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Selfishness

von

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Männerherzen

Ein großes Augenpaar blickte mich unverständlich an. Ich blickte nur gleichgültig zurück.

"Du hast WAS?!", fragte Per mich entsetzt und lehnte sich weit zurück auf seinem Stuhl. Ich hingegen lehnte lässig an der Küchentheke und zuckte mit den Schultern.

"Ich hab mir ein Mädchen angelacht, na und? Was ist so schlimm daran?"

Auf einmal stand mein großer Freund auf und ging auf mich zu. Wäre da nicht ein Hindernis hinter mir gewesen, wäre ich wohl vor Schreck zurück gewichen.

"Wer bist du und was hast du mit Clemens gemacht?", fragte er mich, immer noch mit Entsetzen in der Stimme. Er blickte mich direkt an, stand ganz dicht vor mir.

Seufzend drehte ich den Kopf weg und fixierte eine der Kacheln an der Küchenwand.

"Der Clemens, den ich kenne, würde sich nicht einfach so ein Mädchen anlachen. Der Clemens, den ich kenne, schwärmt für einen bestimmten Hamburger Mittelfeldspieler. Der Clemens, den ich kenne,..."

"Ja, ist ja schon gut!", unterbrach ich Pers Wortschwall und blickte ihn wieder ins Gesicht. "Ich war nur so.. ich war einfach ein wenig neben der Spur. Und sie kam mir so sympathisch vor, nicht so wie die typischen Mädchen halt..."
 

Mein bester Freund ließ endlich wieder von mir ab und ging ein paar Schritte in der Küche umher. Ich folgte ihm unruhig mit den Augen, registrierte jede Bewegung die er machte, jeden Schritt, den er tat. Es vergingen Sekunden, dann Minuten. Und ich war Gedanklich schon wieder bei Piotr in Hamburg, ließ mir den gestrigen Abend noch mal durch den Kopf gehen.

Ich hatte mir wirklich ganz und gar den falschen Kerl ausgesucht. Falscher ging es gar nicht. Und doch wollte ich davon nichts wissen. Ich liebte ihn nun mal auf meine Art und Weise und das änderte auch nichts daran, dass er nie etwas für mich empfinden würde. Niemals. Absolut niemals...
 

"Clemens?", vernahm ich Pers besorgte Stimme und sah, wie er sich zu mir hinunter kniete. Ich war unbewusst an der Theke herunter gerutscht und saß mittlerweile auf dem kalten Küchenboden. Ich spürte, wie Per seine große Hand auf mein Knie legte, doch ansonsten war da nichts. Leere. Gähnende Leere.

"Alles okay", murmelte ich verwirrt, wusste nicht, was gerade mit mir geschah. Ich versuchte meinem Gegenüber in die Augen zu sehen und ihm zu zeigen, dass es mir gut ging. Doch das einzige was ich schaffte, war schwer zu schlucken und mir auf die Unterlippe zu beißen. Eindeutiger Beweis für einen unterdrückten Heulanfall.
 

"Verdammt!", fluchte ich und ballte meine rechte Hand zu einer Faust, schlug damit kurz und schmerzvoll gegen den Küchenschrank der Theke, an der ich lehnte. Am liebsten wollte ich mich in ein Loch verkriechen und nie wieder hervorkommen. Ich fühlte mich einfach miserabel. Und noch dazu war ich ein verfluchtes Weichei. Erst abhauen und dann auch noch rumflennen.

"Clemens", sprach mich Per wieder vorsichtig an und ich blickte ihn endlich an. "Komm, setzten wir uns lieber an den Tisch."

Er hielt mir helfend seine Hand hin, doch ich schlug sie unsanft weg und stemmte mich selbst vom Boden auf. Dann setzte ich mich auf einen der Küchenstühle und ließ meine Stirn auf die kühle Tischplatte fallen.

"Und nun?", fragte ich leise, jedoch eher mich als Per. Trotzdem stützte ich meine Arme auf den Küchentisch, die Finger an den Schläfen, und blickte meinen besten Freund an.

"Es bringt auf jeden Fall nichts, wenn du dich jetzt zurück ziehst. Du solltest ihm jetzt bloß nicht zeigen, dass etwas ist-..."

"Also soll ich so weitermachen wie bisher? Ich glaube kaum, dass ich das schaffe."

"Ich denke, das Beste wäre, ihm die Wahrheit zu sagen. Warte, hör erstmal zu", meinte er schnell, als ich gerade protestieren wollte. "Auf Grund dieser Erkenntnis werden sich deine Gefühle ihm gegenüber sicher nicht ändern und gerade deswegen solltest du ihm deine Gefühle mitteilen. Auf Dauer wird er nämlich sicher merken, dass was ist. Und du warst doch schon so knapp davor."
 

Er hatte Recht. Wie immer. Und er wusste, dass ich es wusste. Seufzend fuhr ich mir übers Gesicht. Wohl oder Übel musste ich den ahnungslosen Piotr nach einem Treffen fragen und ihm beichten, dass ich auf ihn stand. Ich sah jetzt schon sein angewidertes Gesicht vor mir.

"Also?", fragte Per, da ich ihm noch nicht meine Meinung zu seiner kleinen Rede mitgeteilt hatte.

"Okay. Ich denke du hast Recht... Ich sollte es ihm sagen."

"Super, dann wäre das geklärt", meinte Per mit einem Grinsen. Er beugte sich über den Tisch und klopfte mir einmal aufmunternd auf die Schulter. Dann ließ er seinen Blick zu der digitalen Uhr an meiner Mikrowelle wandern und ich wusste bereits, dass er jetzt wohl aufbrechen würde. Deshalb stand ich auf und er tat es mir gleich.
 

"Na dann sag ich wohl mal danke", nuschelte ich etwas und Per schüttelte nur leicht den Kopf.

"Ich habe ja nicht viel gemacht oder eher gesagt. Du kriegst das auf die Reihe. Und falls du wieder jemanden zum Reden brauchst, du weißt, wie du mich erreichen kannst." Er zwinkerte mir zu und ich grinste ihn zögerlich an. Dann begleitete ich ihn noch bis zur Tür und verabschiedete ihn mit einem aufgesetzt fröhlichem Gesicht. Doch sobald die Tür hinter dem Großen zugefallen war, verschwand auch das Grinsen von meinem Gesicht und ich verfiel wieder in Melancholie.
 

Ich schleppte mich in mein Schlafzimmer, um meine Sachen auszupacken. Ich hatte meine Tasche bei der Ankunft einfach nur in die Ecke geschmissen und mich erstmal erkundigt, wann Per hier auftauchen würde. Zum Glück war er dann auch fünf Minuten später aufgetaucht.

Ich sortierte den Inhalt meiner Tasche nach "Badezimmer" und "Schlafzimmer", wobei sich zwischendurch auch mal etwas Müll oder ähnliches für die Küche auffinden ließ. Gerade überlegte ich, ob ich Piotr per Mail nach einem Treffen fragen sollte, oder doch lieber per SMS, da fischte ich ein blau-schwarzes Trikot aus meinen Sachen. Ich hielt es mit ausgestreckten Armen von mir und betrachtete den Rücken, der in großen Lettern der Name "Trochowski" und die Nummer "15" beflockt war. Im nächsten Augenblick hatte ich den Stoff an mich gedrückt und die Nase darin vergraben. Nach ein paar Sekunden merkte ich dann, wie furchtbar kitschig das aussehen musste und so schmiss ich das Trikot schnell auf mein Bett und räumte meine restlichen Sachen weg.
 

Gelangweilt saß ich eine halbe Stunde später vor meinem Computer und checkte meine Mails. Bis auf etlichen Spam war eigentlich nichts interessantes aufzufinden.

Ich schloss gerade den Browser und führte den Mauszeiger zum Startmenü, um den Computer herunter zu fahren, da vibrierte es auf dem Wohnzimmertisch und ein kurzes Geräusch verriet mir, dass ich eine SMS erhalten hatte. Ohne mein Vorhaben zu beenden, sprang ich auf und sprintete auf das kleine Gerät zu, mit der Hoffung, dass es der dunkelhaarige Mittelfeldspieler aus Hamburg war.

Doch sobald ich den Absender lesen konnte, atmete ich enttäuscht aus und schmiss das Handy auf das nahe stehende Sofa, ohne mir den Inhalt der SMS durchgelesen zu haben. Schlürfend ging ich wieder zu meinem Rechner und fuhr ihn herunter, ließ mich dann auf dem Sofa nieder und griff erneut nach meinem Handy. Nach kurzem Tippen las ich mir durch, was Sarah, das Mädchen das ich heute erst kennen gelernt hatte, geschrieben hatte.
 

"Hey Clemens. Danke noch mal für das Autogramm. Meine Freundin hat sich sehr gefreut, jetzt noch jault sie mir die Ohren voll, wie neidisch sie auf mich ist. Hoffe du hast einen angenehmen Abend. Sarah."

Ein wenig musste ich grinsen, als ich fertig las. Dann überlegte ich, ob ich ihr zurück schreiben sollte, entschied mich dann dafür und tippte schnell die paar Wörter in die Antwort-SMS.

"Immer wieder gerne. Wünsche dir auch einen schönen Abend. Man schreibt sich. Clemens."
 

Das Handy wanderte zurück auf seinen Platz auf dem Wohnzimmertisch und ich lehnte mich weit zurück, legte meinen Kopf in den Nacken und starrte an die Zimmerdecke.

Ob ich ein einziges Mal schwach sein durfte? Mir war echt zum Heulen zumute und nichts konnte mir momentan die Laune verbessern, wirklich nichts. Stattdessen hob ich sachte meine Arme und fuhr mir ein paar Mal mit den Händen übers Gesicht. Dann blieben sie auf den Augen liegen und ich schloss diese, versuchte an nichts mehr zu denken. Was sich als äußerst schwierig heraus stellte

"Ich hab doch gar nichts getan...", nuschelte ich in die Stille meines Wohnzimmers hinein und fragte mich ehrlich, wieso ich so ein Pech hatte. Weshalb wurde ich so bestraft?
 

Völlig desinteressiert schaltete ich einige Minuten später meinen Fernseher ein und schaltete ein wenig durch die Kanäle. Ich konnte mich noch nie wirklich fürs Fernsehen interessieren. Ich war ein Typ Mensch, der sich immer aktiv beschäftigen musste. Vor der Mattscheibe hocken war einfach nichts für mich. Und trotzdem verschwendete ich in meiner Langeweile oft einige Zeit damit. Eben aus reiner Langeweile, weil mir zu diesem Zeitpunkt egal war, was ich tat, hauptsache ich war beschäftigt.
 

Den Rest des früh angebrochenen Abends verbrachte ich mit langweiligen Aktivitäten wie eben Fernsehen, Autorennen an der Konsole oder Socken sortieren. Letzteres war mal wieder nötig gewesen, denn die gewaschenen Socken sammelten sich immer in meiner Schublade und ich brauchte beim Anziehen immer ewig, um ein Paar herauszusuchen. Deshalb nahm ich mir vor, ab jetzt beim Wäsche abhängen immer gleich die passenden Paare zusammen zu legen.

Da meine Mannschaft und ich am nächsten Vormittag wirklich Training hatten - und nicht wie ich Piotr erzählt hatte an diesem Tag - ging ich relativ früh ins Bett. Meinen Wecker stellte ich auf halb zehn, damit ich pünktlich am Trainingsplatz ankommen würde und trotzdem morgens noch genug Zeit zum ausgiebigen Frühstück hatte.
 

In meinem Bett liegend konnte ich erst nicht einschlafen. Ich erinnerte mich, wie ich die Nacht zuvor auf Piotrs ausklappbarem Schlafsofa verbracht hatte. Ich hatte mich wohl dort gefühlt, trotz der Sache mit Piotrs ungewolltem Geständnis.

Meine Gefühle dem Jüngeren gegenüber waren echt erschreckend neu. In dieser Art und Weise habe ich vorher noch für keinen anderen Gefühle gehegt. Klar, ich hatte ein, zwei männliche Partner, doch da konnte ich nie von wirklicher Zufriedenheit, geschweige denn so etwas wie Liebe reden. Und obwohl ich nicht mir Piotr zusammen war, war es bei ihm ganz anders. Er war ein Mensch, der mich immer wieder überraschte, an dem es immer wieder neues zu entdecken gab. Seine offene und fröhliche Art musste man einfach gern haben und von seiner liebevollen Seite ganz zu schweigen.
 

Verträumt zog ich mir die weiche Bettdecke bis ans Kinn und blickte in die Dunkelheit hinein. Nur fade konnte ich die Umrisse meines Zimmers erkennen, da sich meine Augen schon etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich schloss meine blauen Seen wieder und schlief kurze Zeit später mit den Gedanken an ein weiteres Treffen mit Piotr ein.
 

(Flashback)
 

»Also entweder Trotsche oder Adler, aber ich kann mir Letzteren nicht vorstellen...«

Mit großen, überraschten Augen starrte ich meinen besten Freund an. Beinahe wäre mir die Kinnlage hinunter geklappt, doch ich konnte es in letzter Sekunde noch verhindern.

»Hab ich Recht?«, fragte er mich grinsend und ich verengte die Augen zu Schlitzen. Was sollte ich nur darauf sagen?

»Jetzt sei mal nicht so...«, meinte er nächst und ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.

»Sag mir erst, wie du darauf kommst.«

Das Grinsen auf seinen Lippen war nicht verschwunden. Vielmehr wurde es nur noch breiter, wie es mir vor kam.

»Deine Blicke. Also ich habe Mal darauf geachtet, wen du so anschaust und da ist mir Trochowski aufgefallen. Jedoch hast du Adler auch mal ganz komisch angeguckt und dann war ich mir nicht mehr so sicher.«

Meiner Meinung nach hatte Per den falschen Beruf gewählt. Er hätte eindeutig in die Kriminalabteilung gepasst. Oder irgendetwas anderes, wo er einen guten Spürsinn brauchte. Denn er lag total richtig mit seiner Vermutung und das machte mir irgendwie Angst.

»Hm...«

»Also hab ich Recht?«, wollte er wissen und ich konnte es ihm wohl nicht mehr länger verheimlichen. Stattdessen nickte ich langsam und er streckte mir zwei Finger entgegen, rief aufgebracht »Sieg!«.

Kopfschüttelnd ließ ich ihm seine Freude und wartete auf weitere Vermutungen, immerhin hatte er ja noch nicht alles erraten.



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