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Der Fluch

von

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I

Ich darf mich nicht fürchten.

Die Furcht tötet das Bewußtsein.

Die Furcht führt zu völliger Zerstörung.

Ich werde ihr ins Gesicht sehen.

Sie soll mich völlig durchdringen.

Und wenn sie von mir gegangen ist, wird nichts zurückbleiben.

Nichts außer mir.

- Frank Herbert, Der Wüstenplanet
 


 

Wir befinden uns in der Hauptstadt des Landes Tyrand, Elmenor. Diese Großstadt befindet sich, militärisch günstig gelegen, direkt auf einem Berg, nicht weit entfernt von einem dichten Wald, dem Schwarzen Wald. In der Stadt selbst befinden sich große Handwerkshäuser der Gilden, Geschäfte, Manufakturen, Brauhäuser und die Wohnungen der Stadtbewohner und Arbeiter, allesamt nur durch schmale Gassen getrennt. Bewegten wir uns jedoch näher auf das Zentrum zu, so würden die schmalen Gassen breiten Straßen aus Kopfsteinpflaster weichen und die alten Wohnhäuser würden langsam durch prunkvolle Villen und weitläufige Parks ersetzt. Die Viertel der Gutverdienten und Adligen ranken sich dann direkt um das Stadtzentrum. Genau in besagtem Zentrum befindet sich der Regierungssitz des Königs von Tyrand, ein riesiger Palast, von dessen Türmen aus man ganz Elmenor überblicken kann.

Um Elmenor herum erheben sich mächtige Mauern aus massivem Stein, welche die Slums, die, genau wie Pilze an einem Baum, an der Stadtbefestigung kleben, von den Vierteln im Inneren trennen. Kein Bewohner der Slums könnte es schaffen, über die hohen Mauern zu klettern und ebenso wenig würde es einem von ihnen gelingen, durch eines der bewachten Tore in die Stadt zu gelangen. Wenn wir uns noch ein Stück von den schützenden Stadtmauern entfernen, so gelangen wir zu einem wahrhaft wichtigen Gebäudekomplex Elmenors; dem Komplex der Magiergilde.

Ebenfalls geschützt von massiven Mauern, umfasst der Gildenkomplex insgesamt vier Hauptgebäude, die weniger Häusern, eher Steinblöcken mit eingelassenen Fenstern gleichen, sowie mehrere kleine Häuser und Wohnheime. Und genau dort, in einem der Haupthäuser, um genau zu sein im Keller des Verwaltungsgebäudes, begann vor einiger Zeit die Geschichte, die Elmenor für immer verändern würde…
 


 

Liviu rannte so schnell er konnte durch die labyrinthartig verzweigten Gänge des Kellers. Sein schwarzer Langmantel wehte dabei immer um seine Füße, was dazu führte, dass er fast stolperte, als er in einen schmalen Gang einbog. Gerade so gelang es ihm, sich noch an einer Wand abzufangen, bevor er auf den Boden knallte. Liviu seufzte. Er hätte diesen Mantel am liebsten abgestreift und weggeworfen, wäre es nicht seine Pflicht, ihn zu tragen, um ihn als Magier der Gilde identifizieren zu können. Aber er würde es ja bald geschafft haben. Der Magier raffte seinen Mantel und spurtete den Gang hinunter zu einer bereits ziemlich alt anmutenden Tür. Kaum hatte er sie erreicht, riss Liviu die Tür ruckartig auf und schlüpfte in den Raum dahinter. Im Raum hinter der Tür befand sich die alte Bibliothek der Gilde, folglich war das komplette Zimmer voller Bücherregale mit steinalten Büchern. Und inmitten dieser Bücherregale stand Arthur Kirkland, der, genau wie Liviu, in den schwarzen Mantel eines Schwarzmagiers gehüllt war. Auf seiner Brust prangten die Insignien eines Kriegers und eines Reinen Magiers. Dieselben Insignien, die sich auch auf Livius Mantel fanden.

„Wie immer zu spät, hm? Von Pünktlichkeit hast du auch noch nie etwas gehört“, lauteten Arthurs Begrüßungsworte.

Liviu lachte nervös auf und zog die Tür hinter sich zu. „Tut mir leid, ich… ich hatte noch zu tun.“

„Natürlich, du hattest zu tun. Sicherlich wieder mit Ivan und Natalia.“ Arthur rollte die Augen, bevor er fragte: „Aber Lukas hast du bei deinen Erledigungen nicht zufällig gesehen, oder? Ganz ungewöhnlich, dass er zu spät kommt. Im Gegensatz zu dir.“

Liviu beschloss Arthurs Seitenhieb auf seine Beziehungen und chronische Verspätungen zu ignorieren. „Nein, ich hab‘ Lukas noch nicht gesehen…. Aber hatte er nicht so eine Besprechung mit den Jägern? Du weißt schon, wegen der Angriffe und so weiter.“

Arthur nickte. „Das kann sein. Die Zahl der Angriffe hat zugenommen, nicht? Deshalb wollten die Jäger Unterstützung von uns oder dem Militär. Allistor hat mir davon erzählt. Dabei sollte man denken, dass sie das alleine hinbekommen sollten, wenn sie speziell dafür ausgebildet worden sind…“

Liviu öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, da flog die Tür hinter ihm auf und ein ziemlich aufgebrachter Lukas stürmte herein, der Liviu sogleich das Wort abschnitt.
 

„Gott, diese Idioten! Dieser Haufen Idioten, der sich als Jäger bezeichnet! Einfach unfassbar…“

Lukas knallte die Tür zu, sodass sein blauer Mantel flatterte. Liviu sah den Beschwörer verdutzt an. Es war ziemlich selten, dass sich der sonst eher kühle Lukas zu Gefühlsausbrüchen dieser Art hinreißen ließ.

„Ihr glaubt nicht, wie sich diese… diese Männer, wie sie sich nennen, benehmen! So viel Narzissmus, so viel Selbstverliebtheit auf einem Haufen ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie unorganisiert diese Truppe ist! Oder ein Bild davon machen, wie… wie dämlich sie sind.“

„Ziemlich, deiner Beschreibung nach zu urteilen“, warf Arthur ein.

„Ziemlich?“, echote Lukas. „Ziemlich? Was für eine maßlose Untertreibung. Ich will einfach nicht glauben, dass sie unsere Hilfe fordern! Und am Ende auch noch gewährt bekommen. Unfassbar, einfach unfassbar…“

Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Livius Gesicht. Er wollte unbedingt erfahren, was oder eher wer Lukas so auf die Palme bringen konnte.

Mitten in Lukas andauernde, wüste Beschimpfungen fragte er hinein: „Mit wem hast du denn nun eigentlich gesprochen?“

„Mit den Anführer der Jäger. Obwohl ich mich frage, ob sie mir da ein Kleinkind anstatt ihren Anführer geschickt haben“, erklärte Lukas in genervtem Tonfall.

„Meinst du Matthias Kohler? Oder Gilbert Beilschmidt?“, fragte Arthur unbeeindruckt. „Ich frage mich heute noch, wie es die Beiden geschafft haben, eine solch hohe Position bei den Jägern einzunehmen…“

„Das frage ich mich allerdings auch... Ich meinte diesen Beilschmidt. Matthias wäre ja noch schlimmer gewesen. Ein Glück, er ist mit einem anderen Trupp Jäger auf anderer Mission unterwegs“, murrte Lukas, der sich langsam zu beruhigen schien, nun nachdem er seinem Ärger Luft gemacht hatte. Livius Lächeln hatte sich indes in ein breites Grinsen verwandelt. Matthias und Gilbert waren es also, die Lukas so aufregten. Kein Wunder, Lukas hatte schon immer etwas gegen gnadenlose Selbstüberschätzung gehabt. Eine Eigenschaft für die nicht nur Matthias und Gilbert, sondern so gut wie alle Jäger bekannt waren. Sie bildeten einen Sonderzweig der königlichen Armee, speziell ausgebildet, um gegen Monster, andere nichtmenschliche Wesen, sowie feindliche Magier zu kämpfen. Kein Wunder, dass sich die Jäger für etwas Besseres hielten.
 

Allerdings war es in letzter Zeit zu vermehrten Angriffen sogenannter Dunkelelfen aus dem nahen Wald gekommen. Das paradoxe an diesen Angriffen war, dass die Dunkelelfen eigentlich als zurückgezogenes und naturverbundenes Volk beschrieben wurden und die Ursache der Angriffe ungeklärt war. Nur die wenigsten Menschen wagten sich überhaupt in ihren Wald und Wilderer wurden von ihnen äußerst schnell vertrieben. Jedoch war es der Gruppe der Jäger bisher immer gelungen die Angriffe erfolgreich abzuwehren, wenngleich es dabei einige Opfer gab. Ein Schlag, welcher das Ego der meisten Jäger ins wanken brachte und sie an ihrer Unbesiegbarkeit zweifeln ließ. Aus diesem Grund hatten sie sich entschieden, die Hilfe der Magier in Anspruch nehmen zu wollen. Ein weiterer Grund, warum Lukas so wütend auf die Jäger war. Denn sie konnten ja nicht wie „normale Menschen um unsere Hilfe bitten, nein, sie müssen sie fordern, wie als wäre es selbstverständlich, dass wir ihnen helfen würden“, sagte jedenfalls Lukas. Und ausgerechnet besagter Magier hatte nun mit zur Verhandlung um die Unterstützung kommen müssen.

„Aber wie ist die Verhandlung nun eigentlich ausgegangen?“, fragte Arthur und setzte sich an einen der Schreibtische der Bibliothek. Nun wurde auch Liviu hellhörig. Hatten die Jäger nun wirklich ihren Willen bekommen?

Lukas setzte seine übliche ernste Miene auf. „Natürlich haben die Jäger ihren Willen bekommen. Demnächst werden einige Magier auserkoren werden, die sich mit an die Front gesellen dürfen.“

„Wann werden sie bekannt gegeben?“, fragte Liviu gespannt. Er wollte sich dieses Spektakel eigentlich nicht entgehen lassen.

„Du willst da nicht wirklich hin, oder?“, kam Arthurs Gegenfrage.

„Doch.“ Liviu zuckte die Schultern. „Ich benutze meine Magie nun auch mal gerne, anstatt tagein, tagaus zu versuchen irgendwelchen Novizen die Schwarze Magie zu erklären.“

Arthur wollte bereits etwas erwidern, da schnitt ihm Liviu auch schon wieder das Wort ab. „Wobei ich eigentlich nicht glaube, dass du einen guten Lehrer abgibst. Bist wahrscheinlich zu drei Vierteln des Unterrichts ohnehin betrunken, nicht?“, stichelte er.
 

Mit Genugtuung bemerkte Liviu, wie Arthurs Gesichtsfarbe langsam von einer schwachen Schamesröte zu einem wütenden Dunkelrot wechselte.

„Ich fange wenigstens etwas sinnvolles mit meiner Zeit an, anstatt mich auf irgendwelchen zwielichtigen Beziehungen mit Männern und deren Schwestern einzulassen“, knurrte Arthur. „Es würde dich nicht gerade beliebt machen, wenn jemand davon erfahren würde, was sich nachts in deinem Bett abspielt.“

Das Grinsen des Angesprochenen wurde noch breiter, falls dies überhaupt noch möglich war. Er liebte es einfach zu sehr, Arthur mit seiner Schwäche, gerne mal ein oder zwei Gläser über den Durst zu trinken, aufzuziehen. Aus dem Augenwinkel beobachtete Liviu, wie Lukas still in sich hinein lächelte.

„Aber selbst wenn sie es herausfinden würden, könnten sie mich nicht dafür bestrafen. Ganz anders sieht es da bei dir aus…“, meinte der Schwarzmagier schnippisch und deutete auf Arthur, der kurz vor dem explodieren war.

„Wenn ich nur noch ein Wort von dir höre, Liviu, dann bist du ein toter Mann…“, knurrte er.

Angesprochener zuckte die Schultern. „Das übliche eben.“

Das nächste, was Liviu sah, war eine Kugel dunkler Energie, die schnell auf ihn zuflog. Er feixte und wehrte den schwachen Schlag mit Leichtigkeit ab. Arthur hatte nicht vorgehabt, ihn zu verletzten. Ein Kampf inmitten dieser vielen Bücherregale wäre ohnehin etwas ungünstig gewesen.

Lukas klatschte in die Hände und erhob sich von dem Platz, den er eingenommen hatte, um Arthurs und Livius kurzem Wortgefecht zu lauschen. „Nun, da wir das geklärt haben… Um auf deine Frage zurückzukommen, Liviu, die ausgewählten Magier werden in zwei Tagen bekannt gegeben“, erklärte er und fügte leise hinzu: „So lange werden diese Idioten von Jägern ja noch warten können…“

„Ah, danke Lukas! Mit dir kann ich reden!“, bedankte sich Angesprochener, während er Arthur wieder seine vollste Nicht-Beachtung schenkte, wie so oft in der Hoffnung, seine Sticheleien würden abermals auf fruchtbaren Boden treffen.

„Hast du nicht noch etwas vor, Liviu?“, war allerdings die einzige Bemerkung, zu der sich der arg entnervte Arthur nun noch hinreißen ließ.

„Jetzt, wo du es erwähnst… Ich könnte ja mal nach meinem netten Freund sehen gehen, oder? Was meinst du, Lukas.“

Der Beschwörer lächelte leicht, bevor er antwortete: „Geh’ lieber schnell, bevor unser lieber Freund hier wieder an die Decke geht.“ Er machte eine kurze Kopfbewegung in Arthurs Richtung. Dieser reagierte diesmal sofort.

„Was fällt euch eigentlich ein?!“ Von Lukas hätte er so etwas wohl nicht erwartet.

„Zu dir fällt mir nichts mehr ein“, stichelte Liviu, bevor er sich schnell mit den Worten „Na, ich muss dann mal eben wieder los…“ verabschiedete, um Arthurs giftigem Blick zu entkommen.
 


 

Ungeduldig trat Liviu von einem Bein aufs andere, während er wartete, dass ihm jemand die Haustür öffnete. Nach seinem Treffen mit seinen Freunden aus seiner Novizen-Zeit hatte er sich nicht sofort auf den Weg zu seiner Wohnung in den Quartieren der Gilde gemacht, wie er es normalerweise so kurz nach Sonnenuntergang zu tun pflegte, sondern hatte noch einmal die Stadttore Elmenors durchquert, um, wie immer wenn es möglich war, seine beiden Partner zu besuchen. Eine Dreierbeziehung, wie sie sie führten war zwar keineswegs so einfach zu führen, wie Liviu es Arthur unter die Nase gerieben hatte, aber Wert war sie es allemal.

Die Tür öffnete sich einen Spalt und eines der Dienstmädchen des Hauses schaute den Magier verwirrt an.

„Guten Abend“, grüßte Liviu die junge Frau. Diese schien sich nun auch langsam wieder zu fangen.

„Verzeiht, ehrenwerter Magier“, murmelte sie und ließ Liviu nach einer hastigen Verbeugung eintreten. „Wie kommt es, dass Ihr uns noch zu dieser späten Stunde beehrt?“

„Also, ich-“, begann Liviu wurde aber von einer Frauenstimme unterbrochen.

„Liviu!“ Sofort wandte Liviu den Blick in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
 

Auf der breiten Treppe im geräumigen Vorraum der Villa erblickte er die Herrin des Hauses, Natalia Braginsky. Liviu stockte der Atem. Er fragte sich, wie es ihm nun, nach zwei Jahren, die er Natalia schon kannte, noch immer die Sprache verschlagen konnte, wenn er sie sah. Sie sah einfach bezaubernd aus. Sie war in ein hochgeschlossenes Kleid mit einem weißen Kragen gewandet. Der glänzende, mitternachtsblaue Stoff ihres Kleides war mit reichen Mustern aus silbernem Garn bestickt. Er glaubte sogar, das Wappen ihres Hauses in den verschlungenen Mustern zu erkennen. Zu ihrem ohnehin schon schönen Kleid trug Natalia ihr langes, weißblondes Haar offen, was ihr eine gewisse Anmut verlieh. Liviu konnte es gar nicht erwarten, über ihr weiches, glattes Haar zu streichen.

„Guten Abend, Mylady“, grüßte Liviu erfreut und deutete eine spöttische Verbeugung an. Allerdings schien Natalia nicht sehr zu Scherzen aufgelegt zu sein. Stattdessen raffte sie ihr teuer aussehendes, mitternachtsblaues Kleid und stöckelte rasch die Treppe hinunter. Hoch erhobenen Hauptes ging sie auf Liviu zu und funkelte ihn weiterhin an.

„Liviu…“, murmelte sie gefährlich leise, als sie direkt vor ihm stand. „Wo warst du so lange? Du warst seit Tagen nicht mehr hier!“

„Ich hatte eben viel um die Ohren“, antwortete er.

„Ach ja?“ Natalia hob skeptisch eine Augenbraue.

„Natürlich! Sonst wäre ich ja gekommen.“ Liviu setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. „Verzeihst du mir, Natascha?“

Natalias Wangen zierte ein zarter Rotton, als sie ihren Kosenamen hörte, zu einem richtigen Lächeln ließ sie sich allerdings nicht bewegen. Schlussendlich aber seufzte sie aber und ergriff Livius Hand. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Liviu einen sanften Kuss auf den Mund, den er hoffnungsvoll erwiderte. Ein enttäuschtes Seufzen verließ seinen Mund, als Natalia den Kuss wieder löste. Sie sah ihm nun wieder fest in die Augen.

„Nun gut. Ich verzeihe dir, wenn du mitkommst“, meinte sie und zog Liviu die Treppe hinauf.

„In Ordnung…“, murmelte er und meinte den leisen Anflug eines Lächelns auf Natalias Gesicht erkennen zu können.
 

Oben angekommen, schleifte Natalia Liviu sogleich weiter in das geräumige Wohnzimmer, welches mit etlichen bequemen Sesseln und Regalen voller Bücher und Krimskrams dekoriert war. Livius Lächeln wurde breiter, als er erkannte, dass in einem der besagten Sessel, kein geringerer als Natalias Bruder, der Offizier Ivan Braginsky, saß. Mit dem Liviu mehr, als nur beruflich zu tun hatte. Sehr viel mehr.

„Ivan… Rate, wer da ist…“, säuselte Natalia, als sie sich, noch immer mit dem Magier im Schlepptau, an Ivan, der mit dem Rücken zur Tür saß, heranschlich. Sie ließ Liviu los und beugte sich über die Lehne, sodass ein paar Strähnen ihrer langen Haare Ivans Gesicht streiften.

„Mein hübsche Schwester würde ich sagen“, murmelte Ivan und strich Natalia über das Haar. Natalia lachte leise auf, bevor sie fragte: „Und wer noch?“

„Etwa Liviu?“, fragte Ivan nach kurzer Überlegung und erhob sich, um sich zu vergewissern, ob er richtig lag, aus dem dunkelroten Sessel.

„Richtig!“ Liviu grinste Ivan erfreut an. „Schön, dich zu sehen“, sagte er, bevor er einen Schritt auf Ivan zumachte und ihn zu sich herunterzog, um ihn in einen stürmischen Kuss zu verwickeln. Es war schon ewig her, dass er Ivan gesehen hatte, schließlich war Ivan als Offizier ziemlich beschäftigt und in der Öffentlichkeit durften sie beide sich ohnehin nicht zu solchen Dingen erwischen lassen. Entsprechen fiel nun ihre Begrüßung aus. Nach einer Weile merkte er, wie ihn Natalia schon fast ungeduldig am Ärmel seines Mantels zupfte.

Das würde sicher eine lange Nacht werden.
 


 

Als Liviu langsam erwachte, fand er sich, wie erwartet, im großen Himmelbett Natalias wieder. Er blinzelte verschlafen und ließ seinen Blick zu den Personen neben sich wandern. Neben ihm, direkt in der Mitte des großen Bettes, lag Ivan, der allem Anschein nach noch ruhig schlief. Liviu wusste nicht, warum Ivan auf die meisten furchteinflößend oder autoritär wirkte. Eigentlich sah er doch ziemlich friedlich aus. Jedenfalls wenn er schlief. Liviu lächelte unwillkürlich und strich Ivan eine seiner aschblonden Strähnen aus dem Gesicht. Dicht an ihn gepresst lag, wie zu erwarten, Natalia, die wie immer die Nähe ihres großen Bruders suchte. Liviu hatte von Anfang an nie gewusst, was Natalia eigentlich für ihren Bruder empfand, ob es wirklich Liebe oder nur eine ziemlich verquere Form der schwesterlichen Zuneigung war. Nun, allerdings hatte sich das Thema, seit dem sie eine Beziehung führten, aber auch so ziemlich erledigt.

Livius Blick wanderte erneut zu Ivan. Er seufzte unwillkürlich. Eigentlich müsste er Ivan von dem Plan der Magier, die Jäger zu unterstützen erzählen, da Ivan, aufgrund einiger Konflikte politischer Natur, nie länger als ein paar Tage in Elemenor blieb und letztendlich auch, weil der Schwarzmagier selbst hoffte, bei der Verteidigung der Stadt mitwirken zu können. Über solche Themen zu sprechen eignete sich aber wiederum nie gut, wenn Natalia anwesend war, da sie ziemlich allergisch darauf reagierte, wenn ihr mitgeteilt wurde, dass einer ihrer Freunde für einige Zeit nicht da sein würde oder sich gar in Gefahr begab. Liviu würde lieber sofort gegen zehn Dunkelelfen auf einmal antreten, als sich auszumalen, was er für eine Standpauke von Natalia gehalten bekommen würde. Sie sorgte sich zwar nur, aber sie tendierte stets dazu, ihre Sorge in Form eines Vorwurfes auszudrücken. Woraufhin sich besagter Freund meist breitschlagen ließ und alles tat, um möglichst schnell wiederzukommen oder am besten gar nicht zu gehen. Wobei letzteres wohl Livius Option war.
 

Für einen Moment schloss er die Augen, um zu überlegen, wann und wie er Ivan am besten erklären sollte, was sich an den Grenzen Elmenors abspielte. Wenn möglich ohne Natalia allzu sehr einzubeziehen. Erneut verließ ein tiefer Seufzer Livius Mund. Er kniff die Augen fester zusammen. Was konnte er tun?

Er wurde abrupt aus seiner Überlegung gerissen, als er spürte, wie eine warme Hand über seine Schulter strich und langsam begann, weiter über seinen nackten Oberkörper zu wandern.

Sofort schlug Liviu seine Augen auf und sah zu Ivan, der in aus seinen violetten Augen verschlafen anblinzelte.

„Morgen…“, murmelte Ivan. „Warum seufzt du so laut?“

„Oh“, sagte Liviu und unterdrückte ein Gähnen. „Ich wollte dich nicht wecken.“

„Hm“, machte Ivan nur und fuhr fort, mit dem Finger Muster auf Livius Körper zu zeichnen.

„Schläft sie?“, flüsterte Liviu und nickte zu Natalia. Ivan sah kurz zu ihr, bevor er nickte und fragte: „Ja, wieso?“

Liviu holte noch einmal tief Luft. Besser jetzt als nie. „Na gut… Du hast doch sicher von dieser Angriffen aus dem Wald gehört.“

Ivan nickte in stummer Zustimmung, ohne aufzuhören, Liviu zu bearbeiten.

„Nun, es ist so, dass die Magiergilde beschlossen hat, bei der Verteidigung mitzuwirken. Und ich werde wohlmöglich auch bei dem Verteidigungs-Trupp dabei sein. Nur, dass du’s weißt.“

„Und nicht Natascha erzählst, hm?“, fragte Ivan und lächelte schief.

Liviu lachte auf. „Ja, so ziemlich.“

„Dafür wird sie danach aber doppelt so wütend sein, dessen bist du dir bewusst, oder?“

„Ja… Aber so spielt das Leben…“

„Na gut. Dann pass dann gut auf dich auf, ja? Ich will dich nicht in Einzelteilen wiederbekommen.“

„Geht klar“, meinte Liviu und setzte sich auf, um Ivan zu küssen. Einen Kuss, den Ivan sofort leidenschaftlich erwiderte.

„Mir wird schon nichts passieren.“



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