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Promises

von

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Cinema

I could watch you for a lifetime

You’re my favourite movie
 

A thousand endings

You mean everything to me
 

I never know what’s coming

Forever fascinated
 

Hope you don’t stop running

To me cause I’ll always be waiting
 

You are

a

Cinema
 

I could watch you forever
 

Wenn Kai von dem Foto wüsste, wäre ich längst tot. Aber er hat, glaube ich, erst gar nicht bemerkt, wie es gemacht wurde, weil er sich gerade in Rage geredet hatte, als Takao plötzlich mit dem Fotoapparat neben uns auftauchte. Damals, auf der Abschlussfeier der Weltmeisterschaft.

Ich betrachte das knittrige Stück Papier, auf dem wir abgebildet sind, ich mit einem nachsichtigen Lächeln und er missbilligend blickend. So sieht er mich eigentlich immer an, stelle ich fest, wahrscheinlich mag ich das Bild deshalb.

Mit einem Ruck verliert das Flugzeug erneut an Höhe. Die Landung ist holprig, vor kurzem hat es angefangen zu Regnen. Wir werden von Böen hin und her geschubst. Nach einer halben Stunde ist dann alles überstanden und ich betrete, die Reisetasche in der Hand, die Empfangshalle des Flugplatzes. Um mich herum fallen sich die Leute in die Arme. Es ist frustrierend. Da die Anzugträger immer die ersten sind, die hinausstürmen, bin ich eigentlich der einzige, der in diesem Augenblick allein bleibt. Meine Familie hat sich an meine Reisen gewöhnt und macht sich nicht mehr die Mühe, quer durch die Stadt zu fahren, um mich abzuholen. Aber das würde ich an ihrer Stelle auch nicht tun.

Ich gehe zwischen zwei Pärchen hindurch, die sich scheu und doch innig küssen. Ein wenig neidisch bin ich schon, aber allein der Gedanke, dass ein gewisser jemand mich so herzlich begrüßen könnte –vielleicht sogar noch einen Strauß Rosen im Arm hält!– ist so absurd, dass ich schon wieder grinse.
 

„Gibt es denn hier etwas Neues?“, frage ich. Wir sitzen zu dritt am Tisch, Takao, Großvater und ich; wie immer gibt es reichlich zu essen und ich genieße die heimatliche Küche nach langen Monaten Fast Food (es war das Sicherste für meinen Magen). Da Großvater mir die neuesten Geschehnisse im Dojo erläutert hat, bevor ich auch nur etwas von mir erzählen konnte, sehe ich bei dieser Frage meinen Bruder an. Doch Takao hebt nur die Schultern und isst weiter.

„Was machen deine Freunde?“, stichle ich also weiter. Ich werde schon noch zu meinen Informationen kommen.

„Oh.“ Jetzt kommt er doch in Fahrt. „Naja, Rei ist ja kurz nach dir auch wieder abgehauen. Seitdem hatte er leider keine Zeit mehr, um herzukommen. Dafür ist Max hier gewesen, für drei Wochen oder so…aber ansonsten war nichts los…“

„Was macht Kai?“ Scheiß drauf; dann eben mit der Tür ins Haus.

Takao winkt ab. „Ach der…naja, nichts Besonderes halt. Hatte ein paar Dates mit irgendwelchen Typen, aber du kennst ihn ja, er hat sie alle verschreckt. Im Moment nimmt er nix unter zwanzig, keine Ahnung, warum…“

„Ja und?!“, frage ich.

„Ja nix und, ist mir doch egal, ich mein nur, er muss dann schon ein bisschen aufpassen in der Öffentlichkeit…“

Ich hebe die Schultern, stimme ihm innerlich jedoch zu. Wenn Kai sich mit jemandem in seinem Alter zeigt, mag das ja noch ganz niedlich und verzeihlich sein, aber bei einem größeren Altersunterschied, noch dazu im schwammigen Bereich um die Volljährigkeit herum, kann es ganz schnell ins Auge gehen.

Takao stößt mich an. „Da fällt mir ein, ich muss dir was erzählen!“, sagt er und lacht, „Kai ist grad total angepisst wegen einem von seinen Kerlen. Der ist wohl Musiker, und nachdem Kai ihn abserviert hat, hat er ihm wohl ein…“ Ein weiteres Lachen unterdrückt das Ende des Satzes. „Pass auf“ Takao hebt den Finger, „Er hat angeblich einen Song darüber geschrieben.“

„Über Kai?“

„Darüber, wie er Schluss gemacht hat.“

Ich hebe eine Augenbraue. „Muss ja eine sehr exotische Art und Weise des Schlussmachens gewesen sein…“

„Nö, eigentlich nicht. Aber der Kerl war wohl richtig verknallt in ihn. Tja, shit happens.“

„Takao“, unterbricht Großvater uns in diesem Augenblick. Er sieht meinen Bruder an. „Halt die Klappe und iss.“ Takao nickt und auch ich senke nun wieder den Blick. Natürlich weiß Großvater alles über die Clique meines Bruders, denn der kann nicht lange etwas für sich behalten. Wahrscheinlich geht es ihm ordentlich an die Nieren, dass Kai inzwischen so offen mit seiner Sexualität umgeht. Großvater hat ihn immer gemocht und Takao öfter geraten, sich ein Beispiel an ihm zu nehmen. Darauf verzichtet er, seit Kai sich vor versammelter Mannschaft mehr oder weniger geoutet hat. Das ist eigentlich kein wirkliches Outing gewesen. Kai löste die Sache wie immer auf seine eigene Art: indem er seine Umwelt einfach vor vollendete Tatsachen stellte.

Ich beneide ihn oft um die Fähigkeit, anderer Leute Meinung einfach zu ignorieren. Schließlich ist das der Grund, weshalb ich auch nach all den Jahren nicht vollends zu meinen Vorlieben stehen kann. Takao weiß davon, aber ich habe ihm das Versprechen abgenommen, Großvater nichts zu erzählen. Ich glaube, der Schock wäre ein bisschen zu viel für ihn. Doch nicht einmal Takao ahnt auch nur, dass zwischen mir und Kai schon seit einiger Zeit etwas läuft. Mal mehr und mal weniger. Meine Arbeit verhindert, dass das Mehr ausgebaut wird, und ich bin mir auch nie sicher, ob ich das wirklich wollen würde. Kai ist so eine schwierige Person. Inzwischen habe ich zwar herausgefunden, wie ich ihn dazu bringen kann, zu tun, was ich will, doch eigentlich ist es für mich immer wieder ein reines Glücksspiel.

Ich sollte ihn anrufen.
 

Nach dem Essen ziehe ich mich auf mein Zimmer, das eigentlich nicht mehr mir gehört, sondern ein Gästezimmer geworden ist, zurück und wähle Kais Nummer. Schon nach ein paar Freizeichen hebt er ab. Seine Worte werden verschluckt von den Hintergrundgeräuschen: Verzerrtes Wummern und lautes Stimmengewirr.

„Herrgott; wo bist du schon wieder?“, frage ich.

„Konzert“, antwortet er kurz angebunden, und dann sagt er: „Scheiße.“, als hätte er irgendetwas gesehen, das ihm nicht gefällt.

„Was ist?“

„Ich komm zu dir.“

Ich seufze. „Nein“, sage ich bestimmt, „Tust du nicht. Wir treffen uns bei dir.“

„Geht nicht, Satoshi weiß, wo ich wohne. Aber gut, dann geh ich noch eine Runde durch die Stadt…“

Ich werde hellhörig. „Du wirst die Nacht nicht draußen verbringen“, sage ich bestimmt. Nicht bei diesem Wetter. Es hat zwar aufgehört, zu regnen, aber das heißt noch lange nicht, dass es dadurch angenehmer draußen ist.

„Hör auf, dich so aufzuspielen.“

„Wir treffen uns am Kanal. In einer halben Stunde. Schaffst du das?“

Schweigen am anderen Ende. Dann: „Ja.“
 

Eine dreiviertel Stunde später sitzen wir am Kanal auf einer Treppe und küssen uns. Diesmal ging es sogar noch schneller, als sonst, doch ich wage nicht einmal anzunehmen, dass er mich womöglich doch vermisst hat. Es ist verdammt kalt und nass nach dem Unwetter, doch Kai scheint das nicht im Geringsten zu stören, also lasse auch ich mir nichts anmerken. „Wer ist Satoshi?“, frage ich schließlich, als wir uns kurz lösen. Kai scheint keine Lust zu haben, darüber zu reden und macht einfach weiter. „Dein Verehrer?“, frage ich also in der nächsten Pause. Wieder keine Antwort.

„Der Musiker?“, stichle ich und ernte einen entnervten Blick.

„Hat Takao dir das erzählt?“

„Hat er dir wirklich einen Song geschrieben?“, stelle ich die Gegenfrage. Kai bringt etwas Abstand zwischen uns und zupft lustlos Grashalme zwischen den Stufen aus. „Es ist kein Song für, sondern über mich. Und zwar kein netter.“

„Aber das wird dem großen Kai Hiwatari doch nichts ausmachen!“, sage ich theatralisch und strecke die Hand aus, um sein Haar zu berühren. „Lass uns zu dir gehen und Sex haben.“

„Ich hab dir doch gesagt, dass das nicht geht“, entgegnet er, „Satoshi hat mich auf dem Konzert gesehen und campiert bestimmt wieder im Flur. Wenn du Sex haben willst, müssen wir in ein Hotel gehen.“

„Der Typ stalkt dich?“ Ich hebe die Augenbrauen und Kai seufzt. „Dir ist aber klar, dass du deswegen zur Polizei gehen könntest? Warum hast du denn mit so einem was angefangen, bitte?“ Ich kann meine Entrüstung nicht sehr gut verbergen. Dass Kai ausgerechnet dann kuscht, wenn sein Heiligstes, seine Privatsphäre, verletzt wird, ist mir unerklärlich.

„Ach, am Anfang war sein fanatisches Gehabe ja noch ganz lustig“, sagt Kai, „Da habe ich auch noch gedacht, das liegt vielleicht an der Szene, diese Dunkelromantiker haben’s ja sowieso mit dem Schicksal und so… aber später wurde es mir eben doch zu krass.“

„Geh zur Polizei“, wiederhole ich.

„Nein“, entgegnet er bestimmt, „So etwas mache ich nicht.“ Ich sehe ihn stirnrunzelnd an, doch dann weiß ich, warum er so handelt. Es geht hier um Schwule. Selbst wenn ihm geholfen werden würde, würde Satoshi mehr abkriegen, als er verdient hat. Seltsam, dass ausgerechnet ich das einmal vergesse, obwohl sonst Kai derjenige von uns ist, der alle gesellschaftlichen Normen ignoriert. „Verstehe“, sage ich also und stehe auf. Kai sieht zu mir auf und kurz genieße ich seine Verwirrung. Ich freue mich über jeden Gesichtsausdruck, der nicht sein Pokerface ist, aber das weiß er, und so behält er meistens die altbekannte Mimik bei, wenn wir zusammen sind. Nur wenn wir miteinander schlafen, schafft er es nicht –und ja, darauf bin ich stolz.

Ich halte ihm die Hand hin. „Komm mit.“

„Wohin?“, fragt er misstrauisch.

„Wir gehen ein Stück. Mir wird kalt, wenn ich mich nicht bewege.“ Da erhebt er sich tatsächlich, jedoch ohne meine Hand zu nehmen. Wir schlendern nebeneinander am Kanal entlang, Kai starrt auf den Boden und ich werfe ihm ab und an einen Seitenblick zu. Ich frage mich, wie das laufen wird mit uns. Er schien nicht überrascht, einen Anruf von mir zu bekommen, obwohl er nicht auf meine Email geantwortet hat, in der ich ihm von meiner Ankunft geschrieben habe. Ich habe eigentlich gedacht, er hätte sie ohne sie zu lesen gelöscht. Wenn ich außer Landes bin, reagiert er nie auf meine Nachrichten. Ich habe wirklich erwartet, dass alles so ist, wie immer: Wir treffen uns mehr oder weniger zufällig, er ignoriert mich, ich lasse so lange meinen Charme spielen, bis er mir wieder nachgibt.

Bis jetzt ist alles ganz anders gelaufen. Vielleicht hat er das übliche Hin und Her auch langsam satt. Kann mir nur recht sein.

„Gib mir deine Hand, Kai“, sage ich.

„Nein, Hiro“, entgegnet er prompt im gleichen Tonfall.

„Warum nicht?“

„Ich halte nicht Händchen mit dir.“

Ich drehe mich um und laufe rückwärts vor ihm her; dabei schiebe ich beide Hände in die Hosentaschen. Ich weiß, wie ich ihn dazu kriege, zu tun, was ich will. Das ist auf der psychischen Ebene nicht anders, als auf der physischen: Ich muss nur die richtigen Knöpfe drücken.

„Was?“, fährt er mich an, weil ich immer noch nichts an meinem Laufstil geändert habe. Doch ich grinse nur. Er macht noch ein paar Schritte, dann wendet er sich abrupt ab und geht in die entgegengesetzte Richtung zurück. Ich kann mir ein belustigtes Schnauben nicht verkneifen und laufe ihm hinterher; sobald ich den Abstand zwischen uns wieder überwunden habe, greife ich nach seinem Handgelenk, damit er stehenbleibt.

Seufzend blickt er zuerst an seinem Arm hinab und dann zu mir auf. „Du bist genauso unerträglich, wie dein Bruder.“

„Mit einem Unterschied.“ Ich ziehe ihn zu mir und küsse ihn, wobei ich durch einen glücklichen Zufall das zweite Handgelenk zu fassen kriege. „Ich kann besser ficken.“

„Was macht dich da so sicher?“, sagt Kai leise, und für diese Bemerkung lasse ich ihn los, nur um seinen Kopf daraufhin in meine Hände zu nehmen und ihn erneut zu küssen. Ist es jemals anders zwischen uns gelaufen? Eigentlich sind wir immer nur damit beschäftigt, uns anzustacheln und danach im Bett zu landen.

Ich spüre, wie er mich zu sich zieht und über meine Seiten streicht. Die Nummer mit Satoshi ist wirklich das Dümmste, was heute hätte passieren können, denke ich.

„Ich kann ihm eins aufs Maul geben.“

„Wem?“, fragt er.

„Satoshi“, sage ich.

„Lass es lieber. Du könntest mehr als einen Schlag brauchen.“

Ich lege den Kopf schief. Was hat er sich da nur für einen Kerl angelacht? Ich halte mich nicht gerade für einen Schwächling, obwohl ich immer bestrebt bin, meine Konflikte mit Worten auszutragen. Und Kai weiß um meine körperliche Verfassung. Ich dachte, das würde ihm reichen. Aber eigentlich hätte ich wissen müssen, dass er nur noch eins drauflegt, wenn er an Möglichkeit A nicht herankommt.

„Du hast ’ne Schwäche für Muskelmänner entwickelt, oder?“, stelle ich fest, „Stehst du drauf, wenn dir ausnahmsweise mal jemand zeigt, wo’s langgeht? Takao hat schon erzählt, dass du nur noch Zwanziger datest.“

„Wenn es dich befriedigt, glaub ruhig, dass es so ist“, entgegnet Kai trocken.

Es befriedigt mich natürlich nicht. Am liebsten wäre es mir, er würde niemanden mehr daten. Aber das muss ich ihm ja nicht unter die Nase reiben.

Wir gehen weiter, verlassen den Kanal und spazieren durch die Straßen der Vorstadtviertel. Hier werden die Bürgersteige früh hochgeklappt. Ein paar Kneipen und Puffs sind natürlich geöffnet; verblasste Neonreklame in Rot flimmert in unseren Augenwinkeln.

„Es gibt hier ein Porno-Kino“, fällt mir ein. Kai neben mir schnaubt. „Da ist es warm“, ergänze ich deswegen. „Ich lad dich ein, was meinst du?“
 

„Oh Gott, ich glaub’s nicht!“, murmelt Kai später. Wir sitzen ganz hinten in dem kleinen Kinosaal auf stark gepolsterten Sesseln. Außer uns sind nur noch drei Männer da, die im größstmöglichen Abstand zueinander Platz genommen haben und gebannt auf die Leinwand starren. Wir sehen Titten in Übergröße und haben nicht einmal Popcorn. Ich betrachte Kais Gesicht, das von dem warmen Licht des Pornos in Farbe getaucht wird und eine Mischung aus Verlegenheit und Entrüstung zeigt.

„Der Film heißt ‚Werkzeugkasten der Lust‘“, raune ich ihm zu, „Es geht um diesen Typen, der ständig Frauen mit seinen handwerklichen Fähigkeiten aus der Misere helfen muss.“

„Too much information“, brummt Kai.

„Aber es ist schön warm!“, meine ich und lege ihm die Hand auf den Oberschenkel. Er verschränkt die Arme, schüttelt mich aber nicht ab. Ich weiß, dass es ihm irgendwann zu viel wird, wenn ich ihn die ganze Zeit mustere, aber ich finde ihn gerade spannender als den Film.
 

I could watch you for a lifetime

You’re my favourite movie
 

„Hiro!“, sagt er genervt und ich tue ganz unschuldig, als ich frage: „Was denn?“ Es ist schön, zu hören, wie er meinen Spitznamen benutzt. Wenn er die Nase voll von mir hat zieht er das O besonders in die Länge. Langsam streicht meine Hand sein Bein hinauf.

„Du begrabschst mich nicht, während wir einen Porno gucken!“

„Soweit ich sehen kann, bist du der einzige von uns, der einen Porno guckt“, entgegne ich süffisant. Kai verdreht die Augen und bewegt sein Bein, sodass meine Hand abrutscht. Das soll mich nicht abschrecken. Ich beuge mich zu ihm und küsse seine Schläfe.
 

A thousand endings

You mean everything to me
 

Kai dreht den Kopf, um mich endlich anzusehen. Er kneift die Augen ein wenig zusammen und ich übe mich weiterhin in Lächeln. Er seufzt. Ich hebe die Augenbrauen. Er reckt das Kinn und küsst mich.
 

I never know what’s coming

Forever fascinated
 

Das mag ich an ihm: Seine unerwarteten Aktionen.
 

Hope you don’t stop running

To me cause I’ll always be waiting
 

Wir versinken noch ein bisschen mehr in unseren Sesseln und ich lasse meine Finger unter sein Shirt kriechen. Die Armlehne zwischen uns drückt in meinen Bauch, aber wir haben schon an weitaus ungemütlicheren Orten rumgemacht.
 

„Kaffee?“, fragt Kai ein paar Stunden später, als wir im Morgengrauen aus dem Kino stolpern. Irgendwann sind wir eingedöst und haben den Rest der Nacht verschlafen, bis ein aufgebrachter Hausmeister uns rausschmiss.

„Unterwegs oder bei dir?“, frage ich.

„Ich denke, wir können es riskieren, zu mir zu gehen. Satoshi dürfte gemerkt haben, dass ich heute Nacht nicht zu Hause war.“

„Dann hab ich nichts dagegen.“ Vielleicht komme ich ja doch noch auf meine Kosten. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und schicke meinem Bruder eine Nachricht, damit nicht die vollkommene Panik ausbricht, wenn ich nicht im Verlauf des Vormittags im Dojo auftauche.

Als wir in der Bahn sitzen und es draußen immer heller wird, bemerke ich Kais dunkle Augenringe. Er sieht ordentlich übernächtigt aus: blass, zerzauste Haare, rissige Lippen. Aber ich mache bestimmt keinen besseren Eindruck. Während der Fahrt fallen meine Augen immer wieder zu, sodass Kai meinen Kopf genauso oft wegstoßen muss, wenn er kurz davor ist, auf seiner Schulter zu landen.

Schließlich taumeln wir die Stufen zu seiner Wohnung nach oben. Tatsächlich ist im Flur niemand zu sehen, aber eine einsame Dose Bier steht gegenüber der Tür auf dem Boden. Kai schnaubt verächtlich, bevor er aufschließt. „Also war er hier?“, frage ich, doch er hebt nur die Schultern. Vermutlich will er nicht schon wieder darüber reden.

Wir gehen in die Küche und er bringt die Kaffeemaschine in Gang, während ich hinter ihm sitze und seine Rückseite mustere. Sein Shirt ist aus einem sehr leichten, schwarzen Stoff, durch den man die Konturen seines Oberkörpers erkennt, wenn er am Fenster vorbeigeht. Seine Jeans sind schmal geschnitten und sitzen modisch tief. Erst jetzt bemerke ich, dass das, was er darüber getragen hat, keine Jacke, sondern ein Blazer gewesen ist, der jetzt mir gegenüber auf dem zweiten Stuhl liegt.

„Mir gefallen deine Klamotten“, meine ich schließlich.

„Seit wann bist du so großzügig mit deinen Komplimenten?“, entgegnet er spitz. Ich lege den Kopf schief. Es stimmt, ich mache ihm fast nie Komplimente. Jedoch gehe ich immer davon aus, dass er sie sowieso abtun würde. Oder schlimmer: Dass er mich dafür auslachte. Ich weiß einfach nicht, wie gut Kais Sinn für Romantik ausgebildet ist, und Komplimente zählen für mich schon zur Romantik, das ist das Problem. Zwischen uns läuft das Meiste in einem lässig-arroganten Ton, der keinen Platz für Zärtlichkeiten lässt.

„Kai“, sage ich ohne wirklichen Grund, einfach, weil es mir gefällt, ihn beim Namen zu nennen.
 

Stars spell out your name

Like in a science fiction drama
 

Mit einem unsanften Knallen wird mir eine Tasse vor die Nase gestellt, die prompt überschwappt. „Sorry“, murmelt Kai, der seinen Kaffee im Stehen trinkt. Er wirkt noch müder als eben in der Bahn.

„Alles okay?“, frage ich.

„Jaah“, antwortet er langgezogen. Dann, nach einer Pause: „Ich überlege nur…Ich müsste Satoshi wirklich langsam klar machen, was Sache ist. Das kann so nicht weitergehen.“ Er reibt sich mit dem Handrücken die Stirn.

„Amen“, sage ich trocken, denn er hat nur ausgesprochen, was ich die ganze Nacht über gedacht habe. Als Antwort erhalte ich nur ein Schnauben. Aber was soll ich denn bitte dazu sagen? Gegen Kais Dickschädel redet man normalerweise an wie gegen eine Wand.

„Wo wir gerade beim Thema ‚Loverboy‘ sind…“, setze ich dann an. Eine bessere Gelegenheit lässt sich wohl kaum finden, also ist es ja auch egal. „Wie sieht es denn jetzt eigentlich aus mit uns?“ Kai blinzelt kurz, als müsste er meine Worte erst einmal verarbeiten. „Was?“, fragt er dann.

„Wir. Ich und du. Ich hatte dich doch gefragt, bevor ich geflogen bin, ob du Interesse an einer Teilzeitbeziehung hast.“

Kai fängt an zu Lachen. Hätte ich mir ja denken können. Doch dann streckt er den Arm aus und hält mir die Hand hin. „Na komm schon“, sagt er, als ich verwirrt zu ihm aufblicke. Ich greife nach seiner Hand, die ganz warm und trocken ist, genieße unwillkürlich das Gefühl und lasse mich mitziehen.
 

Romance roll in

Like a flower in the summer
 

Als wir im Flur sind, dreht er sich zu mir um und stellt sich auf die Zehenspitzen, um mich zu küssen. Dabei geht er rückwärts weiter. Ich habe die Augen geschlossen und nur eine blasse Ahnung, wo er mit mir hinwill, aber wo auch immer wir landen werden, ich habe nichts dagegen.
 

You always keep me guessing

Forever my wonder
 

Tatsächlich befinden wir uns im Schlafzimmer, als ich das nächste Mal die Augen öffne. Kai schubst mich auf das Bett, nur, um mir kurz darauf zu folgen und sich auf mich zu setzen. Aus dieser ungewohnten Perspektive sehe ich erneut zu ihm auf und bemerke seine zufriedene Miene. Er betrachtet mich wie ein Raubtier seine Beute. Nervös lecke ich mir über die Lippen.
 

Hope you start undressing

All my dreams until the end of
 

Mit einer fließenden Bewegung streift er sein Shirt über den Kopf. Ich mustere seinen nackten Oberkörper ausgiebig, denn eigentlich habe ich sonst kaum die Ruhe dazu. Dann greife ich nach seiner Taille und drehe uns beide mit einem kräftigen Ruck herum, sodass er nun unter mir liegt. Ich kann mir ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. Kai hebt nur die Augenbrauen.
 

You are a cinema

I could watch you forever
 

Action Thriller

I could watch you forever
 

You are a cinema

A Hollywood treasure
 

Als ich aus dem Badezimmer komme, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Es ist bereits Nachmittag, aber das löst nur mildes Erstaunen bei mir aus. War ja klar, dass wir gleich ein paar Stunden schlafen, wenn wir einmal im Bett landen.

Mit dem Ellbogen stoße ich die Tür zum Schlafzimmer auf und trockne mir gleichzeitig die Haare mit einem Handtuch. Ich halte jedoch inne, als ich Kai sehe, der nackt auf dem Bett sitzt und etwas in der Hand hält, das er nachdenklich betrachtet. Als ich näher komme, erkenne ich, dass es das Foto ist, auf dem wir beide sind. Er muss es zwischen meinen Sachen gefunden haben.

„Ich wusste gar nicht, dass wir damals fotografiert worden sind“, sagt er, als er mich bemerkt. Ich setze mich neben ihn und nehme ihm das Papier aus der Hand. „Es war ein kleines Geheimnis.“

„Solange es nicht deine Wichsvorlage war…“ Ich muss laut auflachen. „Keine Sorge“, antworte ich dann, „Dafür habe ich ganz anderes Material…“ Ich mache eine Kunstpause, um seine Reaktion zu beobachten, bevor ich auf meinen Kopf deute. „Alles hier drin.“

„Stimmt ja. Du bist ja eher so der visuelle Typ…“, stichelt Kai und ich bejahe nickend. Dann schweigen wir uns wieder an. Ich werfe meine Handtücher zur Seite und lege einen Arm um ihn, damit ich ihn wieder mit unter die Decke ziehen kann. Er weiß, dass ich ihn gerne berühre, also lässt er mich inzwischen machen, wenn wir nebeneinander liegen.

„Wie lange bleibst du eigentlich?“, fragt er und klingt höchstens milde interessiert. Ich hebe die Schultern und streiche mit der flachen Hand über seinen Bauch. „Wir sind jetzt erst einmal fertig mit der Ausgrabung. Die Fundstücke werden gerade in einem Museum restauriert und ausgestellt. Ich verdiene dieses Mal eine ziemliche Stange Geld, also kann ich es eine Weile ruhig angehen lassen. Ich überlege, ob ich mir wieder einen Nebenjob bei der BBA nehme.“

„Klingt gut“, meint er.

„Gut für mich oder gut für uns?“

Er seufzt theatralisch: „Ach Hiro…“

„Ach Kai“, entgegne ich.
 

Love you

Just the way you are

A cinema



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dradra-Trici
2012-04-19T15:38:42+00:00 19.04.2012 17:38
Hey du! :)
Gleich mal vornweg: Glückwunsch!
Wir sind alles andere als Fans von Shonen-Ai, aber als wir so auf deinem Stecki rumgesurft sind, sind wir i-wann bei deinen Fanfics gelandet. Neugierig wie wir sind, haben wir natürlich eine angeklickt =D
Dein Stil ist wirklich toll, man liest gerne weiter, auch wenn einem sehr schnell klar wird, dass das Thema der Fanfic keines ist, was uns anspricht.
Gute Arbeit!^^
Weiter so! ;)


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