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Kaltherzig

von

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the parting

„Ihre Verteidigung ist wirklich schwach“, flüsterte mir Oleen zu, als wir im Trainingsraum standen und die Jungwölfe dabei beobachteten, wie sie sich gegenseitig den Kopf einschlugen. „Und aus ihnen sollen wir Krieger machen? Es erscheint mir wie eine unmögliche Aufgabe, Mylady.“

Seit jener Nacht, in der ich einen unwiderruflichen Schlussstrich zwischen mir und Logan gezogen hatte, waren beinahe zwei Wochen vergangen. Oleen hatte mich nicht mehr auf meinen Zusammenbruch angesprochen und ich hatte auch nicht das Bedürfnis mich irgendjemandem anzuvertrauen. Ebenso hatte ich versucht mich bei Hazel zu entschuldigen, doch obwohl sie mir für den Schlag vergab, verhielt sie sich verschlossen und ich befürchtete, dass sich diese Haltung nicht sehr bald legen würde.

„Nichts ist unmöglich, genau deshalb sind wir ja hier. Wir werden ihnen beibringen wie man sich schützt, ohne die Kehle aufgerissen zu bekommen“, antwortete ich zuversichtlich, während ich geistig weiter meinen Gedanken nachging, die ungewollt immer wieder zu Logan abschweiften. Verflucht, sogar während ich von ihm trank benahm er sich wie ein trotziges Kind und ignorierte mich vollkommen! Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass ausgerechnet seine Majestät von der nachtragenden Sorte war. Dabei wusste er genau, dass ich im Recht war. Ich hatte uns beiden eine unglückliche Zukunft voller Schuldgefühle und Reue erspart.

„Aber sie scheinen nicht gerade lernbegierig zu sein“, zweifelte Oleen noch immer und beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht, wie ein Werwolf durch die Höhle geschleudert wurde. „Besonders die Männchen erweisen sich als ziemlich störrisch. Und die Weibchen sind so unkoordiniert, als hätten sie eben erst gelernt zu laufen.“

Ich konnte nur zustimmen. Sie alle waren so unerfahren, dass es für meine Schwester ein Leichtes wäre, das ganze Rudel zu involvieren. Die Älteren unter ihnen hatten zwar einen stabileren Eindruck gemacht, doch diese waren geblendet von der Vorstellung, dass die Jäger und Logan stark genug waren, um die Vampire abzuwehren. Anscheinend hätten sie nie auch nur im Traum gedacht, selbst einen Fuß auf ein Schlachtfeld setzen zu müssen.

„Es wäre einfacher, wenn wir freie Hand hätten“, sagte ich und wusste gleichzeitig, dass dies ein sinnloser Wunsch war. Selbst jetzt spürte ich wie Natalia, die diesen Abend unsere Aufsichtsperson war, uns mit unverhohlener Verachtung genauestens beobachtete. Kaiden war mir um einiges angenehmer gewesen, denn dieser hatte wenigstens die notwendigsten Dinge – die leider manchmal nicht ganz den Regeln entsprachen – durchgehen lassen, doch dieses blonde Biest, das mir nun im Nacken saß, gehörte wohl zu den jähzornigsten Werwölfen, denen ich je begegnet war.

Die Meisten hatten aus blinder Wut gehandelt, doch diese Jägerin war zwar äußerst temperamentvoll, jedoch war sie auf eine Weise derart effizient, dass es keinen Zweifel ausließ, dass diese Frau zum Töten geschaffen war. Wäre sie außerdem ein Mensch gewesen, dann wäre sie wohl zum lieblings Spielzeug meiner Schwester gekürt worden. Apropos lieblings Spielzeug ...

„Wo ist Evelyn?“, fragte ich, nun, da mir ihre andauernde Abwesenheit auffiel. Ich hatte immer ein ganz schlechtes Gefühl im Magen, wenn ich sie nicht sah und nicht wusste, was sie gerade tat. Suchte sie einen Ausweg, um Leonore zu erreichen? Plante sie gerade meinen Tod?

Die Messerwerferin mit dem weißblonden Haar und den nachtschwarzen Augen schien relativ unbeeindruckt von meiner Frage zu sein, wo doch diese kleine, rothaarige Hexe vor wenigen Tagen noch zu meinen Todfeinden gehört hatte. Doch nun war sie inmitten des Rudels und saß somit in der Falle, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie meiner Gnade ausgeliefert war. Und nicht nur Logan war nachtragend.

„Soweit ich weiß, treibt sie sich in den unterirdischen Gängen rum. Doch habt keine Sorgen, Herrin, Wayne behält sie im Auge.“

„Ah, den gibt es ja auch noch“, murmelte ich nachdenklich. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass der Auftragskiller meiner Schwester binnen der ersten fünf Tage umgebracht werden würde, doch die Werwölfe verhielten sich merkwürdig ruhig, und sollte es doch einer auf ihn abgesehen haben, so war ich mir ziemlich sicher, dass er gut auf sich selbst aufpassen konnte. „Aber ob man ihm trauen kann? Seine Anpassungsfähigkeit ist zwar enorm und er hängt sich zweifellos an diejenigen, die gerade die Führungsposition innehaben, aber er ist und bleibt der Söldner meiner Schwester.“

Vor nicht allzu langer Zeit, hatte ich ihn noch zwielichtig durch die Höhle schleichen sehen, irritierenderweise in Begleitung einer jungen Werwölfin mit honigblondem Haar, die mit dem Vampir geradezu vertraut geflüstert hatte. Öfters als mir lieb war, hatte ich solch eine Szene missbilligend beobachtet, mir aber nicht mehr als nötig dabei gedacht. Ich wollte nicht in die Angelegenheiten anderer mit hinein gezogen werden, wenn ich selbst bereits in Problemen ertrank.

Der Kampf der Jungwölfe fand ein jähes Ende. Blut klebte an ihren geschundenen Körpern und floss ihnen aus unzähligen Wunden, die sie sich gegenseitig verpasst hatten. Nur noch vier von ihnen standen auf den Beinen und selbst das war bereits eine enorme Leistung.

Oleen, die von dem Geruch allmählich nervös wurde, entschuldigte sich mit einer schnellen Verbeugung und ich wandte mich wieder meinen Schützlingen zu.

Zu meiner bodenlosen Enttäuschung war es der rothaarige Junge, den ich vor einiger Zeit in Grund und Boden gestampft hatte, der als einer der stärksten hervorgegangen war. Neben ihm stand ein großes, muskulöses Mädchen und ein etwas kleinerer Junge, der eher allen Schlägen ausgewichen war, anstatt sich aktiv an dem Kampf zu beteiligen. Die Letzte im Bunde war ein schlicht gebautes Mädchen mit knabenhaften Haarschnitt und einem blutdurchtränkten Verband um die Augen.

Ich stand auf und steuerte das blinde Mädchen an. „Sag mir deinen Namen!“

„Rin“, murmelte sie achtsam und zurückhaltend. Sie war etwas passiver als die anderen Werwölfinnen, aber nicht weniger gefährlich. In diesem unschuldigen Äußeren steckte mehr, als man auf den ersten Blick erahnen konnte.

„Weshalb die Augenbinde?“, kam ich gleich zur Sache, weil es mich interessierte, wie sie so gut kämpfen konnte, obwohl sie blind war. Es mochte vielleicht wie eine Beeinträchtigung erscheinen, doch ich fand, dass sie gerade deswegen die anderen ziemlich in den Schatten stellte.

„Ich wurde bereits so geboren“, antwortete sie außer Atem.

„Dein Kampfstil gefällt mir.“

„Dafür, dass ich nichts sehen kann?“, erwiderte sie verbittert. „Meine anderen Sinne funktionieren dafür einwandfrei. Ich spüre es, wenn mich jemand angreift und ich spüre auch deinen forschenden Blick.“

„Faszinierend“, sagte ich schmunzelnd und wandte mich auch den anderen zu. „Da ihr die seligen Gewinner dieses Gefechts seid, erkläre ich euch für die Anführer der Gruppen, in die ihr euch das nächste Mal aufteilen werdet. Zusätzlich erhaltet ihr einige Kampfstunden mit mir oder Oleen, die ihr besser zu schätzen wisst. Wenn ihr stärker werden wollt, möchte ich keine Beschwerden hören!“

Ich verließ die Vierergruppe mitsamt den restlichen, bewusstlosen Körpern, die auf dem Feld verstreut herum lagen und ignorierte gewissenhaft Natalias feindseligen Blick, als ich an ihr vorbei ging und mich für heute zur Ruhe legen wollte.

Ich hatte mich bereits nach einem entspannten Schlaf gesehnt, wenn ich nicht auf einmal das honigblonde Haar einer Frau und einen nur allzu bekannten Vampir in Umhang bemerkt hätte, die am Ende eines Ganges miteinander tuschelten und einen vertrauten Eindruck machten. Unglücklicherweise waren sie darauf bedacht zu flüstern, so dass ich sie nicht hören konnte, doch egal worum es ging, der abgebrühte und sonst gefühlskalte Auftragskiller schien wütend.

Ich hüstelte höflich, um auf meine Anwesenheit Aufmerksam zu machen und die beiden stoben augenblicklich auseinander, einen mehr als entsetzten Ausdruck im Gesicht.

„Ich störe doch wohl nicht, oder?“, stichelte ich, alles andere als belustigt.

„N-nein, schon in Ordnung“, haspelte die Frau und wurde schlagartig rot. „Ich muss mich jetzt ohnehin verabschieden.“

Es sah fast so aus, als rannte sie vor mir davon, aber das schien dieses Mal nicht daran zu liegen, dass ich ein Vampir war. Mein Blick wanderte urteilend zu Wayne, der mit emotionsloser Miene an mich heran trat. „Womit kann ich Euch helfen?“

„In welcher Beziehung steht Ihr zu dieser Hündin?“, fragte ich ohne Umschweife.

„Das geht Euch nichts an und wagt es nicht, sie noch einmal so zu nennen“, erwiderte er beinahe genauso rücksichtslos und kalt.

„Ich habe das Gefühl, Ihr seid dabei denselben Fehler zu begehen wie ich, als ich hierhergekommen war. Ich möchte nur verhindern, dass Ihr es noch schlimmer macht, als es bereits ist.“

Unter der dunkelroten Kapuze blitzte das blaue Licht seiner Augen auf, als wäre er jeden Moment dazu bereit, mir die Kehle aufzuschlitzen. Sein abweisender Ton machte unmissverständlich, dass er keine weitere Einmischung duldete.

„Ihr seid nicht mehr Teil des königlichen Hauses. Von Euch muss ich mir keine Befehle erteilen lassen, Mylady“, sagte er eiskalt. „Wollt Ihr Euch also darum Gedanken machen oder kann ich Euch mit einer wichtigen Information zerstreuen, die ich Euch anzubieten habe?“

„Ihr könnt es auf einen Versuch ankommen lassen.“ Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass jede Information von Außerhalb für mich von unschätzbarem Wert war. Jedes noch so kleine Detail, könnte den finalen Gnadenstoß für das Ende dieses Krieges bedeuten, doch was mir Wayne mit seiner beunruhigend frostigen Stimme zuflüsterte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Die Königin erklärt Euch und den Werwölfen den Krieg, Mylady. Sie plant einen Angriff beim nächsten Neumond.“

Mir schnürte sich die Kehle zu bei Waynes Worten. Ich war geschockt und doch nicht überrascht. Ich hatte damit gerechnet, jedoch nicht so bald. Schon in der kommenden Woche könnte sie genug Vampire mobilisiert haben, um die Werwölfe einfach zu überrennen!

„So ist es“, bestätigte der Kopfgeldjäger, scheinbar zufrieden damit, mich auf eine andere Fährte gebracht zu haben. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er mich und ließ mich in meinem Elend alleine.

Ich war noch nicht fertig mit Wayne, jedoch hatte diese neu gewonnene Information eindeutig Vorrang. Ich würde mich später mit ihm beschäftigen, doch nun musste ich dringend Logan aufspüren und ihm alles mitteilen. Eins wusste ich schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit. Er würde alles andere als begeistert sein.
 

Als ich mich etwa eine halbe Stunde später in Logans Arbeitszimmer wiederfand, war die Stimmung drückend und wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer.

Logan würdigte mich keines Blickes und befehligte mir lediglich mit ihm in den Saal, in welchem sich alle neun Jäger – Tristan eingeschlossen – bereits eingefunden hatten und uns mit kaum unterdrückter Ungeduld erwarteten.

Während Logan sich an das Kopfende des Tisches setzte, stellte ich mich hinter Tristan, der zu meinem Leidwesen direkt neben seiner Majestät saß.

Logan begann die Versammlung mit einer Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse, einschließlich der neuen Information die uns Wayne geliefert hatte. Ich und die anderen schwiegen eisern, bevor Logan seine Worte nicht direkt an einen von uns richtete.

„Wie sieht es mit einer Evakuierung aus?“, fragte er Rodrigo, Kaiden und Hazel, die diese wichtige Aufgabe übernommen hatten.

„Es gibt nicht leicht zu lösende Probleme, Logan“, antwortete Rodrigo, der aussah, als hätte er seit einigen Tagen nicht mehr geschlafen und er war nicht der einzige, der bereits bessere Tage hinter sich hatte. „Die einzige Höhle die am sichersten Platz liegt, ist einfach zu klein für das ganze Rudel.“

„Wir haben bereits überlegt, die Höhle wenigstens ein bisschen weiter auszubauen, aber in diesem Fall wäre die Einsturzgefahr zu groß“, meinte daraufhin Hazel. Sie klang müde und erschöpft und ihre Katzenaugen waren nur halb geöffnet.

„Was ist mit der Bucht?“, fragte Logan und spannte die Kiefermuskeln an. Ich spürte seine Frustration, die sich auch mir um den Hals zu schlingen drohte, und hätte ihm gerne aufmunternde Worte zugesprochen, wenn ich nicht gewusst hätte, dass dies vergeblich und ein durchaus unpassender Zeitpunkt war, um sentimental zu werden.

„Nur wenn du sie alle in der Flut ertrinken lassen willst“, sagte Kaiden. Er versuchte nur rational zu bleiben, doch Hazel knurrte bei dieser Bemerkung. Sie hatte zwei Junges, also reagierte sie dementsprechend empfindlich.

„Es gebe da noch eine Höhle in den Bergen, allerdings ist der Weg dorthin lang und beschwerlich. Selbst in Wolfsform würde es möglicherweise zu lange dauern dort Schutz zu suchen.“

„Wann müsste das Rudel aufbrechen, um rechtzeitig anzukommen?“, fragte Logan.

„Vorgestern“, sagte Kaiden und es herrschte für kurze Zeit Stille.

Der türkisäugige Mann neben mir atmete tief auf und runzelte die Stirn, als hätte er einen folgeschweren Entschluss getroffen, den er jetzt schon zu bedauern schien. „Dann haben wir keine andere Wahl. Wir müssen die Blutsauger zuerst angreifen.“

Ich wunderte mich über das einstimmige Nicken. Die Jäger gaben sich zwar furchtlos, dennoch könnte dieser Entschluss für jeden von ihnen den sicheren Tod bedeuten. Aber wahrscheinlich war es das, was die Werwölfe so sehr von den Vampiren unterschied.

Während jeder Vampir nur für sich selbst und die Königin kämpfte, setzten sich die Wölfe für die Mehrzahl ein, die sich nicht selbst beschützen konnte. Familie, Freunde, Kameraden. So etwas besaß meine Rasse nicht. Und bis heute hätte ich auch nicht gedacht, dass ich dieses Privileg nötig hatte.

„Was wolltest du noch sagen?“ Diesmal richtete sich die Frage an mich. Ich hatte zuvor erwähnt, dass ich bereit war ihnen zu helfen und mit den nötigen Informationen zu speisen, um möglicherweise einen Vorteil aus dieser Schlacht zu ziehen.

Ich breitete große Pergamentschriftrollen auf dem steinernen Tisch aus, die ich in den letzten Tagen gezeichnet hatte. „Das sind die Baupläne des Schlosses, je nach Stockwerk unterteilt und nachgezeichnet, wie ich sie in Erinnerung habe. Ich habe auch die versteckten Eingänge eingefügt, es wäre aber nicht verwunderlich, wenn man die gefährlichsten von ihnen bereits zugeschüttet hat, um möglichen Eindringlingen zu entgehen.“

Erneut starrten die Anwesenden mich an, als wäre mir ein drittes Auge oder derartiges gewachsen. Anscheinend konnten sie sich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ich tatsächlich nichts Böses im Sinn hatte, sondern nur meinen Beitrag leisten wollte.

Tristan reichte die Aufzeichnungen den anderen, die voller staunen auf die perfekt skizzierten Zeichnungen starrten, als hielten sie einen unbezahlbaren Schatz in Händen.

Nur ein Pergament legte ich vor Logan und tippte mit dem Zeigefinger auf ein Zimmer im Erdgeschoss, im Zentrum des Schlosses und somit von allen Seiten geschützt. Logans wildem Blick nach zu urteilen, konnte er sich bereits ausmalen, um welches Zimmer es sich hierbei handelte.

Ich sagte es ihm trotzdem. „Das ist Leonores Gemach. Wenn ihr tagsüber angreift, dann wird sie sich höchstwahrscheinlich hier drin befinden. Das Problem dabei ist, dass das Zimmer durch einen kleinen Geheimgang mit dem ersten und zweiten Stock verbunden ist, was ihr sehr leicht die Möglichkeit geben kann zu fliehen.“

Logan und ich wechselten einen Blick untereinander, der nur allzu deutlich sagte, dass es verdammt aufwendig werden würde, meiner lieben Schwester den Gar auszumachen. Als wenn sie nicht auch so schon schwer genug umzubringen wäre.
 

Zwei Tage später zur Mittagszeit bereiteten sich die Jäger und einige andere Werwölfe darauf vor, das Schloss anzugreifen und diesen Krieg ein für alle Mal zu beenden. Jedenfalls so lange, bis sich ein neuer blutrünstiger Herrscher fand. Doch da außer mir nur die beiden Zwillingssöhne der Winchesterfamilie in Frage kämen, blieb uns wenigstens eine Schonfrist von etwa hundert Jahren.

Etwas abseits beobachtete ich Logan wie er von den weniger starken Werwölfen umkreist wurde, als wäre er ein Licht, um das sich Insekten scharrten. Er strahlte eine beruhigende Verlässlichkeit aus, die seine Nachkommen geradezu magisch anzog. Selbst ich musste mich zusammenreißen, mich nicht zu ihm zu stellen und seiner rauen Stimme zu lauschen, wie er strenge Befehle gab, die ihnen allen das Leben retten konnten, wenn es drauf ankam.

Aber nicht nur Männer bereiteten sich auf den Kampf vor, auch eine Gruppe von Frauen – darunter auch die honigblonde Wölfin die Wayne den Kopf verdreht hatte – verabschiedete sich von ihren Liebsten, die sie unter Umständen womöglich nicht wieder sehen würden. Hazel umarmte ihre beiden Jungs und lächelte mir zu, als sie meinen forschenden Blick auffing, während in ihren Augen eine Mischung aus Trauer und widerwilliger Akzeptanz herrschte.

Mich abwendend, schob ich mich unauffällig an der Wand entlang in Tristans Richtung, welcher sich angeregt mit Natalia zu unterhalten schien. Sobald er mich bemerkte, hellte sich sein Gesicht auf und er kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zugeschritten.

„Becca! Kommst du um dich zu verabschieden oder verzehrst du dich bereits vor Sehnsucht?“, fragte er mit einem neckischen Lächeln, als er mich in seine schraubstockartigen Arme schloss und mir über den Rücken rieb. Da ich nicht glaubte, dass diese Gestik als Trost für mich gedacht war, ließ ich es stillschweigend über mich ergehen. Wahrscheinlich hatte er den körperlichen Kontakt gerade nötiger als ich.

„Weder noch“, schnaubte ich hochnäsig und versuchte mein amüsiertes Schmunzeln zu vertuschen. „Ich würde Euch lediglich gerne als Begleitschutz zur Verfügung stehen.“

„Dein Vertrauen in uns ist ja beruhigend.“ Tristan lachte leise uns heiser. „Tut mir leid, meine Schöne. Vielleicht beim nächsten Mal.“

Falls es denn ein nächstes Mal gibt, dachte ich, wollte es aber nicht aussprechen. Es würde schon klappen. Solange sie den Überraschungsmoment und das Tageslicht auf ihrer Seite hatten, konnte es kaum schief gehen.

„Tristan, wir gehen“, sagte Natalia und legte ihm besitzergreifend eine Hand auf die Schulter, als er mich los ließ. Mir dagegen schenkte sie lediglich ein siegessicheres Grinsen und stolzierte anschließend mit einer schwunghaften Drehung, durch die mir beinahe ihre Haare ins Gesicht schlugen, Tristan hinterher.

Ich konnte noch immer nicht sagen, ob mir ihr Mumm imponierte oder ihre Art mir schlichtergreifend auf die Nerven ging. Es gefiel mir einfach nicht sonderlich, wie sie mich an mein altes Ich erinnerte.

Die Krieger verabschiedeten sich und verschwanden in einem der unterirdischen Gänge, während sich die Zurückgebliebenen zu einem dichten Halbkreis zusammen drängten und ihnen gleichzeitig Jubel- und Klagegeschrei hinterher riefen.

Zu meinem Vorteil war Logan bereits vorgegangen, so dass ich noch etwas Zeit hatte, mich unter vier Augen mit ihm zu unterhalten.

Mich davon schleichend, huschte ich durch die verzweigten Gänge, immer darauf bedacht, dass mich niemand sah und erreichte rechtzeitig die Abzweigung, an der seine wölfische Majestät vorbei kommen würde.

Zu meinem Glück ließ Logan nicht lange auf sich warten und kreuzte schon bald meinen Weg. Er würdigte mich keines Blickes und wollte einfach mir vorbei gehen, als existierte ich nicht, doch ich stellte mich herausfordernd vor ihn, so dass er keine andere Wahl hatte, als mich zur Kenntnis zu nehmen.

Er blieb stehen und knurrte, als ich näher an ihn heran trat, doch davon ließ ich mich nicht mehr einschüchtern. „Logan, seht mich an.“

Der sonst so mutige Werwolf schien seine Schwierigkeiten mit dieser Aufgabe zu haben und starrte mit gefurchter Stirn stur zu Boden. Es dauerte einige Sekunden, ehe er sich ein Herz fasste und seine schimmernden, türkisen Augen auf mich richtete, in denen ein Ausdruck brennenden Verlangens und unheilbaren Schmerzes lag. Es wirkte, als ob er sich nicht entscheiden könne, ob er mich lieber an sich ziehen oder mich von sich fortstoßen wollte.

„Geh zurück zu den anderen“, forderte er. Seine Stimme klang hart und unnachgiebig, als hielte er sich davon ab mich anzubrüllen.

„Erst wenn ich Euch gesagt habe, was ich zu sagen habe“, erwiderte ich und trat noch näher an ihn heran. Spannung lag in der Luft wie das Knistern eines Feuers. Ich hob die Hand und legte sie auf Logans stoppelige Wange, was ihn erstaunt die Augenbrauen hochziehen ließ.

„Und was wäre das?“

Ich holte zittrig Luft, denn ich wusste, dass ich weder ihm noch mir einen Gefallen tat, wenn ich meine Gedanken zu Worte bildete. „Ihr müsst zurückkommen. Kommt zu mir zurück.“

Als er ansetzte zu sprechen, schüttelte ich den Kopf und trat wieder zurück. „Nein. Sagt nichts. Tut einfach, worum ich Euch bitte.“

Erst als Logan langsam nickte, als wäre er nicht ganz sicher was ich damit bezweckte, atmete ich erleichtert aus und verschwand denselben Weg zurück den ich gekommen war. Ab jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass dies kein Abschied für immer war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Enyxis
2013-06-21T20:56:13+00:00 21.06.2013 22:56
Ò____Ó WIESO GIBTS HIER KEIN KOMMI? Klar, okay, Kriegsplanung etc etc aber das Ende des Kapis is es doch alle Male wert oder?? Total toll *___*


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