Sechste Nacht: Sehnsucht
Sehnsucht
Jede Nacht schwor er sich, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie sich heimlich trafen, die Türen hinter sich verschlossen und er sich ihm in wilder Leidenschaft hingab.
Aber er konnte sich den zärtlichen Berührungen nicht entziehen, er hatte dagegen anzukämpfen versucht und sich eingeredet, dass er Mellos Spiel jeder Zeit beenden konnte, wenn er selbst die Lust daran verlieren würde – aber die Wahrheit sah erschreckenderweise anders aus. Denn er hatte sich zwar geschworen keine Gefühle für ihn zu entwickeln, es nur rein körperlich zwischen ihnen enden zu lassen und doch wusste er, dass er sich bereits vor vielen Nächten in seinem Spinnennetz aus Lügen und falschen Hoffnungen verfangen hatte. Mello schaffte es problemlos ihn um den Finger zu wickeln. Ein Kuss, eine beiläufige Berührung, ein verheißungsvoller Blick genügte schon, damit seine Selbstbeherrschung, wie eine Schneeflocke an einem heißen Sommertag, dahinschmolz. Aber er wollte mehr. Er wollte, dass er sich ihm hingab, er sollte sich die Finger an ihm verbrennen und dabei spüren, dass ihre Zweisamkeit ein berauschendes Gift war - ein tödliches Gemisch aus Hass und Abscheu, das ihn noch eines Tages um den Verstand bringen würde. Weshalb sonst hatten sie sich dauernd gestritten, ihre Leistungen gemessen und sich dann verflucht, wenn die Examen zwar beendet waren, aber das gewünschte Resultat fehlte?!
Mellos Arme schlangen sich um seinen schmalen Körper, er zog ihn näher an sich heran, er wollte ihn spüren, seine Nähe genießen und diesen Augenblick unendlich werden lassen. Seine Berührungen waren fließend, er strich über seine nackte Haut und versenkte dabei jeden Zentimeter, den er erreichte. Die Stimmung war elektrisierend. Und doch wusste er genau, dass er ihn nicht mehr gehen lassen würde – wie jede Nacht zuvor. Und viele weitere Nächte nicht...
Aber er würde nie mehr sein, als ein Requisit in seinem schillernden Leben.