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Die Chroniken der Uchiha

Der verfluchte Clan
von

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Gaku sui shippai – Aus Fehlern lernen

07.Gaku sui shippai – Aus Fehlern lernen

Es gibt Fehler, die kann man nie wieder gut machen. Missgeschicke, Unglücke, Unfähigkeit – sie alle führen zum Versagen. Für einen Ninja ist Versagen gleichbedeutend mit Tod. Wenn es sie nicht selbst umbringt, so beschert es ihnen Schande und Verachtung unter ihresgleichen.Selbst wenn du so leben könntest – würdest du es wollen?

Einige Fehler bringen dich um.

Alle anderen machen dich stärker.
 

XxX
 

Frühling 14
 

Izuna setzte ein letztes Mal den Pinsel auf und schürzte kritisch die Lippen. Er malte sein Zeichen zu Ende und fächelte Luft auf das Papier, damit die improvisierte, aus schwarzen Holunderbeeren hergestellte Tinte trocknete. Er wusste, dass seine Schrift nicht die schönste war. Konnte sie es mit der eines Daimyo aufnehmen? Nun, selbst wenn nicht; viel wichtiger war ohnehin der Ausdruck. Izuna hatte sich Mühe gegeben, möglichst schmeichlerische und hochgestochene Worte zu finden, von denen er glaubte, die Fürsten würden sie verwenden. Es hatte ganze drei Stunden gedauert, einen ordentlichen Friedensvertrag zu erstellen. Immerhin hatte er sich auch erst einen Pinsel aus seinem eigenen Haar fertigen müssen, von dem Siegel ganz zu schweigen. Seine Feinde konnten nicht wissen, was der Inhalt des echten Vertrags war. Genauso wenig wie Izuna, dessen Ehre als Ninja es natürlich verboten hatte, die Rolle zu öffnen. Wenn seine Gegner, wie er hoffte, genauso wenig Ahnung von Diplomatie hatten wie er, würde ihnen die Fälschung wenigstens nicht sofort auffallen. Das war wichtig, damit sie ihm Nori aushändigten.

Izuna packte Pinsel und Tinte wieder ein. Vorsichtig tropfte er das mit Johannisbeersaft rot angefärbte Bienenwachs auf die Rolle und drückte ein provisorisch geschnitztes Siegel darauf. Das Wappen darauf hatte er von der echten Rolle mit seinem Sharingan kopiert. Hier würde niemand einen Unterschied bemerken.

Der Ninja wartete, bis das Wachs fest war. Dann formte er ein Fingerzeichen.

„Kagebunshin no Jutsu“, murmelte er. Knall. Aus einer Rauchwolke heraus erschien ein perfektes Ebenbild seiner Selbst, dass sich kurz darauf in seinen Bruder Madara verwandelte. Fast sofort spürte Izuna, wie er schwächer wurde, als sein Chakra sich auf die Hälfte reduzierte. Es war nicht ganz ungefährlich, dieses Jutsu zu benutzen und mehr als drei Schattendoppelgänger dürfte er nicht wagen. Das würde seine Kampfkraft extrem schwächen.

Izuna reichte die Rolle seinem Madara-Doppelgänger. Beide Ninja beseitigten noch gemeinsam die Spuren des Lagers. Weder bei dieser Arbeit noch auf dem Weg zum Treffpunkt mit den Entführern wurde gesprochen. Sie waren dieselbe Person, sie kannten den Plan und auch ihre Wahrnehmung stimmte überein. Es gab keinen Grund zum Reden.

Der Himmel war wolkenverhangen und dunkel. Ein Wind, gerade stark genug, um unangenehm zu sein, zerrte an ihren Kleidern. Zum Glück war er nicht so heftig wie der Sturm gestern. Der hatte Izunas Reise verlangsamt und hätten die Entführer ihm nicht absichtlich einen Tag mehr gegeben als nötig war, um den Treffpunkt zu erreichen, hätte er es vielleicht nicht rechtzeitig geschafft.

Die Norul-Brücke war eingestürzt. Izuna bemerkte es mit gleichgültigem Ärger. In seinem Inneren war eine professionelle Kälte eingekehrt, resultierend aus der Tatsache, dass er hier ganz auf sich allein gestellt war und es nicht nur um sein Leben, sondern auch um das von Nori ging. Hier durfte er sich keine Fehler erlauben, nur weil er seine Gefühle nicht im Zaum hatte.

So wehrte er sich erfolgreich gegen die aufkommende Hoffnungslosigkeit, als er die zerrissenen Seile sah, die über der Schlucht flatterten. Der Fluss darunter war von dem Regen, den der letzte Sturm mit sich gebracht hatte, stark angeschwollen und floss mit reißenden Wassern dahin. Am anderen Ufer trafen die morschen Bretter der Hängebrücke immer wieder klappernd auf die Steinwand, an der sie senkrecht herunter hing. Warum diese Brücke einen eigenen Namen trug, war Izuna schleierhaft.

Die Uchiha setzten sich sichtbar an den Rand der Schlucht und warteten. Wahrscheinlich hatten die Entführer vorgehabt, Nori auf die Brücke zu führen und dort den Austausch vorzunehmen. Das ging jetzt natürlich nicht mehr, aber als Ninja würden sie ja wohl Ausweichmöglichkeiten finden. Er wusste, dass einer seiner Gegner Erdelement beherrschte. Er könnte einfach eine neue Brücke bauen.

Es vergingen fast zwei Stunden, bis sich endlich etwas tat. Am gegenüberliegenden Ufer wuchs mannshohes Gras, vereinzelt mit einigen Büschen. Die Ninja hörten erst das Rascheln, bevor sie etwas sahen und sprangen auf. Die Halme bogen sich auseinander und enthüllten den Jugendlichen, der sie erpresst hatte. Über seinen Schultern hatte er sich, wie einen leeren Sack, den Körper des Mädchens geworfen, wegen dem Izuna hier war.

„Nori-san!“, rief er über das Tosen des Windes hinweg. Nur mit Mühe zwang er sich, sich seine Verzweiflung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Sie sah so leblos aus...

„Er ist nicht allein“, brachte sein Doppelgänger zwischen zusammengepressten Zähnen heraus. Ja, dieser Typ hatte definitiv noch einen Partner. Nori hatte von Anfang an gewusst, dass es drei waren und einen hatten sie bereits getötet. Es war nicht verwunderlich, dass der Kerl vorgeschickt wurde, den sie schon kannten, aber es machte sie misstrauisch. Der andere musste sich als Rückversicherung irgendwo außerhalb ihrer Sichtweite verstecken.

„Ich will sehen, dass sie lebt!“, schrie Izuna gegen den Wind.

Er musste genau hinsehen und sein Sharingan bis an die Grenzen treiben, doch dann erkannte er, dass seine Kameradin ganz leicht den Arm hob. Sie war schwach – aber sie lebte.

Der Entführer blieb stehen wo er war und machte keine Anstalten, herüber zu kommen.

Im selben Moment, als Izuna eine Idee kam, nahm Madara bereits die losen Enden der zerstörten Brücke und verknüpfte sie. Er nickte seinem Original zu, bevor er das Seil über die Schlucht warf. Der Entführer fing es auf machte es am Ufer fest. Sie wiederholten die Prozedur, sodass zwei Seile nebeneinander über die Schlucht liefen. Sie waren so verbunden, dass sie einen Kreis bildeten.

Izuna zog gut sichtbar die Schriftrolle hervor und band sie an das eine Seil. Dann wartete er. Nach einigen Minuten schien ihr Erpresser zu verstehen. Er legte die reglose Nori ab und band ihr ein Geschirr um die Hüfte, mit der er sie an das andere Ende des Seils band, das sich bedenklich durchbog. Jetzt begannen die Ninja an ihrem jeweiligen Ende zu ziehen, sodass sich die Rolle zum Erpresser und Nori zu ihnen bewegte.

Die Spannung war unerträglich. Und dann – rissen die Seile.

Izuna stieß einen Schrei voller Wut und Entsetzen aus. Gerade als Vertrag und Kunoichi die Mitte passiert hatten, rissen die Seile – nein, wurden durchschnitten, erkannte Izuna, der sein Sharingan aktiviert hatte und das Aufblitzen eines metallenen Messers am Rand der Schlucht bemerkte. Das Ende mit der Rolle fiel herunter, wurde aber rechtzeitig von dem Erpresser festgehalten, sodass er es einholen konnte.

Izuna und sein Doppelgänger, die die ganze Zeit über ihr Seil festgehalten hatten, spürten sofort das neue Gewicht, aber so sehr sie auch festhielten, es war klar: Nori würde mit hoher Geschwindigkeit gegen die Felswand prallen und dies angesichts ihres Zustandes höchstwahrscheinlich nicht überleben.

Plötzlich war da ein verwischter, schwarz-blauer Farbstreifen am Rande von Izunas Sichtfeld. Bevor er begriff, was überhaupt geschah, verschwand das Gewicht an dem Seil und wegen Mangel an Gegenkraft verlor er das Gleichgewicht und fiel hintenüber zu Boden.

Im selben Moment ertönte ein lauter Knall hinter ihm. Izuna rollte sich ab und sprang auf, gerade noch rechtzeitig um einen Ninja in brauner Tarnkleidung und Schutzpanzer zu sehen, das Katana noch im Schlag gegen Izunas Doppelgänger erhoben. Madara-Izuna hatte sich vor sein Original geworfen, um den tödlichen Schlag des Komplizen abzufangen.

Der Uchiha riss für einen Moment die Augen auf, bis er klar genug denken konnte, ein Genjutsu zu aktivieren. Er schuf hundert Illusionen seiner Selbst, die den Komplizen angriffen und beobachtete befriedigt, wie sein Feind zurückstolperte.

Nori!

Abgelenkt durch den Angriff hatte er sich von der Schlucht entfernt. Jetzt aber stolperte er wieder darauf zu, sah voller Horror die Felswand herunter, fest überzeugt davon, dort einen großen roten Fleck und einen zerschlagenen Körper vorzufinden. Doch stattdessen begegnete er einer blutigen, mit schwarzen und roten Flecken übersähten Grimasse von einem Gesicht. Jemand krallte sich an den Rand der Felswand, den leblosen Körper des Mädchens mit vor Anstrengung zitternden Händen festklammernd. Einzig die roten Augen ließen Izuna erkennen, dass das sein Bruder war.

Er unterdrückte einen weiteren Schrei und half Madara hinauf.

Er sah schrecklich aus. Seine Kleidung bestand praktisch nur noch aus Lumpen, sie war überall verbrannt, verdreckt und blutverkrustet. Blut war in seinem Gesicht, in seinen Haaren, aus denen ganze Büschel ausgerissen waren, Blut war an seinen Armen und Beinen, Blut war überall. Einiges getrocknet, einiges frisch und überall sah Izuna schlimme Schnittwunden und Verbrennungen.

Nori sah nicht viel besser aus. Ihr Gesicht war brutal mit einem Messer zerschnitten worden. Eine Augenhöhle war nur noch ein klaffendes Loch. Blut aus einer Wunde am Hinterkopf verklebte ihr die Haare und ihre Kleidung war zerfetzt. Waffen besaß keiner von ihnen mehr, doch im Gegensatz zu Madara war Noris Körper hauptsächlich mit blauen Flecken und Blutergüssen übersäht.

Nori blieb zitternd am Boden liegen, doch Madara stand langsam und schwankend auf.

„Beende das Jutsu“, befahl er heiser mit einem Nicken zu dem Komplizen hin.

„Aber-“

„Beende es!“

Izuna zuckte zusammen. Sein Bruder bot einen so erschreckenden Anblick, dass er nicht wagte sich zu widersetzen.

Der Ninja hörte auf mit unsichtbaren Feinden zu kämpfen und starrte sie an.

„Dieser Kampf ist vorbei“, verkündete Madara und trat ein paar Schritte auf den Mann zu. „Ihr habt euch für den Tod eures Kameraden gerächt. Ihr seid unseren Illusionen nicht gewachsen. Wenn ihr weiter macht, geht ihr nur unnötiges Risiko ein. Seid gewiss, dass wir euch niemals vergessen werden – erst recht nicht Nori-san.“

Neben dem Mann flimmerte die Luft und in einem Wirbel von Staub erschien der zweite Ninja. Er sah ziemlich wütend aus.

„Von wegen! Dieser Vertrag ist eine Fälschung!“, keifte er.

Izuna zuckte zusammen.

„Das mag sein“, lenkte Madara ein, „aber es war doch euer Ziel, den Vertrag zu bekommen, damit sich die beiden Länder bekriegen und das Reich zwischen ihnen, für das ihr arbeitet, sich nicht zwei mächtigen verbündeten Staaten gegenüber sieht, richtig? Nun, ihr habt euer Ziel mehr als erreicht.“

Izuna blinzelte. War das...? Doch ja, er war sich sicher. Dort im Hintergrund schlich sich ein weiterer Ninja an. Izuna sah den beiden Feinden in die Augen und benutzte unauffällig Menimienai no Jutsu, um den Neuankömmling unsichtbar zu machen.

„Was soll das heißen?“, fragten die gegnerischen Ninja derweil misstrauisch.

„Ich war bei Fürst Katanashi und gab ihm die echte Rolle von Souga. Die Rolle aber enthielt in Wirklichkeit eine Reihe von Briefbomben, die hochgingen, sobald sie geöffnet wurde. Der ganze Auftrag war von Anfang an ein Attentat. Um einen möglichen Frieden braucht ihr euch wirklich nicht zu kümmern.“

Die Ninja sahen sich unschlüssig an. Genau in diesem Moment hob der neue Shinobi, in dem Izuna jetzt einen von Madaras Doppelgängern erkannte, zwei Kunai und rammte sie beiden Ninja gleichzeitig in ihre Herzen. Beide waren sofort tot und kippten nur noch um wie gefällt Bäume.

Izuna sprang sofort nach vorn und fing Madara auf, als sein Bruder vor Erschöpfung zusammenbrach. Es war ihm ein Rätsel, wie er mit diesen Verletzungen noch einen Schattendoppelgänger hatte erschaffen können, auch wenn er nicht lange hielt, wie ihm der sanfte Knall hinter ihm verriet.

„Nii-san! Nii-san!“, rief Izuna und schüttelte seinen Bruder leicht. Doch dieser rührte sich nicht.

Jetzt ergriff ihn Panik. Warum antwortete er nicht?

Hastig legte er das Ohr an die Brust seines Bruders. Sein Herz schlug noch, wenn auch schwach. Izuna wusste nicht, wer in schlechterem Zustand war, Nori oder Madara. Nori! Die hatte er fast vergessen. Aber er konnte sich jetzt nicht um sie kümmern, er musste Madara versorgen...

In diesem Moment ertönte ein leises Rascheln in den Büschen. Izuna fuhr herum, eine Handvoll Shuriken bereit – und ließ sie einen Augenblick später langsam wieder sinken. Es war nur eine Katze. Eine Wildkatze, wenn auch ziemlich klein, die ihn neugierig aus gelben Augen ansah.

„Ist er tot?“, fragte die Katze und Izuna machte einen Satz in die Luft.

„Was?“, fragte er verdattert.

„Ob er tot ist?“

Es brauchte ein paar Sekunden, bis Izuna sich erinnerte, dass die Katzen gute Freunde von Madara waren.

„N-nein“, brachte er hervor, „aber es geht ihm sehr schlecht.“

Die Katze setzte sich. Sie strich ein paar Mal mit ihrer Pfote über ihr Ohr, scheinbar vollkommen unberührt von der ganzen Situation.

„Er kann nicht sterben“, sagte sie schließlich. „Er muss sein Versprechen noch einlösen.“

„Versprechen?“ Izuna drohte die Stimme zu versagen. Was tat er hier überhaupt? Sein Bruder lag im Sterben und er redete mit einer Katze!

„Er hat mir und meiner Frau eine Woche lang frische Milch versprochen, wenn wir ihn hier her bringen und fünf große Thunfische, wenn wir ihn und euch beide zu eurem Lager bringen. Glaubst du, dort kann ihm jemand helfen, sodass er nicht sterben muss?“

„Ja, ja, natürlich.“ Izuna war verwirrt, wagte sich gar nicht diesen Hoffnungsschimmer zu erlauben. Sollten die Katzen ihm wirklich helfen können?

„Du musst ihn aber aufwecken dafür.“

Der junge Uchiha zögerte. Er wusste nur zu gut, dass man Schwerverletzte nicht mehr bewegen sollte als nötig. Trotzdem ging er zu seinem Bruder hinüber, schüttelte ihn leicht und flüsterte beruhigende, aber eindringliche Worte. Endlich, nach über fünf Minuten, schlug er die Augen auf.

„Gib mir... deine Hand... und nimm... Noris...“, flüsterte Madara heiser.

Izuna tat wie geheißen, erleichtert dass sein Bruder noch lebte. Er nahm kaum den leisen Knall wahr, als die Wildkatze verschwand.

Kaum hatte er Noris leblosen Körper zu Madara hinüber geschoben, fühlte er sich an der Hand, die die seines Bruders hielt, vorwärts gerissen. Izuna war, als würde er kopfüber in die Schlucht hinunter fallen, nur dass die Kraft, die ihn zog, viel stärker war als die der Erdanziehung. Der Wind rauschte ihm in den Ohren und alle Farben verschwammen vor seinen Augen, so schnell bewegt er sich.

Dann urplötzlich kam er auf dem Boden auf, doch nicht, wie er panisch erwartet hatte, schmerzhaft und aus großer Höhe. Vielmehr war es, als liefe er mit geschlossenen Augen eine Treppe hinunter, die eine Stufe weniger hatte als erwartet.

Er hörte ein leises Fauchen, seltsame Zischlaute und dann ging das Ganze von vorne los. Er hatte nicht einmal die Zeit, einen richtigen Blick auf seine Umgebung zu werfen, bevor sie erneut verschwand. Noch ehe er vollständig realisiert hatte, dass er Opfer eines Transportjutsus gewesen sein musste, wenn auch einem, von dem er noch nie zuvor gehört hatte, fand er sich auch schon in der Mitte eines leer gefegten Platzes wieder. Der Boden bestand aus festgestampfter Erde, der Himmel war klar ohne die Wolken, die ihn eben noch dominiert hatten. Um ihn herum waren mehr als zwanzig Zelte aufgebaut, die das bekannte Wappen der Uchiha trugen.

So überraschend seine Ankunft hier sowohl für Izuna als auch für seine Familie war, die Ninja erholten sich schnell davon und die Kinder sahen sich dem falschen Ende von einem Dutzend Schwertern gegenüber.

„Mein Name ist Uchiha Izuna, Sohn von Noriko-sama und Seiko-sama, dem Kamikaze no Senshi“, sagte Izuna müde. Die Erwähnung seines Vaters war gleich einem Code. Wenige wussten von seinem Opfer und somit war es der Beweis, dass er wirklich ein Uchiha und kein Spion war.

„Bitte, mein Bruder Madara-san und Nori-san brauchen medizinische Hilfe!“

Das schien seine Familie aufzuwecken. Befehle wurden gerufen, Leute liefen umher und die Schwerter wurden gesenkt.

„Danke“, flüsterte Izuna der Katze zu, die neben Madara hockte.

„Kein Problem“, erwiderte diese, „solange er sein Versprechen hält.“
 

*
 

Eine Woche war vergangen, seit Madara und sein Team so unerwartet im Lager der Uchiha aufgetaucht waren. Die Hälfte der Zeit waren sowohl Madara als auch Nori bewusstlos gewesen und Izuna war nicht von der Seite seines Bruders gewichen. Noriko und Shinoi waren beide auf Mission, sodass die Brüder allein im Zelt waren, während das Mädchen von ihrer Familie versorgt wurde. Sie konnte schon bald wieder laufen und nahm sogar ihr Training wieder auf, wenn auch recht lustlos. Die ganze Zeit über sprach sie kein Wort und antwortete auch nicht auf Izunas Fragen, was ihr in den Händen der Entführer passiert war. Izuna hatte ihren Heiler befragt, nun, belauscht sollte er sagen und war entsetzt gewesen zu erfahren, dass sie physisch, psychisch und sexuell missbraucht worden war. Von einigen ihrer Verletzungen, wie dem verlorenen Auge, würde sie sich nie wieder holen und auch die seelischen Wunden saßen tief.

Madara wachte am dritten Tag wieder auf – er war fast sofort wieder bewusstlos geworden, als sie im Lager angekommen waren – fühlte sich jedoch zu schwach zum Reden. Heute aber würde er dazu gezwungen sein, denn der Rat wollte Antworten und als Teamleiter musste Madara sie ihnen geben.

Als Madara in das Zelt des Rates trat, wusste er sofort, dass seine Strafe keine leichte sein würde. An den Blicken der Ninja konnte er ablesen, dass sie seine Bestrafung längst beschlossen hatten.

Für einen Moment herrschte drückendes Schweigen.

„Setz dich doch, Madara-san“, sagte seine Großmutter Hisa mit einem traurigen Lächeln.

Langsam, fast mochte man sagen wachsam ließ Madara sich auf den Kissen nieder.

Schließlich begann Nakayama, der Ratsvorsitzene, zu sprechen.

„Madara, wir wollen nicht verhehlen, dass wir sehr enttäuscht von dir sind.“

Madara zuckte zusammen. Enttäuscht. Das war schlimmer als nur wütend. Und vermutlich hätte er sich jetzt geschämt, aber die Art wie Nakayama das sagte... Wie er ihn nicht einmal Madara-san, sondern nur beim Vornamen nannte, das zeigte nicht nur Enttäuschung, sondern gar Verachtung. Und das machte ihn wütend.

„Du hattest die Verantwortung für die Mission und für deine Kameraden. Du hast sie beide verfehlt.“

„Nakayama-sama, ich-“

„Du hast weder die Mission erfüllt, noch konntest du deine Gefährten beschützen.“

Madara ballte die Hände zu Fäusten. Das war nicht fair! Es war nicht fair, dass so über ihn geurteilt wurde. Hatte er Nori nicht gerettet? Er hatte das beste aus der Situation gemacht!

„Aus diesem Grund haben wir beschlossen-“

„Mit Verlaub, aber wollt Ihr mich nicht einmal anhören?!“, platze es zornig aus Madara heraus.

Die Ältesten starrten ihn an.

„Anhören?“, fragte Hanata dann höhnisch. „Wir haben eine traumatisierte, kampfunfähige Kunoichi und kein Geld in der Kasse. Was sollen wir uns da noch anhören?“

„Fürst Souga war derjenige, der unverantwortlich gehandelt hat, nicht ich!“, rechtfertigte sich Madara. „Sein angeblicher Friedensvertrag war in Wirklichkeit eine Bombe, die Katanashi umbringen sollte. Hätte er uns diese Informationen nicht vorenthalten, wäre das alles nicht passiert!“

„Hätte und wäre“, sagte Yuu müde. „Aber das ändert nichts am Resultat. Wenn Souga dich geschickt hat, um Katanashi umzubringen, warum ist er dann nicht tot?“

Madara starrte ihn ungläubig an. „Die Bombe hat nur den Doppelgänger getötet, den Katanashi an seiner statt seine Geschäfte verrichten ließ. Als ich bemerkte, was vor sich ging, bin ich so schnell wie möglich zurück um Nori-san zu helfen.“ Was ihm auch nur mithilfe der Ninneko gelungen war.

„Du hättest ihn töten sollen. Katanashi, meine ich“, erklärte Nakayama.

„Aber Souga hat uns betrogen! Er hat uns benutzt und die Leben meiner Kameraden aufs Spiel gesetzt! Für so jemanden mache ich keine Drecksarbeit!“ Madara schrie jetzt schon fast.

„Dann bist du kein echter Ninja!“, donnerte Nakayama, sodass der junge Shinobi zusammenzuckte.

Schweigen.

Einige Sekunden lang starrte Madara den Ältesten wütend an. Nur mühsam senkte er schließlich seinen Blick in den Schoß. „Es tut mir Leid, Nakayama-dono. Ich sprach ungebührlich.“

„In der Tat“, sagte der schwarzhaarige Ninja hart. „Du hast einwandfrei bewiesen, dass du nicht dafür geeignet bist, ein Team anzuführen. Deine Unfähigkeit, Befehle zu folgen, zwingt uns allerdings zu härteren Maßnahmen als üblich.“ Nakayama sah sich um. Die anderen Ältesten, mit Ausnahme von Hisa, nickten ihm zu.

„Hiermit wirst du, Uchiha Madara, auf unbestimmte Zeit vom Dienst suspendiert. Es wird keine weiteren Missionen für dich geben.“

Selten hatte sich Madara so gehen lassen wie in diesem Moment, als er den Anführer der Uchiha mit offenem Mund anstarrte. Sie strichen ihm die Missionen !? Das konnten sie nicht machen! Er hatte erwartet, dass er zur Strafe ein paar lästige, langweilige oder körperlich anstrengende Aufträge bekommen würde. Sogar der Befehl, erneut auf Reisen zu gehen, hätte ihn nicht überrascht. Aber das!?

Doch einem Befehl des Rates widersprach man nicht, selbst wenn man ihn nicht guthieß. Für den Moment konnte Madara nichts anderes tun, als die Zähne zusammen zu beißen und seine Strafe entgegen zu nehmen. Aber irgendwann... Irgendwann, schwor er sich, würde er es ihnen allen zeigen! Er würde ihnen allein zeigen, was für ein Anführer wirklich in ihm steckte.
 

*
 

Sommer 14
 

Madara verschwendete keine Zeit damit, auf der faulen Haut zu liegen. Bald schon hatte er sich von seinen Verletzungen vollkommen erholt. Doch die Zeit, die er im Bett hatte verbringen müssen, hatte seine Spuren an ihm hinterlassen. Er war erfüllt von einer grimmigen Entschlossenheit, die ihn zu einer überaus unangenehmen Gesellschaft werden ließ. Selbst Izuna, der sich bis dahin immer um ihn gekümmert hatte, verscheuchte er schon bald. Stattdessen verbrachte der jüngere Bruder immer mehr Zeit mit Nori, die sich nicht dagegen wehrte, sich von ihm wieder aufpäppeln zu lassen.

Dann wurde es Sommer. Ein außergewöhnlich heißer Sommer zudem. In dieser Zeit hatten die meisten Länder viel zu viel damit zu tun, ihre Felder vor dem Vertrocknen zu retten. Das brachte eine temporäre Flaute in die Kriegswirtschaft und ungewöhnlich viel Leben in das Lager der Uchiha. Dies gedachte Madara zu nutzen.

Als erstes berief er eine Versammlung ein. Was praktisch gesehen bedeutete, dass er Izuna ausschickte, sämtliche Trainingsplätze aufzusuchen und die anderen Kinder zusammen zu trommeln. Innerhalb von einer Stunde hatten sich zehn junge Ninja auf Baumstümpfen und Felsen sitzend, einige auch auf den Ästen der Bäume hockend rund um die Lichtung versammelt, die Madara für seine Ansprache ausgewählt hatte.

Analysierend ließ er seinen Blick über die Menge schweifen. Izuna saß in der ersten Reihe und sah erwartungsvoll zu ihm auf. Nori saß neben ihm, schweigsam wie immer mit einer schwarzen Augenklappe, die die Wunde auf ihrer linken Gesichtshälfte verbarg. Da waren außerdem die Geschwister Rika und Ryuji, zwölf und vierzehn Jahre alt. Rei, ein sechzehnjähriger Ninja der einige wirklich gute Jutsus drauf hatte, saß etwas abseits von den anderen. Die Brüder Hikaku und Yato waren zusammen mit Shinoi auf Mission. Aber Shouta und Kenzo, beide fünfzehn, waren gekommen. Kenzo war zusammen mit Seiichi einer der beiden 'Talentlosen' ohne Sharingan. Aber Seiichi war mit seiner Zwillingsschwester Natsuko auf Mission. Da sie beide ja auch schon 18 waren, war sich Madara aber ohnehin nicht sicher, ob er sie für seine Sache hätte gewinnen können. Im Gegensatz dazu stand der mit acht Jahren jüngste Uchiha heute anwesend, Kagami, Madaras Cousin auf Seiten seiner Tante Ayaka. Aber auch Midori war mit elf und Setsuna mit zehn Jahren noch recht jung.

Alles in Allem war es eine Mischung vieler Altersgruppen, von voll ausgebildeten Ninjas bis zu blutigen Anfängern. Das waren die Ninja, an deren Seite Madara eines Tages kämpfen würde. Das waren die Ninja, die er anzuführen gedachte.

„Ihr fragt euch mit Sicherheit, aus welchem Grund ich euch heute hier habe versammeln lassen“, begann Madara seine Ansprache und schritt dabei vor der Gruppe auf und ab. „Einige von euch mögen gehört haben, dass ich vom Dienst suspendiert wurde.“ Es hatte keinen Sinn, das zu leugnen. Es gab auch so schon genug Getuschel. „Der Grund dafür ist eine Mission, die mir meine Schwächen aufgezeigt hat. Man sagt, ein Uchiha kann nur von einem Uchiha besiegt werden. Aber das gilt nur für die voll ausgebildeten Ninja unseres Clans, jene, die das Sharingan perfekt beherrschen und eine große Bandbreite an Jutsus dazu. Ausgebildet wiederum werden wir von unseren Eltern. Aber viele von uns sind zumindest Halbwaisen und die Älteren sind immer auf Missionen – besonders im Sommer, da es so wenige gibt, dass für uns keine bleiben. Wir sitzen also hier und tun nichts – wo wir doch besser trainieren sollten, um stärker zu werden! Ich schlage vor, dass wir unsere eigene Ausbildungstruppe bilden. Die Erfahreneren sollen die Jüngeren unterrichten und ihre eigenen Fähigkeiten verbessern, während ihre Schüler ihre Aufgaben erledigen. Wir müssen unser Teamwork stärken und einander besser kennenlernen. Auf zukünftigen Missionen können wir uns nur aufeinander verlassen. Den Feind zu kennen ist wichtig, um eine Mission erfolgreich abzuschließen. Den Freund zu kennen jedoch ist überlebenswichtig!“

Madara erntete zögerndes, aber zustimmendes Gemurmel.

„Eine Gruppe braucht einen Anführer“, warf Rei ein. „Wer soll das deiner Meinung nach sein?“

„Oh, ich bin sicher als der Älteste in der Gruppe würdest du diese Aufgabe mit Freuden übernehmen“, erwiderte Madara nur eine Spur sarkastisch. „Und ich würde dir sogar den Vortritt lassen... wenn du mich in einem Kampf schlagen kannst.“ Madara wandte sich wieder an die ganze Gruppe. „In diesem Training geht es nicht allein um Stärke, um Erfahrung, Ausdauer oder Strategie. Es geht um all diese Dinge zusammen genommen und noch einiges mehr. Ein Zweikampf ist eine gute, aber nicht die beste Möglichkeit, den geeignetsten Anführer zu ermitteln.“

„Willst du dich etwa davor drücken?“, höhnte Rei.

„Im Gegenteil. Alle, die glauben das Zeug zum Anführer zu haben, sollten in Dreiergruppen aufgeteilt werden. Jede dieser Gruppen soll gegeneinander kämpfen. Die Ninja kämpfen so gegen zwei Gegner, was ein sehr viel höheres Level an Konzentration und Strategie erfordert.“

„Gut, von mir aus!“, sagte Rei und sprang auf. „Ich nehme es auch mit zwei Ninja gleichzeitig auf. Wer macht mit?“

Ryuji und Shouta meldeten sich sofort. „Hey, das wird ein Spaß! Und ein gutes Training ist es auch noch gleichzeitig.“

„Dann brauchen wir mindestens noch zwei Freiwillige“, überlegte Madara laut.

„Ich mach mit“, meldete ich Izuna überraschend. „Und Kenzo bestimmt auch, er ist doch auch einer der Älteren.“

Der Fünfzehnjährige rutschte unruhig auf seinem Sitz herum. „Ich weiß nicht... Ich habe doch immer noch nicht... Ihr wisst schon.“

„Ich habe doch eben gesagt, dass die Uchiha-Regel nur für vollausgebildete Ninja gilt“, ermunterte ihn Madara. „Was auf keinen von uns zutrifft. Wenn du hart an deinen Jutsus gearbeitet hast, gibt es keinen Grund warum du uns nicht alle besiegen solltest.“

Rei schnaubte ungläubig. Kenzo sah Madara mit großen Augen an. Schließlich erhob er sich zögernd. „Also gut. Ich werde es versuchen.“

Madara nickte erleichtert. Je mehr Personen um den Titel des Anführers kämpften, desto gefestigter würde seine Position sein, wenn er sie schließlich alle besiegte.

„Also gut, teilen wir die Teams auf...“

„Ich nehme Izuna“, sagte Rei und griff sich Madaras Bruder, bevor dieser etwas erwidern konnte. „Du willst beweisen, dass Erfahrung nicht alles ist, stimmts? Dann sollten wir die Teams möglichst gemischt halten.“

Madara war überhaupt nicht begeistert bei der Vorstellung, sein kleiner Bruder würde gegen den vier Jahre älteren Shinobi antreten. Doch Izuna nickte ihm ernst zu (der Effekt war nur etwas für die Katz mit seiner stolz geschwellten Brust).

„Gut, dann habt ihr auch Ryuji im Team. Kenzo und Shouta kämpfen mit mir. Die jeweiligen Gewinner werden in einem Zweikampf gegeneinander antreten. Irgendwelche Einwände?“

Die Kinder schüttelten die Köpfe.

„Gut. Wir nehmen Trainingsgebiet fünf, ihr könnt das dritte nehmen. Beide sind frei und groß genug. Ich will mindestens zwei Zuschauer in jedem Gebiet. Wenn die Kämpfe etwa gleichzeitig enden, wird keiner der Sieger großartig Gelegenheit zum erholen haben.“

Gesagt getan teilte sich die Gruppe unter viel aufgeregtem Getuschel und Geplapper auf. Wetten wurden abgeschlossen und Freunde wünschten sich gegenseitig Glück. Madara war zufrieden mit der Aufteilung. Jedes Team hatte eine Person darin, die nicht wirklich Anführer werden wollte (Izuna und Kenzo) und einen wahrscheinlichen Kandidaten. Diese Show würde auch die Jüngeren voll überzeugen.
 

*
 

Spätsommer 14
 

„Nii-san... was machst du da?“

Madara antwortete nicht. Er fuhr fort mit dem Schleifstein über die lange, breite Klinge zu fahren.

„Nii-san, du machst mir Angst.“

Hierbei hob Madara den Kopf. Seine Augen leuchteten rot mit je drei kommaförmigen schwarzen Flecken darin. Seit fünf Wochen war er nun schon Anführer der kleinen Trainingsgruppe. Sein Sharingan war nun voll entwickelt und seine Kräfte auf dem Weg zu ihrem Höhepunkt. Noch immer verweigerten ihm die Ältesten die Missionen, aber alle Erwachsenen schielten unauffällig zu der Arbeit ihrer Kinder hinüber. Sie beobachteten ihn und sie sahen sein Talent.

Nicht das Madara auch nur eine Sekunde lang daran gezweifelt hätte, dieses Turnier zu gewinnen und Anführer zu werden. Aber es war erstaunlich knapp gewesen. Kenzo - ausgerechnet dieser Möchtegern-Uchiha ohne Sharingan – hatte eine unerwartete Technik drauf, die die erste Runde sogar noch schwieriger gemacht hatte als das Duell mit Rei hinterher. Auf die Männer ohne Sharingan wurde in diesem Clan herab gesehen. Kenzo musste nicht selten schnell verschwinden, wenn wieder jemand auf ihm herum hacken wollte. Also hatte er das Schattendoppelgänger-Jutsu bis zur Erschöpfung immer wieder trainiert. Weil sie kein simples Genjutsu waren, das jedes Sharingan sofort durchschauen konnte, sondern echte Substanz hatten, konnte man sie selbst mit Sharingan nicht vom Original unterscheiden.

In dem Turnier war Kenzo über sich selbst herausgewachsen. Er hatte ein gutes Dutzend Schattendoppelgänger erschaffen. Sie alle besaßen lächerlich wenig Chakra und auch Kenzo war danach vollkommen fertig gewesen. Aber dennoch; Madara hatte gegen so viele Gegner gleichzeitig kämpfen müssen. Normalerweise benutzten Ninja immer nur einen, um einen Hinterhalt zu legen! Nicht zu erwähnen, dass es Shouta einen großen Vorteil gegeben hatte, der einfach Henge benutzt hatte um sich unter die Doppelgänger zu mischen.

Wie gesagt, es war knapp gewesen. Aber Madara war kein schlechter Verlierer, jedenfalls nicht, wenn es um seinen Clan ging. Er hatte Kenzo für seine harte Arbeit gelobt und nun, da er die anderen unterrichtete, ihn ermuntert, weiter an dem Jutsu zu arbeiten. Er konnte sich nicht helfen, der ältere Junge erinnerte ihn ständig an das Los seines Vaters.

Aber mittlerweile war er die Doppelgänger leid. Kenzo benutzte sie in fast jedem Kampf und Madara hatte es schwer gegen ihn. Damit war es jetzt aber vorbei.

Madara konnte sich vorstellen, dass er ein recht gruseliges Bild abgab. Die gut zwei Meter lange Klinge, die er in Hayaos Schmiede hergestellt hatte, sah, gelinde gesagt, beängstigend aus. Nun saß er hier auf einem Baumstumpf, die lange Sense auf dem Schoß und schliff die Klinge zu tödlicher Schärfe, während Hass in seinen roten Augen loderte.

Plötzlich grinste Izuna ihn an.

„War nur ein Scherz! Du machst mir keine Angst, selbst wenn du da sitzt mit einer Monstersense, als wärst du der Todesgott persönlich!“

Madara lächelte grimmig. Die Sense wog erstaunlich wenig, hatte er doch den leichtesten Stahl verwendet, den sein Onkel ihm hatte beschaffen können. Was natürlich nicht bedeutete, dass ein Zivilist auch nur die geringste Chance hätte, sie auch nur anzuheben, geschweige denn zu benutzen.

„Die Trainingsstunde fängt gleich an. Alle warten schon auf dich, Nii-san.“

Madara nickte und erhob sich. Mit dieser neuen Waffe sollte es eine Kleinigkeit sein, die verfluchten Doppelgänger reihenweise nieder zu fegen. Für das Training würde er auf die Beine zielen – ein leichter Stoß reichte oftmals aus, die Doppelgänger zu zerstören – aber ihm war nur zu klar, welchen Schaden die Sense in einer echten Schlacht anrichten würde. Denn dort würde er auf die Hälse zielen.
 

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November 14
 

Es war bereits später Herbst, als Madara endlich wieder auf Missionen gehen durfte. Die Aufträge wurden immer zahlreicher und die Uchiha waren erpicht darauf zu testen, was die Trainingsgruppe alles gelernt hatte. Madara war in einem Team mit Kenzo und Shouta aufgebrochen, um einen gesetzlosen Ninja mit einer Spezialisierung für Kuchiyose aufzuspüren. Offiziell war Shouta der Teamleiter, aber während die Ninja gegen die Vielzahl an beschworenen haushohen Ratten (warum mussten es ausgerechnet Ratten sein? Madara hasste Ratten!) kämpften, übernahm Madara mehr und mehr die Kontrolle, bis Shouta und Kenzo seine Befehle ganz selbstverständlich hinnahmen.

„Es sind zu viele!“, rief einer von fünf Kenzos, der gerade mit einem Nagetier von der Größe eines Kalbes rang. „Wir müssen das Ziel erledigen!“

„Dieser Typ ist schon vor fünf Minuten abgehauen“, erwiderte Shouta. Konzentriert stand er in der Mitte des Schlachfeldes und kämpfte eine mentale Schlacht mit einem halben Dutzend Ungeheuer. Madara hielt ihm den Rücken frei und pflügte mit seiner Sense durch die Horde. Der Boden auf dem sie standen war bereits glitschig von Blut.

„Wenn wir ihn einholen wollen, müssen wir die Ratten ablenken.“ Madara drückte dem verdutzten Shouta seine Sense in die Hand. „Hier, übernimm das mal. Ich habe eine Idee.“

Geschützt von seinen Kameraden fuhr Madara mit dem Daumen über eine mäßige Bisswunde über seinem Knie. Unter gemurmelten Worten presste er seine Hand auf den Boden und betete zu allen ihm bekannten Göttern, dass es funktionieren würde.

Eine gewaltige Rauchwolke flutete über die Einöde. Madara wurde von einer enormen Druckwelle beiseite gefegt. Ein ohrenbetäubendes Fauchen ließ alle Ratten (den zwölf Meter hohen Anführer eingeschlossen) inne halten und voller Horror auf das Geschöpf blicken, das Madara beschworen hatte.

Der Uchiha selbst lag auf dem Rücken (da waren mindestens drei gebrochene Rippen) und starrte mit vergleichbar großem Schock auf die gigantische Katze.

Madara erinnerte sich noch zu gut an seinen Pakt mit den Ninneko. Je nachdem wie viel Chakra man für die Kuchiyose benutzt, konnte man verschieden starke Katzenkrieger beschwören. Madara hatte immer angenommen, dass, wenn er all seine Kraft in das Jutsu legen würde, er die große Weiße beschwören könnte, die alte, aber geradezu gigantische Anführerkatze.

Anscheinend hatte er da falsch gelegen.

Die Katze, die vor ihm erschienen war, war ein wahres Monster. Sie hätte das komplette Lager der Uchiha vernichten können, wenn sie nur einen ihrer beiden riesigen Schwänze herum geschwungen hätte, so groß war sie. Madara war sich nicht sicher, ob sie überhaupt ein richtiges Tier war, denn ihr Körper schien aus nichts als Chakra zu bestehen. Unnatürlich grell leuchtendes, blaues Chakra mit tintenschwarzen Wirbeln darin. Jeder ihrer Fänge war so groß wie Madaras Arm lang war und die dämonischen Augen leuchten in grell gelben Schlitzen.

Die riesige, zweischwänzige Katze fuhr wütend herum und hieb mit ihren Pranken durch die Rattenschaar. Die Nager stoben voller Panik auseinander und selbst die Exemplare, die es an Größe mit ihr aufnehmen konnten, kauerten sich flach auf den Boden.

„Wer hat es gewagt mich zu rufen?!“, donnerte die Stimme der Katze furios.

Shouta und Kenzo starrten Madara entsetzt an. Damit fiel die Möglichkeit 'verstecken und das Beste hoffen' schon einmal weg.

Mutig aber mit leicht zitternden Händen stand Madara auf und trat unter die Augen der riesigen Katze.

„Ich war es, der dich gerufen hat“, sagte Madara fest. Wenn er schon sterben würde, dann wenigstens erhobenen Hauptes, beschloss er, und sah der Katze fest in die Augen.

Da geschah etwas Merkwürdiges. Die Ninneko fuhr herum und als ihre Blicke sich trafen, erstarrte sie mitten in der Bewegung. Ihre Augen weiteten sich beim Anblick seiner roten Pupillen.

„Du!?“, knirschte sie schließlich nach einer scheinbar endlosen Minute der Stille.

„Ja, ich“, erwiderte Madara und holte tief Luft. „Ich habe dich gerufen und mache dir all diese köstlichen Fleischhappen zum Geschenk.“ Er deutete auf die Ratten, die ihn entsetzt anstarrten. „Lass es dir gut schmecken.“

Die Katze starrte ihn an. „Ich... darf sie alle töten?“, vergewisserte sie sich. „Und ihren Bau zerstören?“

„Nur zu, bedien dich“, ermunterte er sie.

Etwas von der Wut schwand aus den Augen der Katze. „Oh. Okay. Ich mag dich, Kleiner. Die meisten wollen immer, dass ich jemanden am Leben lasse oder so wenig kaputt mache wie möglich.“

„Heute brauchst du dich nicht zurück halten“, versicherte Madara ihr. Der Nuke-nin war in ein beinahe verlassenes Gebiet geflüchtet. Die Monsterkatze konnte hier kaum Schaden anrichten.

„Großartig. Dafür könnte ich dich sogar verschonen“, verkündete die Katze glücklich und richtete ihren Blick auf die größte der Kuchiyose-Ratten. „Das wird ein Spaß...!“ Und schon riss sie das Maul auf und spie eine gewaltige Flammenwolke auf die Horede der Nagetiere.

Madara machte einen Satz zurück zu seinen beiden Kameraden, die dem Schlachtfeld bereits in weiser Voraussicht entkommen waren.

„Machen wir, das wir verschwinden“, flüsterte er ihnen zu.

Kenzo und Shouta nickten und zusammen machten sie, das sie davon kamen.

Ab diesem Tag jedoch betrachteten ihn die jüngeren Ninja mit andere Augen. Man sagte, die Stärke der Kuchiyose sei ein Maß für die Stärke eines Ninjas. Madara war vielleicht nicht in der Lage gewesen, die gigantische, feuerspeiende Katze zu bändigen. Aber allein dass er sie hatte beschwören können zeigte, wie viel Talent wirklich in ihm steckte. Natürlich sprach sich so etwas herum. Noch war es ihnen nicht vollkommen bewusst, aber tief in ihrem inneren ahnten die jungen Ninja, dass es Madara sein würde, der sie eines Tages alle anführen würde.



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