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Via Inquisitoris: Ein Sarg in Transsylvanien

der vierte Vampirkrimi
von

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Tod

Oh, Death,

Won't you spare me over another year

But what is this, that I cant see

with ice cold hands taking hold on me

When God is gone and the Devil takes hold,

who will have mercy on your soul
 

Jen Titus: Oh Death
 

Sarah dachte fieberhaft nach. War er wirklich eine Gefahr oder war Gavril Acatiu nur von seiner Zeit ohne Meister, unter dem Druck der Suche, der Polizei so verwirrt, dass er nicht mehr wusste, was er da sagte? Musste sie ihn um den Volkes willen umbringen oder war alles nur einfach schrecklich für so einen jungen Vampir? Hinzu kam, dass sie höllisch aufpassen musste, was sie sagte und tat, denn dort hinter der einseitigen Glasscheibe standen drei menschliche Polizisten. Hätte sie noch schwitzen können, so hätte sie es getan, oder wäre gar wie eine viktorianische Lady in Ohnmacht gefallen. Beide Wege blieben ihr versperrt. Bedauerlicherweise, wie sie fand. Und neimand war da, der ihr helfen oder raten konnte: nicht ihr Vater, nicht Wombat, ihr Amtsvorgänger. Sie war ebenso allein, wie es wohl auch Gavril Acatiu gewesen war, wenn auch mit gewisser Ausbildung und einer ver..., nein, das sagte eine Lady nicht...einer mehr als schweren Pflicht.

Langsam und betont freundlich erkundigte sie sich: „Sie glauben also, dass Sie nun ein Vampir sind, Mr. Acatiu, ein Wesen der Hölle?“

„Ja! Begreifen Sie das nicht? Ich habe meine Seele an den Teufel verkauft, das müssen Sie doch wissen. Ich will nicht sterben!“

Jetzt wurde es endgültig heikel: „Und auch nur der Teufel kann Ihnen sagen, wenn es vorbei ist? Mr. Acatiu....“ Sie sagte es so freundlich und beruhigend wie möglich, während sie in Gedanken bereits nach den seinen suchte: „Es ist vorbei, glauben Sie mir. Gerade, weil ich Sie verstehe...es ist vorbei.“
 

„Sie macht das recht gut,“ murmelte Simona Balint, die Leiterin der Mordkommission: „Sie versucht, in diesem Gerede einen Faden zu finden, ihn zu beruhigen. Vielleicht sagt er uns doch noch, was mit Balaur passiert ist. - Sie ist keine Polizistin?“

„Nein,“ gab Kenneth Cuillin zurück: „Ich ziehe sie nur manchmal zu. Aber wirklich, für jemanden ohne Ausbildung macht sie das recht feinfühlig.“
 

Sarah hätte sich über dieses Lob kaum gefreut. Es waren die bittersten Sekunden ihres gesamten zweiten Lebens, als sie für die Öffentlichkeit beruhigend auf den Vermögensverwalter einredete – und in Gedanken ihn bereits so beeinflusste, dass er in ihr nur die Beute sah. Je mehr sie von der Verwirrtheit, ja, der Schwärze in seinem Hirn mitbekam, um so leichter fiel ihr allerdings die Manipulation. Würde sie ihn nicht unauffällig umbringen, so würde er das gesamte Volk zum Auffliegen bringen. Weder Kenneth Cuillin noch seine rumänischen Kollegen waren dumm und würden eine Blutprobe anordnen – was dann?

„Hören Sie, ich bin sicher, dass Sie noch eine Seele haben. Ebenso wie ich oder andere.“

Gavril Acatiu sah sie an: „Ja, ich bin ein Vampir. Und du bist sogar noch mehr davon. Alles, was ich will....“
 

Zum Entsetzen der Polizisten sprang er plötzlich auf und schleuderte den Tisch mit für die Menschen überraschender Kraft zur Seite, stürzte sich auf Sarah.

„Verdammt!“ Kenneth Cuillin hatte ebenso wie seine Kollegen bereits die Dienstwaffen gezogen, als Simona Balint warnte:

„Die einseitige Scheibe ist schusssicher!“

Die Drei stürzten aus dem Raum, um die Ecke und in das Verhörzimmer. Der Schotte, der am meisten voran war, bemerkte erschreckt das Blut, das aus dem Hals seiner Lady rann und drückte sofort ab, noch ehe er hinstürzte und den Vermögensverwalter von Sarah riss. Diese hielt sich den Hals, um nicht die Tiefe der Wunde zu zeigen. Immerhin würde das bei ihr rasch verheilen, da war es nicht nötig, dass sich ein Mensch darüber wunderte.

„Geht es, Lady Sarah?“ erkundigte sich die Mordermittlerin und umarmte sie, während die beiden Männer den regungslosen Vermögensverwalter beiseite zerrten. Blut rann über seinen Anzug aus seiner rechten Schulter.

„Ja, ich glaube schon....Ich bin nur etwas durcheinander.“ Und das war, das wusste der Himmel, nicht gelogen. „Ich..kann ich mich irgendwo abwaschen?“

„Ja, natürlich, Kommen Sie. Ich schicke Ihnen dann einen Sanitäter.“

„Simona, auch einen Arzt für ihn hier!“ meinte Ilie Florinescu: „Der scheint nicht bei Bewusstsein.“

„Mann-Stopp-Funktion,“ erklärte Kenneth Cuillin: „Das Kaliber setzt auch bei nicht tödlichen Treffern außer Gefecht.“
 

Das mochte stimmen, dachte Sarah, aber Gavril Acatiu würde jeden Moment sterben, auch, wenn er es noch nicht getan hatte. Das Blut eines Vampirs war für einen anderen schieres Gift.

Als Simona Balint sie allein in den Toilettenräumen gelassen hatte und sich die Inquisitorin ein wenig mit Wasser abwusch, wurde ihr jäh eisig kalt. Wie hatte sie das vergessen können? Du lieber Himmel. Als sie Thomas in Edinburgh oder Don Fernando in Mexiko auf diese Art getötet hatte, hatte unmittelbar nach der Rückverwandlung in einen Menschen der natürliche Verwesungsprozess eingesetzt und sie waren zu Staub zerfallen. Na, wunderbar. Das würde jetzt also unter den Augen der menschlichen Polizei und der Kameras passieren? Wie sollte sie das erklären? Immerhin konnten sie ihm dann kein Blut mehr abnehmen, aber....Wie hatte sie das nur vergessen können! Wohl niemand aller Vampire hatte je derart gegen die Regel der Unauffälligkeit verstoßen wie sie selbst gerade eben.

Was nun, dachte sie panisch.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Sie drehte sich um und erkannte eine Frau mit einem Koffer mit einem roten Kreuz darauf, sicher die Sanitäterin.

„Oh, es ist nur ein Kratzer,“ beteuerte sie eilig: „Vielleicht ein großes Pflaster?“ Zum Glück waren die tiefsten Spuren schon am Verklingen.

„Huh.“ Die Schwester kam heran: „Mir wurde gesagt, dass das bei einem Verhör passierte. Da ist wohl jemand durchgedreht.“ Ihr Englisch war recht gut.

„Ja, das kann man so sagen.“

„Ich desinfiziere es dann nur noch. Nicht, dass Sie sich sonst etwas geholt haben. Was dachte der Typ denn, was er ist, ein Werwolf?“

„Ein Vampir,“ gab Sarah zu, da das wohl sowieso die Runde machen würde. Jetzt sollte sie zusehen, dass sie zurückkehrte und sich irgendetwas ausdenken, wie sie das Staubhäufchen erklärte. Nur, wie?

Vater!

Aber der war nicht da.
 

Als sie in das Verhörzimmer zurückkam, lag Gavril Acatiu am Boden und ein Arzt untersuchte ihn, während die drei Polizisten schweigend dabeistanden.

Kenneth Cuillin sah auf: „Sarah, wie geht es Ihnen?“ Sein Blick lag besorgt auf dem weißen, zugegeben dramatisch aussehenden, Verband an ihrem Hals.

„Es geht schon. Tut mir Leid....“

„Nein, mir sollte es Leid tun. Wir hätten daran denken müssen, dass er durchknallt. - Er ist tot.“

„Oh.“ Sie sah vorsichtig zu der Leiche. Wieso lag er dann noch da? Warum hatte der Verwesungsprozess nicht eingesetzt? Wieso war er eine Leiche und kein Häufchen Staub? So war das doch sonst gewesen?

Aber dann fiel ihr inmitten ihres Gedankenwirrwarrs ein, was passiert sein musste. Sowohl Thomas als auch Don Fernando waren schon weit über hundert Jahre alt gewesen und damit war ihr menschlicher Körper praktisch nicht mehr existent. Nur das geheimnisvolle Blut, das Vampire besaßen, hatte diesen zusammengehalten und sie damit am Quasileben. Der Vermögensverwalter war erst zehn Jahre ein Vampir gewesen – jung genug mit wohl sechzig, dass sein menschlicher Körper noch existierte, bei der Rückverwandlung nicht zerfiel. Er war „nur“ gestorben.

Mit etwas zitternden Beinen ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. Das war ja mehr Glück als Verstand gewesen. Solch ein Fehler durfte ihr nie wieder passieren.

Ilie Florinescu sah zu ihr: „Sie sehen etwas blass aus, Lady Sarah. Das war wohl ein ganz schöner Schock für Sie. Aber wir konnten nicht damit rechnen,...“

„Nein, es war nicht Ihre Schuld,“ gab sie sofort ehrlich zurück: „Und ich hatte ja den Vorschlag gemacht...“

„Tja. Nun wissen wir, dass er verrückt geworden war, vielleicht durch diese Vampirgeschichte – oder zumindest es nun war.“ Der Schotte musterte sie erneut besorgt: „Aber das erklärt leider noch immer nicht, wo Graf Balaur ist. Und ohne Leiche ist es kein Mord.“

„Ganz verrückt war er wohl nicht, zumindest nicht am Anfang,“ meinte Ilie Florinescu sofort: „Er war schlau genug um sich zu sagen, dass nur der Tod des Grafen, der nachgewiesene Tod, ihn an das Erbe kommen lassen würde. Darum täuschte er dessen Tod vor – er stahl die Asche aus einer Urne, wohl in der Annahme, dass die Gerichtsmedizin das nie nachweisen könnte – und stellte die Vermisstenanzeige. Den Sarg hat er sich bestimmt selbst gekauft, wie es ja in einigen Ggenden Traditio ist. Und niemand fragte daher nach oder merkte ihn sich. Ich persönlich nehme ja an, dass Balaur in Wien ist oder so, jedenfalls dort, wo er die Jahre des Kommunismus überdauert hat. Wo weiß nur leider keiner. Also, die Österreicher konnten uns da nicht helfen. Er hatte wohl einen anderen Namen angenommen, nicht unüblich in der Zeit nach dem Weltkrieg und auf der Flucht. Vielleicht reichte es ihm da mit der doch einsamen Lage in den Wäldern.“

Möglich, dachte Sarah. Oder er interessierte sich für Ausgrabungen oder für....es gab dutzende von Möglichkeiten, wohin ein Vampir, zumal mit Geld, reisen konnte. Allerdings blieb die Frage offen, warum er seinen so jungen Schüler doch für ein Jahr allein gelassen hatte. Schön, ein Jahr war nichts im Vergleich zu den Jahrzehntausenden, die einer ihres Volkes lebte, aber...Ja, aber. Hatte Balaur schlicht übersehen, dass Gavril Acatiu nach ihren Maßstäben ein Kleinkind war? Hatte er ihn, den er ja wohl schon Jahrzehnte kannte, immer als erwachsenen und reifen Menschen eingestuft und vergessen, dass sich doch nicht nur der Körper änderte und der neue Vampir mit vielem zurecht kommen musste, nicht zuletzt mit der Jagd? Sie entsann sich nur vage an die schrecklichen Tage oder eher Nächte, in denen sie allein durch London geirrt war, auf der Suche nach Blut und mit dem Gefühl wahnsinnig zu werden, es gar schon zu sein, bis Lord John sie gefunden hatte.

Was ihr mit gewissem Entsetzen schlagartig klar machte, dass sie schleunigst nach Copa zurück sollte. Da schwirrten sicher noch immer so genannte Vampirjäger oder Leute der Draculagesellschaft oder auch dieser ominöse Mr. Jordan herum – nicht auszudenken, wenn einer von denen an ihren Koffer gelangte. Sie vermutete zwar, dass Alecu da ein Auge darauf haben würde, aber darin lag nun einmal die Dienstwaffe des Kadash. Und die sollte nicht in Menschenhände fallen. „Äh...ich würde gern nach Copa zurück,“ sagte sie darum: „Ein wenig Erholung täte mir doch gut, nach dem Schreck. Und helfen kann ich hier sowieso nichts mehr.“

„Ja, wir fahren alle zusammen,“ sagte Kenneth Cuillin sofort: „Wir sollten den Medien und den Einwohnern sagen, wie es ausging. Hoffentlich ist dann da Ruhe. Und nein, ich mache das schon. Sie haben für heute genug getan, Sarah.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Teilchenzoo
2011-11-22T14:41:15+00:00 22.11.2011 15:41
Ach herrje ... das ging aber sehr knapp gut! Meine Güte, wenn das mit dem menschlichen Körper schief gegangen wäre ... dann aus die Maus für Sarah.
Das muss für alle Anwesenden ein ziemlicher Schock gewesen sein. Drama-Queen^^°.

Tja, und was nun? Der Fall ist unglaublich verwirrend. Ist es überhaupt ein Fall?

Und was ist mit Lord Johns Nachforschungen? Die hast du bislang ja außen vor gelassen.

LG
Von:  kiji-chan
2011-11-16T20:56:05+00:00 16.11.2011 21:56
Äh. Ja. Sarah hat heute schon viel getan. Wen er nur wüsste, was alles. Lol.

Wenn ich mich recht entsinne, kommt nächste Woche das letzte Kapitel? o0
Dabei ist es, für mich zumindest, noch recht unklar und verwirrend.
Wo war jetzt der Mord? Wer (abgesehen vom Kadash) ist der Mörder? Gibt es überhaupt einen Mord?

Bin gespannt, was uns alles noch erwartet.

ncha!

Kiji


Von:  00schnepel8
2011-11-16T18:48:37+00:00 16.11.2011 19:48
Da hatte Sarah ja wirklich einmal mehr Glück als Verstand...Aber das sie aus deiser Situation noch so glimpflich herausgekommen ist grenzt schon an ein Wunder.Je länger der Krimi andauert desto gespannter bin ich auf die Auflösung, denn einen Reim kann ich mir auf all das nicht machen.

Und wie fukuyama würde es mich interessieren auf welche informationen unser lieber Lord John bisher gestoßen ist, und ob sie ihm ein wenig Klarheit verschaffen...Oder kommt er gar erst im nächsten Krimi wieder vor, denn es kommt mir so vor als ob sich die Geschichte um Sarahs Vergangenheit durch alle Krimis hindurchziehen würde...

Ich freue mich schon auf nächsten Mittwoch und auch den kommenden Samstag...:)

Von:  fukuyama
2011-11-16T16:54:30+00:00 16.11.2011 17:54
Und jetzt darf sie bloß nicht vergessen, das vermeintliche Tagebuch zu zerstören... -.- Und muss dann eventuell auch noch Balaur dafür zur Rechenschaft ziehen, dass er praktisch "Kindesmisshandlung" begangen hat.
Da hat unsere gute Sarah ja allerhand am Hals.
Und was treibt eigentlich Lord John in der Zwischenzeit bei seinen Mönchen?

Nach den turbulenten ersten Wochen in der Uni komme ich endlich mal wieder zum Lesen...


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