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17:59, it's Guinness Time

von

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»Du nicht?«

Ich sitze vor meinem Fernseher und weiß nichts mit mir anzufangen. Es ist Freitagabend und normalerweise gehe ich da immer mit Julius einen Trinken. Aber er hat seit zwei Wochen nichts von sich hören lassen. Genau genommen, seit wir Ophelia zu seiner Schwester gebracht haben.

Soll ich einen meiner Arbeitskollegen anrufen? Früher war ich mit Martin nach Feierabend öfter unterwegs, allerdings habe ich eigentlich keine Lust etwas mit ihm zu unternehmen.

Unmotiviert zappe ich mich durchs Programm und mit jeder dummen Show werde ich genervter. Warum hat sich Julius denn nicht gemeldet? Als wäre Ophelia der einzige Grund, warum er ständig bei mir aufgetaucht ist. Gut, er hat sich tatsächlich recht häufig mit ihr beschäftigt, als er hier war. Aber Ophelia hat das nie anerkannt.

Außerdem ist das kein Grund, warum wir nicht gemeinsam ins Pub gehen. Was ist überhaupt sein Problem? Wir waren uns doch einig gewesen, dass wir keinen Bock auf Beziehungen haben. Anderseits ist seine Trennung auch schon über neun Monate her. Ich habe auch nicht mitbekommen, dass er in der Zwischenzeit irgendwelche Affären gehabt hätte.

Neun Monate sind lange … Bei mir müssten es jetzt elf sein. Aber ich bin nie der Typ gewesen, der sich von einer Beziehung in die nächste stürzt. Allerdings, was ich so von Stefanie gehört habe, ist Julius eigentlich nicht der Typ, der solange Single ist. Das er noch niemand neues hat, wäre etwas ungewöhnlich. Naja, nicht mein Problem.

Ich schau auf die noch verpackte DVD von ›Death Watch‹ auf dem Couchtisch. Ich hab sie letzte Woche gekauft, weil ich in Erinnerung hatte, dass Julius den Film mal sehen wollte und ich eigentlich auch. Gut, wenn er nicht kommt, schaue ich ihn eben alleine. Im Fernsehen läuft sowieso nichts und wenn Julius sich aus mir unbekannten Gründen rar macht, ist das seine Sache.

Routiniert lege ich den Film ein und klicke mich durchs Menü. Kurz überlege ich, ob ich mir ein Bier holen soll. Aber ohne Gesellschaft trinken mag ich nicht, und eine DVD zählt wohl nicht dazu.

Etwas verstimmt lehne ich mich zurück und lasse den Vorspann auf mich wirken, dann drücke ich Pause und hole mir doch ein Bier.

Mit dem Bier lasse ich mich wieder aufs Sofa fallen und drücke wieder auf Play. Der Film ist gut, aber irgendwie kann ich mich nicht im gleichen Maße begeistern, wie ich es tue, wenn ich mit Julius Filme schaue. Wir waren auch öfter im Kino und jetzt diesen Film alleine zu gucken, ist wie alleine ins Kino gehen und alleine Bier trinken. Irgendwie einsam.

Was ist auch mit Julius los? Wenn er viel zu tun hat, hätte er mir das einfach sagen können, anstatt einfach nicht mehr aufzutauchen.

Ich stelle die Bierflasche etwas unsanft auf den Couchtisch und starre grimmig auf den Fernseher. Und wenn er sich morgen auch nicht meldet? An Wochenenden nur zuhause rumsitzen, ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Was mache ich denn sonst, wenn niemand Zeit hat?

Aufräumen, Waschen und Putzen. Das habe ich letztes Wochenende schon gemacht und soviel Dreck ist in den letzten fünf Tagen nicht zusammen gekommen. Jetzt wo Ophelia nicht mehr da ist, noch viel weniger, als sowieso schon.

Tatsächlich ist mir Ophelias Abwesenheit viel mehr aufgefallen, als ich erwartet habe. So viele Dinge, die ich automatisch mache, sind nutzlos geworden. Wie zum Beispiel den Schrank kontrollieren, ob sie darin schläft, bevor ich ihn ganz zumache. Oder das vorsichtige Öffnen der Wohnungstür, damit sie nicht in den Hausflur entwischt. Es ist sogar ein seltsames Gefühl, dass ich mich einfach auf die Couch setzen kann, ohne einen kleinen Machtkampf mit ihr auszufechten.

Wie es ihr wohl geht?

Ich hab die Nummer von Conny nicht. Anderseits ging ich davon aus, dass ich über Julius informiert werden würde. Hm … vielleicht sollte ich zu ihm hoch und naja, ihn fragen. Okay, vermutlich ist er unterwegs, anderseits haben wir noch nicht mal zehn und meistens gehen wir nicht vor elf ins Pub. Wenn ich zu ihm hoch gehen will, dann jetzt. Entschlossen mache ich den Film aus, auf den ich mich eh nicht richtig konzentriert habe und marschiere die Treppe hoch.

Gerade als ich klingeln will, öffnet Julius die Tür. Er sieht überrascht aus, mich zu sehen.

»Äh, hey«, begrüßt er mich mit gerunzelter Stirn.

»Stör ich?«, frage ich. Julius hat seine Jacke und Schuhe an und sieht aus, als wäre er auf dem Sprung – ohne mich.

»Ich wollte gerade … weg. Gibt es was?« Er klingt jetzt nicht mehr überrascht, aber etwas abweisend.

»Nicht direkt, ich wollte nur … Hast du was von Ophelia gehört?« Deswegen bin ich ja schließlich zu ihm hoch gekommen.

»Ihr geht’s gut, meinte Conny. Du, ich muss jetzt aber wirklich los.« Er lächelt leicht nervös und sieht an mir vorbei zur Treppe. Okay, ich merke schon, wenn ich unerwünscht bin und ganz offensichtlich will er mich nicht mitnehmen, zu seinem wichtigen Termin. Ob es ein Date ist?

»Hm, okay, dann ist ja gut.« Ehrlich gesagt, fühle ich mich etwas dumm, dass ich überhaupt hier her gekommen bin. Natürlich geht es Ophelia gut, ich habe ja gesehen, wie Conny sich über sie gefreut hat. Und naja, schlechter als es ihr bei mir ging, wird es sicher nicht sein.
 

»Hey.« Julius steht vor meiner Tür. Er lächelt kurz, aber nicht sehr ernst gemeint. Ich überlege, ob ich ihm sagen soll, dass ich keine Zeit habe, nach dem er mich gestern so stehen gelassen hat. Immerhin sortiere ich gerade meine Socken nach Farbe und Lochanzahl. Wenn der Socke mehr als zwei Löcher hat, die über fünf Millimeter hinaus gehen, wird er weg geschmissen. Sehr sehr spannend.

»Willst du reinkommen?«, frage ich stattdessen, lächle auch aus Höflichkeit. Wenn er Nein sagt, kann er mir gestohlen bleiben. Er sieht nach links und rechts in den Flur, als würde er erwarten, dass seine Ausrede gleich um die Ecke gebogen kommt.

»Gern.«

Ich mache einen Schritt beiseite, um ihn rein zu lassen und stelle fest, dass mich seine Antwort doch freut. Er trägt keine Schuhe, stelle ich fest. Das kommt häufiger vor, wenn er nur so bei mir vorbei schaut. Wäre auch Unsinn für die fünf Treppen extra Schuhe anzuziehen. Er hat keine Löcher in den Socken, zumindest nicht an den Zehen. Blödes Sortieren.

»Du hast ja gestern nach Ophelia gefragt. Und zufällig hat mich meine Schwestern vorhin angerufen«, eröffnet er mir, als wir gemeinsam in die Küche gehen. Ich würde ihm einen Kaffee aufbrühen mit der Senseo-Maschine. Er mag den Kaffee aus den Pads wirklich gerne.

»Ja?«

»Jub und sie hat gefragt, ob wir nicht nächsten Samstag zu ihnen zum Grillen kommen wollen. Dann kannst du auch sehen, wie sich eingelebt hat.«

»Das ist ja nett.« Ist es wirklich. Die Einladung von Conny überrascht mich. Ich lege das Pad in die Maschine, stelle Julius Lieblingstasse – sie hat einen gelben Smiley darauf – darunter und drücke den Startknopf.

»Ja, finde ich auch. Ich … naja, würde mich freuen, wenn du mitkommen würdest.« Diesmal lächelt er mich ganz offen an. Ich schlucke.

»Hast du überhaupt Zeit? Die letzten Wochen warst du ja nicht oft hier.« Und plötzlich klinge ich wie meine Exfreunde, stelle ich entsetzt fest. Aber es hat mich wirklich gestört, dass er so lange nichts von sich hat hören lassen.

»Weißt du … naja. Okay, weißt du, warum ich mich nicht … Also ich mag dich, in Ordnung? Ich weiß, ich weiß, du hast keinen Lust auf eine Beziehung und alles. Aber es ist halt … passiert.« Er sieht mich hilflos an, als wüsste er auch nicht, wie er in diese Situation geraten ist.

»Oh« ist alles was ich dazu sagen kann. Er mag mich … Na gut, ich hätte es mir denken können, immerhin gab es Anzeichen. Es ist aber was völlig anderes, wenn er es so direkt anspricht. Was soll ich jetzt sagen?

»Ja …« Julius kratzt sich am Bart und die Senso-Maschine säuselt den Kaffee in den Becher. Was macht man in so einer Situation? Es ist nicht so, dass ich es jetzt sonderlich schlimm finde. Aber mir ist die Freundschaft mit ihm wichtig.

»Und … wie lange schon?«

»Keine Ahnung, seit ein paar Wochen, denk ich.« Er zuckt mit den Schultern. Ein paar Wochen schon, ist das zu spät für eine Abtreibung? Ich sollte wirklich nicht so ein Drama daraus machen.

»Hm, okay... Weißt du was, wir gehen jetzt einen Trinken.«

Er blinzelt und ich grinse. Nach einem Guinness oder zwei, sieht doch die Welt schon mal ganz anders aus.

»Na gut, aber diesmal lade ich dich nicht ein«, stimmt er schließlich zu. Immer noch etwas verwirrt von meiner Reaktion.

»Nee, ist okay, geht auf mich.« Man kann doch alles viel entspannter besprechen, wenn man in einem gemütlichen Pub sitzt und keine bedrückende Stille auf einem lastet. Den Weg verbringen wir schweigend, hängen dabei unseren Gedanken nach. Ich weiß nicht so wirklich, was ich ihm sagen soll. Beziehungen sind so schwierig … Bis jetzt hatte ich immer wenig Glück damit und im Grunde habe ich Schiss davor, dass das mit Julius plötzlich so wird, wie es mit Thomas war oder mit Claudio oder dem ganzen Rest. Das ich Julius mag, ist dabei gar nicht der Punkt. Reicht das aus? Das man sich mag … meiner Erfahrung nach nicht.

Es ist kurz vor Sechs, da ist im Pub so gut wie nichts los, so kriegen wir ohne Probleme einen Tisch in einer ruhigen Ecke. Wir brechen das Schweigen erst, als die Kellnerin uns jeweils ein Bier serviert und ich einen Schluck genommen habe. Julius hat mich dabei die ganze Zeit mit wachsamen Blick beobachtet. Als wartet er darauf, dass ich jeden Augenblick davon laufe.

»Okay, reden wir«, sage ich schließlich, lege meine Hände dabei auf den Tisch. Ich bemerke, wie Julius die Schultern etwas einzieht, als hätte er Angst.

»Ich bin schrecklich in Beziehungen.« So, es ist gesagt. »Ich bin oft unterwegs und mache das sehr gerne. Ich habe keine Lust und auch nicht die Zeit, ständig irgendwelchen großen Unternehmungen zu machen. Ich bin auch nicht sonderlich aufmerksam und bin fürchterlich darin, Geschenke zu machen.«

»Okay …« Julius lehnt sich in seinen Stuhl zurück, nimmt dann einen Schluck, als müsste er das Gesagte erst verdauen. »Gut, damit komm ich klar.«

»Hm …« Ich hätte gesagt, dass Julius in seiner Verliebtheit so etwas einfach behauptet. Anderseits kennen wir uns schon ein dreiviertel Jahr, das eigentlich ganz gut funktioniert hat. Zwar als Freunde und nicht in einer Beziehung, aber er kennt mich mittlerweile und weiß vermutlich tatsächlich, womit er bei mir zu rechnen hat und ob er damit umgehen kann.

»Gut, auf deine Verantwortung.«

»Also … du meinst, du könntest dir vorstellen, dass es zwischen uns klappt?«, fragt er mit einem skeptischen Blick, als würde er der Sache nicht trauen.

»Du nicht?«, frage ich überrascht. Das ist doch die Ausgangsbasis gewesen, oder? Das er gerne eine Beziehung mit mir hätte.

»Hm, doch schon … nur. Ich mein, magst du mich denn überhaupt. Ich mein, so richtig.«

Ich räuspere mich. In Zugneigungsbekundungen bin ich immer miserabel gewesen.

»Denk schon«, nuschle ich in mein Bier hinein. Ich schiele zu ihm und ein breites Grinsen schleicht sich auf ein Gesicht. Plötzlich fängt er an zu lachen.

»Und ich dachte schon, du schleppst mich ins Pub, um mir zu sagen, dass das nichts wird und du nicht willst, das ich dir eine Szene mache!«

»Was?«, frage ich verwirrt.

»Du weißt schon, wie in den ganzen Filmen immer«, erklärt er.

»Oh, hm.« Ich kratzte mir am Kinn. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen. Er lacht wieder, leert dann sein Guinness mit wenigen Schlücken.

»Die nächste Runde geht auf mich, zur Feier des Tages!«
 

Ende.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  AnMo
2011-12-18T14:27:50+00:00 18.12.2011 15:27
Irgendwie fehlt mir in diesem Kapitel etwas. Das Ende ist okay, aprupt heißt ja nicht gleich schlecht, aber es ist irgendwie ... anders. Wenn ich's benennen könnte, würd ich's sagen aber ... pfff ... keine Ahnung :/
Aber an sich super, die FF.

Heißt übrigens die Socke, nicht der, du meintest dann wohl "der Socken" was manche sagen?
Von:  Mado-chan
2011-12-17T16:13:59+00:00 17.12.2011 17:13
hmm ein plötzliches Ende, aber schön und stimmig.
Ich finde es sehr schön, dass es keien große Diskussion gab und kein ewiges Liebesgedusel.
Ich mag die ganze FF und die Namen! XD
LG
Mado



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