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Sonnenbrandung

[Kenyako/Takari/Koumi]
von

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Meerbrise


 

Prolog: Meerbrise
 


 

***
 


 

Balustradenbeobachtungen
 

Die Möwen kreischten über ihren Köpfen, während sie mit grauen Schwingen auf das Meer zusteuerte und ihre Kreise durch die Luft zogen. Aus der Ferne rauschten die Wellen auf die Strände zu, bevor sie dort zwischen den Sandkörnern verendeten. Der Wellengang legte einen sanften Mantel aus Salzwasser über die Bucht von Osaka, während das Rauschen der Brandung wie eine leise Melodie erklang.

Das Licht der Sonne spiegelte sich in der See, die hinaus zum Pazifik führte, und brannte für einen Moment in seinen Augen, als er auf die geräumige Dachterrasse trat.

Bunte Luftballons in Herzform waren an der Balustrade angebracht, eine Cocktailbar mit einem ernst dreinblickenden Barkeeper wurde von zwei Palmenkübeln eingerahmt und die Band stimmte auf der Bühne ihre Instrumente, während sich die Terrasse mit Menschen füllte. Sektkorken knallten und die weißen Tischdecken ließen sich von der kühlen Brise umschmeicheln.

Er bahnte sich einen Weg durch die Hochzeitsgesellschaft und ergatterte einen Platz an Brüstung, die den Blick auf den Kii-Kanal freigab, der die Innlandsee Japans vom pazifischen Ozean trennte. Es war ein herrlicher Sommertag, dachte er bei sich und wanderte mit den Augen über die weißen Sandstrände, die im Sonnenlicht glitzerten und die Wellen mit offenen Armen empfingen.

Mit einem Handgriff lockerte er die gestreifte Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf. Endlich frei! Diese feierlichen Anlässe waren im normalerweise ein Graus, auch wenn „Normal“ auf diese Hochzeit sicherlich nicht zutraf. Die bunten Sommerkleider, die im Wind flatterten und die gediegenen Anzüge waren nichts außergewöhnliches, aber die Wesen, die sich zwischen all den Menschen tummelten, wirkten auf den ersten Blick befremdlich. Drachen- und Insektenartige Wesen, steinerne Gesichter, sowie flauschige Bäuche und metallene Pranken. Alles was Rang und Namen in der Digiwelt hatte war vertreten.

Der humaniode Cyborg, der sich an der Bar mit einem älteren, bärtigen Mann unterhielt, war nur ein Beispiel für dieses etwas bizarre Bild, dass sich ihm da bot.

Und doch wusste er, dass es sich bei dem Cyborg um Andromon handelte, und der ältere, bärtige Mann war niemand geringeres als der Vater der Braut, der seine Tochter vor kurzem noch zum Altar geführt hatte und nun deutlich gelöster wirkte, während er dem Digimon auf die metallene Schulter klopfte.

Sein Blick wanderte weiter, bis er Terriermon und Lopmon fand, die sich zu seiner Beunruhigung gegenseitig Kirschen aus der Bowle in den Mund warfen und verschmitzt kicherten.

Er seufzte lautlos und war sich sehr wohl bewusst, in einigen Minuten den Spielverderber mimen zu müssen, um seine Partner vor sich selbst zu schützen.

Doch noch wollte er die Meerbrise und die Sonnenstrahlen genießen.

Das zerkratzte Ziffernblatt seiner Lederarmbanduhr deutete auf 15 Uhr und 5 Minuten.

Die Zeremonie hatte sich tatsächlich weniger lang gezogen, als er gedacht hätte, stellte er positiv überrascht fest.

Als das bellende Lachen eines jungen Mannes mit stachelig, braunem Haar, ihn aus seinen Gedanken riss. In einigen Metern Entfernung erkannte er einen wild gestikulierenden Daisuke, der sein Jackett achtlos auf einen Stuhl geworfen hatte, und drei weitere Männer, die ihm grinsend dabei zusahen und deren Anstecknadeln im Sommerlicht aufblitzten. Yamatos aschblondes Haar reichte ihm bis zu den Schultern und bildete einen harten Kontrast zum samtschwarzen Anzug und den Lederstiefeln, während sein jüngerer Bruder unter dem Nadelstreifenanzug ein blaues Hemd trug, mit farblich abgestimmter Krawatte, an der der Wind zupfte, und sich mit Ken unterhielt, der sein Einstecktuch zurecht rückte und zustimmend nickte.

Doch sie verstummten, als sich die Braut in weißem Tüll näherte. Ihre Arme fanden den Bräutigam, der sie sanft an sich drückte. Für einen Moment verlor sich das Brautpaar ineinander, während um es herum tosender Beifall ausbrach.

„Küssen! Küssen! Küssen!“
 


 

***
 

Author’s Note:

Da bin ich wieder, der Sommer ist da und wir sind direkt in der Bucht von Osaka, an einem wundervoll sonnigen Tag auf einer Hochzeit! Ach wie schön. Die Frage ist nur, wer hat eigentlich geheiratet?!

Erste Welle


 

Erste Welle

***

Nie wieder Alkohol
 

Ein schriller Schrei drang durch die Stille der Dämmrigkeit und ließ sie aufschrecken. Verwirrt blickte sie um sich, mit klopfendem Herzen und stechenden Schläfen. Die Vorhänge waren noch zugezogen und ein schmaler Lichtstreifen drang in das Zimmer, so dass nur vage Schemen zu erkennen waren, von denen einer durch das Zimmer huschte. Stöhnend vergrub sie ihr Gesicht unter dem weichen Daunenkissen, während das nervöse Getrampel weiterhin durch den Raum dröhnte und gegen ihre Schläfen hämmerte.

„Nein, nein, nein, nein...“ Mit einem unsanften Ratschen wurden die Vorhänge auseinander gerissen und Hikari Yagami kam im grellen Licht des Tages zum Vorschein. Das nussbraune Haar war zerzaust und verklebt und die Wimperntusche verlief quer über das blasse Gesicht der jungen Frau, die durch das Zimmer polterte und ihr Hab und Gut vom Boden aufsammelte und in ein kleines perlenbesticktes Handtäschchen stopfte, während eine rosafarbene Federboa von ihrem Hals herunterbaumelte und gegen eine Papierkrone stieß, die auf dem grau gemusterten Teppich lag.

Wasnlos?“, murmelte sie und hielt sich den Kopf, der schwer auf ihren Schultern wog.

„Was los ist?“ Ein hysterisches Lachen war aus dem anliegenden Badezimmer zu vernehmen. „Wir haben verschlafen, Miyako. Verschlafen!“ Zur Bekräftigung kam Hikari aus dem Bad geschossen mit einem gold umrahmten Handspiegel in der Hand, den sie ihr unerbittlich vor das Gesicht hielt.

„Oh je.“ Sie schluckte, während sie ihr Spiegelbild betrachtete. Ihre Frisur besaß einen markanten Vogelnestcharakter und auf ihrem Gesicht zeichnete sich der verknautschte Abdruck ihres Kopfkissens ab. Lippenstift klebte an ihren Wangen und unter ihren Augen kringelten sich dunkle Ringe.

„Das ist ja schrecklich“, flüsterte sie und zupfte zaghaft an einer kirschroten Haarsträhne, die sich kerzengerade in die Luft reckte.

Ein Blick auf das Hotelzimmer bestätigte ihre Vermutung. Überall auf dem Teppichboden waren Sektkorken verstreut, Luftschlangen kringelten sich von der Decke und den Gardinenstangen und Mimi schlief auf einer meerblauen Couch. Der plötzliche Lichteinfall schien die junge Frau nicht zu stören und so umarmte sie nur eine der Sektflaschen zärtlich, während sie sich von einer Seite auf die andere wälzte und einen Blick auf ein Duzend giftgrünen Strähnchen in ihren honigfarbenen Locken freigab.

Hikari entfuhr ein kurzer Aufschrei, während sie auf das grelle Grün starrte und gleichzeitig das Gesicht mit unzähligen Feuchtigkeitstüchern von den Schmauchspuren der letzten Nacht befreite.

Aus der Ecke des Zimmers tönte ein verschlafenes Grunzen und ein löchriges Paar Socken kam unter einem Decken- und Kissenberg zum Vorschein.

Langsam drangen die ersten Erinnerungsfetzen der gestrigen Nacht in ihr Bewusstsein und auch Hikari dämmerte es, während sie die Badezimmertür mit einem lauten Krachen hinter sich zuwarf und leise Würgegeräusche zu vernehmen waren, ehe die Toilettenspülung betätigt wurde, die wiederum Mimi aus ihrem komatösen Zustand riss.

Stöhnend fuhr sie sich durch das schulterlange Haar… und ein gellendes Kreischen entbrannte ihren Lungen.

„Grün?“, brüllte sie fassungslos und starrte auf eine Haarsträhne, die sie sich vor das Gesicht hielt. „GRÜN?!“

Über ein paar Sektflaschen stolpernd, steuerte Mimi auf die Badezimmertür zu und stieß Hikari beiseite, die sich unglücklich im Spiegel betrachtet hatte und leichenblass war.

Wimmernd suchte Mimi in ihrem Kosmetikkoffer nach einem Lebensretter, der sie von ihren grünen Haarsträhnen befreien könnte. Unterdessen fiel ihr Blick auf den Radiowecker, der bedrohlich blinkte. 8 Uhr und 4 Minuten.

Und im nächsten Augenblick sagte sie der wärmenden Bettdecke Adieu, durchquerte das Hotelzimmer und fand sie sich selbst im Badezimmer wieder. Sie drängelte sich an Mimi vorbei, die eine Haarkur aus ihrem Kosmetikköfferchen zauberte, an Hikari die sich den Mund mit Mundwasser ausspülte und sprang unter die Dusche.

Hastig entledigte sie sich ihrer verbliebenen Kleidungsstücke und drehte den Wasserhahn auf.

„Wir haben ja wirklich verschlafen“, brachte sie gurgelnd hervor und ließ das Wasser auf sich herabprasseln. Langsam setzte ihr Verstand wieder ein und sie ging in ihrem Kopf die Termine durch. „Wie sollen wir in der Zeit alles schaffen?“ Der Friseurtermin, die Maniküre, die letzte Anprobe...

Dabei hatten sie alles perfekt eingeplant – nur den Jungesellinnenabschied, den hatten sie unterschätzt.

„Wir müssen das Ganze absagen!“ Sie steckte den Kopf durch den Duschvorhang. Wasser tropfte auf die weißen Fliesen. „Ich sehe keine andere Möglichkeit…“

Hikaris Hände fanden ihr Gesicht und strichen ihr liebevoll eine nasse Haarsträhne von der Nase. „Die Hochzeit absagen?“, schmunzelte sie. „Ich denke da gibt es weniger drastische Maßnahmen… Wir müssen einfach nur umdisponieren…“

Doch bevor ihre beruhigenden Worte irgendeine Wirkung entfalten konnten, streckte Mimi den Kopf durch die Tür. Die Stirn in Falten gelegt, sah sie die beiden an. „Wo bleibt eigentlich Sora?“

„Sora ist nicht da?“ Sie unterdrückte eine Panikattacke und riss ein Handtuch von der Heizung, ehe sie zurück in das Hotelzimmer rauschte, dicht gefolgt von Hikari und Mimi. Mittlerweile war Leben in den Kissenberg gekommen und Momoe rieb sich verschlafen die Augen: „Wasnlos?“

„Was los ist? Sora ist nicht da!“, fauchte sie ihre Schwester an. „Ohne Sora kann die Hochzeit nicht stattfinden.“ Bekümmert ließ sie sich auf die Couch fallen. Sie war so unendlich müde.

Hikari stöhnte und vergrub den Kopf in ihren Armen.

„Vielleicht sollten wir das ganze doch absagen…“
 


 

***

Aufbauspiel
 

…ladies and gentlemen, welcome to Kansai-Airport, please don’t leave your luggage...

Müde suchte er das Gepäckband nach seinem Koffer ab, während unzählige Menschen sich an ihm vorbeidrängten. Er hatte ganz vergessen, wie überfüllt Japan war.

Seine Knochen schmerzten vom langen Sitzen und das Dröhnen des Getriebes lastet noch auf seinen Ohren – er hatte sich nie ans Fliegen gewöhnen können und bevorzugte auch heute noch die Fahrt mit dem Mannschaftsbus.

Die riesige Glaskuppel, die sich über den Flughafen spannte, brach das grelle Sonnenlicht und malte helle Muster auf die kühlen Steinfließen.

Die Anzeigetafeln rotierten unentwegt und zeigten den Flugplan für die nächsten Stunden an. 8 Uhr und 34 Minuten – sein Flug war sehr pünktlich eingetroffen, stellte er anerkennend fest und zog seine Kappe tiefer ins Gesicht.

Der schwarze Reisekoffer mit einem silbrigen Verschluss kam in sein Blickfeld. Rasch trat er an das Gepäckband und pflückte ihn aus der Masse der bunten Gepäckstücke heraus. Er hoffte, dass sein Anzug den Flug gut überstanden hatte, während die Rollen des Koffers auf den weißen Fließen klackerten und die Flughafendurchsage über ihn hinweg schallte.

Er steuerte auf das Flughafenpersonal zu, dass am Ende des Gates die Passagiere und ihr Gepäck kontrollierte.

Ein hochgewachsener Mann mit kurz geschorenem dunklen Haar und der marineblauen Flugpersonaluniform musterte ihn eindringlich. Der Blick des Mannes wanderte zwischen ihm und seinem Pass, ehe ein kurzes Lächeln über sein recht ernstes Gesicht huschte.

„Willkommen zurück in Japan, Motomiya-san“, raunte er und drückte ihm seinen Pass in die Hand, bevor er leise flüsterte. „Gutes Spiel.“

Als er verwundert aufblickte, hatte sich der Mann bereits dem nächsten Passagier gewidmet, als sei nichts geschehen.

Er schüttelte den Kopf, Japaner waren sicherlich sehr anständig, aber auch sehr verwirrend. Natürlich war ihm das früher nie aufgefallen, aber seit er in Europa lebte, bemerkte er die kleinen Unterschiede doch sehr deutlich und konnte auch verstehen, warum es Mimi nicht zurück nach Japan zog.

Der Ausgang des Flughafens baute sich vor ihm auf, als ihm ein kleiner Junge auffiel, der ihn mit großen, mandelförmigen Augen anstarrte. Seine maronenbraunen Locken wirbelten um seinen Kopf, während er den kurzen Hals reckte und sich auf die Fußspitzen stellte, um besser sehen zu können. Auf seinem Knie prangerte ein buntes Pflaster und in seiner Hand hielt er einen weißen Lederfußball, den er fest an seine Brust drückte. Zögerlich trottete er auf ihn zu, ohne ihn dabei aus seinen Kinderaugen zu lassen.

„Sind sie Motomiya Daisuke?“, fragte er atemlos und seine Wangen röteten sich vor Aufregung.

Er nickte und kniete sich vor den Jungen, der ihm gerade einmal bis zur Hüfte reichte. „Und wer bist du?“, fragte er grinsend.

„Yuudai“, antwortete dieser wie aus der Pistole geschossen und entblößte seine Zahnlücke, während er lachte.

„Nun Yuudai, was kann ich für dich tun?“

Der Junge streckte den Fußball aus und verbeugte sich rasch „Würden sie mir ein Autogramm geben?“, bat er, als eine zierliche Frau ihn an der Hand zu fassten bekam.

„Yuudai!“, raunte sie und ihr Haar löste sich aus der Haarspange. „Du kannst doch nicht einfach den Mann belästigen.“ Entschuldigend verbeugte sie sich. „Verzeihen sie bitte die Unhöflichkeit meines Sohnes…“

Er hob abwehrend die Hände, doch die Frau setzte bereits zum Gehen an.

„Aber Mama“, protestierte Yuudai und seine wilden Locken bäumten sich empört auf. „Das ist Motomiya Daisuke!“

Leise lachend kramte er in seiner Tasche nach einem Stift und fing den Ball auf, der dem Jungen bei seiner Rebellion aus der Hand rutschte und auf den weißen Fließen aufsprang.

Das Leder in seiner Hand fühlte sich geschmeidig und vertraut an, während er rasch seine Unterschrift darauf setzte.

Er drückte Yuudai den Ball in die Hand, der andächtig über das weiße Leder strich, und winkte Mutter und Sohn zum Abschied zu, bevor er auf den Ausgang der mächtigen Glaskuppel des Kansai Flughafens zutrat.

Das Rauschen der Flugzeuge ebbte langsam ab und vermischte sich mit dem Straßenlärm Osakas. Die gelben Taxis reihten sich vor dem Flughafen auf und nahmen heranströmende Passagiere auf, ehe sie sich gemächlich in den zähen Verkehr einordneten.

Das schrille Klingeln seines Mobiltelefons ließ ihn innehalten. Verwundert blickte er auf das leuchtende Display.

„Hey, Tsubasa!“, begrüßte er den Anrufer und drückte das flache Gerät an sein Ohr. Es knackte und rauschte, und dann meldete sich die bekannte Stimme seines Freundes auf der anderen Seite der Leitung: „Ich hab gehört, dass ihr das letzte Spiel gewonnen habt, Glückwunsch mein Freund!“ Tsubasa lachte sein lautes Lachen. „Du weißt ja, was das heißt, Daisuke. Du und ich und das Champions League Finale!“

Er grinste und konterte mit einem Augenzwinkern: „Wenn du mit dieser Niederlage leben kannst, Tsubasa…“

Doch Tsubasa prustete nur laut in den Hörer. „Ach, du konntest deine letzten beiden Treffer nur verbuchen, weil die Abwehr kolossal geschlafen hat“, stichelte er.

„Geschlafen? Ausgespielt meinst du wohl.“ Erwiderter er mit gespielter Empörung. „Pass auf, dass dir nicht schwindelig wird, während ich mit dem Ball an dir vorbei dribbele.“

„Das wird nicht passieren – dein Ego stellt sich dir gekonnt in den Weg – da brauche ich nicht mal meinen kleinen Zeh bewegen…“

„Dir bekommt das Bier in Deutschland wohl nicht.“

„Pass auf, dass du von den vielen Pizzen nicht fett wirst…“

„Unwahrscheinlich, ich bin gerade in Japan gelandet…“, erklärte er und die Türen des Flughafens glitten sanft zur Seite.

„In Japan? Was hast du denn in Japan verloren?“ Die Verwunderung war deutlich aus Tsubasas Stimme herauszuhören, während sie die Provokationen ad acta legten.

Er trat auf einen Taxifahrer zu, der ihm sein Gepäck aus der Hand nahm und im Kofferraum verstaute.

„Heimaturlaub – zwei gute Freunde heiraten und ich habe versprochen zu kommen!“

„Na dann viel Spaß!“, meinte Tsubasa gut gelaunt und verabschiedete sich, „Wir sehen uns in zwei Wochen auf dem Platz!“ Das Freizeichen ertönte und er ließ kopfschüttelnd das Mobiltelefon in seine Tasche gleiten. Hamada Tsubasa war in den letzten Jahren zu seinem besten Freund und ärgsten Konkurrenten geworden. Als sie zusammen nach Europa gegangen waren, um ihre Träume zu verwirklichen, hätte er nie geglaubt irgendwann mal im Champions League Finale auf Tsubasa treffen zu können. Natürlich würde er alles daran setzen, zu gewinnen, aber vor allen Dingen, würde es einfach Spaß machen, mit dem Freund mal wieder auf einem Platz zu stehen.

Grinsend öffnete er die Tür des Taxis, als ihm jemand auf die Schulter klopfte.

„Hey, Daisuke, lange nicht gesehen!“
 


 

***

Zeitpläne
 

„Wir kommen zu spät!“, ächzte er, während er beinahe über sein Gepäck stolperte und über den großen Vorplatz des Tokioter Hauptbahnhofs hechtete. Die roten Backsteine saugten das Morgenlicht der Sonne in sich auf, und ließen das Bahnhofsgebäude leuchten, während die Natursteingiebel majestätisch in den Himmel ragten. Die Gartenanlagen auf dem Vorplatz grünten kräftig und hoben sich vom Geschäftsviertel Chiyodas mit seinen Wolkenkratzern und Anzugträgern deutlich ab.

Sein Blick wanderte zur Bahnhofsuhr, die über dem vorspringenden Eingang eingefasst war, der von Säulen umrahmt wurde. 9 Uhr und 7 Minuten. Sie waren definitiv zu spät.

Ärgerlich warf er einen Blick über die Schulter und konnte aus den Augenwinkeln den Grund für diese Verspätung erkennen.

Gemütlich schlenderte sie über den Vorplatz und zog den bunt geblümten Rollkoffer hinter sich her, während eine Handtasche in Form eines Pandakopfes von ihrer Schulter baumelte. Dabei hatte er pünktlich vor ihrer Wohnungstür gestanden, um sie abzuholen. Und nun das. Aber wer hätte damit rechnen können, dass eine verrückte Frauenherde auf der anderen Seite der Tür wartete, um ihn kichernd und neugierig in Empfang zu nehmen.

„Sachiko!“ Müde rieb er sich die Nase und versuchte Ruhe zu bewahren, „Würdest du dich bitte beeilen, wir verpassen sonst den Zug.“

Wie oft hatte er schon versucht, ihr zu erklären, wie wichtig Pünktlichkeit war, doch es schien sie nicht im mindesten stören, unbeirrt besah sie die Blumenbete und tat seine Sorge mit einer lässigen Handbewegung ab.

Er seufzte. „Hätten wir uns an meinen Zeitplan gehalten…“

Doch sie unterbrach ihn mit einem vergnügten Lachen und klopfte ihm tröstend auf die Schulter, während sie gemeinsam den Eingang passierten. „Jyou-kun, du kannst nicht alles planen. Manchmal muss man einfach mal etwas auf sich zukommen lassen.“ Sie zwinkerte ihm zu und strich sich eine seidige Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe sie sich bei ihm unterhakte. „Das wird ein ganz wunderbares Abenteuer, Jyou-kun“, flüsterte sie und er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.

„Von Abenteuern habe ich eigentlich genug“, murmelte er und warf einen angestrengten Blick auf den Fahrplan. Er hatte extra Plätze reserviert, damit sie auf der gut zweistündigen Fahrt wenigstens etwas Ruhe fanden. Der Tag würde noch anstrengend genug werden und seine Schicht im Krankenhaus hatte zu später Stunde geendet.

„Nun sei nicht so ein Grummelbär.“ Sanft streichelte Sachiko ihm über den Handrücken. „Hana-chan und Sakura-chan wollten dich doch nur kennenlernen.“ Beschrieb sie das Spektakel, das ihn bei seiner Ankunft erwartet hatte und untertrieb maßlos, während ihre schmalen Finger kleine Kreise auf seinem Handrücken malten. „Schließlich kann nicht jeder so einen tollen Mann zum Freund haben, einen mutigen Digiritter von stattlicher Größe und den weltbesten Arzt…“

„Ist ja gut.“ Er versuchte das Lächeln zu unterdrücken. „Außerdem bin ich nur Junior Doctor…“, fügte er hinzu und bugsierte seine Freundin an einem Schokoriegelautomaten vorbei, den sie gierig anstarrte.

Seit sie zusammen mit ihren beiden Freundinnen Kimura Hanako und Tanaka Sakura in Akihabara ein Appartement bewohnte und er seinen Dienst im St. Luke’s International Hospital in Chou angetreten hatte, sahen sie sich immer seltener. Die Arbeit im Krankenhaus nahm ihn voll und ganz ein, während Sachiko die Tage im Ueno Park verbrachte, um sich dort um Parkanlagen zu kümmern.

Er mochte die Arbeit im Krankenhaus, auch wenn es wenig Schlaf und wenig Freizeit bedeutete, doch manchmal vermisste er Sachiko sehr. Obwohl sie furchtbar anstrengend, unpünktlich und tollpatschig war.

Und obendrein zwei kindische, laute Mitbewohnerinnen hatte, die unhöflich neugierige Fragen stellen konnten.

Deshalb war dieser Tag so wichtig. Ein ganzer Tag, den er mit ihr und seinen Freunden verbringen konnte.

Abermals wanderte sein Blick auf die Anzeigentafeln, an denen sie vorbeieilten. Nur noch drei Minuten, bis die Tokaido-Shinkansen den Bahnhof erreichte.

Die Rolltreppen surrten leise, während sie ihre Fahrgäste zum Bahnsteig beförderten. Ein kühler Windzug drang zu ihnen hindurch, ehe sie den weißgepflasterten Bahnsteig betraten. Im Vergleich zu anderen Gegenden Tokios, waren in Chiyoda wenig Menschen unterwegs. Das Kaiserviertel, in dem sich auch der kaiserliche Palast befand, wirkte dadurch wesentlich ruhiger und besaß noch viel vom traditionell japanischen Flair, der in Shinjuku oder Minato dem Großstadtwahnsinn weichen musste. Hier mit einer Familie zu leben, stellte er sich angenehm vor…

Die schneeweißen Waggons der Tokaido-Shinkansen trudelten am Bahnsteig ein und die Türen öffneten sich zischend. Menschen strömten aus den Abteilen und drängten auf den Bahnhof zu, während er Sachiko den Koffer abnahm und in den Zug stemmte.

Sie strahlte ihn mit ihren jadefarbenen Augen an, in denen er sich regelmäßig verlor.

„Auf nach Osaka!“
 


 

***
 

Author’s Note:

So bevor ich endgültig in die Pottermanie einsteige, wollte ich schnell noch das erste Kapitel fertig kriegen. Und hier ist es. Eine Mischung aus Aufbrechen und Ankommen. Der erste Teil war wirklich ein toller Schreibmoment für mich. Der Tag nach einem feucht fröhlichen Abend – so was wollte ich immer schon mal schreiben. Es hat mir eine diebische Freude bereitet, Mimi grüne Haare zu verpassen.

Aber auch Daisuke muss sich erst mal orientieren, Europa und Asien unterscheiden sich schon sehr. Ironisch ist nur, dass ich den Part geschrieben habe, während Japan gestern Deutschland aus der WM kickte – Schweinerei. Aber ich habe meine Empörung natürlich nicht an Daisuke ausgelassen. Für welche Clubs er und Tsubasa spielen überlasse ich eurer Fantasie. ^^

Dass Tsubasa Tsubasa heißt ist tatsächlich nur ein Zufall, er ist nicht an Captain Tsubasa angelegt, aber das ist mir erst jetzt aufgefallen. xD

Und auch Jyou und Sachiko sind dabei <3

Ich liebe die beiden. Und Hana-chan und Sakura-chan sind super. Sie werden Jyou noch in den Wahnsinn treiben, die beiden neugierigen Biester. Aber so sind Frauen nun mal.

Sachiko liebe ich natürlich. Arg sehr.

Sie und Jyou führen eine gesunde Beziehung mit Zukunftsperspektiven. So könnte man es wohl nennen. Zumindest ist es bezeichnend, dass Jyou sich Gedanken über Familienplanung etc. macht.

Nun denn, da ich dienstags das Deathly Hallows Double Feature sehen werde, und mich danach im Tal der Tränen befinde, ist es durchaus wahrscheinlich, dass ich erst Ende der nächsten Woche von mir hören lasse.

Es ist halt Harry Potter, das müsst ihr verstehen ;-)

Bis dahin

PenAmour


 


 


 


 

Zweite Welle


 

Zweite Welle

***

Orangenmädchen
 

Die Orangenmarmelade hinterließ einen leicht säuerlichen Geschmack auf seiner Zunge, während er die letzten klebrigen Überreste mit einer sonnengelben Stoffservierte von seinen Fingern tupfte. Der Wind rauschte über die Dachterrasse und zerrte an den Tischdecken, die aufgeregt flatterten und die Weingläser vibrieren ließen. Am Himmel waren kaum eine Hand voll Wolken zu sehen, die wie bauschige Zuckerwatte über die japanischen See wanderten.

Auf der Dachterrasse des Osaka BayTowers herrschte reges Treiben. Es war 9 Uhr 45 und das Frühstück war im vollen Gange. Die Hotelgäste schnappten sich die letzten Brötchen und drängten auf das Büffet zu. Das Stimmengewirr aus Japanisch, Englisch und Sprachen, die er nicht kannte, huschte über die sandfarbenen Steine, die die Terrasse pflasterten, während er die Servierte beiseite legte und für einen Moment die Augen schloss.

Das Rauschen des Meeres war ganz sacht zu vernehmen und die Brandung die auf die Felsen zusprintete, erhellte die Bucht von Osaka. Es beruhigte sein Herz.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter, es war eine recht große Hand und erschrocken riss er die Augen auf und starrte in das Gesicht eines grinsenden jungen Mannes, dessen mokka-braune Augen stürmisch aufblitzten und dessen Haar sich wie Igelstachel in die Luft reckte.

„Du bist ja noch recht ruhig, dafür, dass du heute heiratest und der Freiheit entsagst.“ Schelmisch verschränkte Daisuke Motomiya, Starstürmer und Hitzkopf zugleich, die Arme vor der Brust, während ihm die Sonne auf den Rücken strahlte.

Ohne ein Wort hatte er seinen besten Freund in die Arme geschlossen und spürte, wie die Unruhe, die in seinem Magen rumorte, seit er heute morgen die Augen geöffnet hatte, langsam verblasste.

Eine weitere Person trat in sein Blickfeld. Das blonde Haar fiel ihm ins Gesicht und verdeckte die eisblauen Augen, die zwischen den Strähnen hervorstachen.

„Guten Morgen, Ken“, brachte Wallace hervor und nickte ihm kurz zu. Es war nicht seine Idee gewesen, ihn einzuladen, aber Miyako hatte darauf bestanden. Er nickte grüßend zurück.

„Wir sind uns auf dem Flughafen begegnet“, erklärte Daisuke und durchbrach die Stille. „Und da haben wir uns gleich das Taxi geteilt und über alte Zeiten geplaudert.“

„Ja… ich werde dann auch mal auf mein Zimmer gehen.“ Wallace wedelte mit der Zimmerkarte und schulterte seinen Rucksack. „Mich etwas ausruhen, bevor es los geht…“

Und mit diesen Worten verschwand der sonnengebräunte junge Mann durch die geöffnete Terrassentür, mit den wehenden weißen Vorhängen, die hin und wieder einen Blick nach draußen wagten.

„Schönes Spiel“, wandte er sich unvermittelt an Daisuke, der unverkennbar stolz das Kinn reckte.

„Hast du es dir angeschaut?“, fragte er verwundert aber nicht minder zufrieden.

Er nickte und lächelte, da er wusste, wie sehr Daisuke sich darüber freute. „Iori, Takeru und ich haben es uns zusammen angesehen.“

„Moment mal! Solltest du nicht deinen Jungessellenabschied feiern, anstatt deinem Trauzeugen beim Ballschieben zuzuschauen?“ Tadelnd sah er ihn mit seinen dunklen Augen an. „Das ist dein letzter Tag in Freiheit und du schaust Fußball?“

Schiere Empörung machte sich auf dem runden Gesicht Daisukes breit.

„Wir haben auch noch einen Film geschaut“, verteidigte er sich. Tatsächlich empfand er auch nicht das Bedürfnis den letzten Tag in Freiheit, wie Daisuke es nannte, besonders zu feiern.

„Oh man, gut dass ich da bin.“ Daisuke schüttelte den Kopf. „Und wo treiben sich die anderen eigentlich herum?“

„Yamato und Koushiro sollten auch demnächst eintreffen. Ansonsten haben Mimi und Hikari gestern das Programm für Miyakos Jungesellinnenabschied übernommen – seither habe ich sie nicht mehr gesehen“, erzählte er und fügte erklärend hinzu: „Besuchssperre, hat Mimi befohlen, da es wohl Unglück bringe, die Braut vorher zu sehen.“

Er knabberte an seinem Marmeladenbrötchen, während Daisuke sich ihm gegenüber auf einen Stuhl fallen ließ und sich durch das zerzauste Haar fuhr.

„Und du bist dir auch ganz sicher?“, setzte er an. „Ich muss diese Frage stellen als dein Trauzeuge.“

„Absolut“, murmelte er und lächelte. Der Orangengeschmack ebbte langsam in seinem Gaumen ab und verursachte ein wohlig, warmes Kribbeln, das ihn an kleine zärtliche Küsse am Strand erinnerte.

Es fühlte sich nicht an, als endete sein Leben mit dem heutigen Tage, sondern als würde es nun endlich beginnen. Mit Miyako
 


 

***

Wortsehnsucht
 

„Du siehst schrecklich aus!“, stellte er fest als sie leise das Zimmer betrat, leichenblass und mit krausem Haar. Die Chipstüte in seiner Hand raschelte laut und sie verzog schmerzhaft das Gesicht, während er den Fernseher leiser stellte und sich aufrichtete.

„Mimi hat grüne Haare und Sora ist noch immer nicht aufgetaucht“, berichtete sie knapp und legte die bunten Ohrstecker, die sie getragen hatte, vorsichtig auf dem Waschbeckenrand ab.

„Das klingt nach einer langen Nacht“, stellte er amüsiert fest und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter. Für einen Moment schloss sie die Augen und ihre Hände ruhten auf dem weißen Porzellan des Waschbeckens, ehe sie seinen Kopf beiseite schob und unter die Dusche hüpfte.

„Das klingt nach einer furchtbaren Katastrophe“, gab sie zur Antwort und drehte den Wasserhahn auf. Dampf stieg aus der Duschkabine und die Badezimmerspiegel beschlugen.

Er ließ sich zurück auf das Wasserbett fallen, das leise gluckste und lauschte dem rauschenden Duschstrahl, der sich in der Stille des Hotelzimmers breit machte.

„Meine Mutter lässt Grüße ausrichten“, sprach er schließlich und presste die Handflächen gegeneinander.

„Ah, danke…“, kam es aus dem Badezimmer und dann wieder nur Rauschen.

Seine Hände strichen über die blaue Bettdecke. „Sie hatte gehofft, Yamato auch sprechen zu können, aber er ist wohl noch unterwegs.“ Sein Mund fühlte sich trocken an und er drehte den Fernseher wieder auf, der die Dusche übertönte.

Unschlüssig warf er einen Blick auf den kleinen, mit edlen Ornamenten verzierten Schreibtisch, der vor der Fensterfront stand, die zur Stadt gelegen war und einen Blick auf ein Riesenrad freigab.

Erwartungsvoll summte das Laufwerk seines Laptops, der auf dem Schreibtisch stand und ihn daran erinnerte, dass noch Arbeit auf ihn wartete. Zwar waren die Klausuren allesamt geschrieben, doch die Hausarbeit für seinen Literaturprofessor – ein Mann voller Genialität, dessen Geschichten ihn regelmäßig ehrfürchtig verstummen ließen – musste ebenfalls noch geschrieben werden.

Doch die Hochzeit und die Zeit am Meer wollte er nicht mit Worten und Satzbaukonstruktionen verschwenden. Er hatte in den vergangenen Wochen kaum Zeit mit Hikari verbringen können, dabei wollte er mit ihr über so vieles sprechen...

Wasser tropfte auf den Teppichboden, während sie sich die nassen Haare mit einem Handtuch trocknete und neben ihm auf dem Bett platz nahm.

„Warum haben wir das eigentlich nicht viel früher gemacht?“

„Was?“, fragte sie verständnislos.

„Ans Meer fahren“, erklärte er schlicht und seine Hände strichen über ihren Rücken.

Sie zuckte mit den Schultern, die Augen auf die Mattscheibe gerichtet. „Wir hatten einfach andere Dinge zu tun…“

Nachdenklich sah er sie an. Der Hotelbademantel war eng um ihren schmalen Körper gewickelt und blasse Sommersprossen tanzten auf ihrer Nasenspitze, während das Unausgesprochene bedrohlich über ihren Köpfen schwebte.

„Vielleicht könnten wir…“ begann er, wurde jedoch von einem lauten Klingeln unterbrochen. Sein Mobiltelefon leuchtete und vibrierte aufgeregt.
 

Die Nieten an der Lederjacke drückten sich in sein Gesicht, während er seinen Bruder umarmte und gegen den Gitarrenkoffer stieß.

„Schön dich zu sehen, kleiner Bruder“, murmelte Yamato und lächelte dieses absolut coole Lächeln für das er ihn immer bewundert hatte. Die blonden Haare fielen ihm bis auf die Schultern und seine ringbesetzten Hände schlossen sich um den Gitarrenkoffer. Die Fingernägel waren schwarz lackiert und die Müdigkeit von wachen Nächten und vielen Reisen lag in seinen Augen.

Er sah aus wie ein Rockstar.

Unterdessen hatte Koushiro die Schlüssel für seinen Wagen in die Hemdtasche gleiten lassen und trat lächelnd auf sie beide zu.

„Was für eine Fahrt“, seufzte er und reckte die Arme gen Sommerhimmel, die glatt gekämmten Haare glänzten im Sonnenlicht. „Dabei sind wir extra früh in Kyoto abgereist.“ Die Zeiger seiner Armanduhr deutete auf 10 Uhr 55.

„Wie läuft die Tour?“, wandte er sich wieder an seinen Bruder.

„Ich kann mich nicht beklagen. Gerade das letzte Konzert in Kyoto war umwerfend – und ausverkauft“, meinte er nur und seine Augen leuchteten meerblau und summten eine kleine Melodie, die die Müdigkeit mit einem Schwung verdrängte.

Er hatte sich immer noch nicht ganz an den Gedanken gewöhnt, seinen Bruder nun öfter auf Plakatwänden und in Zeitschriften zu sehen, als ihm direkt gegenüber zu stehen.

Zusammen betraten sie die riesige Lobby des Osaka BayTowers. Die weiße Vertäfelung ließ den großen Eingangsbereich erstrahlen und die goldenen Messingtürgriffe blitzen auf, während die Gepäckträger geschäftig durch die Halle streiften und Koffer, Taschen und Rucksäcke über den glatten Mamorboden hievten.

Er führte sie an der Rezeption vorbei zu den Fahrstühlen, die mit einem lauten Pling aufgingen.

„Und wie ist das Studium?“ Lässig lehnte Yamato sich an die Fahrstuhlwand, während der Aufzug sie hinauf beförderte und das Licht an der Anzeige über die Etagennummern kletterte.

„Anstrengend aber…“ Er horchte für einen Moment in sich hinein. „…fantastisch!“ Das war die Wahrheit. Seit er den Campus zum ersten Mal betreten hatte, war da dieses Gefühl gewesen, das ihn fest umschloss und seither nicht mehr losließ. Ein Kribbeln, das ihm in den Fingern juckte und sein Herz zum Brennen brachte, eine innere Unruhe, die sich nach so vielen Worten sehnte.

Worte die geschrieben werden wollten.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich und sie traten auf den schwach beleuchtete Hotelflur, der die Gänge in ein dumpfes Licht tauchte und ganz anders als die hellen Zimmer selbst wirkte.

„Ihr könnt erst mal bei uns unterkommen.“ Er zückte seine Zimmerkarte und zog sie durch den dafür vorgesehenen Schlitz, so dass die Tür aus dem Schloss sprang. Von Hikari war nichts zu sehen.

Müde ließ sich Yamato auf einen der bestickten Sessel fallen, die eine kleine Sitzgruppe bildeten, und legte die Füße auf den Holztisch, der ein empörtes Knacken von sich gab, wohingegen Koushiro unschlüssig in der Zimmertür stehen blieb.

„Ich denke, ich werde mich noch ein wenig umsehen…“

Er grinste. „Mimi ist bei Miyako. Ich kann dich hinbringen... Wenn du willst.“

„Nun, also, wenn es dir keine Umstände…“

Er winkte Yamato kurz zu, der jedoch nur ein leises Schnarchen von sich gab und führte Koushiro durch das Hotellabyrinth. Zusammen passierten sie die vielen Gänge, vorbei an unzähligen Türen, die mit goldenen Zifferblättern versehen waren, auf denen die Zimmernummern prangten, bis sie vor der Zimmertür der Mädchen zu Stehen kamen.

Bräutigam-freie Zone las er auf einem zerknitterten Papier, das in Eile an der Tür angebracht worden war. Es rumorte laut, als er anklopfte und Mimi streckte den Kopf durch die Tür.

Sie wirkte ebenso übernächtigt wie Hikari und als sie Koushiro erblickte, schlug sie die Tür mit einem lauten Aufschrei wieder zu.

Verdattert starrten sie auf das marmorierte Holz der verschlossenen Tür.

„Ich dachte das Besuchsverbot gilt nur für den Bräutigam …“, raunte er dem sprachlosen Koushiro zu, der sich mit der Hand durch das rostfarbene Haar fuhr.

Zaghaft klopfte er abermals. „Mimi?“

„Du darfst mich nicht sehen“, hörte man sie auf der andere Seite wimmern. „Ich sehe grässlich aus…“

Lachend wandte er sich zum Gehen, während Koushiro mit Engelszungen auf die verschlossene Tür einredete. Dies war nun wirklich nicht seine Baustelle. Stattdessen würde er dafür sorgen müssen, dass sein Rockstar-Bruder die Hochzeit nicht verschlief und die Lederjacke gegen einen Anzug eintauschte…

Am Ende des Ganges erblickte er das gelbe Sommerkleid, das sie zusammen im letzten Jahr gekauft hatten. Die gestickten weißen Blumen wippten aufgeregt auf und ab, während sie sich an einem Mann mit durchdringenden Eisaugen vorbei zwängte. Wallace konnte ihn nicht sehen, als er einen letzten Blick auf den menschenleeren Flur warf, bevor er die Tür hinter sich zuzog.

Wortlos folgte er dem Lauf des Flures und ließ sich treiben.
 


 

***

Fahrstuhlkreuzung
 

Hastig dankte sie dem Portier und raffte ihr Gepäck zusammen. Es war bereits 12 Uhr 11. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was Miyako zu ihrer Verspätung sagen würde. Wütende, aufbrausende, nervöse Miyako.

Rasch sprangen die Aufzugtüren auf und sie bugsierte den Kleidersack in den bespiegelten Lift, als eine Stimme laut rief: „Halt!“

Zwei Personen drängten sich zu ihr in den Aufzug, schwer atmend und mit Gepäck versehen.

Und dann erkannte sie die beiden.

„Jyou.“ Ihre Stimme glich einem freudigen Quieken, während sie dem Freund um den Hals fiel und er sie verdattert anstarrte.

„Sora“, brachte der große, etwas schlaksige Mann hervor und rückte seine Brille zurecht. „Was für eine Überraschung!“ Sein dunkles Haar saß genauso akkurat wie sein Charakter, stellte sie schmunzelnd fest und begrüßte die kleine Frau mit den Erdbeerhaarspangen im seidigen Haar. Sachiko musste man einfach lieben. Sie kannte niemanden, der Jyous Freundin nicht auf der Stelle verfallen war, sobald er sie zu Gesicht bekommen hatte.

„Siehst du, wir haben es ganz pünktlich geschafft.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und knuffte ihrem Freund mit dem Ellenbogen in die Seite, der daraufhin nur ein leises Grummeln von sich gab.

Auf den ersten Blick wirkte Jyou wie immer, etwas gehemmt und mit einer leichten Tendenz zur Nörgelei. Doch das kleine Lächeln, das seine schmalen Lippen umspielte, als Sachiko sich an seine Schulter lehnte, bewies deutlich, dass Jyou Kido, angehender Arzt und Lebensretter, ein anderer, ein glücklicher Mann war.

„Ah! Hier ist ja auch schon unsere Etage.“ Die Türen öffneten sich und die beiden verabschiedeten sich von ihr.

„Wir sehen uns ja bereits in wenigen Stunden“, rief Sachiko ihr zu, während Jyou geschäftig die Flure nach der richtigen Zimmernummer absuchte.

Die Türen glitten abermals zu und die beiden entschwanden ihrem Blick, doch sehr weit kam sie nicht, denn bereits in der nächsten Etage hielt der Aufzug und ein haselnussbraune Stachelfrisur tauchte vor ihr auf.

Für einen kurzen Augenblick starrten sie einander nur an, dann holte Daisuke Motomiya zu einer lautstarken Begrüßung aus. Mit seinen breiten Schultern umarmte er sie kurz.

„Ken und ich wollten gerade auf unsere Zimmer, die Anzüge anprobieren.“

Erschrocken warf sie einen Blick auf den Flur, in dem ein dunkelhaariger Mann darauf wartete, dass Daisuke im platz machte.

„Ihr könnt hier nicht mitfahren“, brachte sie hervor und schob den verdutzten Daisuke aus dem Aufzug, während sie den Kleidersack so gut wie möglich vor den beiden Männern verdeckte.

„Hey!“, brüllte Daisuke als sich die Türen schlossen, und der Aufzug sich abermals in Bewegung setzte.

Erleichtert atmete sie aus. Nicht auszudenken, wenn Ken einen Blick auf…

Pling! Und Iori tauchte vor ihr auf. Seine hohen Wangenknochen und die spitze Nase ließen ihn auf eine merkwürdige Art und Weise erhaben wirken. Attribute die überhaupt nicht seinem Alter entsprachen.

„Oh, hallo Sora“, grüßte er sie manierlich. „Hast du zufällig Ken und Daisuke gesehen? Wir wollten uns schon vor einer Viertelstunde zur Anprobe treffen, aber dann bin ich Takeru begegnet und irgendwie… Na ja, ist nicht der Rede wert“, plapperte er und versuchte ein Lächeln. „Ich glaube Hochzeiten sind nichts für mich – und dabei ist es nicht mal meine eigene…“, scherzte er. „Aber dafür bekommen wir einen leibhaftigen Rockstar zu Gesicht. Takeru meinte, Yamato sei bereits eingetroffen…“

Ihr Herz blieb stehen. Yamato war da. Süße Aufregung fuhr ihr durch die Glieder und so versäumte sie es beinahe, wie Iori aus dem Aufzug sprang und einen der dunklen Hotelflure entlang sprintete. Yamato war da.

Und endlich erreichte sie eines der oberen Stockwerke. Miyakos Zimmer war nur unweit von der hoteleigenen Kapelle entfernt. Sie folgte den Anweisungen des Portiers und hatte schon bald das passende Zimmer gefunden.

Nur mit Koushiro davor hatte sie nicht gerechnet.

„Mimi, nun mach doch bitte die Tür auf“, flehte der junge Mann mit der Rostmähne auf dem Kopf und den dunklen, fast schwarzen Augen.

„Was ist hier denn los?“, fragte sie verwundert. Doch bevor Koushiro eine vernünftige Antwort darauf fand, wurde die Tür aufgerissen.

„SORA! Endlich bist du da.“ Mimi sprang ihr entgegen und zerrte sie am Arm durch die Tür. Sie konnte gerade noch erkennen, wie Koushiro verzweifelt den Kopf in den Armen vergrub, als die Tür auch schon wieder ins Schloss fiel.

Das Bild, das sich vor ihr erstreckte, übertraf all ihre kühnsten Vorstellungen. Auf einem Stuhl hockte Miyako, müde und mit leicht hysterischen Tendenzen, während Momoe ihrer Schwester die kirschroten Haare hochsteckte.

Als Miyako sie erblickte kullerten ein Duzend Tränen über ihre Wangen.

„Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich und umarmte die zukünftige Braut.

„Endlich bist du da“, schluchzte Miyako, während sie den Kleidersack öffnete.

Der weiße Stoff stob aus dem grauen Sack und der Tüll atmete erleichtert auf.

„Hier ist dein Kleid“, flüsterte sie und überreichte Miyako das erste Stück ihrer eigenen Kollektion.
 


 

***
 

Author’s Note:

Zwar habe ich Harry Potter längst nicht überwunden, aber das soll mich nun nicht länger am Schreiben hindern. Und deshalb hier die zweite Welle die auf euch zurollt. Und wie sie rollt.

Endlich wissen wir, wer heiratet: Miyako und Ken. Wie schön!

Und das obwohl sie so jung sind. Aber sie ist Kens Orangenmädchen. Der Titel selbst ist sehr philosophisch und mir der liebste, denke ich. Aber wer von euch genau aufpasst, wird diese große Liebe zwischen den Orangenscheiben erkennen…

Zeitgleich erfahren wir auch, wen Daisuke am Flughafen getroffen hat. Wallace, der stille Beobachter des Prologs der gar nicht so still ist.

Und damit wären wir bei der Wortsehnsucht. Takeru studiert übrigens Literaturwissenschaften in Tokio. Auch der Titel ist eine absoluter Interpretationsgrundlage, die ihr selbst ausführen könnt.

Mimi und Kosuhiro sind die eigentlichen Helden, stelle ich gerade fest. Ach sind sie lustig. Koushiro lebt übrigens in Kyoto, weshalb er Yamato mitgenommen hat, der da sein Konzert gespielt hat. Koushiros Job ist schwer cool, aber dazu später mehr.

Soras Kapitel kreuzt so viele Leute, es war interessant und herausfordernd. Ich wollte nur einen ganz kleinen Sorato-Moment in der Hektik. Ich denke er genügt, um alles zu sagen, was man sagen muss.

Ansonsten war es einfach amüsant. Besonders Daisukes Gesichtsausdruck, als sie ihn aus dem Aufzug schubst, damit Ken das Brautkleid nicht zu Gesicht bekommt – Herrlich.

Und deshalb war Sora so wichtig. Natürlich wollte ich euch hinters Licht führen, (Spannung und so) aber ich wollte, dass sie das Kleid entwirft. Und es ist ein schönes Kleid, sag ich euch.

Aber dazu mehr im nächsten Kapitel.

Bis dahin

PenAmour


 


 


 


 

Dritte Welle


 

Dritte Welle

***

Sandkornromantik
 

Nervös blickte sie an sich herab und strich über den seidigen Stoff, der sich an ihren Körper schmiegte, während Sora vor ihr auf dem blauen Teppichboden kniete und mit einigen Nähnadeln hantierte. Geschäftig glitten ihre Finger über den Stoff, der sich ihr völlig hingab.

Unterdessen hatte Momoe sich ihrem Gesicht zugewandt. Ihre Schwester hantierte mit Puderdosen und verschiedenfarbigen Augenlidschatten und schien sich ihrer Sache sicher zu sein. Mit einem langen Pinsel malte sie die Lippen nach und zog einen perfekten Lidstrich. Prüfend hielt sie ihr Gesicht in den Händen und tupfte hier und da noch etwas Puder auf die Haut.

„Fertig.“ Sora erhob sich und klopfte sich den Staub von der Jeans, während sie aufforderungsvoll lächelte. Mit vorsichtigen Schritten steuerte sie auf den schrankgroßen Spiegel zu, den sie im Zimmer aufgestellt hatten.

Die Tüllschichten wirbelten um ihre Beine, während sie sich im Spiegel betrachtete. Die Spuren der letzten Nacht waren verschwunden und ihre Lippen strahlten mattrot, während kirschrote Locken ihr Gesicht umrahmten und von vielen kleinen weißen Perlenspangen zusammengehalten wurden.

Doch das alles fiel kaum auf, als sie ihr Kleid in Augenschein nahm. Die spitzenbesetzten Träger die in das Satin eingearbeitet wurden, malten elegante Muster auf ihre Schultern. Eine kleine Rose aus weißem Tüll zierte ihren Ausschnitt, während sich der Stoff eng an ihren Oberkörper schmiegte und sich an ihren Hüften befreite und mit den Tüllstoffbahnen zu einem bauschigen Traum aus fließendem Weiß wurde. Kleine glitzernde Strasssteinchen waren in den Stoff genäht und funkelten wie kleine Sterne, die Sora für sie vom Himmel geholt haben musste.

„Ich liebe es“, flüsterte sie und strich über den seidigen Stoff, der sie für einen Tag zu einer Märchenprinzessin machte.

Momoe war an sie heran getreten und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. Langsam öffnete ihre Schwester eine flache Schatulle und ein silberne Haarspange kam zum Vorschein. An ihr rankten sich silbrige Rosen und kleine Blütenblätter. Vorsichtig befestigte Momoe die Spange in der Hochsteckfrisur.

„Jetzt bist du perfekt“, flüsterte sie und ihre rehbraunen Augen füllten sich mit Tränen.

Dankbar drückte sie die Hand ihrer Schwester, die sich rasch die Tränen aus dem Gesicht wischte und die Schmink-Utensilien verpackte. Früher hatten sie sich ständig und überall gestritten, wegen Kleinigkeiten – wie Schwestern nun einmal waren. Doch heute war sie für sie da gewesen und das wog jeden Ohrring-Klau der letzten Jahre auf.

Seit sie zusammen mit Ken nach Osaka gezogen war, verstanden Momoe, Chizuru und Mantarou sich ohnehin recht gut. Mantarou, der bedingt durch seinen Beruf als Ingenieur viel unterwegs war, Chizuru, die in Kyoto Rechtswissenschaften studierte, und Momoe, die ihre Ausbildung als Friseurin und Kosmetikerin abgeschlossen hatte und ihr kleines Appartement in Shinjuku bewohnte; sie alle hatten das heimische Nest mit dem Geschäft ihrer Eltern hinter sich gelassen und sich in das Leben gestürzt.

Trotzdem war die Nachricht ihrer bevorstehenden Hochzeit ein kleiner Schock für ihre Familie gewesen und sie hatte es wohl nur Kens Charme zu verdanken, dass ihre Mutter schließlich bereitwillig zugestimmt hatte. Ihr Vater dagegen führte noch lange nachdem sie ihnen von ihren Plänen erzählt hatten ein Gespräch mit Ken. Sie hatte nie erfahren, worüber die beiden gesprochen hatten, doch sie nahm an, dass Ken ihren Vater mit seinen Plänen und seiner Zielstrebigkeit überzeugte. Er wollte sein Psychologiestudium an der Kansai Universität im nächsten Jahr abschließen und sich anschließend auf die Kriminalpsychologie spezialisieren. Die Tatsache, dass sein zukünftiger Schwiegersohn sich in den Dienst der Polizei stellen wollte, schien selbst ihren Vater beeindruckt zu haben.

Und nun stand sie hier, umringt von Tüll und glänzenden Mädchenaugen, die von genauso einem glücklichen Tag träumten.

„Noch eine Stunde, dann…“ Sie ließ die Worte unausgesprochen in der Luft hängen, als ihr Blick auf die großen goldenen Zeiger der Wanduhr fielen. 13 Uhr.

„Bist du bereit?“ Momoe zupfte prüfend an ihrem Schleier.

War sie bereit? Sie waren so jung und das durchschnittliche Heiratsalter lag bei 30 Jahren. Dabei war eigentlich alles perfekt. Sie war glücklich hier in Osaka. Ihre Arbeit als Volontärin beim Radiosender FM Osaka machte ihr Spaß und war spannend und sie lernte jeden Tag etwas Neues. Mittlerweile war auch endlich ihre gemeinsame Wohnung eingerichtet, nachdem sie so lange dafür hatten sparen müssen. Eigentlich hätte nun etwas Ruhe einkehren können…

Warum etwas ändern?

Doch vor all die Bedenken und Ängste schob sich der Geruch von salzigem Meerwasser, das an ihren Fußsohlen kitzelte und kleinen Sandkristallen, die an ihrer Haut klebten, während die zarten Sonnenstrahlen der Abenddämmerung ihren Körper wärmten und die Welt mit einem rosaroten Zauber belegten.

Ihre Hand lag in seiner. Seine Haut war samtig weich und fühlte sich nach Zuhause und Geborgenheit an. Das kohlrabenschwarze Haar streifte ihr Gesicht, als er sich zu ihr vorbeugte und seine Worte ihr Ohr streiften und ihr Herz berührten.

„Du bist die eine Miyako.“
 


 

***

Weggefährten
 

Die hauseigene Kapelle des Osaka BayTowers füllte sich zunehmend. Er hatte Mühe die Menschenmassen richtig zuzuordnen. Besonders grelle Haarfarben gehörten in der Regel zur Inoue-Familie, das wusste er, und seidig-schwarzes Haar war den Ichijoujis zuzuordnen, aber was sollte er mit Braunhaarigen oder Blondinen anfangen?

Noch komplizierter wurde es, als der Parlamentsabgeordnete der Digitalen Welt Andromon eintraf. Das Digimon grüßte ihm mit einem kurzen Nicken des metallischen Kopfes, während er versuchte sich einen Überblick zu verschaffen.

Er hatte das Digimon erst vor einigen Wochen zum letzten Mal gesehen, als sie über ein Handelsabkommen zwischen der Digiwelt und den Vereinten Nationen verhandelten. Die führenden Staatsoberhäupter hatten ihn darum gebeten, als Vermittler einzutreten. Dieser Bitte war er nachgekommen, wenngleich er sich recht unbehaglich auf solchem politischen Parkett fühlte.

„Sei gegrüßt, Iori“, hallte eine Stimme durch die Kapelle, kaum mehr ein Flüstern, aber dennoch gespickt mit Weisheit und Kraft.

Er hob den Blick von seinem Klemmbrett, auf dem die Sitzordnung vermerkt war, allerdings in Miyakos unleserlicher Handschrift, und starrte auf einen goldfarbenen Kobraähnlichen Helm mit schneeweißen Schwingen.

„Minervamon, es freut mich, dich hier anzutreffen“, begrüßte er das menschartige Digimon förmlich, welches seine goldene Lanze in den Händen hielt und einen stattlichen Anblick bot. Dies war allerdings auch dringend nötig als Vorsitzender Richter des digitalen Gerichtshofs, um sich unter den verschiedenen Digimon-Fields und Level Gehör und Respekt zu verschaffen. Er hatte Minervamon mehrmals bei Verhandlungen beobachten können und war beeindruckt von der Weisheit dieses Digimons. Doch jetzt wies er ihm nur eine Platz zu und musste sich bereits um die nächsten Gäste kümmern. Eine Gruppe von sehr lautstarken Brillenträgern – definitiv Miyakos Verwandtschaft.

Unterdessen trafen endlich bekannte Gesichter ein. Mit tiefblauen Augen und einem eleganten Nadelstreifenanzug schüttelte Takeru ihm die Hand und sah sich suchend um.

„Hikari ist noch nicht da?“, fragte er und kaute auf seiner Unterlippe, während sein Bruder Yamato ihm auf die Schulter klopfte und sich auf seinen Platz setzte.

Er schüttelte den Kopf. „Ich dachte sie wäre mit dir gekommen…“

„Ja…“ Takeru zuckte die Schultern und ließ den Satz unbeendet. „Wir sehen uns später…“ Und mit diesen Worten schritt er durch den Gang auf seinen Platz zu.

Die Sitzreihen waren mit roten Blumengestecken geschmückt und am Ende der Kanzel befanden sich goldene Kerzenhalter und einige Rosensträuße.

„Ah, da ist die Kapelle ja.“ Jyou Kido baute sich vor ihm auf, während er mit einer jungen Frau sprach, deren seidig glänzendes Haar schimmerte und die ein Erdbeerfarbenes Cocktailkleid trug. „Gott sei Dank haben wir es noch pünktlich geschafft… ah Hallo, Iori.“ Auch er schüttelte ihm die Hand und zupfte hektisch an seiner Krawatte, während seine Begleitung nur grinsend mit dem Augen rollte und ihm heimlich zuzwinkerte. Sachiko schien sich an Jyous pedantischer Pünktlichkeit wenig zu stören, während sie ihm die Krawatte gerade rückte, die farblich zu ihrem Kleid abgestimmt war. Er warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. 13 Uhr 33. Jyou übertrieb.

Er wies den beiden ihre Plätze zu, wo Yamato sie begrüßte, der von Jyou mit einem missbilligendem Blick bedacht wurde, als er die Lederstiefel des Musikers unter seiner Anzughose entdeckte.

„Wo sind unsere Plätze?“ Neben ihm tauchte ein überdimensionaler, zitronengelber Hut auf mit einem riesigen, violetten Schmetterling darauf. Er verschluckte sich beinahe als er nach Luft schnappte, während Mimi möglichst würdevoll über ihr violettes, schulterfreies Kleid strich und Koushiro hinter ihr auftauchte und ihm warnende Blicke zuwarf. Er senkte seinen Kopf und starrte angestrengt auf das Klemmbrett, um nicht laut los zu lachen.

„Hier entlang“, murmelte er und führte die beiden zu ihren Sitzplätzen, während er sich dazu zwang einen neutralen Punkt in der Kapelle zu fixieren, der kein massiver, gelber Hut mit einem Schmetterling war.

Aber er hatte auch kaum Zeit sich darüber weitere Gedanken zu machen, als die Gruppe Delegierter des Fields Dragon’s Roar angeführt von V-mon, dem kleinen blauen Drachenwesen, das Daisukes Partner war, durch das eigens vor der Kapelle errichtete Digitor eintraf.

Es war schon eine verrückte Hochzeit, dachte er bei sich und strich weitere Namen auf der Gästeliste durch, aber er hatte sich von Miyako breitschlagen lassen, den Platzeinweiser zu spielen, denn abschlagen konnte er ihr noch nie etwas…
 

Das Kleid, das im Nacken zusammengebunden war, wirkte, als habe Sora das Meer gezähmt und sich auf den Leib geschneidert, während sie ihn anlächelte und der türkise Stoff im Tageslicht schimmerte. Er konnte vom Eingang aus sehen, wie Yamatos Augen sich auf die Frau mit dem feuerroten Haar richteten und die beiden für einen Moment so ineinander vertieft wirkten, dass es sich anfühlte, als würde er ihre Intimsphäre stören.

Doch ein kräftiger Schulterklopfer lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Kapelleneingang und der grinsende Jiro, dessen oberster Hemdknopf sich gelöst hatte, tauchte vor ihm auf. Er hatte die Hände auf die Lehnen eines Rollstuhls gelegt, in dem sich ein Mädchen mit sehr kurzem, schwarzen Haar und blasser Haut wieder fand. Norikos Augen funkelten, als er sie kurz an sich drückte, bevor Jiro sie zu ihrem Platz schob und sich zu ihr herunterbeugte, um ihr auf ihren Platz zu helfen. Sie wirkte so zerbrechlich in den Händen des grobschlächtigen Jungen.

„Der erste Tanz ist für mich reserviert.“ Ein Flüstern drang an sein Ohr und Ishi hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt. Ihr Blick duldete keinen Widerstand und er spürte, wie ihm schwindelig wurde, während ihre moosgrünen Augen ihn durchbohrten und das braune Haar, welches sie sonst zu einem pfiffigen Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte, ihr wallend auf die schmalen Schultern fiel. Manabu drängte sich mit gewohnt gelangweilter Miene an ihnen vorbei, ohne seine Platzanweisung abzuwarten. Doch das machte nicht viel, da seine Zunge sich wie ein zementschwerer Klotz in seinem Mund anfühlte…

Sie trug ein himmelblaues, kurzärmliges Kleid, mit einer Schleife um die Hüfte, das fröhliche um die Knie flatterte, während sie ohne ein weiteres Wort über den ausgelegten Teppich schritt und sich Noriko, Manabu und Jiro gesellte.

Er schüttelte den Kopf und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Ishi war noch Mittelschülerin. Sie war nur eine gute Freundin, Wegbegleiterin, Teammitglied. Er war viel zu alt für sie. Im Herbst würde er sein Jura-Studium beginnen und sie auf die Oberschule wechseln.

„Jetzt reiß dich zusammen“, brummte er und klammerte sich an seinem Klemmbrett fest.
 


 

***

Fingerspitzengefühl
 

Ihre Hutkrempe verdeckte ihr die Sicht auf die Kanzel. Ungeduldig riss sie an dem gelben Ungetüm, welches sie in aller Eile im Hotelshop erstanden hatte. Man hätte meinen sollen, dass ein solches Hotel wie das Osaka BayTower über einen modischen Sinn verfügte… Letztendlich war nur dieser eine Hut in Frage gekommen. Skandalös!

Missmutig dachte sie an die grüne Katastrophe in ihrem Haar und verfluchte die letzte Nacht.

„Du könntest den Hut auch einfach absetzen“, hörte sie Koushiro, der stur geradeaus blickte, während er ihr diesen unmöglichen Vorschlag zuflüsterte.

„Meine Haare sind grün“, zischte sie zurück.

„Na und, du wärst auch mit gelben, roten oder blauen Haaren wunderhübsch“, raunte er und rückte näher an sie heran. „Eigentlich wollte ich schon die ganze Zeit mit dir über etwas sprechen… aber du warst sehr beschäftigt mit Schreien und Türenschließen…“ Er räusperte sich, als er bemerkte, wie sie ihre Stirn runzelte. Natürlich freute sie sich, dass er sie auch mit grünen Haaren ansehnlich fand, aber dieser Ton in seiner Stimme verhieß in der Regel nichts Gutes.

„Ich habe sehr lange über deine Lebenssituation nachgedacht…“, begann er und sie stöhnte. Sie hatten dieses Thema bereits lang und breit diskutiert und am Ende waren sie darüber doch nur in einen Herzbrechenden Streit verfallen.

„Ich werde nicht zurück nach Japan kommen!“, schnitt sie ihm das Wort ab. So viele Jahre hatte sie nun in den Staaten verbracht. Japan wurde ihr mit jedem Besuch fremder. Nur für ihn nahm sie die ganze Fliegerei, das wochenlange Nichtsehen und das unerträgliche Vermissen auf sich.

„Ich weiß“, begann er leise, während sich um sie herum die Plätze zunehmend füllten und sie einen neidvollen Blick auf Soras Kleid warf. Es hatte definitiv Vorteile in der Pariser Modebranche tätig zu sein.

„Deshalb habe ich um eine Versetzung gebeten…“ Ihr Herz machte einen Sprung und der Hut rutschte ihr vom Kopf und landete auf dem Kapellenboden, doch für einen Augenblick scherte sie sich nicht um die grünen Haare, die Menschen oder die Hochzeit.

„… für die Digimon-Applikation die ich entwickeln soll, muss ich nicht unbedingt in Kyoto bleiben, wir haben auf der ganzen Welt Standorte. Einer davon wäre in Redmond, Washington…“

„…das heißt“, brachte sie zwischen zwei raschen Atemzügen hervor und bekam seine warme Hand zu fassen. „…wir könnten zusammen sein, so richtig, richtig zusammen sein?“

Er nickte und strich ihr eine grüne Locke aus dem Gesicht: „Mit morgens zusammen aufwachen und abends zusammen einschlafen…“

In ihrem Kopf drehte sich alles. All die Jahre hatten sie sich gezankt und gestritten, weil sie einander so vermissten und so viele Meilen zwischen ihnen lagen, und nun schien die Lösung so einfach. Sie hatte nie ganz verstanden, was Koushiro bei Nintendo genau entwickelte, der technische Kram interessierte sie nicht sonderlich, aber sie wusste, wie wichtig ihm die Arbeit war und welche Chancen sie ihm bot. Nur deshalb hatte sie ihn die meisten Streitereien gewinnen lassen und nur manchmal wütend mit Türen geknallt oder den Raum verlassen.

„Aber…“ Er drückte ihre Hände und seine tintenschwarzen Augen durchbohrten sie. „Ich möchte, dass du dafür L.A. hinter dir lässt und diesen grässlichen Kellnerjob aufgibst, bei dem du bis spät in die Nacht arbeiten musst und mit mir nach Washington kommst.“ Fordernd sah er sie an und fuhr mit seinen Bedingungen fort. „Wenn du unbedingt Schauspielerin werden willst, dann studiere das Handwerk, aber verschwende deine Zeit nicht mit irgendwelchen Castings in Hollywood. Du weißt genau, dass ich es hasse, hasse, hasse. Diese schmierigen Typen im Showbusiness sind mir nicht geheuer…“

„Nun hör aber auf!“, ging sie lauter als beabsichtigt dazwischen und verschränkte die Arme vor der Brust, während um sie herum das Getuschel losging und in ihr wütende Empörung aufstieg. „Du kannst nicht einfach über mein Leben bestimmen…“

Er versuchte ihre Hände einzufangen, um sie zu beschwichtigen, doch die Leute waren ihr egal, sollten sie doch reden!

„Du hast kein Mitsprachrecht, so lange kein Ring an diesem Finger ist, das ist dir ja wohl hoffentlich klar!“ Sie winkte mit ihrer Hand vor seiner Nase und ein siegessicheres Lächeln umspielte ihre Lippen.

Doch anstatt aufzugeben erhellte sich sein Gesicht und ein breites Grinsen machte sich darauf breit.

„Also sagst du ja!“

Sie öffnete den Mund, sprachlos, stammelnd und die Musik setzte ein…
 


 

***
 

Author’s Note:

Ich hatte einen guten Lauf – und schupps war die dritte Welle fertig. Hier erfahrt ihr so viel Liebe und Information :D.

Von allen Parts habe ich mich auf den Koumi-Teil am meisten gefreut. Ich muss sagen mit Mimi zu schreiben ist herrlich unkompliziert und geht mit gut von der Hand. Euch ist ja wohl hoffentlich klar, was das Ende für die beiden bedeutet.^^

Gleichzeitig erfahrt ihr aber auch mehr über die Berufe der einzelnen Leute. Mimi als erfolglose Schauspielerin, die das Studium erst mal beiseite geschoben hat, konnte ich mir irgendwie gut vorstellen. Und Koushiros Job ist echt cool. Er entwickelt Spiele und Handy-Apps zu Digimon und speziell für Digiritter, powered by Nintendo. ^^

Iori hat in diesem Kapitel eine sehr beobachtende Rolle. Anders als bei Kirschblütenschauer bewegen wir uns hier auf die Zusammenkunft zu, aber im Gegensatz zu Schneegestöber liegen nun viele Erfahrungen und Meilen zwischen unseren Helden. Deshalb ist die Dynamik etwas hektischer. Ich kam nicht umhin die dritte Generation noch einmal einzubauen. Ich mag sie sehr. Besonders Ishi. Ishi und Iori. Klingt poetisch…

Jiro und Noriko sind aber auch sehr süß. Jiro ist noch extremer als Daisuke eigentlich. Ein unbedarfter Kerl, nur bei Noriko, die mittlerweile etwas kränkelt, ist er total umsichtig und fürsorglich. Wirklich goldig. Manabu ist so eine Sache für sich. Er ist ein absoluter Zyniker und kein wirklicher Menschenfreund und eigentlich geheimnisvoll und distanziert. Aber das ist eine andere Geschichte. Falls ihr mehr zu ihnen erfahren wollt, ich habe noch ungefähr tausend Situationen für One-Shots zur Wende im Kopf, die hier keinen Platz haben. Wenn Interesse besteht, würde ich das einfach mal als neues Projekt angehen…

So Miyako und Ken. Der Heiratsantrag war das, was ich mir unter einem guten Heiratsantrag vorstelle. Intim und ehrlich und ohne Hinknien und großes Tamtam, mit Sonnenuntergang und ganz viel Liebe.

Im nächsten Kapitel wird dann endlich Ja gesagt.^^

Bis dahin

PenAmour


 


 


 


 

Vierte Welle


 

Vierte Welle

***

Herzabdruck
 

Daisuke klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, während die Musik erklang und das Zupfen der Gitarrensaiten die Kapelle erfüllte. Er warf einen letzten Blick auf seine Familie, seine Mutter lächelte ihm durch einen glücklichen Tränenschleier zu, während sein Vater das Jackett zuknöpfte, seine Freunde, die überall im Raum verteilt waren, seinen Partner Wormon, das Digimon hatte sich neben Daisuke platziert und hielt die Schachtel mit den Ringen fest umklammert, bevor seine Augen den Mittelgang fixierten, der mit einem bordeauxroten Teppich ausgelegt war.

Die Türen öffneten sich und die Brautjungfern durchquerten den Raum und das Piano setzte ein. Hikari zwinkerte ihm in ihrem blassrosa Kleid zu, während sie sich vor dem Altar positionierte, dicht gefolgt von Momoe, die ein flatterndes himmelblaues Kleid trug, und Chizuru in zitronengelb.

Doch seine Aufmerksamkeit galt einer anderen Person, die den Raum betrat, während die Stimme des Sängers einsetzte und sein Herz förmlich aus seiner Brust sprang.
 

Now that she’s back in the atmosphere
 

Ihr Kleid ließ die weißen Kapellenwände noch heller strahlen. Kleine funkelnde Steinchen glitzerten auf dem seidigen Stoff, der sich an ihren Körper schmiegte und sich um ihre schmalen Schultern legte.
 

With drops of Jupiter in her hair
 

Doch seine Augen suchten nur ihr Gesicht. Die rosigen Wangen, eingerahmt von kirschroten Locken, besetzt mit Perlen, als hätten sich kleine Schneeflocken darin verfangen. Die krokusfarbenen Augen und die roten, vollen Lippen, die nach Sommer und Meer schmeckten. Sie war wunderschön.
 

She acts like summer and walks like rain
 

So schön, während sie den Gang entlang schritt, das ihm das Herz vor Aufregung fast zersprang. Sein Inneres sehnte sich danach, einfach loszurennen und sie in die Arme zu schließen. Ihre krokusfarbenen Augen fingen ihn ein und in ihnen spiegelte sich all die Liebe wider, die er in seinem Herzen trug. Dabei wusste er nicht einmal, wie all das angefangen hatte, dieses große Gefühl, das ihn überrannt hatte; wie er so sehr lieben konnte…
 

Reminds me that there’s time to change
 

Ihre Hände krallten sich aufgeregt in den Arm ihres Vaters, der ihr beruhigend über den Handrücken strich. Das tat sie immer, wenn sie nervös war, und oftmals war es sein Arm gewesen, den ihre Finger umschlossen hatten und der anschließend mit blauen Flecken übersät gewesen war. Meistens beruhigte es sie, wenn man ihre Hand hielt und dicht ans Herz presste, so, dass sie den beruhigenden Schlag spüren konnte und sich entspannte. Seit er sie liebte, war da immer ein Handabdruck auf seiner Brust gewesen, der sein Herz wärmte.
 

Since the return of her stay on the moon
 

Und endlich konnte er den schwachen Duft von Kokosnüssen vernehmen. Seine Arme streckten sich ganz von selbst aus, wie ein Kind, das in der Dunkelheit nach dem rettenden Lichtschalter suchte. Ihr Vater legte ihre Hand in seine, während er sich dankbar verbeugte. Als er den Kopf hob, ruhte der Blick Inoue-sans immer noch auf ihm. Ängstlich, neugierig, argwöhnisch, vielleicht auch stolz – wie ein Vater, der seine Tochter an einen anderen verlor, und dennoch losließ. Der Vater trat einen Schritt zurück, so dass für sie nun genügend Platz an seiner Seite war. Ihre Finger verschlungen sich ineinander, während der Kokosnussgeruch ihrer Locken ihn lächeln ließ. Mit diesem Duft wachte er jeden Morgen auf und schlief jeden Abend ein.
 

She listens like spring and she talks like June
 

„Lass mich bloß nicht fallen“, drang ihr leises Flüstern zu ihm heran. „Lass nicht zu, dass ich stolpere.“ Nervös zupfte sie an einer Rosenblüte ihres Brautstraußes, doch er drückte ihre Finger an sich, nah an sein Herz, wo ihre Hand für immer hingehörte.

„Niemals“, raunte er ihr zu und zusammen traten sie vor den Altar.
 

Tell me did you sail across the sun?
 

„Du bist wunderhübsch.“ Ihre Antwort darauf war ein strahlendes Lächeln – eines von denen, die ihn die Welt vergessen ließen. Der Standesbeamte starrte sie über seine Halbmondbrillengläser an, während er eine schwarze Ledermappe aufschlug und mit der Zeremonie begann.
 

Did you make it to the milky way to see the lights all faded
 

„Und so frage ich dich, Ichijouji Ken, willst du die hier anwesende Inoue Miyako zu deiner rechtmäßigen Frau nehmen, sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod euch scheidet?“

„Ja, ich will“, antwortete er atemlos.

„Und willst du, Inoue Miyako…“, begann der Standesbeamte mit würdevoller, Respekt einflössender Stimme.

„Ja“, unterbrach sie ihn, ihre Hand umfasste seine, während ihre Augen fiebrig glühten. „Ja, ich will.“ Ihr Blick wanderte suchend über sein Gesicht. „Ich will“, flüsterte sie abermals, erleichtert und glücklich zugleich.

Und ehe der Standesbeamte etwas sagen konnte, zog er sie zu sich herum und seine Hände umfassten ihr Gesicht. Der Kokosnussduft umhüllte ihn, während diamantene Tränen in ihren Augenwinkeln aufleuchteten und seine Lippen ihre wie im Sturm berührten.
 

And that heaven is overrated...
 


 

***

Dem Himmel so fern
 

Jubel brach aus, als das Hochzeitspaar vor die die Gesellschaft auf die Dachterrasse trat. Reiskörner prasselten auf Miyako und Ken nieder, die sich lachend duckten. Gratulanten drängen sich um das Paar und er ließ sich von der Menschenmenge treiben, während er die kreisenden Möwen über ihre Köpfen beobachtete. Die erfrischende Sommerbrise prickelte, nach dem langen Sitzen in der Kapelle, befreiend auf der Haut.

Nun, da sein Leben aus Bühnen und Tourbussen bestand, hatte er selten Gelegenheit, einfach nur dazusitzen und abzuwarten. Diese ungewohnte Situation erinnerte ihn an die ruhigeren Zeiten seines Lebens, die er in unbeobachteten Momenten vermisste, wenn das Rampenlicht erlosch und die Jubelchöre verstummten.

Weiter wollten seine trüben Gedanken nicht reichen, als er plötzlich vor Ken Ichijouji stand, seines Zeichens Bräutigam dieser Veranstaltung, mit einem seligen Grinsen auf den Lippen, während Daisuke ihm und Takeru mit wilden Gestiken und furchtbar komischen Grimassen von seinem letzten Spiel erzählte. Er hatte sich sagen lassen, dass es für den jungen Mann mit den haselnussbraunen Igelstacheln, die ihm manchmal einen Stich versetzten, ein gutes Spiel gewesen war.

Doch auch ein Daisuke verstummte, als Miyako auf sie zutrat, das weiße Kleid, dessen Strasssteinchen im Sommerlicht strahlten, und die roten Locken ließen alle um sie herum in erstauntes Schweigen verfallen. Selbst er konnte sich ihrem Anblick nicht erwehren, dabei war es nur Miyako. Laute, anstrengende Miyako, mit den riesigen, runden Brillengläsern.

Das Brautpaar warf sich klebrig-zuckrige Blicke zu, während um sie herum abermals tosender Beifall ausbrach.

„Küssen! Küssen! Küssen!“

Mit rot anlaufenden Wangen suchten sie die Menge nach einem Notausgang ab, doch das Publikum wollte nicht nachgeben, und so drückten sie sich ein zaghaftes Küsschen auf die Lippen.

„Das sah aber eben noch ganz anders aus!“, grölte Daisuke lachend, während Ken und Miyako sich von einander lösten, mit glühenden Blicken und einer Zärtlichkeit, die gemeinhin als Liebe bekannt war. Sehnsüchtig beobachtete er die Musiker, die ihre Instrumente stimmten, während der Sänger langsam ans Mikrofon trat und das Brautpaar sich für den ersten Tanz bereit machte. Die raue Stimme des Sängers wurde vom Wind über die Dachterrasse getragen, während das samtene Hochzeitskleid mit der Sommerbrise spielte die Brandung des Meeres leise applaudierte.

All das verschwand jedoch in Bedeutungslosigkeit, als er die rostroten Haare erblickte, die sie zu einem formvollendeten Knoten zusammengesteckt hatte, während das türkisblaue Kleid über ihre schmale Taille glitt sich und in ausladende Stoffwellen verlor, die auf den Kleidsaum trafen, wie die Brandung auf den Strand.
 

Tell me, did you fall for a shooting star

One without a permanent scar

And did you miss me while you were looking for yourself out there
 

Sein Körper schien zu gefrieren, während sie sich ihm näherte. All die Jahre waren sie unterwegs gewesen, da hatte er wirklich geglaubt, seine Gefühle seien mit der Zeit weniger groß, weniger überwältigend geworden, doch ein Blick in ihre kastanienbraunen Augen genügte, und die Schleusen seines Herzens, die er sorgsam verriegelt hatte, wurden aufgerissen und Schmerz und Sehnsucht, Angst und Verlangen, und Heimweh und Liebe und das Stückchen Yamato, das sonst keiner kannte, brachen hervor. Ein unbändiger Strudel rauschte durch seinen Körper und pulsierte in seinen Adern.

Ihre Lippen bewegten sich.
 

Now that she’s back from that soul vacation

Tracing her way through the constellation

She checks out Mozart while she does tae-bo

Reminds me that there’s room to grow
 

„Hi.“ Er hatte ihre Stimme vermisst. Er hatte sie vermisst.

„Hi“, antwortete er und räusperte sich, ohne zu wissen, wohin mit seinen Händen und den Gedanken in seinem Kopf. Doch die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als die Menschen um ihn herum auf die Tanzfläche drängten. Sie geriet ins Wanken und konnte sich gerade noch an seinem Arm festhalten. Ihre Berührung brannte auf seiner Haut und alles ihn ihm schrie vor Schmerz und Sehnsucht. Langsam wanderte ihr Blick zu ihm hinauf, sie waren nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt. Sie duftete immer noch nach Pfirsichen stellte er, glücklich berauscht fest.
 

Now that she’s back in the atmosphere

I’m afraid that she might think of me as plain ol’ jane

Told a story about a man who is too afraid to fly so he never did land
 

„Sollen wir…“Seine Atmung setzte langsam wieder ein, während er mit einem Kopfnicken auf die Tanzfläche deutete.
 

Tell me did the wind sweep you off your feet

Did you finally get the chance to dance along the light of day
 

Ein schrilles Schellen ließ den Moment verblassen, während Sora hastig nach ihrem Mobiltelefon kramte und den Anruf entgegen nahm. Hin und her gerissen lauschte sie der Stimme auf der anderen Seite der Leitung und richtete ihre Augen auf ihn. Ihr Blick verriet, dass es ihr genauso gehen musste, dass da dieses große Gefühl in ihr war, das sie seit Jahren mit sich herumtrugen.

Doch sie entfernte sich zunehmend im Getümmel und als sie aufgelegt hatte, ließ sie die Schultern hängen. Sein Herz stolperte und Sora trat auf Miyako zu, die sich von ihrem Ehemann löste und den Schilderungen der Freundin lauschte. Sie umarmten sich und dann trat sie langsam auf ihn zu mit einer Miene, die nichts gutes verhieß.
 

And head back to the milky way
 

„Entschuldigen sie.“ Eine aufgeregte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte auf zwei Mädchen – den grellen Haaren nach zu urteilen, Verwandte von Miyako, die ihn mit großen Augen anstarrten.

Eines der Mädchen löste sich mutig von der anderen. „Könnte ich ein Autogramm bekommen?“ Sie reichte ihm schüchtern eine der Stoffservierten, die auf den umliegenden Tischen lagen, und er konnte die Aufregung in ihrem Gesicht ausmachen. Jene Aufregung, die er jedes Mal sah, wenn er auf der Bühne stand, und für die sich all die Strapazen, die das Musikerleben mit sich brachten, lohnten.
 

And tell me, did Venus blow your mind
 

„Na klar…“ Lächeln nahm er den Stift entgegen, der ihm mit zitternder Hand entgegen gestreckt wurde. „Wie heißt du denn?“

„Minako“, flüsterte das Mädchen andächtig und presste die Handflächen gegeneinander.

Schwungvoll setzte er sein Zeichen auf die Stoffservierte und seine Augen fanden Sora, die in einigen Metern Entfernung ihre Handtasche von einem Stuhl gefischt hatte und ihm lautlos zunickte.
 

Was it everything you wanted to find
 

Eines Tages, formten ihre Lippen lautlos und das Versprechen, das sie einander gegeben hatten, hallte leise über sie hinweg. Und plötzlich fiel ihm das Lächeln gar nicht mehr schwer. Der Schmerz und die Sehnsucht ließen nach.
 

And did you miss me while you were looking for yourself out there
 

Für einen kurzen Moment badete er in ihrem Anblick, bevor sie hinter den wehenden Vorhängen verschwand, die in das Hotel hineinführten.

„Danke.“ Glücklich drückte das Mädchen namens Minako die Servierte an sich und verschwand lachend im Menschengetümmel, während er der Melodie des Liedes lauschte. Seine Träume waren noch nicht ausgeträumt, es gab noch so viel zu entdecken.

Doch eines Tages würden sie glücklich sein – zusammen glücklich sein – das wusste er.
 


 

***

Müde Steine
 

Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken und es fühlte sich an, als würde sie über die Tanzfläche fliegen. Sie hielt ihre Augen geschlossen, um das Gefühl nah bei sich behalten zu können, doch Takeru wollte reden. Die Unruhe kribbelte bis in seine Fingerspitzen, während sie ihren Problemen davon zu tanzen versuchten.
 

Can you imagine no love, pride, deep-fried chicken

Your best friend always sticking up for you, even when I know you’re wrong
 

Aber sie wollte nicht reden, nicht hier, nicht heute, nicht mit ihm. Jeden Tag konnte sie die Enttäuschung in seinen Augen erkennen, darüber, dass sie ihre Zeit in der Digiwelt verbrachte, anstatt für wichtige Klausuren zu lernen, dass sie in einem Supermarkt arbeitete, anstatt die Vorlesungen zu besuchen, während er so glücklich schien, seit er studierte. Die Universität hatte die Kluft zwischen ihnen nur noch größer werden lassen. Ihre unterschiedlichen Vorstellungen waren mit Eintritt ins Studiums aufeinander geprallt. Sie hatten sich aneinander wund gerieben, wie die kleinen Steine am Sand, die tagein, tagaus von den Wellen überrollt wurden und so all ihre Ecken und Kanten verloren, während das Salzwasser sie zähmte und müde machte.
 

Can you imagine no first dance, freeze dried romance five-hour phone conversation

The best soy latte that you ever had – and me
 

Verzweifelt hatten sie sich in den letzten Jahren aneinander festgekrallt, aus Angst vor den Konsequenzen einer endgültigen Entscheidung und auch in diesem Augenblick wagte sie es nicht, den Tatsachen ins Auge zu schauen. Deshalb ließ sie sich fallen und von der Musik tragen. Entfloh ihm auf einer Melodie und versteckte sich hinter den Tönen.

So lange sie tanzten, redeten sie nicht.
 

Tell me did the wind sweep you off your feet

Did you finally get the chance to dance along the light of day

And head back toward the milky way
 

Doch Takeru räusperte sich und verlangsamte seine Schritte. Unnachgiebig. Sie konnte es ihm nicht verübeln, auch wenn sie ihn dafür ein bisschen hasste.

„Ich hab dich gesehen“, begann er. „Dich und Wallace…“

Sie schwieg, wollte ihm widersprechen, aber auch sie war müde, wie die Steine am Strand. Müde, es ihm ständig recht zu machen.

„Wallace… Ist da etwas…“, setzte er an und das Zittern in seiner Stimme war kaum zu überhören. „Ich mache mir Sorgen um dich…“ Und da war sie wieder, die Verzweiflung, die sie so oft in seinen Augen ausmachen konnte, wenn er sie beobachtete, und glaubte sie würde es nicht bemerken.

„Ich weiß einfach nicht mehr, wie ich dir helfen soll, Hikari…“
 

Tell me did you sail across the sun

Did you make it to the milky way to see the lights all faded

And that heaven is overrated
 

Absurderweise tanzten sie immer noch, zwischen all den glücklichen Paaren. Er schien keine Antwort von ihr erwartet zu haben. „Ich dachte wirklich, dass es besser würde, sobald wir studieren, dass du dich fangen könntest und dein eigenes Leben endlich in die Hand nehmen würdest, und ein kleiner Teil von mir hofft das auch heute noch. Aber du verstrickst dich einfach immer weiter in diesem Wahn, eines Tages deinen Bruder zu finden und ihn nach Hause zu bringen…“

Sie wollte das alles nicht hören, doch Takeru blieb dieses eine Mal in seinem Leben unerbittlich. „Es gibt auch noch andere Menschen auf der Welt, die dich lieben – und die nicht einfach so gegangen sind. Deine Eltern, deine Freunde – und mich!“
 

Tell me, did you fall for a shooting star

One without a permanent scar

And did you miss me while you were looking for yourself?
 

„Du verstehst das nicht!“ Sie versuchte sich von ihm loszumachen, sich zu befreien. „Die Uni und die ganze Lernerei, dein Manuskript, oder dass meine Mutter unbedingt möchte, dass ich Pädagogin werde – all das interessiert mich nicht.“ Tränen brannten auf ihrem Gesicht, während sie ihm die Worte entgegenschleuderte. Sie verletzte ihn, das wusste sie.
 

And did you finally get the chance to dance along the light of day?
 

„Ich will nur meinen großen Bruder zurück…“, flüsterte sie.

„Und Wallace versteht das?“ Sein Gesicht verzog sich zu einer hässlich schmerzverzerrten Grimasse, während er sein Hand aus ihrer riss, als habe er auf eine heiße Herdplatte gefasst. Sie schwieg.

„Ich kann das nicht, Hikari“, raunte er mit brüchiger Stimme. „Ich kann dich nicht mehr auffangen und aus jeder Depression retten, nur um zu sehen, wie du dich bereits im nächsten Wahn verlierst. Ich will endlich wieder leben, ohne um dich herum schleichen zu müssen, aus Angst, ich könnte etwas sagen, das dich an ihn erinnert, oder etwas tun, das er getan hat…“

Sie schwieg.
 

And did you fall for a shooting star?
 

„Das war’s, oder?“ Takeru stemmte die Hände auf seiner Hüfte ab und musterte eindringlich die sandfarbenen Steine, mit denen die Terrasse gepflastert war.

Sie nickte lautlos, schluchzend und er stürmte von der Tanzfläche an einem verdutzen Daisuke vorbei, während sie sich müde die Tränen vom Gesicht wischte. Es war 15 Uhr und 33 Minuten, und Takeru und Hikari waren Geschichte.
 

Are you lonely looking for yourself out there?
 

***
 

Author’s Note:

Das ist mit Abstand das kitschigste, was ich jemals geschrieben habe. Mit. Abstand. Aber es dient der Geschichte – und es wird definitiv nicht zu Gewohnheit. Ich habe mir mit diesem Kapitel auch eine Herausforderung gestellt. Ein durchgängiger Songtext, der in die Geschichte eingewebt wurde, und anders als bei den Teilen zuvor, durch das gesamte Kapitel geht. Train – Drops of Jupiter schien mir dafür sehr geeignet.

Ich hoffe, die Hochzeit war angemessen beschrieben. Zumal ich davon keinen Dunst habe und mir deshalb dachte, dass ich mal lieber bei den Gefühlen bleibe, als bei der ganzen Zeremonie. Miyakos Ja-Wort mag ich. Eine andere Variante kann ich mir bei ihr nicht vorstellen. Die Geschichte, wie Ken Miyakos Vater von der Hochzeit überzeugte, ist übrigens sehr lustig, vielleicht schreibe ich sie irgendwann mal auf. xD

Die Sorato-Überschrift ist schön zweideutig – Sora heißt schließlich Himmel/Horizont. ^^ (außerdem hat immer ein Kapitelteil den Namen eines bekannten Films oder Buches gehabt, also alles für die Kontinuität, yay,^^), wenn ihr versteht was ich meine.

Ich weiß, viele von euch sehnen sich nach einem großen Urknall, wenn sie sich wieder sehen, aber ich wollte nur diesen kleinen, kleinen Moment, der zeigt, dass da immer noch all das ist, was da in Kirschblütenschauer war, und vielleicht sogar noch viel mehr, aber dass da eben auch noch individuelle Träume und Wünsche sind, die sie leben müssen, um EINES TAGES ganz und gar beieinander sein zu können. Ich glaube nämlich felsenfest daran, dass man nur dann einen anderen glücklich machen kann, wenn man nichts bereut. Yamatos Liebe zur Musik ist tief verwurzelt und älter als die Liebe zu Sora. Derzeit leben sie zwei eigenständige Leben, die sich nicht vereinbaren lassen. Soras Telefonat war übrigens mit ihrer melodramatischen Chefin Claudette – Modedesignerin, für die Sora als Assistentin arbeitet. Furchtbar anstrengende Frau, die gerade jetzt eine Schaffenskrise hat. Und wenn Sora ihren Job behalten will, muss sie nun zurück nach Paris – Das Leben ist kein Wunschkonzert…

So Takari – ihr werdet mich hassen, bestimmt, sicherlich, aber das Pairing hat ein ganz großes Problem: Es ist zu groß für das wahre, echte Leben. Die beiden sind so dermaßen vorbestimmt, dass es schon wieder ins Negative fällt. Ich glaube fest daran, dass sie die große Liebe sind, aber nicht die richtige. Wäre Hikari mit Daisuke zusammen, wäre es nie so weit gekommen, weil wir es hier mit zwei sehr psychologisch unsteten Charakteren zutun haben. Besonders Hikari. Der Weggang Taichis hat bei Hikari etwas ausgelöst, das sie nicht unterdrücken kann, aber Takeru unglücklich macht. Dabei handelt sie sowohl aus Liebe, als auch aus Egoismus – das weiß sie nur noch nicht.

Es tut mir leid, aber die beiden müssen getrennt werden – allein schon damit Takeru seinen Weg geht. Das Wort Manuskript ist nicht umsonst gefallen…^^

Verzeiht mir,

bis dahin

PenAmour


 


 


 


 

Wellenbrecher


 

Epilog: Wellenbrecher

***

Wo Himmel und Erde sich berühren
 

Er hatte seine Pflicht erfüllt. Lopmon und Terriermon waren vor der Bowle gerettet, unzählige Hände geschüttelt und Glückwünsche für das Brautpaar gesagt worden. Er hatte genug von solchen Feierlichkeiten für die nächsten Jahre, beschloss er und nippte an seinem Sektglas. Es prickelte und sprudelte in seinem Gaumen, während er mit den Fingern über die Balustrade strich. Am Ende war er doch nur wieder bei ihr gelandet und blickte auf die japanische See. Bunte Sandförmchen und Sandburgen zierten den Strand, begleitet von Möwengekreische und lachenden Kindern, die ihre Füße in die Brandung hielten und erschrocken zurückwichen, als das kalte Wasser ihre Knöchel umzingelte. Ein Pärchen spazierte über die Sanddünen, Hand in Hand, während ein alter Mann den Möwen Brotkrummen zuwarf. Sein Blick wanderte über das Sonnenbeleckte Panorama. Hier auf der Dachterrasse des Osaka BayTowers wirkte alles klein und unbedeutend, und gleichzeitig so nah. Am Fuße eines Bootsteg, dort wo Himmel und Erde sich berührten, schienen sich die Sonnenstrahlen zu bündeln und von einem Mann mit ausgestreckten Armen empfangen zu werden, während er zu ihm hinaufschaute. So kam es ihm zumindest vor. Die durchdringenden, dunklen Augen wirkten, als wüssten sie um seine Pläne, Träume und Wünsche, während die braune Löwenmähne mit dem Wind tanzte, der sie kokettierte und umschmeichelte.

„Wallace.“ Ihre Stimme klang brüchig und war gefüllt mit heruntergeschluckten Tränen, während sie langsam neben ihn an die Brüstung herantrat, dicht gefolgt von dem weißfelligen katzenartigen Tailmon, dass ihn misstrauisch beäugte. Sein Blick wanderte zurück zum Bootssteg, doch außer weißen Segeln und dem Sonnenlicht war da niemand. Er schüttelte den Kopf und stellte das Glas Sekt rasch auf dem Tablett des herannahenden Kellners ab.

„Und hast du dich entschieden“, fragte er und musterte ihr Profil. Die spitze Nase mit den kleinen blassen Sommersprossen und die schmalen Lippen, die aufeinander gepresst waren. Das lange mandelbraune Haar verfing sich in den schimmernden Pailletten ihres blassrosa Kleides. Sie neigte den Kopf und die mandelförmigen Augen blickten ihm mit einer traurigen Entschlossenheit an.

„Wann willst du aufbrechen?“, flüsterte sie, so dass außer ihm niemand ihre Worte erhaschen konnte, als teilten sie ein Geheimnis miteinander, um das nur sie beide wussten.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. 15 Uhr 42.

„Mein Archäologie-Kurs bricht morgen auf – wenn wir uns also beeilen, schaffen wir es noch rechtzeitig, sie zu den Ausgrabungsstätten in die Digiwelt zu begleiten…“, erklärte er und deutete auf den Ausgang. Sein Professor wusste bereits, dass er einen freiwilligen Helfer hatte auftun können, der über die nötige Erfahrung in der Digiwelt verfügte. Und die Ausgrabungsstätten nahe dem Wüstensand der Gear Savannah wiesen verheißungsvolle Spuren über die Geschichte und den Ursprung der Digiwelt auf – und ganz heimlich hatte sich auch ein wenig Abenteuerlust eingeschlichen.

„Versprichst du mir, dass wir nach ihm suchen werden?“ Ihre haselnussbraunen Augen durchbohrten ihn fordernd, flehend.

„Hikari, wir haben doch schon darüber gesprochen“, seufzte er und berührte ihre Schulter. „Wenn wir eine Spur von Taichi finden, werden wir sie verfolgen und ich werde dir helfen, wo immer ich kann und wann immer es nötig ist…“ Seine Hand strich flüchtig über ihre Wange, während sie für einen Moment die Augen schloss und schmerzhafte Erinnerungen über das blasse Gesicht huschten. Er zog die Hand zurück.

„Also, kommst du?“ Er war nur für sie zu dieser Hochzeit gekommen, aber das brauchte sie nicht zu wissen, das brauchte niemand zu wissen.

Unschlüssig blickte sie zu ihrem Partner.

„Wo immer du bist, da bin auch ich“, antwortete Tailmon schlicht und schmiegte sich an sie.

Sie nickte. Da war grimmige Entschlossenheit in ihren Augen und das war alles, was er brauchte.

„Ja“, antworte sie und zusammen verließen sie die Terrasse, ohne zurückzublicken.
 


 

***

Ein wartendes Lachen
 

Das Hochzeitsfest klang langsam aus. Yamato war bereits abgereist, da er in der Frühe einen Videodreh hatte, Iori hatte sich zusammen mit Ishi, Noriko, Jiro und Manabu vor einer kleinen Weile verabschiedet, und Jyou und Sachiko schüttelten Miyako und Ken in diesem Augenblick die Hand. Die Sonne war verschwunden und die kühle Nachtluft fuhr ihm bis unter sein Hemd und ließ ihn erschauern.

Nur Mimi und Koushiro schwebten noch eng umschlungen über die Tanzfläche und flüsterten

sich kichernd kleine Albernheiten zu, die wahrscheinlich für niemanden sonst bestimmt waren. Mimi hatte sich ihrer Highheels entledigt und sich auf Koushiros Füße gestellt, die sie nun über die Tanzfläche trugen.

Nachdem er Hikari dort vor einigen Stunden zurückgelassen hatte, schien sie wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Eigentlich sollte ihn dies beunruhigen, oder ihn traurig stimmen, oder sogar wütend, doch die Gefühle wollten sich nicht einstellen. Da war nur Bedauern…

Bedauern darüber, dass es zu Ende vielleicht, und dass er es nicht eher beendet hatte. Es war ungewohnt, sie nicht mehr an seiner Seite zu wissen, die Bettdecke für sich zu haben und das letzte Stück Pizza essen zu können.

Er ließ die verbliebenen Freunde zurück – für all die Worte war auch später noch Zeit. Die Aufzugtüren glitten sacht zur Seite und ließen ihn passieren. Während sie sich wieder schlossen, sah er, wie Ken Miyako gerade auf Händen über den Flur trug und ihr glückliches Lachen hallte durch die Gänge. Ein Lachen, das selbst sein Herz erfüllte und ihm versicherte, dass so ein Lachen auch auf ihn wartete.

Jemand hatte genau so ein glückgetränktes Lachen für ihn reserviert.

So sollte Liebe sein.

Es zog ihn an den Strand, während das Osaka BayTower stumm in den Himmel ragte und über die Stadt wachte. In der Ferne blinkten die Lichter des Riesenrads auf, das er bereits von seinem Hotelzimmer aus hatte sehen können, und in dem er Iori und seine Freunde vermutete. Ishi hatte ihn darum gebeten, und Ioris verliebtem Blick nach zu urteilen, hatte er ihr diesen Wunsch erfüllt.

Das Meer rauschte und über ihm leuchtete der Mond und tauchte die Bucht von Osaka in ein silbriges Licht. Die Sandkörner kratzten und kitzelten an seinen Fußsohlen und die Krawatte flatterte im salzigen Wind, während die schwarzen Lederschuhe im Sand auf ihn warteten.

Die Wellen rollten auf ihn zu und schlugen auf dem Sandstrand auf. Er spürte, wie das kühle Meerwasser seine Füße umschloss und lauschte der Nacht, die sich in all ihrer Schönheit vor ihm erstreckte. Er konnte die salzige Gischt auf seinen Lippen schmecken und streckte die Arme aus, um sich von der Nacht und dem Mondlicht umarmen zu lassen.

Ein Jubeln entfuhr seinen Lippen.

So musste sich grenzenlose Freiheit anfühlen…
 

***

„Adventure is the essence of life”

(Dick Rutan)

***
 

Author’s Note:

Es ist ein Unterschied, ob man sich von jemandem trennt, aus Wut, oder aus Liebe zu sich selbst. Ein himmelweiter Unterschied. Und wie ihr unschwer erkennen könnt, scheint die Trennung für Hikari und Takeru gut zu sein.

Wallace ist genau der Richtige für Hikaris Bedürfnisse, er ist ein Abenteuer, und ein Sucher, wenn ich etwas finden wollte, würde ich mich eher Wallace als an Takeru wenden.

Was auf der romantischen Schiene zwischen den beiden läuft? Nun das überlasse ich ganz euch. Vor allem wird Hikari mit neuen Leuten aus Wallace Archäologie -Studium zu tun haben, das wird ihr gut tun.

Und Takeru?

So lang der Sommer andauert, wird er seine Freiheit genießen und glücklich sein.

Und vielleicht wartet im Herbst jemand auf ihn, der sein Lachen genau für ihn aufgehoben hat.

Genießt also den Sommer, wir lesen uns im Herbst, wenn ihr mögt.

Bis dahin

PenAmour


 


 


 



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Kommentare zu dieser Fanfic (23)
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Von:  Miliko
2011-08-04T14:14:18+00:00 04.08.2011 16:14
Mit einem weiteren Kapitel an einem Tag hatte ich nicht gerechnet. War also eine schöne Überraschung für mich ;)
Dass du Wallace gewählt hast für den Epilog ist schön. Er hatte ja auch schon den Prolog.
Aber eine Stelle macht mich doch neugierig. Obwohl Tai in der Digiwelt und allen noch zu entdeckenden Sphären verschwunden ist, steht er anscheinend am Bootsteg. Ich frage mich, was das soll. War es eine Luftspiegelung oder war Tai wirklich da? Darauf hätte ich gerne eine Antwort. ;)
Wenn Wallace und Hikari sich jetzt ineinander verlieben, widerstrebt das mir ziemlich. es sieht nämlich so aus, als hätte Wallace Gefühle für Hikari.
Naja Hikari sucht jetzt ihren Bruder, den sie so sehr vermisst.
Die Szene zwischen Mimi und Koushiro auf der Tanzfläche ist süß. Ich sagte ja schon, dass die beiden mittlerweile mein Favo Paar sind.
Der Takeru Part ist ein wenig komisch. Zuerst ist er ziemlich traurig und bemerkt diese ganzen Sachen, die er jetzt allein machen muss und als er am Strand steht, jubelt er und begrüßt die Freiheit?!
Das ist für mich nicht ganz schlüssig. Freiheit macht zwar glücklich und für ihn wäre vielleicht die Trennung besser. Aber mir geht das ein wenig zu schnell. Innerhalb von Minuten wieder glücklich zu sein. Auch wenn man sich aus Liebe trennt ohne Streit, jubelt man nicht innerhalb von Minuten herum.
Sonst war dies der Sommer. Jetzt ist die Geschichte auch vorbei. Mal sehen, was im herbst kommt. Vielleicht kommt Tai zurück oder Hikari und Takeru versuchen es doch nochmal? Wer weiß, wer weiß. Ich hoffe auf jeden Fall auf beides.
Allerdings bin ich mir sicher, dass Yamato und Sora zusammen kommen (wieder) und das du Mimi und Koushiro hoffentlich nicht trennen willst. Dafür sind die beiden zu süß.
LG Miliko

Von:  Miliko
2011-08-04T14:01:29+00:00 04.08.2011 16:01
Das Ja-Wort zwischen Ken und Miyako war schön. Es passte zu den beiden. Gerade zu Miyako mal dazwischen zu reden und einfach drauf los ihre Gefühle auszusprechen.
Die Szene zwischen Yamato und Sora hat mir Lust auf mehr gegeben. Das war einfach ein kleiner aber sehr schöner und intimer Moment zwischen denen, obwohl er sehr kurz war, hat er all die Gefühle zwischen Yamato und Sora gezeigt.
Schade, dass du Takeru und Hikari getrennt hast. Ich kann es für Hikari immer noch verstehen, dass sie ihren großen Bruder sucht. Sie war ja die ganze Zeit in der Serie ziemlich auf ihn fixiert, dass sie ihn für sich und ihre Eltern wieder finden will, ist verständlich. Trotzdem macht es mich traurig, dass sich die beiden getrennt haben.
LG Miliko
Von:  SophieMaus
2011-08-02T17:40:39+00:00 02.08.2011 19:40
Hey sorry, dass ich erst jetzt schreibe, hatte viel zu tuen :)!
Auf jeden Fall ein superschönes Ende! Bin schon etwas traurig,dass die Sommereversion schon vorbei ist. Umso mehr freue ich mich nun auf den Herbst! :D
Wow..bin ja jetzt auch mal neugierig wie sich die Suche von Wallace und Hikari entwickeln wird. Werden sie erfolgreich sein? Hm vielleicht bahnt sich ja zwischen den beiden ja was an? Wäre zumindest auch süß ^-^!Hmn ich bin da mal am spekulieren ;-)
Hoffentlich findet dann auch Takeru seinen Glück, ich bin da aber sehr zuversichtlich!
Ich bin da mal gespannt,wie sich das Leben von den Anderen entwickeln wird..
Bis zur nächsten Chronologie im Herbst <3
Sophiemaus :)
Von:  darkfiredragon
2011-07-30T21:12:12+00:00 30.07.2011 23:12
Tja, was soll ich noch dazu sagen? Der Sommer hat ein (bitter-)süßes Ende gefunden, verheißt aber auch einige Neuanfänge für den Herbst. Ich bin gespannt was uns da erwartet!
Von:  fahnm
2011-07-30T19:54:03+00:00 30.07.2011 21:54
Super Abschluss.^^
Schade das es zu ende ist.^^
Von:  fahnm
2011-07-30T19:52:07+00:00 30.07.2011 21:52
Super Kapi^^
Von:  darkfiredragon
2011-07-30T12:06:55+00:00 30.07.2011 14:06
Sehr sehr schön, auch dass du nicht weiter auf die Zeremonie eingegangen bist war gut, das wäre wohl etwas langweilig geworden. Miyakos Ja-Wort war genial, aber auch absolut typisch für diese vorlaute Person :D
Wenn du es schreibst kann ich mich sogar (fast) für Sorato erwärmen^^
Hikari und Takeru... das ist eine ziemlich traurige Sache. Ich kann sie irgendwie beide verstehen, Hikari ist nur noch ihr großer Bruder wichtig, aber Takeru würde irgendwann daran zerbrechen, deshalb ist es wahrscheinlich das beste so.
Ich bin gespannt was du uns noch zaubern wirst ;)
Von:  SophieMaus
2011-07-30T07:57:27+00:00 30.07.2011 09:57
Erste.. :D
Woooow.. was soll ich dazu noch sagen in den Falle noch schreiben?
Ich hatte richtig Herzklopfen als die wunderschöne Braut Yolei in ihrem bezaubernden Kleid den Raum betrat.Ken musste ja richtig nervös gewesen sein :)..Wirklich ein Traum..
Yuhu..du hast eine superschöne Sorato-Szene mit eingebaut *.*..Ich war so traurig,dass die zwei schon wieder nicht zueinander finden konnten aber trotzdem freue ich mich,dass sie sich einander noch sehr viel bedeuten <3 Also die Hoffnung stirbt zuletzt!:D
Hikari und Takeru :(.. sehr traurig auf jeden Fall,ich kann Takeru aber sehr gut verstehen..man möchte ja nicht den Menschen den man liebt leiden sehen und daher ist manchmal wirkich besser trotz Liebe getrennte Wege zu gehen.Ich bin dir also nicht böse das du die Zwei "getrennt" hast ;-)...
Jetzt freue mich auf jeden Fall auf das nächste Kapitel!Kommt denn noch eins? Oder nur noch ein Epilog?
Ganz liebe Grüße, Sophiemaus <3
Von:  Miliko
2011-07-26T22:23:49+00:00 27.07.2011 00:23
Mein absouluter lieblingsmoment ist der antrag von koushiro an mimi. der war einfach so geil gemacht, dass ich befürchte kein anderes pairing mehr gut zu finden (ausgenommen Takari und Sorato). was hast du da nur angerichtet? ;)
das kleid stelle ich mir mal absolut traumhaft vor.
das auflaufen der digimon auf der hochzeit finde ich gerecht gemacht. ken ist ja in der digiwelt kein unbekannter ;)
diese kleine romanze zwischen iori und ich hab leider den namen vergessen finde ich ganz süß

und dann kam mein absoluter lieblingspart und ich freue mich schon abgöttisch auf diesen part, wenn es bei den beiden weitergeht.
LG Miliko
Von:  darkfiredragon
2011-07-22T22:23:15+00:00 23.07.2011 00:23
Einfach nur schön =)


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