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White Noise

von

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Neue Fragen

Rocky atmete scharf ein. „Ich war über fünf Stunden weg. Die Fahrt nach Ondula dauert nur 20 Minuten. Er hätte längst wieder hier sein sollen!“

„Ich weiß. Ich konnte meinen Posten nicht verlassen, deshalb habe ich mein Navitaub losgeschickt, um nach Joel zu suchen, aber das ist auch nicht zurückgekehrt.“

Das war schlecht. Navitaub war ein tagaktives Pokémon, es konnte im Dunkeln nicht sehen. Da die Sonne inzwischen untergegangen war, standen die Chancen nicht gut, dass es vor dem nächsten Morgen zurückkommen würde. Und die Zahl der Vermissten war damit auf zwei gestiegen. Drei, wenn man das Pokémon mitzählte.

„Hast du versucht, Melina zu erreichen?“, fragte Rocky. Sie klang so elend, wie Cheren sich fühlte, doch sie hielt sich wacker.

„Natürlich. Hat nicht geklappt. Dieser verdammte Berg mit seiner verdammten Strahlung.“

„Was haben deine Untersuchungen hier ergeben?“

„Nichts, was uns wirklich weiterbringt. Ich habe jeden einzelnen Stein und jede einzelne Tonscherbe in diesem verdammten Dorf umgedreht. Keine Spur von dem Mädchen und auch von Joel nicht. Habe nochmal alle Leute hier befragt, viel Neues hat sich nicht ergeben. Die Schwestern des Pokémoncenters haben Bell vor fünf Tagen um etwa 19 Uhr das letzte Mal gesehen, als sie gemeinsam zu Abend gegessen haben. Danach wurde sie noch einmal von einer älteren Dame gesehen, allerdings nur als Umriss hinter dem Fenster. Die Frau hat einen Abendspaziergang gemacht und ist an Bells Fenster vorbei gekommen. Hat ihre Silhouette hinter dem Fenster gesehen. War so gegen 21 Uhr.“ Der Mann zog eine Zigarettenschachtel aus seiner Tasche und ließ den Deckel auf und zu schnappen, als würden seine Finger danach gieren, eine Zigarette aus der Packung zu nehmen, es aber nicht wagen. „Sie bleiben bei dem, was sie ganz am Anfang schon gesagt hatten: dass sie Bells Verschwinden einfach nicht bemerkt hatten. Sie hatten alle vergessen, dass Bell hier war, bis wir heute auftauchten und sie darauf aufmerksam gemacht haben. Vielleicht-“

Er brach ab, als Cheren neben ihm zusammenzuckte. „Sie hatten vergessen, dass Bell hier war?“, wiederholte Cheren alarmiert.

„Ja. Klingt irre, ich weiß. Vielleicht vertuschen sie etwas und decken sich alle gegenseitig.“

„Oder auch nicht.“ Das Telefonat mit Prof. Esche fiel ihm wieder ein. Was hatte sie noch einmal gesagt? „Tut mir leid, Cheren, ich bin wohl gerade etwas durch den Wind … ich hatte total vergessen, dass du auf dem Weg zum Janusberg bist, um Bell zu suchen.“

Es war ihm damals schon seltsam vorgekommen, aber er hatte sich keinen Reim darauf machen können. Prof. Esche vergaß vielleicht manchmal alles andere um sich herum, wenn sie mit ihrer Arbeit beschäftigt war, aber Bell war fast so etwas wie eine Tochter für sie. Niemals würde sie Bell einfach vergessen, schon gar nicht, wenn sie eventuell in Gefahr schwebte. Und doch hatte sie sie vergessen. Und die Dorfbewohner hatten Bell ebenfalls vergessen?! Das konnte unmöglich ein Zufall sein. Er wandte sich wieder an den Polizisten.

„Haben Sie die Leute auch gefragt, welche Pokémon sie besitzen?“, fragte er eindringlich.

Der Polizist wich verdutzt einen Schritt zurück. „Ja. Aber warum-“

„Waren da auch Psychopokémon dabei? Oder vielleicht Geisterpokémon?“

„... Nein. Nein, tut mir leid. Warum-“

„Verdammt!“ Cheren raufte sich die Haare, ohne es bewusst wahrzunehmen; seine Gedanken rasten.

„Cheren“, sagte Officer Rocky mit harter Stimme. „Wenn dir etwas eingefallen ist, das uns weiterhelfen könnte, dann sag es gefälligst!“

„Bell wurde entführt“, sagte Cheren. Er betrachtete den Janusberg, der sich in einiger Entfernung als dunkler Schatten vor dem Horizont abzeichnete. „Ich weiß nicht, von wem, und ich weiß nicht, warum, aber ihr Entführer hat sich große Mühe gegeben, keine Spuren zu hinterlassen. Er hat ein Pokémon benutzt, das die Hypnose-Attacke beherrscht, aber von so einer Art der Hypnose habe ich noch nie gehört.“

„Wie kommst du auf Hypnose?“, fragte Officer Rocky.

„Die Dorfbewohner hatten Bell vergessen.“ Und das war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Bell konnte man nicht vergessen, schon gar nicht in einer kleinen Ortschaft wie Monsentiero. Bell war die Art von Mensch, die anderen Leuten im Gedächtnis hängen blieb. Sie war die Art von Mensch, die mit einem breiten Grinsen im Gesicht in ein Zimmer fegte, wie ein Wasserfall plapperte, aus Tollpatschigkeit irgendeinen Blödsinn anstellte, und damit alle aufheiterte. Die Art von Mensch, der man nicht böse sein konnte, selbst wenn man es wollte. Und egal, was Bell tat, sie war dabei auffällig.

„Und sie waren nicht die einzigen. Prof. Esche hatte sie ebenfalls vergessen, ich hatte erst vor wenigen Stunden mit ihr telefoniert und sie reagierte zuerst ganz verwirrt auf den Namen Bell, als wüsste sie nicht, wer das ist. Kommt Ihnen das bekannt vor?“

Die Polizisten tauschten einen vielsagenden Blick.

„Es muss eine Art von Hypnose sein, anders kann ich es mir nicht erklären“, fuhr Cheren fort. „Jemand hat versucht, Bell aus den Gedächtnissen der Menschen zu löschen.“ Er betrachtete seinen Viso Caster, der in dieser Gegend absolut nutzlos war. Er fragte sich, wie Bells Eltern reagieren würden, wenn er sie anrufen und ihnen von Bell erzählen würde. Oder Lotta. Oder Kamilla, Artie, Lauro. Würden sie ihn alle mit dem selben verwirrten Gesichtsausdruck anstarren wie Prof. Esche? „Und die Hypnose muss sehr stark sein, wenn sie sogar auf Menschen wirkt, die sich etliche Kilometer entfernt aufhalten und keinen direkten Kontakt zu dem Anwender-Pokémon hatten.“

Das leise Schnappen eines Feuerzeugs ertönte – der Polizist hatte sich nun doch eine Zigarette angezündet. Normalerweise wäre Cheren nun ein paar Schritte vor ihm zurückgewichen – er hasste Zigarettenrauch – doch im Moment kümmerte es ihn kaum. „Aber eins verstehe ich nicht“, sagte der Polizist langsam. „Wenn sie so großen Wert darauf gelegt haben, das Mädchen verschwinden zu lassen, warum haben sie dann nicht ihr Zimmer leergeräumt? Warum Hinweise zurücklassen, die darauf hindeuten, dass Bell hier war?“

Cheren tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Nasenwurzel – eine Angewohnheit, die noch aus der Zeit stammte, zu der er eine Brille getragen hatte, und die sich auch jetzt, da er Kontaktlinsen trug, nicht so leicht ablegen ließ. „... Ich weiß es nicht.“

„Wer hätte überhaupt ein Interesse daran, Bell zu entführen?“, hakte Rocky nach. „Hatte Bell Feinde?“

„Mir kommt eigentlich nur Team Plasma in den Sinn. Oder, besser gesagt, G-Cis. Mit den eigentlichen Zielen von Team Plasma hatte dieser Mann ja nichts am Hut.“

„Aber ich dachte, G-Cis wäre zuletzt in Kanto gesichtet worden“, sagte Rocky. „Das war doch der Grund, warum Lotta nach Kanto gegangen ist, nicht wahr? Um nach ihm zu suchen.“

„Vielleicht war das eine Falle“, murmelte ihr Kollege leise.

Es war, als würde eine eiskalte Hand nach Cherens Herz greifen und zudrücken. Nein. Er konnte es sich nicht leisten, jetzt auch noch um Lotta besorgt zu sein. Lotta hatte oft genug bewiesen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte. Und sie hatte Zekrom. Das hier war etwas anderes. Er schüttelte den Kopf.

„Ich glaube nicht, dass G-Cis hinter dieser Entführung steckt. Ich hätte es geglaubt, wenn diese ganze Hypnose-Geschichte nicht gewesen wäre, aber G-Cis hat es gar nicht nötig, auf solche Tricks zurückzugreifen. Warum sollte er Bells Entführung unter den Teppich kehren? Sie würde ihm nur etwas nützen, wenn er sie als Druckmittel gegen Lotta einsetzen könnte, und dann wäre es viel sinnvoller, ihre Entführung an die große Glocke zu hängen, statt sie zu vertuschen. Und G-Cis hätte auch keinen Grund, Ihren Kollegen zu beseitigen.“

„... Also wären wir wieder am Anfang“, murmelte Rocky.

„Und wenn es etwas mit ihrem aktuellen Forschungsprojekt zu tun hat? Vielleicht hat sie etwas herausgefunden, das sie nicht wissen sollte. Cheren, weißt du, was sie hier am Janusberg untersuchen wollte?“

„Nein, leider nicht.“ Cheren erwischte sich dabei, schon wieder an seiner Krawatte herumzufummeln. Er musste wirklich lernen, diese Masche in den Griff zu kriegen. „Sie wollte es mir erst sagen, wenn sie Ergebnisse vorzuweisen hat.“

„Sie hat Notizen in ihrem Zimmer hinterlassen“, sagte Rocky. „Wie wäre es, wenn wir uns die noch einmal genau ansehen? Vielleicht hilft uns das ja weiter.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shizana
2013-04-20T01:37:00+00:00 20.04.2013 03:37
Besser spät als nie, hier nun endlich die langersehnte Auswertung meines Wettbewerbes „Pokémon ist mehr als nur eine Kinderserie!“.
Deine FF hat mir wirklich sehr gut gefallen. Die Idee mit Bell, die verschwunden ist und Cheren in große Besorgnis stößt, hat mir wirklich überrascht, nein, begeistert. Es war mal etwas ganz anderes von den üblichen Pokémon-FFs, mehr so in Richtung Crime, und das fand ich wirklich großartig! Ich habe die FF mit großer Begeisterung gelesen und konnte, als ich erst einmal angefangen hatte, einfach nicht mit Lesen aufhören. Und ich bin sehr gespannt auf die nächsten Kapitel!

Für die Auswertung hast du mit dieser FF 23/26 Punkten erzielt.
Rechtschreibung und Grammatik waren top, mir ist nichts Erwähnenswertes aufgefallen. Auch für die Idee und den Lesespaß habe ich dir guten Gewissens die volle Punktzahl vergeben. Den Zusatzpunkt hast du dir abgeholt, weil diese FF extra für den Wettbewerb entstanden ist.
Abzüge gab es für das Einbringen der Pokémon, was mir noch etwas zu wenig war, und für den Schreibstil, bei welchem sich die Sätze stellenweise etwas unpassend angehört haben. Natürlich ist der Stil immer ein wenig Ermessenssache, aber die kleinen „poetischen Seitenhiebe“ haben hier nicht immer ins Bild gepasst. Wäre das nicht gewesen, hättest du auch hier die volle Punktzahl abgeräumt, weil rein von der Technik her macht man dir so schnell nichts vor.
Nichtsdestotrotz vergebe ich deiner FF den zweiten Platz, weil das Positive, was mich wirklich überrascht und überzeugt hat, überwog ohne Frage.

Damit gratuliere ich dir herzlich und bedanke mich für deine Teilnahme an meinem Schreibwettbewerb. Und nicht vergessen: Ich warte sehnsüchtig auf das nächste Kapitel! ;)


Liebe Grüße
Shizana
Antwort von:  Nugua
24.04.2013 00:36

Yay, zweiter Platz. Da freu ich mich! ^^
Danke für deinen Kommentar. Keine Sorge, die letzten zwei Kapitel werden auf jeden Fall kommen, ich hab bloß im Moment so viel um die Ohren (Vorstellungsgespräche, Diplomarbeit), dass ich kaum Luft fürs Schreiben habe. :/ Aber ich habe inhaltlich schon alles durchgeplant und die Pokémon werden im letzten Abschnitt auch eine größere Rolle spielen als bisher.


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