Zum Inhalt der Seite

Freaks of Nature

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

In und über das Kuckucksnest

Als der sechsjährige Mihael Keehl nach England gebracht wurde, hatte er sich mit Händen und Füßen gewehrt.

Er wollte nur weg von diesen fremden Leuten, die versuchten, in gebrochenen Slowenisch auf ihn einzureden, von dem fremden Land, von dem fremden, riesigen Haus voller Menschen, die ihn anstarrten und in ihrer Sprache miteinander redeten.
 

Vor allen Dingen wollte er aber zurück zu seinen Eltern.

Wo war nur sein Papa?

Er war ein großer, starker Mann, er würde diese bösen Menschen alle töten und ihn retten!

Und Mama...

Er musste auf Mama aufpassen, bis Papa wieder da war.

Mama war doch so krank!
 

„Lass mich los! Lass mich los, du Scheißkerl! Ich muss nach Hause! Ich muss Mama beschützen! Lass mich!“
 

„Junge, deine Mutter ist tot.“

sagte einer der Männer.
 

„LÜGNER! Mein Papa wird euch alle umbringen!“
 

Die Männer redeten kurz in ihrer fremden Sprache und dann brachten sie ihn in ein Zimmer, in dem ein einzelnes Bett stand. Mihael wurde mit festen Stoffgurten an das Bett gefesselt, 'fixieren' haben sie es genannt. Dann hatten sie ihm eine Spritze gegeben, die ihn ruhig werden ließ.

Er weinte die ganze Nacht.
 

Mama war nicht tot. Sie war nur immer so müde, sie wollte schlafen, bis Papa wieder da wäre. Mihael war neben ihrem Bett gesessen, hatte ihre Hand gehalten und halblaut den Rosenkranz für sie und Papa gebetet. Die Tabletten brauchte sie, damit sie wieder gesund wurde. Und je mehr sie nahm, desto schneller würde sie wieder aufstehen können.

Bis dahin würde Mihael bei ihr bleiben, für sie beten und die lästigen Fliegen verscheuchen, die ständig um sie herumkreisten.
 

Wochen und Wochen vergingen.

Die Männer erzählten ihm Dinge, die keinen Sinn ergaben.

Dass sein Papa böse Dinge getan, aber damit aufhören gewollt, hätte.

Deshalb hätte er den Männern viele Informationen gegeben, damit sie ihn und Mama und Mihael vor Papas ehemaligen Freunden beschützten.

Aber sie hätten Papa trotzdem gefunden und umgebracht.

Seine Mama wäre darüber so traurig gewesen, dass sie krank geworden wäre vor Trauer und zu viele Medikamente genommen hätte.

Sie sagten, als sie Mihael und Mama in dem Versteck auf dem Dachboden gefunden hätten, wäre sie schon seit mindestens einer Woche tot gewesen.
 

Die Männer redeten von etwas, das sie 'Zeugenschutzprogramm' nannten.

Mihael spuckte und biss und trat um sich.

Er verbrachte noch viele Nächte auf dem Bett mit den Gurten.
 

Eines Tages brachte ihm ein Mann Bücher, Slowenische und Englische.

„Kannst du schon lesen?“

„Natürlich, du Arschloch!“

Er schwor sich, sie unberührt liegenzulassen, aber die Langeweile war noch unerträglicher.

Er lernte Englisch.

Schnell türmten sich in seinem kleinen Zimmer die Bücher.

Wissen war seine einzige Waffe, wenn er genügend Lernen und Verstehen würde, könnte er aus diesem kalten, grauen Ort entkommen und endlich wieder nach Hause.
 

Ein paar Tage nach seinem siebten Geburtstag traf er das erste Mal L.

Er dürfte damals nicht älter als sechzehn gewesen sein, aber er war so groß wie alle anderen Erwachsenen und damit automatisch ein Feind.
 

Obwohl er witzig aussah, denn er saß mit den Füßen auf dem Stuhl und hatte einen Lutscher im Mund. Und er sah Mihael nicht an, als hätte er Angst, er könnte ihn jeden Augenblick angreifen, wie es alle Anderen mittlerweile taten.
 

„Hallo, ich bin L. Möchtest du auch?“

Der Mann mit den strubbeligen Haaren reichte Mihael einen neuen Lutscher aus seiner Hosentasche.
 

„Den kannst du behalten und dir in den Arsch schieben.“

fauchte Mihael auf Slowenisch zurück.
 

„Das war aber nicht sehr nett.“

sagte L, immer noch auf Englisch, und blinzelte ihn mit seinen großen Eulenaugen an.

Und dann wechselte er, zu Mihaels Erstaunen, zu nahezu akzentfreiem Slowenisch.

„Ich habe gehört, du liest sehr viel und du lernst schnell. Ich habe auch gehört, dass du es hier hasst und dich weigerst, mit deinen Ärzten und Therapeuten zu reden.

Dass du gewalttätig bist, zu einem Grad, dass du eine Gefahr für dich selbst und für andere darstellst.

Wenn du weiterhin alles und jeden bekämpfst, wirst du hier bleiben müssen, bis du stirbst.“
 

„Ich geh wieder nach Hause! Zu meinen Eltern!“
 

L zog aus der Tasche neben sich eine dicke Akte und reichte sie ihm.

Er kramte sie ungeduldig durch.

Unzählige Zettel mit Fremdwörtern und Zahlen und Abkürzungen, aber spätestens bei den Photos war Mihael klar, was er in den Händen hielt.
 

Marko und Irena Keehl.

Papa mit einem großen, ekligen Loch im Hinterkopf.

Mama mit vertrockneter Haut und starren Augen.
 

Er ließ die Akte sinken. Die Welt flimmerte vor seinen Augen, die letzte Hoffnung, dass alles eine Lüge sein könnte, verloren.

Wie hatte er es nur vergessen können? Seine Eltern waren tot.

Er hatte selbst die Schüsse gehört, als sie seinen Papa erschossen hatten, seine Mama hatte ihm oben im Versteck im Arm gehalten und die Hand auf seinen Mund gedrückt.

Und als die Zeit verging hatte Mama sich nicht mehr gerührt und es hatte angefangen zu stinken und diese Fliegen...
 

„Dein Zuhause gibt es nicht mehr. Deine Eltern sind nicht mehr am Leben. Es gibt keinen Weg zurück, entweder, du bleibst stehen und verbringst den Rest deiner Tage hier, oder du gehst nach vorne.

Du bist stark. Und du bist klug. Du musst jetzt lernen, für dich selbst zu sorgen.

Ich kann dich hier herausholen. Aber du musst es wollen. Du musst dich entscheiden, ob du stillstehen oder vorwärts laufen willst.“
 

Mihael sah stumm auf seine geballten Fäuste auf seinen Knien.

Er wollte nicht mit diesem Mann mitgehen, auch wenn er lustig aussah und Süßigkeiten hatte und mit ihm umging, wie es sein Vater früher getan hatte, geradeheraus und nicht, als wäre er ein dummes Kind, das nichts verstehen würde.

Aber wenn er es tun würde... alles war besser, als das hier.
 

„Ich will nicht hierbleiben.“

murmelte er.
 

„Du gehörst nicht hierher. Du brauchst keine Therapeuten und Spritzen. Du brauchst eine Aufgabe.

Wir sind anders als normale Menschen. Es gibt eine Einrichtung, 'Wammys Haus'. Dort kannst du alles lernen, was man wissen muss, um in dieser Welt zu überleben.

Willst du mitkommen?“
 

Und Mihael nickte.
 

Es gab nichts, was er in Wammys Haus mitbrachte, bis auf den Rosenkranz seiner Mutter.

Nicht einmal seinen Namen.
 

„Du kannst sein, wer und was du willst.“

hatte ihm L am Eingangstor gesagt.

Er hatte es dem Detektiv nie vergessen, dass er ihm eine Chance gab, Mello zu werden.
 

L war ein Held. Was aber nicht hieß, dass er unbesiegbar war.

Was auch immer da in Japan passierte, Mello hoffte, dass L einen klaren Kopf behielt.

Und, dass nicht noch einmal jemand wie B aufgetaucht war.
 

„Mello-kun hat eine Vermutung.“

durchbrach Near seinen Gedankengang.
 

„Nich so wichtig.“
 

Matt kam wieder auf das Auto zu und hielt seine Hand hoch, an der ein kleiner Schlüssel baumelte.

„Es gibt nur Zweibettzimmer.“

verkündete er, als er einstieg.

„Aber ihr zwei kuschelt ja so gerne.“
 

Es half nichts, jetzt über L und B und diese ganze abgedrehte Scheiße nachzudenken.

Er gab Matt einen festen Schlag auf den Hinterkopf, mehr aus Gewohnheit als aus Ärger.

Mit Near in einem Bett zu schlafen hörte sich gar nicht so schlecht an.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück