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Zwei Sichtweisen einer Zugfahrt

Wie unterschiedlich ein und die selbe Situation sein kann...
von

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Sicht 2

*~♥~*
 

Die Landschaft rauschte vorbei. Schnell, sodass sie verschwommen wirkte. Ich bin selten S-Bahn gefahren. Eigentlich habe ich mich wenn überhaupt nur mit Bussen und U-Bahnen fortbewegt.
 

“Düsseldorf - Hauptbahnhof.” Ich habe nie gedacht, dass es so weit von Köln nach Essen ist. Dabei musste ich nur zu einem Randgebiet von Essen. Noch neun Stationen. Nächstes mal werde ich das Auto nehmen.
 

Der Zug hielt an, die Türen öffneten sich, Menschen strömten hinein, besetzen die letzten freien Plätze. Türen schlossen sich, der Zug fuhr los.
 

Gelangweilt ließ ich meinen Blick wandern. Ein paar Anzugträger hatten sich in den Vierer gegenüber gequetscht. Dahinter saß eine junge Frau, Anfang zwanzig, eine Zeichenmappe in der Hand. Mein Blick wanderte wieder zum Fenster zurück.
 

Rasch fuhren wir weiter. Es wird immer schneller immer dunkler. Die Häuser wurden zu einer dunklen Wand, nur unterbrochen von vereinzelten Lichtern. Noch drei Wochen, dann werde ich mir den einstündigen Weg von der Uni nach Hause sparen können.
 

“Düsseldorf - Wehrhahn.” Der Zug fuhr in den beleuchteten Bahnhof ein. Türen öffneten sich, die Frau mit der Zeichenmappe stieg aus und stöckelte mit ihren Stöckelschuhen über den Bahnsteig. Ein kurzer Rock und das bei der Kälte?
 

Der Zug fuhr weiter, hielt zwei Minuten später in Düsseldorf Zoo, Leute stiegen ein und andere aus. Eine junge Frau, ihre langen, blonden Haare zu einem Zopf gebunden, setzte sich zu den drei Anzugträgern.
 

Mein Blick striff die ältere Frau mir gegenüber. Dann sah ich den nächsten Bahnhof am Fenster. “Düsseldorf - Rath Mitte.” Die Frau stieg aus. Draußen schlang sie sich ihren Schal um den Hals und knöpfte ihren Mantel hastig mit ihren behandschuhten Fingern zu. Ich sah mich weiter um. Das einzig spannende hier waren die veschiedenen Leute... Meine Musik hatte ich ja auch vergessen.
 

Als wir wieder los fuhren, löste ich meinen Blick vom Fenster und sah direkt in grün-graue Augen, die musternd über mich wanderten. Ich warf ihm einen Amüsierten Blick zu und sah, wie sich seine Wangen leicht röteten, könnte aber auch von der Kälte draußen kommen.
 

“Kann ich... also darf? Weil, die ganzen Leute...”, seine Stimme war zögernd, unsicher und mit leicht zitternder Hand deutete er auf den Sitzplatz mir gegenüber. Verstehend nickte ich und sah zu, wie er sich mehr als nervös fallen ließ, seine Tasche auf den leeren Platz neben sich stellend.
 

Ich strich mir ein paar meiner kinnlangen, schwarzen Stähnen zurück und betrachtete ihn. Seine rötlichen Haare waren kurz und modisch geschnitten, dann sorgsam mit Gel zurecht gemacht. Scheinbar legte er viel Wert auf sein Äußeres. Seine Jacke war eindeutig Figurbetont und die ebenfalls schwarze Hose war so eng, dass ich angst hätte mir etwas abzuschnüren. Sein Blick war kurz zum Fenster gewandert, fokussierte dann wieder mich.
 

“Hi...”, sagte er und klang dabei unsicher. “Hi”, erwiederte ich höflich, wie ich nunmal war. “Nächster Halt: Düsseldorf - Rath. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts!”, riss mich kurz aus meinen Gedanken. Der Zug hielt und der junge Mann vor mir sah immer noch etwas verlegen auf seine Hände.
 

Er fragte nach meinem Befinden und zerstörte, ohne es recht zu merken, seine Frisur. Aber so viel gab es da nicht zu zerstören. “Kann mich nicht beklagen und dir?”, antwortete ich grinsend. Er zögerte, biss auf seine Lippe und sagte dann mit viel zu hoher Stimme: “Mir geht es fabelhaft!”
 

Ich schmunzelte. Er erfüllt jegliche Klischees, dachte ich. Dann fing er an zu reden, mir schien es fast so, als wollte er das Gespräch unbedingt in Gang halten: “Bist du oft hier? Also ich fahre jeden Tag mit dem Zug und hab dich noch nie gesehen. Kann ja sein, dass du sonst immer zu anderen Zeiten unterwegs warst. Was machst du eigentlich? Ich studiere an der Uni in Düsseldorf...” Ich würde darauf wetten, dass er Modedesign studiert. Ein bisschen abweisend murmelte ich: “Bin vor kurzem nach Essen gezogen.” Doch mein Grinsen blieb präsent in meinem Gesicht. Ich hab selten so jemanden wie ihn getroffen, der so offensichtlich schwul war.
 

“Wo hast du denn vorher gewohnt?”, fragte er und klang interessiert und neugierig. Ich sagte ihm, dass ich aus Köln komme und da auch studiert habe, jetzt aber in Essen einen Job gefunden hab. Seine Augen blickten wieder interessiert in meine und er wand schnell den Blick wieder ab. Mir hat mal jemand gesagt, dass meine blauen Augen so eisig und durchdringend sind, dass man nicht lange in sie gucken kann. Vielleicht ist da ja was wahres dran. “Ratingen Ost!”, unterbrach die Zugansage meine Gedanken erneut.
 

“Was studierst du denn?”, wollte er sichtlich interessiert wissen und ich dachte, dass ich ihn wohl enttäuschte, als ich: “BWL.”, antwortete. Erstaunt blickte er mich an. Ich sah eher wie ein Künstler aus, das wusste ich. Er überspielte seine Überraschung, indem er das Ganze mit einem gleichgültigen: “Achso...”, herunterspielte und zuckte zusammen, als: “Kettwig - Stausee. Ausstieg links!”, durch das Abteil hallte.
 

“Ich muss hier raus... Vielleicht sehen wir uns ja nochmal”, sagte der hochgewachsene Mann und warf mir einen teils fragenden und teils hoffnungsvollen Blick zu. Ich nickte ihm einfach nett zu, dann stolperte er ein paar Schritte rückwärts und verließ den Zug durch die sich gerade öffnenden Türen.
 

Immer noch schmunzelnd sah ich aus dem Fenster und sah den Rothaarigen am Bahnhof stehen. Er schenkte mir ein vieldeutiges Lächeln. Dann fuhr der Zug weiter. Kurze Zeit später hielten wir in Kettwig, dann in Werden. Ich bekam kaum mit wie wir Villa Hügel passierten. In Gedanken war ich noch immer bei der interessanten Begegnung von vorhin. Essen Süd und Stadtwald muss ich wohl verträumt haben, denn die S6 hielt schon im Hauptbahnhof.
 

Ich stieg aus und schüttelte über mich selbst den Kopf.
 

*~♥~*



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Saynaya
2012-07-01T20:40:09+00:00 01.07.2012 22:40
Süße Idee Mal zwei Sichten einer Begegnung zu zeigen.
Hat mir gut gefallen und dann alles im Ruhrpott^^



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