Zum Inhalt der Seite

Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

26. Kapitel

Die Schmerzen waren die schlimmsten, die sie je in ihrem Leben hatte ertragen müssen und doch waren sie nichts im Vergleich zu dem Wissen, was sie auslöste.

Sie war dabei, es zu verlieren. Es – ihr Baby!

"Nein, bitte nicht!" Ihre Stimme war pures Entsetzen. Tränen wollten sich ihren Weg ins Freie bahnen, doch Delilah kämpfte sie mit eisernem Willen zurück, während sie sich wieder aufraffte, nur um erneut in die Knie zu gehen, als ein weiterer Schwall frischen Blutes den Boden unter ihr tränkte.

"Deli! Verdammt, was ist los?! Das ist doch nicht normal!" James berührte sie an der Schulter; wollte ihr vermutlich nur helfen, doch sie ertrug das Gefühl nicht länger.

Die Wölfin schnappte mit gebleckten Zähnen nach ihm, im gleichen Moment als Delilah seine Hand wegschlug. "Fass mich nicht an!"

James wich so erschrocken vor ihr zurück, als hätte sie ihm direkt ins Gesicht geschlagen, aber darum kümmerte sie sich nicht länger, stattdessen versuchte sie noch einmal auf die Beine zu kommen. Sie schaffte es allerdings nur die paar Meter hinüber zur Wäscheleine, ehe sie von einer weiteren Schmerzwelle überrollt und in die Knie gezwungen wurde. Ihre Hände umklammerten ein feuchtes Handtuch, dass sie sich zwischen die Beine presste, während die Welt um sie herum sich zu drehen begann...

"Deli! Komm schon!" Deans Stimme drang unablässig auf sie ein und brachte sie dazu, ihre Augenlieder wieder auseinander zu zwingen, obwohl es ihr unglaublich schwer fiel. Er kniete neben ihr und stützte mit einem Arm ihren Oberkörper, während er ihr mit der anderen Hand nicht gerade sanft die Wangen tätschelte, aber sofort damit aufhörte, als sie wieder zu sich kam.

Sie musste für ein paar Minuten weggetreten sein, denn er war bereits wieder vollständig angezogen. Was sie von James nicht behaupten konnte, der auf ihrer anderen Seite hockte und dessen Gesicht jegliche Farbe verloren hatte.

Vielleicht war sie doch nicht so lange ohnmächtig gewesen.

Eine neue krampfartige Schmerzwelle durchzuckte ihren Unterleib und ließ sie gequält aufstöhnen, ehe sie sich noch schwerer in Deans Berührung sinken ließ. Ihr ganzer Körper bebte und die aufsteigende Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zu, so dass sie kaum richtig atmen konnte. Es tat so unglaublich weh!

"Deli, was ist los?" Dean hatte noch nie so besorgt ausgesehen. Dabei schien er das klebrige Handtuch zwischen ihren Beinen noch gar nicht richtig bemerkt zu haben.

Sie konnte ihm nicht antworten. Stattdessen krümmte sie sich erneut zusammen und war nicht länger dazu in der Lage, ein Schluchzen zu unterdrücken. Tränen liefen heiß ihre Wangen hinab, während der Rest von ihr immer kälter zu werden schien.

"Was hast du mit ihr gemacht?!", schrie Dean seinen Bruder an, als er von Delilah nicht die erhoffte Antwort bekam.

"Nichts! Sie hat sich mit Nadine angelegt!", verteidigte sich James vehement, aber die Sorge war auch in seiner Stimme zu hören, als er weiter sprach. "Sie blutet. Zuerst dachte ich, sie hätte ihre Tage, aber… Schau es dir selbst an."

James wollte nach dem Handtuch greifen, doch Dean packte grob sein Handgelenk und hielt ihn davon ab.

"Fass sie nicht an!" Es war ein tiefes Knurren. Eine Drohung die sein Bruder nicht missverstehen konnte, also zog er seine Hand wieder zurück und ließ Dean selbst das Handtuch zwischen ihren Beinen ein Stück wegziehen.

Delilah konnte spüren, wie es immer noch blutete und presste daher instinktiv ihre Schenkel zusammen, aber er war stärker und sie verlor den Kampf nur allzu schnell.

"Nein!", entfuhr es Dean beinahe atemlos. Er zuckte zusammen und drückt das Handtuch sofort wieder gegen die Blutung.

Für einen Moment wirkte er verloren, orientierungslos und sichtlich schockiert. Zu entsetzt, um irgendetwas zu tun, doch dann trat der wilde Ausdruck unermesslicher Wut in sein Gesicht und der Werwolf in ihm wurde nur noch von einer hauchdünnen Schicht menschlicher Haut zurückgehalten.

"Ich schwöre dir, wenn sie das Baby verliert, dann ist die Schlampe als nächstes dran!", drohte er unheilverkündend.

Dean schob seinen freien Arm unter ihre Knie und hob sie endgültig vom Erdboden hoch. Die Bewegung war so entsetzlich, dass Delilah beinahe wieder das Bewusstsein verlor und dennoch konnte sie James' bestürztes "Was?" hören.

Dean ignorierte seinen Bruder einfach und trug sie so vorsichtig wie möglich im Laufschritt Richtung Werkstatt. "Dad!"

"Was soll das heißen?!" James schloss zu ihnen auf. "Was für ein Baby?"

Dean ignorierte ihn weiter, während er nach ihrem Vater rief, der irgendwo in der Werkstatt mit dem Metallschneider zugange war und vermutlich kein Wort hören konnte. Dean rief erneut und dieses Mal so laut, dass ihre Ohren klingelten und sie gequält die Augen zusammen presste. Doch dieses Mal schien Elija ihn doch gehört zu haben.

"Ich will jetzt verdammt noch mal sofort wissen, was du damit meinst!", schrie nun auch James beinahe, woraufhin sein Bruder gereizt zu ihm herumfuhr.

"Sie ist schwanger, kapiert?! Darum ist sie hier, weil einer von uns beiden sie geschwängert hat!"

Diese Information brachte James nun doch zum Schweigen und einen Augenblick später trat auch der dritte McKenzie zu ihnen.

"Was zum-" Elija musste nicht weiter sprechen. Stattdessen musterte er nur kurz das Bild vor sich, erfasste auch sofort das blutige Handtuch und die restlichen Blessuren an Delilahs nacktem Körper und zu guter Letzt den verzweifelten und flehenden Ausdruck in Deans Augen.

Als ehemaliger Alpha wusste er, was zu tun war und stellte daher keine Fragen, sondern gab Befehle.

"James, du ziehst dir was über. Dean, gib sie mir. Wir müssen sie zu Young bringen."

"Was? Aber seine Praxis ist in Chester. Das sind zwei Stunden Fahrt!"

Deans Arme schlossen sich eine Spur fester um ihren Körper, was sie kaum noch wahrnahm. Delilah konnte die Stimmen nur noch wie durch einen Puffer hören und auch die Schmerzen hatten nachgelassen, was vielleicht an ihrem nachlassenden Bewusstsein lag.

"Hol den Mustang aus der Garage. Damit brauchen wir nur eine und jetzt gib sie mir."

Dean zögerte noch ein letztes Mal, ehe er sie an seinen Vater weiter gab. Delilah war noch nicht einmal mehr dazu in der Lage, dagegen zu protestieren. Stattdessen fiel ihre Stirn gegen Elijas harte Brust und das Einzige was sie noch wahrnehmen konnte, war seine tiefe und überraschend wohltuende Stimme. Sie verstand die Worte nicht, aber sie beruhigten sie. Seine ganze Nähe beruhigte sie. Allen voran der beeindruckende Geruch eines Alphawolfes.

Ihr Vater hatte auch so ähnlich gerochen…
 

Die Fliehkraft drückte sie gegen eine warme Schulter, als das Auto wieder einmal zu schnell eine Kurve nahm. Reifen quietschten. Nicht zum ersten Mal wie Delilah wusste, aber erst jetzt bekam sie es wieder bewusst mit. Dennoch hätte sie auf der Stelle weiter schlafen können.

Sie war so unglaublich erschöpft und sie fror erbärmlich, wogegen auch der warme Körper unter ihr und die weiche Decke, in die sie gehüllt war, nichts ausrichten konnten. Die Kälte kam von innen und schien sich dort hartnäckig eingenistet zu haben.

Es war nicht das ständige Hin und Her oder die Kälte, die sie geweckt hatten, sondern die halblaute Diskussion der McKenzie-Männer, die schon seit einer ganzen Weile in vollem Gange zu sein schien.

"Es ist mir scheißegal, wie es dazu gekommen ist." Das war Elija. Der Richtung seiner Stimme nach zu urteilen, sorgte er hier für die turbulente Autofahrt.

In einer anderen Situation wäre es ihr unangenehm gewesen, sich in seinen Händen zu wissen, aber im Augenblick konnte sie ohnehin nicht klar denken, dafür waren die Schmerzen einfach zu groß.

"Ich will einfach nur Eines wissen: Besteht auch nur die geringste Chance, dass es einer von euch war, der sie geschwängert hat?"

Schweigen antwortete ihm, allerdings spürte Delilah deutlich, wie Dean sich unter ihr verspannte. Kein Wunder. Ihr ging es ähnlich.

"Dean?"

"Ja."

"Ja.", bestätigte auch James, obwohl er es immer noch kaum zu fassen schien.

Der alte Werwolf schnaubte hörbar entrüstet. "Ich hätte nicht gedacht, dass ihr beide so dumm seid und nicht merkt, wann eine Frau fruchtbar ist. Noch dazu dieselbe!"

Sie könnte nicht sagen, woran er sich mehr störte. Die Dummheit seiner Söhne, oder die Tatsache dass sie beide mit ihr geschlafen hatten. Was er wohl dazu sagen würde, wenn er dahinter kam, dass es auch noch zur selben Zeit passiert war?

Wieder kam Schweigen auf, das dieses Mal nicht von einem der Zwillinge gebrochen wurde.

"Euch ist hoffentlich klar, dass sie es gewusst haben muss und trotzdem mit euch ins Bett gestiegen ist."

Plötzlich wurde die Stille erdrückend, auch wenn Delilah spürte, das Dean etwas sagen wollte.

"Ich habe ... verhütet...", protestierte sie schwach, da sonst niemand für

sie einstehen wollte. Irgendwie kam ihr das alles so seltsam unwirklich vor.

Überrascht zuckte Dean unter ihr zusammen.

"Deli, du bist ja wach..." Seine Stimme drang leise an ihr Ohr. Die Erleichterung die in seinen Worten mitschwang war dennoch deutlich heraus zu hören. "Wie fühlst du dich?"

Was für eine dumme Frage. Meinte er das wirklich ernst?

"Be...schissen...", antwortete sie dennoch, aber kaum hörbar. Ihr fehlte sogar die Kraft, um die Augen zu öffnen und das Bisschen Reden entzog ihr auch die restlichen Energiereserven.

"Blutet sie immer noch?", wollte James vom Beifahrersitz her wissen, woraufhin Dean vorsichtig die Decke zur Seite schlug und den Stoff zwischen ihren Beinen ein Stück weit wegzog.

Mit einem Seufzen drückte er ihn ihr wieder zwischen die Schenkel und zog die Decke gründlich um sie herum fest.

"Nicht mehr so stark wie vorhin noch, aber es hat auch noch immer nicht aufgehört."

"Scheiße, wenn das so weiter geht, dann-"

"Sei still!"

"Aber sie ist schon so verflucht blass, dass-"

"Ich sagte, du sollst deine Fresse halten!", fuhr Dean seinen Bruder an, ehe er sie noch enger an seine Brust zog.

"Wie lange brauchen wir noch, Dad?", wollte er gereizt wissen, während seine Finger umso zärtlicher über ihre kalte Wange strichen. Sie spürte es kaum und auch das Gespräch kümmerte sie nicht länger.

Sie war so unglaublich müde.

"Ungefähr noch eine halbe Stunde."

"Kannst du nicht schneller fahren?" In Deans Stimme schwang ein Flehen mit, das dem eines hilflosen Kindes gleich kam, das bei seinen Eltern Schutz suchte. Sie wünschte, sie hätte ihre wirklichen Eltern noch. Wie gerne hätte sie sich jetzt in die beschützende Umarmung ihres Vaters verloren.

Der Wagen beschleunigte noch mehr, woraufhin Dean sie noch fester an sich gedrückt hielt.

"Deli? Du musst wach bleiben, hörst du? Bleib bei mir!"

Sie spürte seine Hand auf ihrer Wange nicht mehr. Seine Worte wurden immer undeutlicher und kamen wie aus weiter Ferne.

Es war so schön warm hier und friedlich. Sie konnte sich dem nicht länger entziehen.

Dean sagte noch etwas zu ihr, aber Delilah hatte bereits wieder das Bewusstsein verloren.
 

Sie wurde auf einer harten Unterlage abgelegt. Jemand blendete mit einer Lampe ihre Augen. Das Summen von bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Stimmen brandete über sie hinweg, während Hände sie berührten, abtasteten und den Schmerz in ihr von Neuem aufflammen ließen.

Delilah fuhr mit einem schwachen Schrei hoch, entwand sich den Händen und fiel wieder auf den harten Untergrund zurück, da sie sich nicht lange aufrecht halten konnte. Weitere Hände dämpften ihren Fall, ehe sie sich noch mehr verletzen konnte und erst jetzt, da sie in das grelle Licht einer OP-Lampe blinzelte, wurde ihr klar, wo genau sie sich befand - in einem Krankenhaus!

Nein! Das durfte einfach nicht wahr sein, sie hatten sie in ein Krankenhaus gebracht! Das bedeutete die Vorstufe eines Versuchslabors!

Delilah begann um ihr Leben zu kämpfen. Viel Kraft hatte sie nicht mehr, aber das letzte Bisschen setzte sie noch dazu ein, um die Hände des fremden Mannes von sich zu stoßen und sich der anderen zupackenden Hände zu erwehren. Niemals würde sie freiwillig ein Versuchskaninchen werden!

Man drückten sie auf den OP-Tisch zurück und Deans Gesicht schob sich in ihr Sichtfeld.

Er machte da auch noch mit? Wie konnte er sie nur so verraten!

Er sagte etwas zu ihr, doch inzwischen konnte Delilah nur noch ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen und das wilde Pochen ihres rasenden Herzschlags hören. Gehetzt und viel zu flach atmend, starrte sie in die sowohl vertrauten Gesichter, wie auch in das des ihr fremden Mannes der soeben eine Spritze aufzog und sie damit in noch mehr Panik versetzte.

Noch einmal versuchte Delilah sich mit letzten Kräften dagegen zu wehren, aber sie hatte keine mehr und die McKenzies waren mit ihrem Griff gnadenlos. Der Fremde trieb ihr die Spritze in die Armbeuge, beugte sich über Delilah und blickte sie prüfend an. Auch er sagte etwas zu ihr, aber inzwischen wurde ihr Sichtfeld wieder kleiner und jeder ihrer verkrampften Muskeln entspannte sich unwillkürlich. Sie glitt in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der endlich Frieden zu versprechen schien und doch wehrte sie sich solange dagegen, wie sie nur konnte, auch wenn sie am Ende verlor.
 

Delilahs Hand fuhr auf der Suche nach Deans Körper über die Matratze und griff ins Leere. Vielleicht lag er ja hinter ihr, nur zu weit entfernt, um ihn berühren zu können. Also wollte sie sich umdrehen, aber irgendwie schien ihr dafür völlig die Kraft zu fehlen. Schon ihr Arm hatte sich wie bleiern angefühlt.

Hatte sie gestern etwa zu viel getrunken und nun einen Kater? Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Was zum Henker hatte sie gestern nur getrieben?

Vergebens versuchte Delilah ihrem Gehirn ein paar Informationen abzuringen. Ihr Kopf war ebenfalls zu schwer und lag tief in einem Kissen versunken, das überhaupt nie mit Dean in Berührung gekommen zu sein schien. Seltsam. Überhaupt war der Geruch im Raum komisch. Irgendwie steril und es stank auch leicht nach Desinfektionsmittel.

Gequält versuchte Delilah ihre Augenlider auseinander zu zwingen und schaffte es erst beim dritten Anlauf. Als ihr Blick eine seltsame Metallstange einfing, an der ein durchsichtiger Beutel mit dunkelroter Flüssigkeit hing und sie dem daran befestigten Schlauch bis unter ihre Bettdecke folgte, begann sie mit einem Mal zu begreifen.

Ein Bad in Eiswasser hätte sie nicht gründlicher zu sich kommen lassen.

"Nein..." Delilah zog langsam ihre Beine in fötaler Haltung an, beide Hände dabei auf ihren Bauch gepresst.

Für einen Moment wusste ihr Körper nicht, wie er reagieren sollte. Zuerst kam das Zittern, dann ein stacheliger Ball in ihrer Kehle und Tränen liefen heiß ihre Wangen hinab, aber es kam kein Ton über ihre Lippen.

Sie hatte es verloren. Ihr Baby. Anders konnte es nicht sein, dafür war viel zu viel Blut geflossen.

Delilah war selbst erstaunt wie stark dieses Wissen schmerzte, dabei fühlte sich ihr Körper stumpf und irgendwie falsch an. Sie hatte keine körperlichen Schmerzen, aber es war dennoch beinahe unerträglich.

Ihre anfänglichen Wünsche waren also doch noch wahr geworden. Doch viel zu spät, wie sie jetzt mit Entsetzen erkennen musste. Denn sie wünschte sich von ganzem Herzen, es wieder ungeschehen machen und das Baby retten zu können, aber auch dafür war es wohl schon viel zu spät.

Es war fort…

Was sollte sie jetzt nur tun? Sie hatte das Baby verloren und damit ihre Freiheit wieder zurück erlangt, aber…

"Es tut mir so leid!" Nun begann Delilah doch zu schluchzen und aus dem Zittern wurde ein heftiges Beben. Für ihr Baby hätte sie jede Freiheit aufgegeben. Das wusste sie jetzt, aber es war schon zu spät. Viel zu spät und das Gefühl des Verlustes war gewaltig!

"Delilah?"

Sie zuckte zusammen und hielt in ihrem Schluchzen inne; drehte aber zumindest den Kopf etwas, um über ihre Schulter sehen zu können.

Dean und James saßen auf einfachen Holzstühlen. Dazwischen ein kleiner Tisch mit getrockneten Blumen darauf. Die fremden Gerüche lagen zu intensiv in der Luft, als dass sie die Brüder hätte sofort wittern können. Außerdem lief ihr vom Weinen die Nase, weshalb sie Dean nur dadurch von James auseinander halten konnte, dass in seinem Gesicht nur Sorge lag. James hingegen wirkte auch deutlich schuldig. Sie konnte ihm nicht mehr direkt in die Augen schauen, also drehte sie sich wieder herum und schloss ihre eigenen wieder.

"Verschwindet. Alle beide.", flüsterte sie leise. Sie konnte ihren Anblick jetzt nicht ertragen. Nicht mit dem Wissen im Herzen, Schuld am Tode ihres eigenen Kindes zu haben, das auch eines von einem der beiden gewesen wäre.

Oh Gott…

Niemand rührte sich.

Was hatte sie nur getan?

"Ich sagte, ihr sollt VERSCHWINDEN!" Delilah fuhr hoch und zu den Zwillingen herum. Schmerz schoss in ihre Armbeuge, doch sie ignorierte ihn, während sie unter tränennassem Blick die Brüder wütend anfunkelte, obwohl die Wut eigentlich nur ihr selbst galt.

"Haut ab! Ich will euch nicht sehen, verdammt noch mal!" Sie schrie immer noch und es tat ihrer Kehle weh, aber was waren schon diese Schmerzen, zu dem einen der ihr Herz auffraß?

Endlich standen die Brüder auf, warfen sich betroffene Blicke zu und verließen auf ihren Wunsch hin wortlos das Zimmer. Erst als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, ließ sie endgültig los.

Delilah schlug die Hände vors Gesicht und begann nun haltlos zu weinen und sich dabei vor und zurück zu wiegen, aber es hörte einfach nicht auf. Es tat so unglaublich weh!
 

Wie lange sie sich ihrer Trauer hingab, wusste sie nicht, aber mit der Zeit war sie wieder auf die Matratze zurück gesunken und aus dem heftigen Schluchzen nur noch stille Verzweiflung geworden.

Auch jetzt liefen noch Tränen haltlos über ihr Gesicht, aber für alles andere fehlten ihr bereits wieder die Kräfte, also schloss sie die Augen und hoffte, erneut ohnmächtig zu werden und diesem Schmerz in ihr drin zu entfliehen, aber den Gefallen tat ihr Körper ihr nicht.

Als nach einer Weile sich die Tür zu ihrem Zimmer wieder öffnete, war sie schon zu erschöpft, um dagegen zu protestieren. Selbst als sie kurz die Augen aufschlug, um zu sehen, wer sie störte, erhob sie keinen Einspruch. Es war ein fremder Mann in weißer Arztkleidung und mit einer Akte im Arm. Sein Gesicht war verdammt jung und zugleich wirkten seine intensiven grün-blauen Augen uralt und weise. Etwas das überhaupt nicht zusammen zu passen schien, aber das kümmerte sie im Moment herzlich wenig. Sein sanftes Lächeln wirkte beruhigend, auch wenn es seine Wirkung bei ihr fast gänzlich verfehlte.

"Hallo. Ich bin Dr. Richard Young, aber Sie können mich gerne Young nennen." Der Fremde zog sich einen der Besucherstühle näher an ihr Bett heran und ließ sich darauf nieder.

Delilah schwieg, während sie den Arzt nicht aus den Augen ließ. Er war kein Mensch, so viel konnte sie bereits sagen, aber das war auch schon alles, was sie halbwegs beruhigen konnte. Einen menschlichen Arzt hätte sie selbst in dieser Situation nicht so nahe an sich heran gelassen.

"Es freut mich, dass Sie schon so früh wieder zu sich gekommen sind. Das ist ein gutes Zeichen."

"Wofür?", wollte sie emotionslos wissen. Es gab nichts, was sie in ihrer Lage als positiv empfinden könnte. Eigentlich wünschte sie sich sogar das Gegenteil. Sie hätte es mehr als nur verdient.

"Sie wären beinahe verblutet. Zum Glück haben Sie die gleiche Blutgruppe wie James und Dean und obwohl der genetische Unterschied zwischen den Spezies durchaus nicht zu ignorieren ist, hat ihr Körper das Blut der beiden angenommen. Bisher ist keine Abwehrreaktion erfolgt und ich bezweifle, dass es noch zu dieser kommen wird. Es tut mir leid, dass ich Sie diesem Risiko aussetzen musste, aber Gestaltwandler gehen ebenso selten zur Blutspende wie andere nichtmenschliche Wesen."

Delilah reagierte nicht darauf. Eigentlich war es ihr ziemlich egal, was der Arzt von sich gab. Sie wäre zwar beinahe gestorben, aber der Gedanke konnte sie nicht wirklich entsetzen. Nicht nach allem, was passiert war.

"Warum haben Sie mich nicht einfach sterben lassen…", flüsterte sie leise und schloss die Augen. Der Kerl glaubte vielleicht, ihr einen Gefallen getan zu haben, in dem er ihr Leben rettete, aber das stimmte nicht. Das klagende Winseln ihrer Wölfin gab ihr nur allzu recht.

"Zum Einen weil es gegen mein ärztliches Pflichtgefühl gewesen wäre und zum Anderen wäre ihr ungeborenes Baby mit ihnen gestorben. Oder ist Ihnen diese Tatsache völlig egal?" Der Arzt klang plötzlich kühl und alles andere als freundlich.

"Was?" Delilah riss die Augen auf und setzte sich so schnell im Bett auf, dass ihr schwindelig wurde, aber das hielt sie nicht davon ab, sich halb auf den Arzt zu stürzen und ihn am Kragen zu packen, um ihn schwach zu schütteln.

"Was haben Sie gerade gesagt?"

Young schien sichtlich verwirrt, machte aber keinerlei Anstalten, ihr zu antworten, sondern zupfte sie problemlos von sich und schob sie wieder auf das Bett zurück.

"Sie müssen liegen bleiben. Noch ist Ihr Zustand kritisch, auch wenn Sie und das Baby das Schlimmste bereits hinter sich haben."

Delilah ließ sich zurück ins Kissen drücken, blickte dabei dem jungen Arzt mit riesigen Augen entgegen und brachte kaum ein Wort heraus. Hoffnung wollte sie überschwemmen, doch noch wagte sie es nicht, diese auch zuzulassen. Sie würde es nicht ertragen, wenn sie enttäuscht werden würde.

"D-Das Baby … lebt?" Sie hatte es nicht verloren?

Young begann wieder sanft zu lächeln und sah ihr tief in die Augen, so als wolle er sichergehen, dass sie ihn auch wirklich verstand.

"Ja, Ihr Baby lebt und ist wohlauf."

"W-Wirklich?"

"Wirklich."

Delilah brach erneut in Tränen aus, doch dieses Mal voller Freude und Erleichterung. Sie berührte dabei so vorsichtig ihren Unterleib, als könne jeder größere Druck ihrem Baby schaden.

"Es lebt! Oh mein Gott! Ich dachte…"

Es war zwar völlig verrückt, als sie die Arme um den jungen Arzt schlang und sich heulend an ihn drückte, aber das war in diesem Augenblick vollkommen egal. Sie war einfach nur so unendlich erleichtert und glücklich. Sie hatte es also nicht verloren. Es lebte immer noch in ihr!

Delilah konnte es kaum fassen.

"Danke! Danke‼"

Sie wusste nicht, wem genau dieser Dank galt. Entweder Dr. Young oder dem Gott, an den sie nie wirklich geglaubt hatte. Es war egal. Das war nicht weiter wichtig. Hauptsache ihr Baby lebte!

Young ließ es zu, dass sie sein weißes Hemd einnässte und obwohl er ein vollkommen Fremder für sie war, störte es sie nicht einmal, dass er ihr hin und wieder über den Rücken strich, bis sie sich wieder soweit beruhigt hatte, dass sie ihn loslassen konnte.

Immer noch freudestrahlend sank Delilah tiefer in das weiche Kopfkissen und wischte sich die Tränen von den Wangen.

"Kann ich… Kann ich es sehen?" In ihrer Frage lag so viel Hoffnung und Flehen, dass Young einfach nicht ablehnen durfte. Delilah brauchte diesen Beweis, dieses Wissen, dass man sie nicht anlog!

Er lächelte wissend. "Natürlich. Ich wollte ohnehin einen weiteren Ultraschall machen, nachdem Sie aufgewacht sind. Ich werde gleich alles in die Wege leiten. Möchten Sie inzwischen mit den Zwillingen sprechen? Die beiden sind in den letzten zwei Tagen kaum von ihrer Seite gewichen."

Delilahs Lächeln erlosch. Sie horchte in sich hinein, bat ihre Wölfin um Rat, doch sie waren sich beide einig, dass sie im Augenblick keinen der McKenzies sehen wollte, also schüttelte sie schwach den Kopf.

"In Ordnung." Young stand von ihrem Bett auf und nahm die Akte wieder an sich, die auf den Boden gefallen war. "Ich bin gleich wieder da."

Damit stellte er den Stuhl zurück und verschwand.

Wieder berührte Delilah vorsichtig ihren Bauch und schloss die Augen.

Es lebt…
 

*
 

Soooo, jetzt ist es soweit. Jetzt möchte ich mich mit einem riesigen Dankeschön bei allen bedanken, die mich immer so tatkräftig unterstützen und mich damit regelrecht zwingen, bei der Tastatur bzw. beim Handy zu bleiben. ^^

Tianani - ich freue mich immmer riesig über deine Kommis. Ohne sie habe ich das Gefühl, als wäre das Kapitel nicht abgeschlossen. Vielen lieben Dank noch mal, dass du dich geoutet hast. Das bedeutet mir sehr viel.
 

Pandahamster - Du bist mir in mehr als nur einer Lebenslage eine große Unterstützung und ich bin froh, dich als Brieffreundin gewonnen zu haben. Schön dass es dich gibt. *knuddl*
 

Und natürlich möchte ich hier auch noch all den Leuten danken, die diese Geschichte favorisiert haben. Es ist sehr motivierend, zu wissen, das so viele Menschen Interesse an dieser Geschichte zeigen.
 

Danke noch mal an euch alle. Ihr seid die Besten!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dragonie
2014-04-29T16:06:02+00:00 29.04.2014 18:06
Sagenhaft - es war so knapp...
Du hast einen überwältigenden Schreibstil, das muss man Dir neidlos zugestehen... so... lebhaft und erschreckend realistisch... *Gänsehaut* <3
Antwort von:  Darklover
29.04.2014 18:33
Wow. Ich danke dir von ganzem Herzen für dieses Lob. Das bedeutet mir wirklich wahnsinnig viel und gibt mir zugleich das Gefühl, nicht die Einzige hier zu sein, die mit ihren Charakteren mitleidet.
Ich freue mich wirklich sehr über deinen Kommentar und hoffe, dass ich dich auch weiter so fesseln kann. Denn genau dafür, liebe ich es, zu schreiben. Tausend Dank!

Liebe Grüße
Darklover
Antwort von:  Dragonie
30.04.2014 16:42
Herzlichen Dank zurück - als selbst Schreibende empfinde ich auch so.
Immerhin habe ich durch dieses FFchen (*Lacht*) nun auch den nötigen Anstups gefunden, um meine eigene Geschichte endlich aufzuschreiben, die mir schon ne Weile durch den Kopf geistert... ;D
DANKESEHR~
Antwort von:  Darklover
30.04.2014 17:28
Hey, das freut mich doch gleich noch mal um Vieles mehr. Kriegt man diese Geschichte denn dann auch zu lesen?
Wenn ja, will ich dann sofort den Link! :)
Von:  Tianani
2012-11-21T12:11:51+00:00 21.11.2012 13:11
puhh erstmal Baby gerettet ... Danke :)

Schöner Spannungsbogen und tolle Auflösung .. gefällt mir gut. Auch wie du die Fahrt beschrieben hast, wie immer toll und nichts zu meckern :)
Dass Elija so toll und schnell reagiert hat find ich schön...Alphatier halt . Göttlich auch die Frage warum die Jungs nicht gecheckt haben,dass Sie fruchtbar ist ...hehehe ;)
Und endlich weiß auch James von der Schwangerschaft!
Bin schon gespannt welche Wendungen uns jetzt erwarten ...freu mich auf's nächste Kapitel ...
Und lieben Dank für das Kommi-Lob :o)
LG, Tianani
Von: abgemeldet
2012-11-20T07:19:35+00:00 20.11.2012 08:19
Ohhh danke mein Herz :) bin froh das es dich gibt!

Schön das sie das baby behalten hat wäre auch echt traurig wenn nicht...
bei sowas muss ich dann immer weinen...
Und wirst eine Gänsehaut gekommen als der Arzt sagte es geht ihr und dem baby gut...
Das es noch lebt!

Ähm cool wie es James erfahren hat xD und dann das gesprächig Auto wo beide so ganz kleinlaut ja sagen...kann man sich bildlich vorstellen :)

Also immer fleißig kreativ sein ;)

:*


Zurück