seine Lenden wärmte?
 

Lenja fühlte sich unwohl. Normalerweise freute sie sich, wenn Thorin an ihrer Seite war, doch in diesem Augenblick wäre sie lieber allein diesen Weg gegangen. Seine Hand drückte ihre noch ein letztes festes Mal bevor er sie in die Freiheit entließ und sie gemeinsam in den Thronsaal eintraten.
 

Sie konnte sich nicht daran erinnern, den Thronsaal jemals so gefüllt gesehen zu haben.

Sie erkannte Déndin, der ebenfalls auf die Verkündung des Auftrags zu warten schien, im Gespräch mit Thráin und einem ihr unbekannten Zwerg vertieft.
 

In der Nähe der Wachen konnte sie Dwalin und Balin sehen, die sie mit einem schüchternen Lächeln bedachte. Lenja war ein bisschen mit der Situation überfordert. Am liebsten wäre sie ihren Onkeln um den Hals gefallen und hätte sich ihre Unruhe von der Seele geredet, aber das schien ihr in dieser Atmosphäre einfach als unpassend. Sie wusste, dass die beiden ihr Lächeln wahrgenommen hatten, denn als Antwort erhielt sie prompt vom Älteren ein Nicken und vom Größeren ein Zwinkern.
 

Etwas weiter von ihnen entfernt, nahm sie eine Gruppe von Zwergen war, die feine Stoffe trugen. Sie wirkten dadurch wichtiger als alle anderen Anwesenden im Raum; ausgenommen von Thorin und seinem Vater. Lenja nahm an, dass das wahrscheinlich die Berater des Königs gewesen sein mussten. Doch im selben Moment fühlte sie sich abermals unpassend in ihrer eigenen Kleidung. Warum hatte er ihr denn nicht einfach schon vorher gegenüber erwähnt, dass der Tag der Verkündung immer näher rückte? In der Hinsicht war sie dann doch eine typische Frau und fühlte sich in diesem pompösen Raum wenig repräsentativ.

Sie schüttelte ihren Kopf. Nein, sie musste sich am Riemen reißen! Schließlich ging es hier nicht um sie, ihre Kleidung, ihre Frisur oder sonst für welche Äußerlichkeiten. Hier ging es einzig und allein um ihr Handwerk. Und das war nur von ihrem Entwurf abhängig und von nichts anderem.
 

Das allgemeine Getuschel wurde durchbrochen als Thrór den Raum unter dem Klang von Fanfaren betrat. In den feinsten Gewändern gehüllt und mit der Krone auf dem Kopf nahm er auf dem Thron Platz. Alle Anwesenden im Saal verneigten sich vor dem Zwergenkönig und sein Sohn, sowie sein Enkel traten nach vorn und nahmen stehend zu seiner Linken und Rechten neben ihm ihren Platz ein.

Stille beherrschte den Raum. Alles wartete gespannt auf die ersten Worte seiner Hoheit.
 

„Wir haben Uns zusammen mit Unseren Beratern nach reiflicher Überlegung für einen der eingereichten Entwürfe entschieden. Zur Auswahl standen der unseres getreuen Hofschmieds Meister Déndins, der uns bis jetzt immer sehr zur vollsten Zufriedenheit mit seinen Fertigungen erfreut hat und der einer jungen Zwergin, die als einzige Frau in diesem Handwerk ihre Kunst unter Beweis stellen konnte. Die Ideen Unserer beiden Künstler hätten nicht unterschiedlicher sein können. Dennoch haben Wir sie eingehend geprüft und ihre Persönlichkeit auf Uns wirken lassen.

So sind Wir denn auch zu einem Entschluss gekommen.

Mögen die beiden Schmiede nun vor und etwas näher an uns herantreten.“
 

Lenja und Déndin taten wie ihnen geheißen. Alle Augen waren auf die beiden und den König unter dem Berge direkt vor ihnen gerichtet.
 

„Wir vergeben den Auftrag Uns das schönste Juwel zu fertigen an den Schmied mit den passendsten Ideen für Unser Vorhaben und dies ist Lenja, einst Schülerin des werten Hungstarri und nun angesehene Goldschmiedin in Unserem Reich. Wir gratulieren Euch und freuen Uns Euch den Auftrag zu übergeben und in Euren Händen sicher zu wissen.“
 

Stille erfüllte den Raum.
 

Lenja schluckte. Sie hatte den Auftrag bekommen, ohne es je darauf angelegt zu haben. Ihr Kopf war leer und sie ahnte noch nicht, was nun alles auf sie zukommen würde. Nun war ihre Welt nicht mehr ganz wie einst zuvor. Sie wusste schlagartig, dass ihre „normale“ Arbeit in der nächsten Zeit ruhen musste und sie nur noch für den Arkenstein dazu sein hatte. Doch wie genau dies alles aussehen würde, war ihr noch unbekannt und musste sich erst noch herausstellen.
 

Déndin neben ihr wirkte gleichzeitig gefasst, aber dennoch erzürnt. Er hatte es wohl nicht für möglich gehalten, dass eine Frau ihn aus seinem sicheren Terrain verdrängen konnte. Dennoch wollte er sich wahrscheinlich auch nicht die Blöße geben und vor aller Welt einen erzürnten Aufstand proben. Es wäre lächerlich gewesen gegen die königliche Entscheidung zu protestieren. Er hätte es sowieso nicht ändern können.

Stattdessen gab er Lenja die Hand und wünschte ihr viel Erfolg und gutes Gelingen für ihren Auftrag. Sie hätte es ihm gleichgetan, wenn sie an seiner Stelle leer ausgegangen wäre. Es hatte eine gewisse Form von Höflichkeit und Etikette, die Zwerge allgemein zu schätzen wussten.
 

Lenja konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen als sie Balin und Dwalin sichtlich mit stolzgeschwellter Brust erblickte. Die beiden schienen glücklich über ihre bisherige Leistung zu sein und sich für ihr Talent sowie ihre Überzeugungskraft zu freuen.

Zu Thorin traute sie sich in diesem Moment nicht zu blicken. Sie ahnte, dass er sich mit ihr freute. Schließlich war ja er es, der ihr den Auftrag unterbreitet hatte. Sie brauchte ihn gar nicht erst anzuschauen, um zu wissen, dass sein Herz mit ihrem am schnellsten im Saal hier schlug.
 

„Wir möchten Euch bitten, liebes Kind, Uns zugleich zu folgen und gemeinsam mit Uns zusammen über den Fortlauf des Auftrags unter vier Augen zu sprechen. So folgt Uns denn in Unser Arbeitszimmer“, sprach Thrór und schritt auf das Portal zu, aus dem er erst erschienen war.
 

Lenja folgte ihm. Sie musste an Thorin vorbei, der wie bereits erwartet, sie anstrahlte. Doch sie konnte nicht bei ihm verweilen. Sie musste dem König folgen und so trennten sich ihre Blicke so rasch, wie sie sich einst getroffen hatten.

Sie schritt an Thráin vorbei und konnte dessen Blick nicht deuten. Sie hatte das Gefühl, dass er nicht mit dem Ausgang zufrieden war. Etwas an ihm ließ sie erschaudern. Sie fühlte, wie sich sein Blick auch weiterhin in ihren Rücken bohrte als sie durch das Portal ging und die Türen sich hinter ihr auch denn zugleich wieder schlossen.
 

Das Gefühl der Kälte begleitete sie weiterhin als sie sich der offenen Tür des königlichen Arbeitszimmers näherte.



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