Zum Inhalt der Seite

Jeder kann Rührei

Kleine Brüder ausgenommen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Echt mal!

Seit dem ersten Schnee beobachte ich die Sonne beim Aufgehen. Sehe, wie sie ihre Strahlen auf den mit Schnee bedeckten Flächen durch die dunklen Abgründe dieser Stadt schickt und mit ihrem Licht alle Finsternis fortspült.

Er ist wieder da und hat meinen kleinen Bruder unter seine Fittiche genommen. Jetzt brauche ich nur noch auf mich Acht zu geben. Kann tun und lassen was ich will. Muss nicht ständig auf der Hut sein, weil der Knirps Unsinn macht und unüberlegt handelt.

Wem mache ich etwas vor? Der Knirps fehlt mir.

Den Mantel der überdimensionierten Fledermaus habe ich ebenfalls zurückgegeben. Das macht mir gar nichts aus. Ganz im Gegenteil. Nun ist das Original wieder das Original.

In letzter Zeit – und des nahenden Weihnachtsfestes wegen – hege ich die Vermutung, ich sollte mich mal wieder bei Barbara melden. Zivil, privat und persönlich. Das letzte Mal habe ich vor Monaten mit ihr gesprochen. Maskiert. Als Batman. Und dann via ComLink.

Ich lächle unmerklich. Na! Da hat sich jemand heimlich aus Vaters Schatten geschlichen. Gewiss kriegt er dafür gehörigen Ärger und gewiss ist es ihm egal – in diesem Augenblick jedenfalls und dem Respekt vor Batman zum Trotz.

Noch immer tue ich so, als hätte ich ihn nicht bemerkt und kauere mich wie zufällig nieder. Keine Sekunde später springt mir mein kleiner Bruder auf den Rücken, umschlingt meine Hals und würgt mich etwas in diesem Griff. Es stört mich nicht. Ich bekomme genug Luft. Er legt seinen Kopf auf meine Schulter und schweigt. Ich halte seine Hände und bleibe genauso stumm. Eine Weile verharren wir so.

„Kommst du nicht mehr nach Hause?“ fragt er. „In den Manor? In die Höhle?“

Ich schüttele den Kopf.

„Warum nicht?“

Persönliche Gründe. Ich fühle mich zurzeit im Anwesen und in den Höhlen nicht sonderlich wohl. Ich will mal was anderes sehen. Bruce und Damian brauchen Zeit und Raum für sich. Zum Kennenlernen. Ich brauche Zeit und Raum für mich. Zum Verschnaufen. Das alles sage ich nicht – will ich nicht sagen – und darum sage ich gar nichts.

„Also…?“ Er verstärkt seinen Würgegriff eine Winzigkeit um mir eine Antwort zu entlocken. „Warum nicht?“

Ich stehe wortlos auf – meinen kleinen Bruder auf meinen Rücken und um meinen Hals.

„Ist es wegen Vater? Oder wegen mir? Oder wegen uns beiden? Oder weil du nicht mehr Batman bist?“

Auch auf diese Fragen gehe ich nicht ein. An die Brüstung herangetreten stelle ich mich drauf, stoße mich ab und falle – meinen kleinen Bruder auf meinen Rücken und um meinen Hals. Augenblick klammert er sich wie ein Äffchen an mir fest. Seine Beine um meine Taille und seine Arme nur noch fester um meinen Hals. Oft sind wir so losgezogen und hatten unseren Spaß dabei.
 

Mein kleiner Bruder versucht es zu unterdrücken, doch höre ich sein Jauchzen, als wir uns über die Schluchten der verschneiten Stadt schwingen, auf Feuerleitern und Dächern landen und eine Pause auf der Dachterrasse von Wayne-Cosmetics machen, eine kleine Schneeballschlacht veranstalten und neuerlich unterwegs sind. Er auf meinem Rücken, seine Arme um meinen Hals und seine Beine um meine Taille.

Wohin? Keine Ahnung. Wir lassen uns treiben. Der Weg ist das Ziel.

Vielleicht setze ich meinen kleinen Bruder einfach in der Nähe des Batmobils ab, vielleicht nehme ich ihn mit in mein Appartement für einen heißen Kakao mit Marshmallows und Keksen.

„Kommst mit zu mir?“ erkundige ich mich über meine Schulter. „Für einen heißen Kakao?“

„Mit Marshmallows?“ fragt er. „Und dazu diese Kekse von neulich? Mit der weißen Schokolade? Und den Nüssen?“

Ich nicke.

„Tt… Wenn’s sein muss…“

Kenne ich. Heißt bei meinem kleinen Bruder: „Ja. Unheimlich gern. Danke sehr.“ Also die Sache mit Appartement – heißen Kakao mit Marshmallows trinken und Keksen naschen.

„Dann los!“
 

Auf dem Weg zu meinem Appartement piept das ComLink in meinem Ohr. Er. Und er will natürlich wissen, wo Robin abgeblieben ist. Besorgnis macht seinen Ton barsch und er verlangt eine sofortige Antwort. Kriegt er. „Bei mir.“ Danach ein Knopfdruck – und die Verbindung ist gekappt. Jetzt und hier gibt es keinen Robin. Jetzt und hier gibt es nur ein kleiner Bruder, der sich an seinem großen Bruder festhält und mit ihm die Stadt unsicher macht, gleich einen heißen Kakao mit Marshmallows trinkt und Kekse isst.
 

Nach einer heißen Dusche versinkt Damian fast in einem meiner Jogginganzüge und mümmelt sich auf dem Sofa, hält die größte Tasse – die ich zu bieten habe in der Hand und schaufelt sich einen Berg von Marshmallows in seinen ohnehin sehr süßen Kakao. Die Keksdose vereinnahmt er komplett und verteidigt sie gegen meinen Zugriff mit einem bösen Blick, der mich arg an seinen Vater erinnert.

„Mache ich mir halt ein Sandwich.“ resigniere ich und schlurfe in die Küche. Meine Sandwiches esse ich allein. Davon will Damian nichts. Meine Sandwiches mag mein kleiner Bruder nicht. Wer weiß, woran das liegt. Meine Art die Brote zu belegen, vermute ich. Erdnussbutter und Gelee, Käse und Essiggürkchen sind nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht kombiniert und auf einem Brot.

Meinen Teller Sandwiches in der Hand werfe ich von der Küche einen Blick in das Wohnzimmer. Was ein Anblick! Da sehe ich Damian zusammengesunken in einer Ecke der Couch. Die halb geleerte Tasse Kakao in der einen und den angegessen Keks in der anderen Hand.

Er ist bei mir und in meinem Appartement eingeschlafen, was ich als große Anerkennung betrachte. Hier fühlt er sich sicher. Mein kleiner Bruder, auf den ich so stolz bin. Da sitzt er, der kleine Kerl, mit Kakaobart und Krümeln um den Mund.

Die Sandwiches bleiben hier. Lautlos nähere ich mich dem Sofa und nehme dem Knirps in aller Vorsicht Tasse und Keks ab. Beides beiseite gestellt befördere ich Damian in eine einigermaßen bequeme Schlafposition. Er öffnet kurz die Augen – ohne wirklich wach zu werden – und schließt sie wieder. Ich decke ihn zu, streichle sein Haar und begebe mich in die Küche, zu meinen Broten.
 

Die Sandwiches esse ich im Stehen und mache mir dabei den letzten Rest Kakao warm.

Eine Frage der Zeit. Nichts weiter.

Umzudrehen ist unnötig. Ich kann ihn spüren und weiß, er steht hinter mir – die Arme unter dem Cape verschränkt. In Gedanken zähle ich bis drei, wirbele herum und begrüße ihn lässig, reiche ihm den letzten Rest Kakao und ein Sandwich. Er lächelt mit dem linken Mundwinkel, nimmt einen Schluck Schokotrunk – Kakaobart! Und ich werde es ihm nicht sagen! – und beißt vom Sandwich. Kurz darauf verzieht er den sichtbaren Teil seines Gesichts. „Erdnussbutter und Gelee, Käse und Essiggurke?“

„Meine Spezial-Mischung.“

„Hm…“ Den Rest Sandwich gibt er mir zurück. „Damian?“

„Schläft.“ Ich beiße vom Brot. „Tief und fest.“

Er nickt, wirkt zufrieden und geht, wie er gekommen ist. Aus dem Fenster kletternd. Wenn man ihm dabei zusieht klappt das nicht heimlich und elegant. Er bleibt sogar mit seinem Cape am Fenstergriff hängen, was ihm gründlich den Abgang versaut.

Mein schadenfrohes Grinsen kommentiert er mit einem kaum merklichen Schmunzeln. „Ich hole ihn nachher ab.“ kündigt er an. „Nachher.“ betont er noch einmal.

„Ja. Mach das.“ Ein Nicken meinerseits. „Kakaobart.“ sage ich ihm doch.

Es ist nur den Bruchteil einer Sekunde sichtbar, aber auch er grinst – sogar amüsiert – wischt sich über den Mund und verschwindet.

Zeit für mich, ebenfalls eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Ein ‚Bzzbzzbzz‘ und mein dazu tanzendes Mobilfunktelefon machen mir dieses Vorhaben gerade zunichte.
 

„Aufstehen!“ Damian rüttelt an mir und zieht meine Decke weg. „Ich habe dir Frühstück gemacht. Ja. Nett von mir. Schläfst du immer so lange? Tt! Los! Steh auf!“

Genaugenommen bin ich seit maximal dreißig Minuten im Bett. Ein Notfall und Nightwing musste noch mal raus. Am helligten Tag. Nicht ganz so schlimm. In Gotham hat es auch tagsüber genügend Schatten.

Mein kleiner Bruder hat diesen Notfall erfolgreich verpennt und strahlt wie das blühende Leben. Ich dagegen fühle mich wie durch den Fleischwolf gedreht.

„Hmpf.“ erwidere ich, entwende ihm die Decke und ziehe mir diese über den Kopf. „Später.“

„Tt!“ Ein Boxhieb in meinen Bauch. „Du stehst sofort auf! Das Rührei wird kalt. Dann schmeckt es nicht mehr.“

Seine Versuche, Rührei zu produzieren… Bisher hat nichts davon geschmeckt. Nicht einmal genießbar war es. Mich packt das pure Grauen. „Später!“ grummele ich nur wieder.

„Los! Raus aus den Federn!“ meckert Damian. „Oder ich trete dich aus dem Bett.“

Ich linse über den Rand der Decke. „Ach ja? Du allein? Oder wer noch?“

„Ich allein! Das reicht!“ Und mit Kampfgeschrei stürzt er sich auf mich.
 

Gegenüber meinem kleinen Bruder bin ich im Vorteil. Nicht durch Größe, Stärke, Kampferfahrung. Oh nein! Ich weiß wo er kitzelig ist. Und nutze es schamlos aus. Mein kleiner Bruder quiekt belustigt, lacht erheitert und schimpft gleichzeitig empört.

Nur selten ist Damians Lachen sicht- und hörbar. Hauptsächlich bin ich es, der es sieht und hört. Lachen empfindet er als Schwäche. Jedenfalls wurde es ihm so eingetrichtert. Von einer Sekunde auf die andere ist mir egal, ob er mir dafür gleich einen Schlag in die Rippen verpasst oder gegen das Kinn oder sonst wohin. Mir ist genauso egal, ob er mich dafür gleich tritt. Ich nehme Damian in die Arme und drücke ihn an mich. „Du bist ein toller kleiner Bruder!“ versichere ich inbrünstig.

Den Bruchteil einer Sekunde wird er stocksteif, wie erstarrt. Schließlich entspannt er sich, schlingt seine Arme um meinen Hals und schmiegt sich an meine Brust. „Danke…?“ flüstert er und klingt verunsichert. Nach einem Gedankengang und einem tiefen Atemzug fragt er nach: „Wirklich?“ Damit klingt er zweifelnd.

„Wirklich!“ bestätige ich – über jeden Zweifel erhaben.

Noch etwas, bei dem wohl nur ich es bin, der es sieht und hört. Damian gibt einen leisen Schluchzer von sich. „Du magst mich… wie ich bin…?“ entkommt es ihm ungläubig. „Obwohl ich dich… Du weißt schon… niedergeschlagen habe…?

Taten sprechen für sich. Ich halte meinen kleinen Bruder fest und kraule ihm das Haar.

„Das hätte ich nicht gedacht.“ flüstert er. „Ja… Ich weiß… Wir kommen besser miteinander aus, als ich mit diesem blöden, aufgeblasenen, besserwisserischen, sich den Namen Wayne erschleichenden Timothy Drake auskomme. Aber… Das hätte ich nicht gedacht.“ Einen weiteren Gedankengang und einen weiteren tiefen Atemzug später löst er seine Umarmung und sieht mir in die Augen. „Und warum?“ will er wissen. „Warum magst du mich? Warum nennst du mich einen kleinen Bruder? Du musst mich doch hassen! Warum tust du das nicht? Warum behandelst du mich so gut? Warum das alles?“

„Du bist wie dein Vater. Ganz genauso!“ erwidere ich, drücke ihn noch einmal kurz und lasse ihn los, schwinge mich aus dem Bett und lächele aufmunternd. „So. Jetzt zu deinem Rührei!“ Und Kaffee. Viel Kaffee!
 

Das Rührei… Zu scharf und zu salzig – eigentlich nur annähernd essbar. Damian hat vor dem Braten wenigstens die größeren Eierschalenreste herausgefischt. Eine nicht zu verachtende Portion Kalzium kriege ich dennoch. Maßlos überwürztes, knuspriges Rührei... Es treibt mir fast die Tränen in die Augen, die ich mir unter größter Anstrengung verbeiße.

Unverwandt schaut er mir beim Essen zu, erwartet noch immer konkrete Antworten auf seine Fragen und stellt sie mir aufs Neue.

„Damian… Was man fühlt… Das kann man nicht in Worte fassen.“ versuche ich zu erklären. „Es ist halt so.“

„Tt! Zirkusjunge! Du bist weichherzig! Das ist Schwäche!“

„Klar…“ Höre ich nicht zum ersten Mal.

„Oh ja! Und eines Tages…“

„Und eines Tages…“ unterbreche ich ihn. „Rettet mir diese Schwäche den Ar… Hintern. Weil eine Familie zusammenhält! Weil sie füreinander da ist. Wie du selbst schon bemerkt hast! Und wovon du selbst schon profitiert hast.“

Mein kleiner Bruder öffnet den Mund und klappt ihn wieder zu, senkt den Kopf und sieht wieder auf. „Wie ist das Rührei?“ erkundigt er sich aus Verlegenheit.

„Prima.“ Für diese so was von dicke Lüge kriege ich zu Weinachten bestimmt ein Stück Kohle. Den letzten Rest in aller Eile verschlungen – bloß nicht zu lange auf der Zunge lassend – teile ich mit, Damian wird gleich von seinem… unserem… seinem Vater abgeholt.

Er runzelt die Stirn. „Hätte ich das eher gewusst, hätte ich etwas Rührei zurückbehalten können!“ erklärt er und es hat viel von einem Vorwurf. „Vater hätte es sicherlich auch gern etwas davon gehabt!“ Auf meinen – in Mühe und Not geleerten Teller weisend tadelte er mich jetzt ganz offen. „Und du hast alles allein aufgefressen!“

Ich muss grinsen. Echt mal! Ich liebe diesen Knirps!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  black-bat
2017-03-25T21:49:25+00:00 25.03.2017 22:49
Sehr schön gemacht.
Von:  Black_Polaris
2014-04-27T20:25:41+00:00 27.04.2014 22:25
oh mein gott, das ist so schön geschrieben, ich konnte vor lachen und vor rührung kaum an mich halten, wahnsinn, ich bin begeistert , hoffentlich lese ich bald mehr soclher tollen storys
ich mag die zwei zu süß
Von:  xFannyx
2012-11-30T15:07:17+00:00 30.11.2012 16:07
Awww, Dick und Damian sind so süß zusammen ^3^ genauso stell ich mir die beiden zusammen vor, und der Auftritt von Batman war herrlich... Schokobärtchen xD Zu geil! Damians Vergangenheit macht mich echt traurig, er hatte ja nie so wirklich eine Kindheit und ich denke, das Beste, dass ihm passieren konnte, war, das Dick zu Batman wurde - weil Dick einfach viel mehr Geduld als Bruce hat. Irgendwie um so trauriger, dass dieser Teil im Reboot wegrationalisiert wurde Q____Q Mach mehr solcher tollen FF ♥

Und Danke für dein Kommi auf mein Fanart ;)
Von:  Merida
2012-08-25T10:06:31+00:00 25.08.2012 12:06
Ich habe zu lange keine Geschichte mehr von dir gelesen, das ist mir schmerzlich bewusst geworden als ich diese hier gelesen habe.
Du verstehst es einfach Komische Momente mit ernsten Gedanken zu vermischen und sie zu einer Homogenen Masse werden zu lassen. Die Charaktere sind nie überzeichnet, sondern in so unglaublich vielen Facetten beschrieben das man regelrecht in die Handlung der Geschichten von ihnen hinein gezogen wird. Man möchte mehr wissen und in deinen genial gewählten Worten schwelgen. Auch wenn die Beiden nicht unbedingt zu meiner Riege der Lieblingscharakter gehören, hat die Geschichte mich gefesselt und mir sehr gefallen. Und du hast mein Interesse geweckt mich doch mal wieder mit ihnen und ihre Beziehung zur Fledermaus auseinander zu setzten.
Meri
Von:  Rigby
2012-07-05T14:31:17+00:00 05.07.2012 16:31
Diese Fanfic ist dir sehr gut gelungen! Ich liebe Damian und Dick zusammen, der Umgang zwischen den Beiden ist einfach zu köstlich und du hast das sehr gut rüber gebracht! Echt, Vielen Dank für diese Fanfic und ich hoffe es folgt noch mehr


Zurück