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Nur die Familie zählt - Reika Serie 2

Inu & Kago, Sess & OC
von

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Neue Ziele

Kapitel 3 - Neue Ziele
 

Nachdem Sesshomaru den Wald bei Musashi verlassen hatte, kehrte er in das westliche Schloss zurück. Für ihn gab es keinen Grund mehr dort zu bleiben, denn seit Kagome wieder bei seinem Bruder weilte, hatte er es bewusst vermieden, diesen in der Neumondnacht aufzusuchen. Auch wenn der Hundedämon die Wahl des Jüngeren akzeptierte, so war ihm selbst nichts an dieser Menschenfrau gelegen. Ganz besonders entwickelte er keine verwandtschaftlichen Gefühle. Doch dann traf er ausgerechnet die Dämonenjägerin in dem Ort. Er verstand selbst nicht, was ihn an der jungen Frau faszinierte. Nachdem er Reika vor fast vier Jahren bei Kaede in Musashi abgeliefert hatte, hätte sie ihm eigentlich egal sein müssen. Trotzdem kreisten seine Gedanken oft um sie und ihre Handlungen.

Die junge Frau hatte damals nach ihrer Genesung Musashi verlassen, jedoch ihr Katana bei seinem Bruder zurückgelassen. Nachdem Inuyashas Freunde und er den Halbdämon Naraku besiegt hatten, wollte der Hanyou eine Unterredung. Inuyasha hatte dann, in Reikas Namen, ihm das Katana übergeben mit dem Hinweis, dass es der Wunsch der Dämonenjägerin wäre, Rin erhält eine Ausbildung, damit sie den Umgang mit dieser Waffe erlernte, denn wenn das Mädchen schon mit Sesshomaru durch die Gegend reiste, sollte sie sich auch selbst schützen können. Über das Geschenk war Rin sehr glücklich. Irgendwie hatte das Mädchen dann auch die Notwendigkeit verstanden, dass sie eine Zeit lang bei seinem Bruder im Dorf bleiben sollte. Dort waren Menschen, die sie mochten und tatsächlich war die Kleine glücklich.
 

Es war eher Zufall, dass er Monate später an der Ostküste weilte und in die Nähe von Reikas Dorf gelangte. Er wusste nicht, warum er letztendlich seine Schritte dorthin lenkte und abwartend im Verborgenen blieb. Wollte er sich damals bedanken, weil die grünäugige Frau um Rins Sicherheit besorgt war, oder wollte er sie einfach nur wiedersehen. Doch dann hatte er nur von Weitem beobachtet. Mehrmals suchte er zukünftig noch das Dorf auf, obwohl es eigentlich gefährlich war, weil der Fürst dieser Länder hohe Prämien für getötete Dämonen zahlte.
 

Um jetzt die Erinnerung an die Begegnung zu vergessen, widmete sich Sesshomaru der Suche nach dem unbekannten Feind, den er seit ungefähr einem Jahr hatte. Sehr verwunderlich, weil seit dem Überfall in der Neumondnacht, keine weiteren Angriffe erfolgten, weder gegen ihn selbst noch gegen Inuyasha. Dass es nur ein Zufall gewesen war, glaubte er nicht.

An diesem einen Tag stand er nun wieder in der Bibliothek und betrachtete die vielen Pergamentrollen in den hohen Regalen. Ihn beschlich immer häufiger das Gefühl, das sich seine Suche sinnlos gestaltete. So beendete er sie schon nach einigen Stunden.
 

Sesshomaru stand später mitten in der Nacht im Innenhof des Schlosses und blickte hinauf zum Mond. Seit Naraku besiegt wurde und Rin in dem Menschendorf lebte, fehlte ihm etwas. War es der Kampf, den er vermisste? Wenn er auch den Halbdämon Naraku verachtet hatte, so war es doch eine gewisse Herausforderung gewesen gegen ihn zu kämpfen, um dessen Pläne zu vereiteln. Nun hatte er keinen Gegner, mit dem er sich einen Kampf wünschte, denn nicht jeder verdiente seine Beachtung. Vielleicht würden ihn ein paar Runden in der Arena am nächsten Tag ablenken, obwohl er diesbezüglich wenig Hoffnung hegte.
 

Seine leichte Verstimmung blieb nicht unbemerkt. Bereits seit Sesshomaru wieder im westlichen Schloss angekommen war, ließ Yumi ihren Sohn nicht aus den Augen. Sehr deutlich konnte sie dessen Unruhe fühlen und wusste bestimmte Anzeichen zu deuten. Sie hatte das alles schon mehr als einmal erlebt, nämlich bei seinem Vater, dem es oft ähnlich erging. Wenn dieser nicht das Land beschützen konnte, fühlte sich Inu no Taisho im Schloss eingesperrt. Deshalb war er so häufig fort, zog durch die Ländereien, während er die Verwaltung seiner Fürstin überließ.

Nun stand sie hier am geöffneten Fenster und blickte über die nahen Gipfel der niederen Berge bis hinaus in die weitläufige Ebene, welche das westliche Gebiet umfasste.

Ihre Gedanken schweiften zwar ab in die Vergangenheit, dennoch horchte sie unbewusst auf alle Geräusche. Jeden Moment würde ihr Geliebter das Gemach betreten und sein Kommen begrüßte sie. Leider konnten sie sich heute nur wenige heimliche Augenblicke in der Mittagszeit gönnen, bevor ihre Hofdamen zurückkamen.

Sie seufzte leise, schloss kurz ihre Augen und gestattete sich den Hauch eines Gefühls, bevor sie ihre kühle Maske wieder aufsetzte. Unwillkürlich musste die Fürstin wieder an die Vergangenheit denken, an das Erlebnis, was damals ihr Leben bis heute prägte.

Als Yumi vor so unendlich vielen Jahren zum ersten Mal das westliche Schloss betreten hatte und einen Blick in die blauen Augen des Soldaten geworfen hatte, der sie am Tor im Auftrag ihres zukünftigen Gemahls empfing, war es um sie geschehen. Während der Dauer ihres Besuches wurde er zu ihrem Schutz eingeteilt. So hatten sie sich gelegentlich unterhalten können und dann sogar ineinander verliebt. Doch als Yumi dann zwei Tage später erfuhr, aus welchem Grund ihr Vater den Lord der westlichen Länder aufgesucht hatte, brach für die Hundedämonin eine Welt zusammen. Da sie jedoch eine gehorsame Tochter war, beugte sie sich dem Befehl ihres Vaters. Immerhin war der Fürst ein gut aussehender und starker Daiyoukai. Er hatte sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Soldaten, zu dem sich die silberweißhaarige Youkai hingezogen fühlte. Sie verschloss ihre Gefühle für den anderen Hundedämon in einem Winkel ihres Herzens. Nach außen hin wurde sie eine beherrschte kühle Fürstin, der vieles gleichgültig zu sein schien.
 

Nie hätte sie geahnt, das Inu no Taisho von dieser Verbindung noch weniger angetan war. Aber er war ein Mann von Ehre und erfüllte somit seine Seite des Vertrages, den sein verstorbener Vater einst mit Yumis Vater eingegangen war. Auch später tat ihr Gemahl nichts, was sie je beschämt hätte. Er nahm sich weder eine Nebenfrau noch Konkubinen.

Yumis Gefährte war ein rücksichtsvoller und freundlicher Hundedämon gewesen. Während ihres Zusammensein gab er sich zärtlich, ging stets auf ihre Bedürfnisse ein und versuchte ein vollendeter Liebhaber zu sein. Im Grunde genommen hätte alles perfekt sein können, dennoch vermissten beide etwas. Auch wenn das schönste Geschenk, was ihr Inu no Taisho geben konnte, ihr Sohn Sesshomaru war und sie die Zuneigung ihres Gefährten besaß, fühlte sich Yumi dennoch einsam. Denn das, was ihr Glück perfektioniert hätte, fehlte zwischen ihnen. Liebe. Nie hatte sie es für möglich gehalten, aber Inu no Taisho empfand ebenso.

Allgemein sagte man, Dämonen liebten nicht. Doch was genau war es, wenn man immer mit jemand zusammen sein wollte, immer dessen Berührungen spüren wollte. Sich einsam fühlte, wenn er nicht da war und man jedes Mal an ihn denken musste, sich außerdem in allen Dingen bedingungslos vertraute und den anderen genauso nahm, wie er war. Genau diese Dinge hatte Inu no Taisho als Liebe interpretiert. Sie verstand seine Meinung, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass diese Definition einer menschlichen Aussage zugrunde lag.
 

Mehr als 200 Jahren war es her, sie hatte wieder einmal auf dem Balkon gestanden und dem Schaukampf zwischen Naoki und einigen Soldaten zugesehen, als Inu no Taisho leise das Gemach betreten hatte.

Yumi war so sehr in Gedanken, dass sie ihn nicht hörte. Erst seine leise Stimme zeigte ihr seine Anwesenheit und überraschte sie mit der Frage: "Hast du ihm je gestanden, was du fühlst?"

"Nein", antwortete sie traurig. Erst dann schreckte sie hoch und sah ihren Gemahl an. Sie war verwirrt. Waren ihre Gefühle so offensichtlich für den anderen Hundedämon. Was würde Inu no Taisho tun? Sie bestrafen?

Doch der Fürst stand ruhig neben ihr und blickte hinunter zum Übungsplatz. Er legte Yumi einen Arm um die Taille, während er weiter sprach.

"Mein Bruder ist wie ich ein Daiyoukai, mir beinahe ebenbürtig. Auf jeden Fall wäre er ein guter Gefährte für dich."

"Du willst mich verstoßen?", fragte sie traurig und spürte einen Stich in ihrem Herzen. Zurückweisung ängstigte sie einen winzigen Augenblick. Sie zeigte keine Emotionen während ihrer Erklärung. "Ich hätte mir niemals angemaßt, meinen Fürsten und Gemahl zu hintergehen."

Lange sah Inu no Taisho seine Gefährtin nachdenklich an, bevor er darauf reagierte: "Nein das hast du nicht, so wie ich dich nie betrügen würde. Ich würde dich jedoch gehen lassen, wenn du mich darum bittest. Dein Vater lebt nicht mehr und wir beide haben einen Sohn, einen Erben für das westliche Reich. Die Einzigen, die unseren Gefühlen noch im Weg stehen, sind wir selbst."
 

Da verstand Yumi plötzlich. Ihr Gemahl hatte jemand anderen gefunden, dem er innig zugetan war. Sie war zwar überrascht, dass es sich dabei um eine menschliche Prinzessin handelte, doch sie akzeptierte Inu no Taishos Wahl. Anders ihr Sohn Sesshomaru.

Wie es jedoch kam, dass der Erbprinz nie die wahren Hintergründe erfuhr, konnte Yumi später nicht mehr nachvollziehen. Er erfuhr nicht einmal, dass seine Mutter ebenfalls einen neuen Gefährten besaß.

Nach Inu no Taishos Ableben fand Yumi dann nie den Mut ihrem Sohn die Wahrheit zugestehen. Wenn dieser schon wegen Izayoi wütend auf seinen Vater war, was wäre erst gewesen, wenn Sesshomaru erfahren hätte, dass seine Mutter ebenfalls jemanden anderen begehrt. Ihr Geliebter war in dieser Beziehung sehr verständnisvoll und hatte sie bis heute nicht gedrängt.
 

Nun trat jemand in ihr Gemach ein und näherte sich Yumi. Da der Dämon nicht angeklopft hatte, konnte es nur ihr Gefährte sein. Er schlang seine Arme um ihren Bauch, während er seinen Kopf auf ihre Schultern bettete.

"Du machst dir Sorgen um Sesshomaru", zog General Naoki sofort die richtigen Schlüsse.

Die Fürstin lehnte sich nach hinten und genoss die Umarmung. "Ja, das tue ich. Er ist seit einem Jahr so verändert. Irgendetwas muss auf seiner letzten Reise passiert sein. Nur ist er, wie immer zu stolz, um darüber zusprechen."

"Wenn du ihn nicht danach fragst, wirst du auch keine Antwort erhalten."

Die Fürstin seufzte nur. Leise sagte sie dann nach einer Weile: "Manchmal wünschte ich, er würde sich mir öffnen. Aber ich bin ihm nicht gerade ein gutes Vorbild."

"Dann solltest du den Anfang machen. Sei ehrlich zu ihm!", riet der Hundedämon mit den blauen Augen.

"Du wärst mir nicht böse?", fragte sie dann.

"Es ist deine Entscheidung", antworte Naoki, wie sonst, wenn die Frage aufkam.

In dieser Beziehung hoffte Yumi immer, das er sie drängen würde. Vielleicht konnte sie dann endlich den Mut aufbringen ihrem Sohn zu erzählen, dass sie ihr Lager schon lange mit General Naoki teilte. Aber stattdessen zeigte sich der Soldat rücksichtsvoll.

"Ich werde mich jetzt mit eurer Erlaubnis zurückziehen meine Fürstin", sagte Naoki und gab Yumi einen zärtlichen Kuss auf den Nacken. Da sie nicht widersprach, verließ er gleich darauf den Raum in bestimmter Absicht.

Kurz darauf lief der General zur Arena, um sein Vorhaben sofort umzusetzen. Viel gab es nicht, was er tun konnte, aber er hatte eine Idee, wie er Sesshomaru womöglich aufrütteln konnte.
 

Dieser hatte gerade seinen letzten Übungskampf abgeschlossen. Beinahe schon frustriert warf er das Schwert in den Sand. Die Soldaten, die gestern und auch am heutigen Tag gegen ihn angetreten waren, konnte man kaum als ernsthafte Gegner bezeichnen.

Natürlich wollten sie, sich mit ihm messen aber keiner hatte wirklich eine Chance. In diesem Moment vermisste er Inuyasha. Gegen seinen Bruder zu kämpfen war immer eine Herausforderung gewesen, selbst wenn es nur rein freundschaftlich war und Übungszwecken diente. Vielleicht sollte er ihn wieder aufsuchen. Doch Sesshomaru ging dem Jüngeren absichtlich aus dem Weg.

"Seid ihr kräftig genug um euch einer echten Herausforderung zu stellen, mein Fürst?", erklang hinter ihm eine Stimme.

Überrascht wandte sich Sesshomaru um. Langsam kam ihm General Naoki entgegen. Die einzigen Waffen, die er trug, waren zwei lange Stöcke.
 

Naoki, sein Lehrmeister im Schwertkampf und Stockfechten, hatte Sesshomaru so lange ausgebildet, bis der Soldat gegen den jungen Dämon verloren hatte. Seit damals hatten sie nicht mehr gegeneinander gekämpft. Inzwischen war Sesshomaru stärker geworden.

"Kein Fürst und kein General, einfach nur zwei Krieger, die ihr Können messen", erklärte Naoki weiter.

"Einverstanden", erwiderte der Lord der westlichen Länder, nahm den einen der beiden Stöcke und stellte sich seinem neuen Gegner, wobei er dem General den ersten Schlag ließ. Bald schon merkten beide Kämpfer, dass sie in etwa ebenbürtig waren.

Sesshomaru hatte sein Können seit ihrem letzten Übungskampf verbessern können. Doch auch Naoki nutzte andere Techniken, denn er bildete sich ständig weiter.
 

Der Kampf währte lange. Nur kurz, nach Einbruch der Dunkelheit unterbrachen sie ihren freundschaftlichen Disput, damit Diener Fackeln anbringen konnten, Erst nachdem die Arena wieder vollkommen geleert war, setzten sie ihn fort. Entweder hätten sie bis zur Erschöpfung weitergekämpft oder den Kampf von sich aus, unentschieden beendet. Doch plötzlich änderte Naoki seine Taktik. Wie er erwartet hatte, überraschte das Sesshomaru. So griff der General nun intensiver an und er tat etwas, mit dem der junge Youkai nie gerechnet hatte. Naokis dämonische Energie stieg plötzlich an. Diese Kraft entsprach nicht mehr der eines einfachen Soldaten oder Dämons, sondern war viel intensiver. Der Lord reagierte mit seiner eigenen Stärke aber es war schon zu spät. Sein Angriff wurde abgewehrt.

Dann nur der Bruchteil eines Augenblickes genügte Naoki und es gelang ihm, die Verteidigung des Jüngeren zu durchdringen. Gleich setzte er nach, schlug ihm den Stock aus der Hand und hielt ihm das Ende seines Eigenen unter das Kinn. Sesshomaru hätte, aufgrund seiner extremen Geschwindigkeit, ausweichen können aber er fühlte sich zu erschöpft. Vielleicht wollte er sich auch geschlagen geben.

"Du gibst auf Sesshomaru?", fragte Naoki.

Eine Antwort bekam er nicht. Der jüngere Hundedämon blickte kurz zu seinem am Boden liegenden Stock und schätzte seine Optionen ab.

"Du solltest nie einen Gegner unterschätzen. Außerdem warst du unkonzentriert und deine Verteidigung schwach. Ich hätte den Kampf schon früher beenden können", erklärte Naoki.
 

Sesshomarus Augen wurden schmal, sein Ausdruck eiskalt. Obwohl er Naoki anschaute, sprang er seitwärts. Mit einer Rolle kam er auf und griff nach dem Kampfstab. Doch er bekam nur Sand in die Hände. Sesshomaru richtete sich wieder auf. Naoki hatte seine Absicht erraten und war einen Augenblick schneller gewesen. Nun hatte dieser den Stab in der Hand.

"Jetzt wirst du wütend, du denkst, dass ich deine Stolz verletzt habe. Das habe ich aus gutem Grund. Du bist nicht objektiv."

Bei jedem hätten die Worte wie Hohn geklungen, nicht so bei dem General. Sesshomaru entdeckte schnell die versteckte Lehre darin.

Dieser reichte dem Lord den Stab. "Wenn du weiterkämpfen willst, können wir fortfahren. Aber ich denke, dass du mir es wieder zu leicht machst."
 

Sesshomaru warf den Stecken in den Sand. Im Moment war es sinnlos, das erkannte der Youkai. Der Einzige, der es schon immer erreicht hatte, ihn zu provozieren, war, während seiner Ausbildung General Naoki gewesen. Nein nicht ganz, einer von Narakus Abkömmlingen hatte es auch geschafft. Damals in dem Kampf als Toukijin zerbrach, war er auch wütend geworden wegen Kagura.

"Nimmst du einen Rat von deinem alten Lehrer an?", da Sesshomaru nicht antwortete, fuhr der Ältere einfach fort: "Stell dich deinen Schwächen, akzeptiere sie!"

Der Lord der westlichen Länder rührte sich zwar nicht von der Stelle, aber in seinem Inneren tobten die vielfältigsten Gefühle. Nach außen zeigte er nur Kälte, was besonders in seinen Augen zu erkennen war.

Doch genau, in dem Moment hatte Sesshomaru das Gefühl, das ihm der General bis tief in seine Seele schaute. Der Einzige, der das bisher vermochte, war Inu no Taisho gewesen. Nie hatte Sesshomaru etwas vor seinem Vater verbergen können. Vielleicht hatte er es auch vorher nie bemerkt oder Naoki hatte bis jetzt noch keine Veranlassung gehabt, es zu tun.
 

Doch Sesshomaru wurde noch mehr bewusst. Nicht das Naoki so, wie er hier vor ihm stand, seinem Vater recht ähnlich war, er hatte auch die gleichen Worte benutzt. Um es noch deutlicher zu machen, verschwand der Mond hinter einer Wolke, sodass Sesshomaru nur die Umrisse des anderen sehen konnte, aber das genügte, um seinen Verdacht zu erhärten. Es war der Moment, als Sesshomaru wirklich glaubte, seinen Vater vor sich zu sehen. Die Haltung des Generals blieb abwartend. Er stand vor Sesshomaru mit leicht hängenden Schultern und etwas nach vorn gebeugten Kopf. Das Ganze wurde noch von der Tatsache unterstrichen das Naoki seinen Haare zu einem Zopf hochgebunden trug, wie immer wenn er kämpfte. Außerdem hingen jetzt beide Schulterfelle über den Rücken herab und die Enden wehten leicht im Nachtwind.

Es erinnerte Sesshomaru schmerzlich an die Szene am Strand, als er zum letzten Mal mit seinem Vater gesprochen hatte und ihn offenbar gleichzeitig enttäuschte.

Dann kam der Mond wieder hervor und es leuchtete das sanfte kalte Mondlicht. Der Moment der Erinnerungen war vorbei, doch eine Tatsache blieb. Sesshomaru wusste zwar, dass der General der zweite Sohn eines Daiyoukai war, aber nie, wer dessen Vater wirklich war. Aufgrund der vielen Youkai und Tiere, die zum Schloss gehörten, gab es unendlich viele Gerüche. So das Sesshomaru meistens seinen Geruchssinn im Schloss weniger intensiv einsetzte, als er es in der freien Natur tat. Außerdem benutzte der Ältere eine angenehm riechende Salbe, die er sich täglich, nach seinem frühmorgendlichen Bad, auf die Haut auftrug.
 

Doch jetzt wo Naoki immer noch einen geringen Teil seiner Energie, vermutlich sogar absichtlich zeigte, erkannte der Lord das Offensichtliche. Der Geruch des älteren Youkai war seinem ähnlich, der Geruch seines Vaters, seiner Familie. Nun sprach er es auch aus. "Du bist der zweite Sohn meines Großvaters?"

Sehr deutlich hatte man auf dem Gesicht des jüngeren Dämons die Erkenntnis gesehen.

"Ja, ich bin der jüngere Bruder deines Vaters", damit drehte sich Naoki um und verließ den Übungsplatz. Er wartete nicht ab, wie Sesshomaru reagieren würde auf das Geständnis.
 

Noch immer stand Sesshomaru inmitten des Kampfplatzes. Jetzt erst bemerkte er etwas, was ihn schon den ganzen Nachmittag und Abend unbewusst gestört hatte. Normalerweise hatte der Lord, wenn er hier in der Arena war, besonders am Abend jede menge Zuschauer, doch heute ließ sich nicht ein einziger in der Arena blicken. Erst als der Youkai den Kampfplatz verließ, sah er den Grund. Naoki hatte außer Hör- und Sehweite Wachen aufgestellt, sodass sie beide ungestört waren. Ein Verdacht regte sich in Sesshomaru, wusste der General von Anfang an das er gewinnen würde und hatte Zuschauer vom Kommen abgehalten, weil er Sesshomaru nicht beschämen wollte?

Naoki war sein Lehrer gewesen und konnte schon immer seine Schwächen durchschauen. Vermutlich hatte der ältere Soldat recht. Er war zu sehr abgelenkt gewesen.
 

Sesshomaru folgte dem General. Dieser erwartet das sicher, denn er hatte seine dämonische Energie nicht unterdrückt und verschleierte auch den Geruch nicht, wie sonst. So betrat, nach wenigen Augenblicken, der Lord den Garten und lief zur Terrasse hinüber. Von hier konnte man den ganzen Bereich überblicken und anderseits hatte man eine atemberaubende Sicht über das Land. Sesshomaru setzte sich ins Gras neben Naoki.

"Onkel", sagte er nur leise.

"Gegen einen Daiyoukai, der deinen Vater beinahe ebenbürtig war, ist es keine Schande zu verlieren. Jedoch bin ich mir sicher, dass du mir nie wieder die Chance lässt zu gewinnen."

Sesshomaru war es in diesem Moment nicht wichtig. Ihn interessierten andere Dinge.

"Gegen den Bruder meines verehrten Vaters zu verlieren, der auch gleichzeitig mein Lehrer war, nein aber wieso weiß ich davon nichts?" Immer noch ein Hauch von Unglauben schwang in der Stimme des jüngeren Hundedämons mit.

Naoki erklärte daraufhin: "Mein Vater, dein Großvater starb, bevor ich geboren wurde. Inu no Taisho besuchte mich oft. Er hat mich immer unterstützt und nach dem Tod meiner Mutter bot er mir an, hierher ins Schloss zukommen. Ich habe eingewilligt, unter der Bedingung, dass er mich wie einen einfachen Soldaten behandelt und nicht wie seinen Bruder. Ich wollte auf keinen Fall bevorzugt werden. Er hat mich selbst ausgebildet. In den Kriegen, die wir zwangsläufig führen mussten, besonders gegen die Pantherdämonen konnte ich mich auszeichnen. Die Ratgeber deines Vaters schlugen dann meine Beförderung vor. Bis ich dann nach dem Tod deines Vaters General wurde. Du selbst hast mir diesen Posten gegeben. Da ich, meine dämonische Energie fast völlig unterdrücken kann, unterschätzen mich viele Gegner. Mein verehrter Bruder war ein guter Lehrmeister und er hat es mir nie leicht gemacht. Bevor du geboren wurdest, war ich immerhin sein einziger Erbe."

"Sein Erbe?," Überraschung klang in der Stimme des jüngeren Dämons mit. Er bekam aber gleich die Erklärung.

"Ich bin kein Bastard," entgegnete Naoki kurz.

Sesshomaru dachte kurz nach: "Meine verehrte Mutter weiß darüber bescheid?", fragte er nach einer Weile.

Naoki warf ihm einen kurzen Blick zu. "Inu no Taisho hatte nie Geheimnisse vor der Fürstin. Sie weiß es und akzeptiert meinen Wunsch als General zu dienen."
 

Sesshomaru wusste es selbst nicht, warum es ihn eigentlich interessierte. Dennoch musste er diese Frage stellen. "Hast du je gegen meinen verehrten Vater gewonnen."

Mit einem leichten Schmunzeln antwortete ihm der Ältere: "Ein oder zweimal. Oder öfters als wir beide noch jünger waren. Es hat für uns nie eine Rolle gespielt. Wir waren Brüder und wollten uns nie übertreffen." Mit einem Seitenblick auf Sesshomaru fuhr er dann fort: "Ich kannte dein Streben nach Stärke, und den Wunsch deinen Vater zu übertreffen. Seinen Vater zu übertreffen, daran ist nichts Falsches. Es aus den falschen Motiven zu tun, schon", hier unterbrach sich der General selbst und formulierte dann eine Frage: "Hat dein Vater dir je erklärt, was er unter Herrschaft verstanden hat?"

Sesshomaru war zwar etwas verwundert aber ohne zu zögern, antwortete er: "Nein aber ich denke, eines war ihm immer wichtig."

"Was?", hoffend das es die Antwort ist, die auch sein Bruder gegeben hätte.

"Die zu beschützen, die man liebt", flüsterte Sesshomaru leise. "Selbst wenn es heißt, dabei den Tod zu finden."

Mit einem Blick, der in der Ferne zu weilen schien und einem traurigen Ton in der Stimme fügte Naoki hinzu: "Egal ob es sich dabei um einen Menschen oder Youkai handelt. Inu no Taisho hätte das auch für uns beide getan. Sein Ziel war es immer, den Frieden im Reich herzustellen und zu sichern."

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden Dämonen, bevor Naoki die nächste Frage stellte: "Gibt es jemanden den du beschützen willst?"

"Diese Frage hat mir auch mein verehrter Vater in der Nacht gestellt, als er starb, kurz bevor er zu Izayoi ging."

Nun das war keine Antwort. "Und du hast ihm die falsche Antwort gegeben, denn sonst hättest du heute Tessaiga", schlussfolgerte Naoki.

"Er hat die richtige Entscheidung getroffen. Denn ich bin nicht einmal fähig ein einziges Wesen zu beschützen, das mir wichtig ist."

Der General kannte die Antwort eigentlich schon. Es war ihm in den letzten Monaten nicht entgangen, das Sesshomaru immer kurz vor der Neumondnacht nach Musashi gegangen war.

Trotzdem fragte er nun: "Wen?"

"Inuyasha", es war sehr leise und nur seinem guten Gehör verdankte es Naoki, den Namen überhaupt wahrgenommen zuhaben.

"Dein Bruder."

"Er wurde meinetwegen beinahe getötet."

"Du fühlst dich also schuldig. Ich dachte, du verabscheust den Hanyou?"

Er hatte den Hanyou nie als einen Bruder angesehen, doch, als er vor 50 Jahren nach dem Krieg mit den Katzen vor dem Baum stand, wo Inuyasha versiegelt worden war, fragte er sich wohl zum ersten Mal, ob er es hätte verhindern können. Wäre die Miko nicht schon Tod gewesen, ganz sicher hätte er sie für das, was sie seinem Bruder angetan hatte, bestraft. Inuyasha hatte jedoch eine zweite Chance bekommen, nachdem plötzlich das Mädchen Kagome durch den Knochenfresserbrunnen aufgetaucht war und den Halbdämon befreit hatte. Als Sesshomaru dann endlich das Versteck von Tessaiga fand und merkte das er es selbst nicht nutzen konnte, machte er einen entscheidenden Fehler, indem er seinen Halbbruder arg unterschätzte. Er selbst war sogar wütend geworden. Erst war Inuyasha so schwach und ließ sich von einer Miko bannen, dann konnte er nicht einmal das Schwert, sein Erbe begreifen. Doch erst mit dem Auftauchen von Naraku sah Sesshomaru die Notwendigkeit ein, das Inuyasha das Schwert beherrschen musste, wenn der Jüngere überhaupt in diesem Kampf bestehen wollte. Der Lord hätte es niemals für möglich gehalten, das Inuyasha ihn mal überraschen würde. Um so öfters sie aufeinandertrafen, um so mehr fing er an, den Hanyou zu akzeptieren. Inzwischen war viel passiert, und auch wenn er es nicht zu geben wollte, Inuyasha hatte seinen Respekt verdient.
 

Sesshomaru war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um eine Antwort zu geben. Eigentlich brauchte sein Onkel keine, wie er mit seine nächsten Worten bewies.

"Du hast Inuyasha längst akzeptiert. Nachdem du gemerkt hast, das Tessaiga dich abwehrt, hast du stattdessen deinem Bruder geholfen das Schwert zu führen. Ohne das der Hanyou es mitbekommen hat, hast du ihn ausgebildet. Das ist lobenswert."

Diesmal war Sesshomaru mehr als verblüfft, auch wenn man auf seinem Gesicht keine Regung bemerkte. Im Moment fragte sich der silberweißhaarige Dämon mit der Mondsichel auf der Stirn, ob es noch etwas gab, das Naoki nicht wusste. Es war schon verwunderlich.

Der ältere Dämon stieß einen Laut aus, der durchaus wie ein Lachen klang, bevor er erklärte: "Ist es dir eigentlich nie in den Sinn gekommen, warum dein Vater immer über alles bescheid wusste? Dieser kleine Flohdämon Myouga mag zwar recht ängstlich sein und sich immer aus dem Staub machen, wenn es wirklich gefährlich wird, aber er hat eines der besten Spionagenetzwerke. Er war nicht umsonst der Berater von Inu no Taisho. Auch wenn Myouga viel lieber in der Welt umherzieht und meistens bei deinem Bruder hockt, so arbeiten seine Spione dennoch zuverlässig."

"Das erklärt natürlich vieles", gab Sesshomaru zu. Wahrscheinlich war der Flohgeist doch ganz nützlich. Der Lord nahm sich im Stillen vor, Myouga etwas besser im Auge zu behalten.
 

Indessen kam Naoki wieder zum Thema zurück.

"Deine Arroganz und die Gier nach Tessaiga hätten dir leicht zum Verhängnis werden können", bewusst ging der Ältere nicht darauf ein, das Sesshomaru wegen Tessaiga seinen linken Arm verloren hatte, als er weiter sprach: "Macht und Stärke kommt nicht allein durch ein Schwert deines Vaters. Sie muss aus einem Selbst entstehen. Inzwischen hast du begriffen, was einen Daiyoukai ausmacht und ich bin sicher, dass du von diesem Weg nicht wieder abkommst. Du hast diese Stufe eher erreicht als jemals ein Youkai zuvor. Nicht einmal dein Vater oder ich waren noch so jung. Aber du darfst eines nicht vergessen, dein Herz, deine Gefühle, erst wenn du dich dem stellst, hast du deine wahre Größe erreicht."

"Warum jetzt? Wäre es nach dem Tod meines Vaters nicht sinnvoller gewesen, mich anzuleiten?"

"Hättest du damals auf meinen Rat gehört?", bevor Sesshomaru antworten konnte, fügte der General hinzu: "Nein, du warst voller Zorn und Verachtung. Das Gegenteil wäre eingetreten, du wärst noch gnadenloser und härter geworden. Doch jetzt denke ich, bist du bald bereit deinen Platz als Erbe deines Vaters einzunehmen."
 

Ja er hatte alle Gefühle ausgeblendet. Doch irgendwo in ihm drin blieb ein Funken Anstand. Seinen Stolz und seine Ehre hatte er nie aufgegeben. Nie tötete er unschuldige Menschen. Entweder verteidigte er sich nur gegen sie oder er warnte diesen Abschaum, gab ihnen immer die Chance davonzulaufen. Wenn sie zu dumm waren und die Möglichkeit nicht nutzten, war es ihre Schuld. Selbst Kagome hatte er im Grab seines Vaters eigentlich nur bekämpft, weil sie sich ihm entgegen gestellt hatte.

"Willst du darüber sprechen, was in der Nacht passiert ist, als dein Bruder beinahe starb?", riss ihn der General aus seinen Gedanken.

Sesshomaru wollte das nicht wirklich. Aber er wusste, seinen Vater hätte er um Rat gefragt. Doch Inu no Taisho war nicht da. Naoki kannte er ebenfalls seit seiner Geburt und vertraute ihm ebenso.

Deshalb erzählte er in knappen Worten, was in der Neumondnacht passierte. Zum Schluss öffnete er sein Gewand und holte die Kette mit dem silbernen Medaillon heraus.

Kurz sah sich Naoki das Lilien ähnliche Zeichen an und sagte dann: "So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen."

"Alle Versuche in den Schriften meines Vaters etwas zu finden waren ergebnislos", ein Hauch von Enttäuschung klang dabei mit.

Deshalb stellte sein Onkel fest und riet ihm anschließend: "Das ist also der Grund, warum du dich hier vergräbst. Wenn du einen Feind hast, wird er wieder auf dich zu kommen. Ich denke, die Antwort wirst du nur da draußen finden."
 

Entschlossen genug dazu war Sesshomaru auf jeden Fall. Bereits am nächsten Morgen würde er aufbrechen und sich erneut auf die Suche begeben. Außerdem hatte er noch eine andere Idee. Es gab genug Youkai, die in ihrer Jugend ebenso, wie der Lord, im Land umhergestreift waren. Deshalb würde Sesshomaru einige aufsuchen und sie um ihre Meinung, bezüglich des Zeichens, fragen. Dann ging ihm noch der Gedanke durch den Kopf, die Freunde seines Bruders in die große menschliche Bibliothek zu schicken, die im Reich des nördlichen Herrschers lag. Irgendwo musste es doch einen Anhaltspunkt geben. Dennoch hatte er eine Bitte an seinen Onkel: "Würdest du Inuyasha ausbilden. Er kann zwar mit Tessaiga umgehen aber in einem echten Schwertkampf oder mit dem Stock ist er hoffnungslos unterlegen."

"Wenn du ihn hierher bringst, werde ich das tun." Dann stand Naoki auf.

Jetzt wurde er jedoch wieder förmlich: "Eine Bitte habe ich noch mein Fürst. Behandelt mich weiterhin wie euren General."

Bevor Naoki endgültig das Schloss betrat, schaute er noch einmal zurück. Seit dessen Geburt kannte der General den jungen Lord. Er war sich sicher, Sesshomaru gingen noch andere Dinge durch den Kopf. Wahrscheinlich war ihm das Problem selbst noch nicht bewusst. Auf jeden Fall würde er noch nicht darüber sprechen wollen. Weiter zu bohren hatte deshalb keinen Sinn. Es war schon verwunderlich genug, weil sein Neffe sich überhaupt soweit geöffnet hatte.
 

Kurz darauf betrat Sesshomaru ebenfalls das Schloss. Die Gänge waren wie ausgestorben. Erst an der Abzweigung, die zu seinen Gemächern führte, begegnet er einer Hofdame einer Mutter. Sofort verbeugte sich diese. Ohne ihr auch nur einen Blick zu würdigen, lief der Lord weiter. Doch dann blieb er plötzlich stehen und drehte sich langsam um.
 

Hinagiku, die schwarzhaarige Dämonin kniete immer noch. Er betrachtete sie eine Weile. Sie war eine Schönheit, unter ihres gleichen. Fein geschwungen Augenbrauen, eine gerade Nase, sinnliche Lippen, ihr Haar seidenweich und ihr Geruch sehr angenehm. Außerdem besaß sie eine gewisse Intelligenz. So genau hatte er noch nie eines der weiblichen Wesen begutachtet. Er wusste, das Hinagikus Vater vor einiger Zeit seiner Mutter vorgeschlagen hatte, das diese schwarzhaarige Dämonin eine gute Gefährtin für Sesshomaru wäre. Immerhin war sie die Tochter eines kleinen Provinzgouverneur, der dem westlichen Reich untertan war. Sie hatte ihn auch schon immer angehimmelt. Die Blicke, mit denen sie Sesshomaru beobachtet hatte, waren ihm selten entgangen. Aber sie deswegen als Gefährtin wählen? Woher dieser Wunsch kam, wusste der Fürst nicht aber er erwartete mehr von einem Wesen, mit dem er sein Leben teilen sollte.

"Folge mir!", befahl er.

Sie gehorchte und lief hinter ihm her. Nachdem sie zusammen sein Gemach betreten hatten, drehte sich Sesshomaru zu ihr um. In ihren Augen konnte er Überraschung und auch einen Hauch von Hoffnung glimmen sehen.

"Küss mich!", erteilte er der Youkai den nächsten Befehl.

Sie sah ihn erstaunt an, kam aber dann doch näher und legte ihre Lippen auf seine. Zaghaft küsste sie ihren Lord. Dieser ließ es erst geschehen bevor er dann langsam und beinah ebenso zaghaft den Kuss erwiderte. Er zog Hinagiku dann näher an sich heran und ließ den Kuss leidenschaftlicher werden, wobei Sesshomaru ihre beginnende Erregung deutlich wahrnahm.

Als sie ihn anfangs küsste, hatte er nichts empfunden. Keine Regung und kein Verlangen. Erst als er an die Dämonenjägerin Reika dachte und sich vorstellte, sie hier im Arm zu halten, änderte es sich. Weil ihm jedoch bewusst war, dass er gerade eine Youkai küsste und nicht die Menschenfrau unterbrach er sein Tun und stieß Hinagiku sanft von sich weg. Noch einmal schaute er sie durchdringend an.

"Geh!", befahl er dann. Erst als sie schon die Tür geöffnet hatte, sagte Sesshomaru noch etwas: "Hinagiku du wirst nicht die neue Fürstin und ich habe kein Interesse an einer Konkubine."

Er wusste, dass er ihr gerade eine Enttäuschung zu gefügt hatte, doch es ließ Sesshomaru völlig kalt.
 

In einem anderen Teil des Schlosses ging Naoki den Gang entlang und betrat nach einer Weile den abgeschiedenen Raum. Da es im Schloss zurzeit keine Gäste gab, war diese Hälfte der Wohnräume unbelegt und keine Diener oder Wachen anzutreffen. Wenn er schon seine Geliebte nicht im Arm halten durfte, so wollte er wenigsten heute Nacht ihrem Geruch nahe sein.

Sobald er den Schlafbereich betreten hatte, blieb er erstaunt stehen. Das Lager war bereits besetzt. Die ältere Hundedämonin drehte sich um und schaute ihn genauso überrascht an. Wieder musste Naoki daran denken, wie schön seine Fürstin aussah. Er liebte es, ihre silbernen Haare im Mondlicht schimmern zu sehen.

"Ich habe dich heute Nacht nicht erwartet", gestand Yumi: "Ich sehnte mich einfach nur nach deinem Geruch."

Nun lächelte der General, zog seine Kleidung aus und legte sich neben sie. Während er die Dämonin in seine Arme zog, sagte er zu ihr: "Das war auch der Grund, warum ich hierher kommen musste." Dann suchten seine Lippen die Ihren.

"Du hast gekämpft", stellte Yumi gleich darauf fest.

"Wenn ich geahnt hätte, dass du hier bist, hätte ich vorher ein Bad genommen", entschuldigte sich der General.

Doch sie ging nicht darauf ein: "Gegen wen?"

"Sesshomaru", gab er zu.

"Dann war es bestimmt ein anstrengender Kampf und du bist erschöpft", mutmaßte Yumi.

Da sie wusste, das Naoki nichts vom Ausgang des Kampfes erzählen würde, fragte sie auch nicht nach. Dennoch war sie im festen Glauben, das der Gewinner nur ihr Sohn sein konnte.

Naoki indessen erwiderte: "Nicht so erschöpft, dass ich dich ignorieren könnte", damit küsste er seine Geliebte wieder.

Erst nach einer ganzen Weile lösten sie den Kuss und Yumi begann besorgt: "Vielleicht sollten wir das nicht tun. Du weißt, wie gut Sesshomarus Geruchsinn ist."

Während Naoki begann, ihren Hals zu liebkosen, entgegnete er: "Ich denke, es spielt heute Nacht keine Rolle, Sesshomaru wird morgen früh nicht mehr da sein. Er hat endlich wieder ein Ziel."

Als die Fürstin ihn überrascht anschaute, erklärte er noch: "Wir haben uns nach dem Kampf noch etwas unterhalten und er hat mir die Gründe seiner Unruhe mitgeteilt."

"Ich gehe davon aus, dass du mir nichts davon berichten wirst."

"Wenn er nicht von sich aus darüber spricht, sollte das ein Geheimnis zwischen einem Onkel und seinem Neffen bleiben."

Die Fürstin fuhr hoch und sah ihn erschrocken an: "Du hast es ihm gesagt?"

"Keine Sorge, er hat es weit besser aufgenommen, als ich dachte. Außerdem denke ich das er es immer tief in seinem Inneren geahnt hat."

Ob Yumi noch etwas sagen wollte, würde Naoki nie herausfinden, denn er erstickte ihre Antwort mit einem sehr leidenschaftlichen Kuss, während er sanft seine Hände über ihren Körper gleiten ließ.
 

In der Nacht noch hatte der Fürst der westlichen Länder den kleinen Youkai Jaken aufgesucht und ihm befohlen bei Morgengrauen Ah-Uhn zu satteln, da sie beide beizeiten abreisen wollten.

Kaum das die Sonne im Osten aufgegangen war, verließ Sesshomaru seine Räume und lief auf den Ausgang zu. Erst in wenigen Momenten würde sich das Schloss beleben, so das Sesshomaru froh war, niemand zu begegnen. Um so erstaunter war er, als er plötzlich im Gang seiner Mutter gegenüberstand. Yumi war gerade aus den Bädern gekommen. Es wunderte den Hundedämon schon, das seine Mutter frühmorgens ein Bad nahm und sich dabei mit stark duftenden Kräutern einrieb. Doch ohne etwas zu sagen, verabschiedete sich Sesshomaru nur und verließ das Schloss.

Im Innenhof begegnete er dann noch kurz General Naoki, der seinen morgendlichen Rundgang bereits abgeschlossen hatte. Auch dessen Haare zeigten noch eine gewisse Feuchte. Aber das war weniger ungewöhnlich, da der blauäugige Dämon schon seit etlichen Jahren, früh gleich nach dem Aufstehen, in einem nahe gelegenen See schwamm. Oft selbst bei recht kühlem Wetter.
 

Wäre Sesshomaru nicht so abgelenkt gewesen, hätte er vermutlich einen Zusammenhang erahnt. Während die kleine Reisegruppe am morgendlichen Horizont verschwand, vermutete keiner weder Sesshomaru noch Jaken, das sie erleichtert von zwei Augenpaaren, einem blauen und einem gelbgoldenen beobachtet wurden.
 

Yumi ging kurz darauf in ihre Gemächer und holte den verlorenen Schlaf von letzter Nacht nach. Im Laufe des Vormittags fand sie Hinagiku verstört in ihrem Vorraum vor. Erst nach vielen Fragen und zum Schluss war ein Befehl notwendig, erzählte ihr die junge Dämonin von dem Vorfall in der vergangenen Nacht. Die Fürstin konnte sich nicht erklären, was ihr Sohn damit bezweckt hatte. In Yumis Kopf reifte jedoch ein Plan. Sie spürte, das Sesshomaru einsam war. Ihm fehlte etwas. Vielleicht wurde es einfach Zeit, dass er sich eine Gefährtin suchte. Wenn er Hinagiku ablehnte, dann vielleicht eine der anderen zahlreichen Dämoninnen.

Doch ihre Gedanken gingen noch weiter. Sie machte sich noch wegen einer anderen Möglichkeit große Sorgen.
 

... tbc ...
 

Kapitel 4 - In seiner Schuld



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