Incendium
Das Knistern dringt an meine Ohren, bevor ich auch nur irgendetwas anderes wahrnehme. //Was machen die Angestellten nur wieder so früh am morgen?// geht es mir durch den Kopf und ich will mich zur Seite drehen, als eine ungewohnte Wärme meine Aufmerksamkeit fesselt. Seit wann ist es im Bett so warm? Ich habe doch kein Fieber? Ein dumpfes >Klonk< lässt mich erschrocken die Augen aufreißen und das erste was ich erblicke ist ist ein Wand aus Rot und Gelb. Orientierungslos huschen meine Augen durch mein Zimmer und bleiben am angekohlten Griff meines Schrankes hängen, der auf dem Boden liegt.
Daher das Geräusch. Doch ich kann gar nicht so weit denken.
Er jetzt wird mir der beißende Gestank bewusst und plötzlich, als ich endlich realisierte was hier vor sich ging, sprang ich mit einem Satz aus meinem Bett. Feuer! Mein Zimmer stand in Flammen!
„Mama! Papa!“ Auf wackligen Beinen renne ich zur Tür und verbrenne mir fast die Finger, als ich den Knauf berühre und sie aufstoße.
Sofort erstarre ich, als sich die Höllenszenerie vor mir auftut. Es ist nicht nur mein Zimmer das brennt. Die ganze untere Halle steht in Flammen und ich kann sehen wie sich das Feuer gierig das Treppengeländer emporarbeitet. Den wundervollen Läufer hat es bereits zur Hälfte verschlungen.
Was geht hier vor? Warum hat mich keiner geweckt? Schwer atmend sehe ich nach links und rechts, nicht wissend wohin ich mich wenden soll. Plötzlich erkenne ich mein eigenes Anwesen nicht mehr wieder. Wo befindet sich was? Die Hitze zu meiner Linken wird unerträglich, ich habe das Gefühl das sich die Flammen förmlich darum streiten, meine Haut zu zersetzen. Mit rasendem Herzen renne ich in die andere Richtung, weg von der lodernden Front.
Doch es gibt kein weg. Es ist überall.
„Mama!“ schreie ich aus vollem Halse. Wo ist sie? Wo sind die Angestellten?
Das Feuer hat Teile der Wandbekleidung mit sich nach unten gerissen und als ich den Gang entlang sprinte, stolpere ich über einen Wandbehang, der verkohlt auf dem Boden liegt. Hart schlage ich auf, aber ich spüre den Schmerz vor lauter Angst nicht. Meine blutenden Knie ignorierend stehe ich sofort wieder auf und renne weiter, nicht wissend wohin. Wo ist der Ausgang? Wo sind meine Eltern?
„Papa?! Papa!!“ Die nächste Tür die ich öffne enthüllt mir einen kurzen Moment der Ruhe – dieser Raum ist noch frei von den versengenden Flammen, doch meine Erleichterung währt nicht lange. Mein Blick fällt auf Tanaka, der sich mit Schockgeweiteten Augen zu mir umdreht.
„Tankaka, das Haus...!“ setze ich an, doch der Butler ruft mir nur etwas zu.
„Verschwindet junger Herr!“ Dann ein Schuss. Mit geweiteten Augen sehe ich ihn fallen. Ich bin unfähig meinen Blick von ihm zu nehmen, als ich ihn auf den Boden aufschlagen sehe.
Doch dann bemerke ich einen Schatten, der aus einer Ecke des Zimmers auf mich zukam. Ich muss nicht denken. Mein Körper reagiert ganz allein, ich weiß instinktiv, das dieser Schatten nichts Gutes bedeutet!
Zurück in die Flammenhölle, alles ist besser als dieses ETWAS, das Tanaka das angetan hat!
„Helft mir! Mama! Papa!“ die beissenden Flammen schlagen mir erneut ins Gesicht, als ich mich durch die stickende Luft kämpfe. Irgendwie schaffe ich es die Treppe hinunter, vorbei an den Flammen die das Geländer nun vollständig in Besitz genommen haben. Das sie bereits nach dem Kronleuchter züngeln, nehme ich nicht war, noch das meine eigenen Kleidung an einigen Stellen bereits angesenkt ist.
Mein Hals brennt, mein ganzer Körper fühlt sich an als wäre jemand mit Schmirgelpapier darüber gegangen. Schwer hustend taumle ich gegen die Wand, doch stoße mich sofort schreiend davon weg, als ich die Flammen bemerke, die daran emporklettern. Ich falle wieder auf den Boden und bleibe schaudernd liegen.
Was passiert hier? Warum sind überall Flammen?
„Mama ... Papa...“ Mein letztes bisschen Kraft wird mobilisiert, als ich mich wieder aufstemme. Ich habe nur einen Gedanken: ich muss meine Eltern finden!
Meine Sicht ist mittlerweile so verschwommen, das ich mich kaum noch zurechtfinde. Sind das Tränen?
Durch den Rauch? Durch den Schmerz? Trauer?
Oder hat mich der Qualm schon längst blind gemacht?
Mir bleibt nichts anderes als mich mit den Händen voranzutasten, um wenigstens eine ungefähre Richtung zu haben. Immer wieder greife ich mit meinen Fingern in die Flammen und ziehe sie mit einem Schluchzen zurück.
Die nächste Tür die ich erreiche erscheint mir wie eine kleine Hoffnung – wieso glaube ich eigentlich, das es dahinter besser sein wird?
Es wird nicht besser.
Mein Herz setzt mehrere Schläge aus, als mein Blick auf die zwei leblosen Gestalten am Boden fällt. Wie in Zeitlupe sehe ich die Flammen, die um ihre Körper tanzen und dessen lechzende Feuerzungen nach einem Stück grauen Fells greifen, das nicht weit entfernt von den beiden Körpern liegt.
Mein Hund ... meine Eltern ...
„Mama! Papa!!“ Hysterisch schreie ich ihre Namen, obwohl mich der Qualm immer wieder zu einem schmerzhaften Husten zwingt. Deutlich sehe ich wie sich die orange-rote Front langsam die samtigen Haare meiner Mutter hocharbeitet und mir wird schlecht.
„Nein!“ Ich strecke meine Hand aus, als könnte ich diese Elementgewalt aufhalten, dann spüre ich einen mächtigen Schlag gegen meinen Rücken und im nächsten Moment umfängt mich Schwärze.
Wohltuende, ahnungslose Schwärze.
