Wenn du nicht realisierst...
Sie schließt die grünen Augen, hält den Atem an, bläst ihn wieder raus und fühlt, wie die aufgehende Sonne, die ihr ins Gesicht scheint, ihre Seele wärmt, längst vergessene Wärme aufkeimt und sie leicht schmunzeln lässt. Eine kalte Hand, die ihr auf die Schulter gelegt wird, lässt sie kurz frösteln, doch schon im nächsten Moment wirbeln hunderte Schmetterlinge in ihrem Bauch, lassen sie lächeln, wunderschön lächeln. Was ein Kuss alles bewirken kann, wundert sie sich und dreht sich schwungvoll um, sodass ihre Haare um ihren Kopf herumwirbeln, wie ein rosa Fächer.
Sie legt ihre Hand auf seinen Brustkorb, auf den, von schwarzem Stoff bedeckten, Körper und hebt den Kopf an, um ihm ins Gesicht zu blicken. Die schwarzen Augen, die jede ihrer Bewegungen beobachten, das schwarze Haar, das an allen Seiten absteht, die blasse, fast weiße Haut und die markanten Gesichtszüge verstärken das Gefühl in ihrer Magengegend nur noch mehr und kichernd lehnt sie ihr Ohr an seinen Brustkorb und seufzt erleichtert, als sie den Schlag seines Herzens hört. Leicht zu überhören, zu leicht, wenn man es genau nahm und das tat sie. Besorgt blickt sie wieder hinauf und hebt eine Augenbraue verwirrt an, als sie seine Mundwinkel zucken sieht.
Verständnislos schüttelt sie den Kopf leicht, sodass die Ohrringe, die er ihr geschenkt hat, nach links und nach rechts schaukeln, aber er lächelt nur noch breiter und haucht ihr einen federleichten Kuss auf die Wange. Keine Worte, nein. Nichts hatte im Moment eine solch große Wichtigkeit, wie die Zärtlichkeiten, die sie miteinander austauschen, also belässt sie es dabei und zieht ihn herunter zu sich. Sie weiß nicht warum, aber sie klammert sich an ihn, hält ihn fest, die Finger tief in seinem schwarzen Shirt vergraben... Oder ist es ein Anzug? Sie geht einen halben Schritt zurück und tatsächlich... Er hat einen schwarzen Anzug an.
„Seit wann trägst du so etwas?“ Ihre Stimme ist rau und ihr Hals kratzt wie verrückt, als sie den Mund aufmacht. Sie hofft innerlich, dass sie nicht krank wird und registriert bloß, wie er mit den Schultern zuckt. Währenddessen beobachtet er sie weiterhin, lässt sie nicht aus den Augen und vergräbt seine Nase in ihre Haare, die nach Kirschen duften. Einmal mehr ergreift die Einsamkeit Besitz von ihr und hilfesuchend umarmt sie seinen Nacken mit ihren Armen, lässt ihn nicht weg, klebt sich an ihn und auch er vergräbt seine Nase tiefer in ihr langes Haar. Sie spürt, wie er ihr darüber streicht, immer wieder eine Haarsträhne zwischen seine Finger gleiten lässt, abermals, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen.
Ob sie verwundert ist? Ja, gewissermaßen, aber sie möchte den Moment nicht zerstören, das Gefühl, geliebt zu werden. Es kommt ihr vor, als ob sie schon seit Tagen alleine ist, alleine gelassen, sie kann es nicht erklären. Dieses Mal geht er einen Schritt zurück und streckt die Arme aus, da er sie an den Schultern festhält. „Was ist?“, fragt sie ihn neugierig und erschreckt. Unsicherheit erfüllt ihren Körper, als er den Kopf schüttelt, von einer Seite zur anderen, einige Sekunden lang. „Du kannst es mir doch sagen“, meint sie und streckt eine Hand nach ihm aus, doch er weicht nur aus von ihr und wendet sich mit dem Rücken zu ihr.
Tränen sammeln sich in ihren Augen. Wann hatte sie das letzte Mal geweint? Sie erinnert sich nicht mehr daran. Allerdings scheint es, als ob es nicht lange her gewesen ist. Als er sich zu ihr umdreht, hält er eine Feder in der Hand. Weiß und wunderschön. Mit einem Schritt ist er bei ihr und fährt damit vorsichtig über ihr Gesicht, streichelt ihre Wangen damit, sodass sie leicht lächelt, befreit zu sein scheint. Sie schließt die grünen Augen, hält den Atem an, bläst ihn wieder raus und fühlt, wie die aufgehende Sonne, die ihr ins Gesicht scheint, ihre Seele wärmt, längst vergessene Wärme aufkeimt und sie leicht schmunzeln lässt.
Eine kalte Hand, die ihr auf die Schulter gelegt wird, lässt sie kurz frösteln und doch ist es anders, als beim letzten Mal. „Sasuke?“ Sobald sie den Namen ausspricht, zuckt die Hand zurück und jetzt kann sie nicht mehr anders, als sich umzudrehen, um zu sehen, wer dasteht. „Ino.“ Ihr Tonfall klingt überrascht, sie hatte ihre Freundin nicht erwartet. Sie hatte ihren Mann erwartet. Ihren Ehemann. Von der Arbeit. Wo war er?
„Komm, wir müssen los. Alle warten auf dich.“ Überrascht hebt sie beide Augenbrauen an und lächelt unsicher. „Aber wohin?“ Sie merkt, dass sie Ino mit einem störrischen Blick betrachtet, aber sie schenkt dem kaum Beachtung. Viel mehr fragt sie sich, warum die blauen Augen ihrer Freundin so rot geädert sind. „Hast du geweint?“, setzt sie ihre Fragerei fort, doch auch dieses Mal antwortet die Blondine nicht. Die Rosahaarige legt den Kopf schief und lächelt leicht. „Sasuke wird auch dort sein.“ „Tatsächlich?“, fragt Sakura erfreut, „Ist das vielleicht eine Überraschungsparty für ihn?“
„Es ist sein Begräbnis.“
Sie schließt die grünen Augen, hält den Atem an, bläst ihn wieder raus und fühlt, wie die untergehende Sonne, die ihr ins Gesicht scheint, ihre Seele wärmt, längst vergessene Wärme aufkeimt und sie leicht schmunzeln lässt. Eine kalte Hand, die ihr auf die Schulter gelegt wird, lässt sie kurz frösteln und mit einem Schlag ist auch der Ansatz des Lächelns weg. „Ich komme, Ino.“ Die Feder, die sie in der Hand hält, fährt noch ein letztes Mal über ihre nassen Wangen, bevor sie sich vom Fenster und dem schönen Wetter abwendet. Sie hat sich wieder daran erinnert, wann es das letzte Mal gewesen ist, dass sie geweint hat.
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finished.