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The lonely detective Manao 2.1

Wiedersehen mit dem Zoo
von

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Wiedersehen mit dem Zoo

"Dring! Dring!"

Manao begann sich in seinem Bett langsam zu regen und sprang schließlich auf die Beine. Er wollte seine Nachttischlampe einschalten, stellte aber fest, dass die Glühbirne durchgebrannt war. Na super! In der Dunkelheit tastete er nach seinem Handy und meldete sich verschlafen als er es gefunden hat. Er fragte sich, wer ihn wohl nachts anrief.

"Hallo, hier Kommissar Pfeiffer."

"Der Kommissar?", fragte sich Manao. Was wollte der um diese Zeit von ihm?

Er hatte Michael Pfeiffer bei einem seiner Fälle kennengelernt. Zuerst war der Polizist nicht sehr davon angetan, dass Manao sich einmischte, aber jetzt vetraute er den Fähigkeiten des Detektivs voll und ganz.

"Wir haben hier einen neuen Fall und brauchen Ihre Hilfe, Herr Tajima."

"Worum geht's?"

"Auf einem abgelegenen Weg im Zoo wurde eine Leiche gefunden. Sieht so aus, als ob sie erdrosselt wurde."

"Gut, in etwa einer halben Stunde bin ich da."

Sie verabschiedeten sich und Manao legte auf. Er schaute auf das Display. Drei Uhr nachts. Er seufzte.

Schlaftrunken machte er sich daran, sich anzuziehen. Dann schrieb er eine kurze Notiz für seinen Vater, schnappte sich sein Fahrrad und fuhr davon.

Erst als er durch die von Laternen schwach erleuchteten Straßen radelte, wurde ihm bewusst wohin er eigentlich fuhr.

In den Zoo! Er schluckte. Dort war er schon seit Jahren nicht mehr. Er erinnerte sich: vor sieben Jahren hatte er dort bei seinem zweiten Fall .... Tetsu kennengelernt. Er seufzte. Tetsus Tod war schon sechs Jahre her und er vermisste ihn noch so, als ob es erst letzte Woche passiert wäre. Seit dieser Zeit hatte er keinen Fuß in den Zoo gesetzt. Zu viele Erinnerungen.

Er spürte sein Herz schmerzhaft in der Brust schlagen und überlegte, ob es nicht besser wäre umzukehren. Aber nein! Es gab kein Zurück mehr. Er hatte einen Fall!

Vor dem Zooeingang stellte er sein Gefährt ab und wurde sogleich von einem Polizisten empfangen, der auf ihn gewartet hat.

"Hallo, Herr Tajima", begrüßte er ihn.

"Hallo." Manao lächelte. Früher war er immer Manao, jetzt für alle außer seinem Vater Herr Tajima. Ein komisches Gefühl.

Der Polizist holte ein Handy heraus und benachrichtigte Pfeiffer kurz, dass der Detektiv gekommen ist. Dieser erschien höchstpersönlich um ihn zum Tatort zu führen.

"Tut mir Leid, Sie geweckt zu haben", entschuldigte er sich. "Aber wir brauchen Sie hier."

"Ach was, kein Problem! Wer hat die Leiche eigentlich entdeckt?"

"Ein Tierpfleger, der vor dem nach Hause gehen noch schnell nach den Tigerbabys sehen wollte. Als er sie gesehen hat, hat er sofort einen Krankenwagen gerufen. Brachte aber leider nicht viel."

Manao nickte. Gerade kamen sie an dem Wolfsgehege vorbei und er versuchte, den Atem anzuhalten und an nichts zu denken.

Dem Kommissar fiel das auf.

"Geht's Ihnen nicht gut?"

"Nein, alles in Ordnung."

Sie erreichten den Tatort. Es war ein abgelegener Weg zwischen vielen Bäumen wo garantiert nicht viele Besucher vorbeigingen. Ein guter Ort für einen Mord. Falls es ein Mord war.

"War die Tatwaffe bei der Leiche?"

"Nein."

"Also war es Mord."

"Stimmt."

Pfeiffer deutete auf die Gestalt, die auf dem Boden lag. "Das ist sie."

Manao beugte sich nach unten, um die Frau näher anzusehen. Ihr Gesicht war blau angelaufen und es fanden sich dunkle Striemen um ihren Hals. Eindeutig erdrosselt. Aber womit?

"Ich muss die Zoomitarbeiter befragen", murmelte er, mehr zu sich selbst. "Einige von denen müssen diese Frau vor ihrem Tod gesehen haben."

"Zu spät", sagte der Kommissar. "Das hab ich schon selbst gemacht."

"Was?!"

"Ist mein Job."

"Und was mach ich dann hier?"

"Mir beim Ermitteln helfen."

"Hm, na gut. Was ist bei der Befragung rausgekommen?"

Pfeiffer kramte in seinen Manteltaschen und holte einen kleinen Notizblock heraus.

"Warten Sie .. hm, wo war das noch gleich?"

Er blätterte in seinem Block herum bis er fand, was er suchte.

"Eine Frau, die an der Kasse arbeitete, sagte aus, sie habe ihr gegen 17 Uhr zwei Karten für Erwachsene verkauft."

"Wieso zwei?"

"Tja, offenbar hatte sie einen Begleiter. Einen hochgewachsenen blonden Mann im Anzug. Ziemlich auffällig."

Und wie auffällig das war! Wer besuchte einen Zoo schon im Anzug?

"Höchstwahrscheinlich ist das unser Mörder", sagte Manao nachdenklich. "Aber ist es niemandem aufgefallen, wie er ohne die Frau wieder aus dem Zoo rausgegangen ist?"

"Das ist ja der springende Punkt. Niemand hat gesehen, DASS er rausgegangen ist!"

"Was?! Das kann doch nicht sein!"

Manao dachte nach. Wie konnte dieser Mann entkommen sein? Ist er vielleicht gar nicht entkommen? Versteckt er sich noch hier irgendwo? Aber dann hätte ihn die Polizei schon längst gefunden! Er nahm an, dass sie schon alles durchsucht hat. Er fragte den Kommissar danach.

"Jeden Winkel", antwortet der. "Keine Spur von ihm."

"Was mich interessiert, ist, warum er die Tatwaffe nicht hiergelassen hat", sagte er dann leise. "Hätte er es getan, hätte es wie Selbstmord ausgesehen."

"Ganz einfach", antwortete Manao. "Er konnte es nicht."

"Inwiefern?"

"Um Fingerabdrücke auf der Tatwaffe zu verhindern, benutzen Täter Handschuhe. Aber die Frau hätte es bestimmt mitgekriegt und wäre misstrauisch geworden, hätte ihr Begleiter plötzlich Handschuhe angezogen. Also hat er Fingerabdrücke auf der Tatwaffe hinterlassen. Und damit sie die Polizei nicht in die Finger bekommt, hat er die Waffe mitgenommen und wahrscheinlich irgendwo weggeschmissen."

"Klingt plausibel."

"Haben Sie schon die Mülleimer und Toiletten durchsucht?"

"Nein, noch nicht."

"Dann mach ich das jetzt..."

"Was? Nein, warten Sie!"

Aber Manao war schon auf und davon. Sollte er etwa weiter tatenlos rumstehen und Däumchen drehen? Nein!

Auch wenn er schon sieben Jahre nicht mehr hier war, erinnerte er sich mühelos an den Standort der Toiletten. Schnurstracks machte er sich auf den Weg dorthin und durchsuchte dabei jede Mülltonne, die ihm in die Quere kam. Aber er fand nur Müll, Müll, Müll...

Die Frauentoilette ließ er gleich links liegen und betrat die Männertoilette. Er untersuchte die Kabinen. Bei den ersten drei fand er nichts. An der Tür der vierten stand "außer Betrieb". Manao rüttelte daran. Verschlossen von innen. Er sah sich kurz nach allen Seiten um. Als er sicher war, dass ihn keiner beobachtete, kletterte er an der Tür nach oben und sprang leichfüßig auf die andere Seite in die angeblich beschädigte Kabine. Hinter der Toilette fand er ein zusammengeschnürtes Päckchen. Es war ein Anzug! Jetzt wurde ihm almähnlich klar, wie der Kerl entkommen konnte: er hatte im Vorfeld, höchstwahrscheinlich noch am selben Tag, in dieser Kabine Klamotten versteckt und sie von innen verschlossen, so dass man dachte, sie wäre besetzt. Dann gelangte er so wie er vorhin heraus. Nach der Tat ist er hier zurückgekommen, hat sich umgezogen und ist abgehauen. Deshalb hat ihn niemand beim Rausgehen bemerkt! Er sah sich den Anzug an. Etwas kam ihm komisch vor, aber er wusste nicht, was.

"Egal!", dachte er. "Darüber kann ich später nachdenken! Jetzt muss ich erstmal den Kommissar informieren!"

Er wollte gerade sein Handy hervorholen, als ihm einfiel, dass er es zu Hause auf seinem Nachttisch vergessen hatte. Mit verdrießlichem Blick sprang er wieder nach draußen und lief zum Tatort. Dort suchte er Pfeiffer. Ein Polizist kam zu ihm und erklärte, der Kommissar spreche am Eingang mit einem seiner Kollegen. Manao lief dorthin.

"Herr Kommissar!", rief er als er ihn schon vom Weiten sah. "Ich hab da was, was Sie interessieren könnte!"

Er erzählte ihm alles in aller Kürze. Pfeiffer hörte gespannt zu.

"Bravo, Herr Detektiv!", sagte er anerkennend. "Jetzt müssen wir nur noch die Tatwaffe finden."

Später machte Manao sich mit Pfeiffer wieder auf den Weg zum Tatort. Ihm fiel noch ein, dass in den Hosen- und Jackentaschen der Toten etwas sein könnte, was auf ihre oder die Identität des Täters hinweist.

Den ganzen Weg lang überlegte er, was die Tatwaffe sein könnte. Was war so dünn und lang, dass man damit müherlos jemanden erdrosseln konnte? Etwas unauffälliges, bei dem das Opfer keinen Verdacht schöpft! Was kann das nur sein? Dabei fiel ihm etwas ein: irgendwas kam ihm bei dem Anzug komisch vor. Irgendwas hat gefehlt. Aber was war das nur?

"Herr Tajima? Herr Tajima? Wachen Sie auf! Wir sind da!"

Manao bemerkte den Kommissar vor sich und sah ihn verwirrt an. Dann verstand er: er war mal wieder so in Gedanken versunken, dass er alles um sich herum vergessen hatte. Er hasste diese Angewohnheit, aber so konnte er wenigstens gründlich nachdenken.

"Was bereitet Ihnen denn solches Kopfzerbrechen?", fragte Pfeiffer belustigt.

"Die Tatwaffe...", murmelte Manao.

Er zog ein paar Gummihandschuhe heraus und wandte sich der Leiche zu. Er untersuchte ihre Hosentaschen in der Hoffnung, einen Ausweis oder Ähnliches zu finden aber vergebens. Der Täter war verdammt gründlich!

Plötzlich bemerkte er einen jungen Polizisten auf seiner Seite.

"Ich wüsste vielleicht eine Lösung, wie man die Frau identifizieren könnte", sagte er leise.

"Hm? Wie denn?"

"Durch ihre Fingerabdrücke vielleicht?"

"Nein. Wie Sie vielleicht wissen, bestehen Fingerabdrücke hauptsächlich aus Fett. Nach dem Tod wird die Fettproduktion almähnlich gestoppt bis sie ganz versiegt. Dann kann man auch keine Fingerabdrücke mehr entnehmen. Das sollten Sie in der Polizeischule eigentlich gelernt haben."

"Tut mir leid...", murmelte der Polizist.

"Kein Problem. Machen Sie sich lieber auf die Suche nach der Tatwaffe."

"Jawohl."

Und gerade in dem Moment als er schon gehen wollte, kam eine andere Polizistin zurück und lief auf Pfeiffer zu. Sie hielt einen durchsichtigen Beutel in der Hand.

"Herr Kommissar!", rief sie aufgeregt. "Wir haben in einer Mülltonne etwas gefunden, was die Tatwaffe sein könnte!"

Wie hergezaubert war Manao eine Sekunde später bei ihr.

"Was ist es?"

Sie hielt ihm den Beutel hin. Es war eine Krawatte.

Manao erbleichte, dann grinste er.

"Wie ich sehe, scheinen Sie wirklich zu glauben, dass das die Tatwaffe ist", sagte Pfeiffer.

"Ganz sicher! Jetzt weiß ich auch, was an dem Anzug vorhin komisch war! Die Krawatte fehlte! Und sie ist auch lang und stabil genug um jemanden zu erdrosseln!"

"Sehr gut! Jetzt brauchen wir nur die Fingerabdrücke darauf zu analysieren." Nach einer Weile wurde der Blick des Kommissars unsicher.

"Aber was ist, wenn diese Fingerabdrücke in unseren Registern nicht aufgelistet sind? In den Registern sind nur vorgestrafte Verbrecher. Was ist, wenn das seine erste Tat war?"

"Keine Sorge, es war ganz sicher nicht seine erste Tat. Jedoch denke ich, dass es sein erster Mord war. Denn bei der Beseitigung von Hinweisen wie zum Beispiel der Beseitigung des Ausweises des Opfers war er unglaublich gründlich, was bei dem Anzug und der Tatwaffe nicht so war. Ich tippe auf einen Dieb oder Bankräuber."

Der Kommissar übergab die Tatwaffe der Spurensicherung.

"So", sagte er zu Manao. "Die Analyse wird ein paar Stunden dauern. Wenn ein Ergebnis da ist, rufe ich Sie an. Gehen Sie ruhig nach Hause."

Manao nickte kurz, ging zum Ausgang und holte sein Fahrrad. Er gähnte und sah auf seine Armbanduhr. Sechs Uhr morgens, es dämmerte bereits. Nach und nach kamen immer mehr Menschen auf die Straße. Die Müllabfuhr fuhr vorbei. Eine Art Glückseligkeit ubermannte ihn. Bald würden sie wissen, wer der Täter ist. Und er wird ihn schnappen!

Zu Hause erwartete ihn auch schon sein Vater, der gerade erst vor Kurzem aufgestanden war.

"Ganz schön bitter, mitten in der Nacht zu einem Fall gerufen zu werden, nicht wahr?", sagte er lächelnd und wedelte mit Manaos nächtlicher Notiz.

"Kannst du laut sagen! Aber so schlimm ist es nicht, ist schließlich mein geliebter Job."

Sie setzten sich an den Küchentisch und er erzählte ihm alles über den Fall.

"Im Zoo?", fragte sein Vater nach. "War das nicht dort, wo du zum ersten Mal deinen Freund, den Wolf getroffe..."

Manaos verzweifelter Blick ließ ihn abrupt verstummen.

"Du vermisst ihn sicher noch schrecklich", flüsterte er dann nach einer Weile. "Tut mir leid, dass ich davon angefangen hab."

Manao schwieg. Der Schmerz kam wieder hoch und stach ihn wie ein Messer ins Herz. Er kämpfte dagegen an. Sein Vater schwieg ebenfalls. Niemand wusste, was er sagen sollte.

Plötzlich zerriss das Klingeln von Manaos Telefon die unangenehme Stille. Es war der Kommissar.

"Tajima!", rief er in den Hörer. "Sie hatten Recht! Der Täter IST ein Bankräuber!

Und auf keinen Fall ein Anfänger, sondern Profi: wie sich's rausgestellt hat, hat er schon sage und schreibe 15 Banken ausgeraubt!"

"Fragt sich nur, wieso er von Raub auf Mord umgestiegen ist", murmelte Manao.

"Wer weiß. Aber wir werden es herausfinden, nicht wahr?"

"Unbedingt."

Das "wir" schreckte Manao ein wenig ab. Er arbeitete lieber allein als Privatdetektiv, nur Tetsu durfte ihm bisher helfen. Alleine war er freier, unabhängiger. Er nahm sich vor, sich in Zukunft nicht mehr so viel mit der Polizei abzugeben, so wie er es als Teenager getan hatte.

"Wie heißt der Kerl?", fragte er Pfeiffer.

"Markus Ziegler. Berühmt-berüchtigt bei den Kollegen, die für Diebstahl verantwortlich sind."

"Gibt es auch Neuigkeiten zu dem Opfer?"

"Aber ja! Wir haben ein Foto der Leiche überall im Präsidium rumgezeigt. Ein paar Kollegen erkannten sie auf Anhieb. Sie erzählten mir von ihr: es handelt sich ebenfalls um eine gerissene Diebin! Und das Unglaubliche ist: sie und Ziegler waren Partner! Sie wurden bei seinen letzten Bankräuben zusammen gesichtet."

"Interessant! Dann sind wir also auf der richtigen Spur. Haben Sie eine Ahnung, wo der Kerl stecken könnte?"

"Nein, das nicht, aber wir haben seine Adresse."

"Gut, dann sollten wir uns dort mal umsehen."

"Glauben Sie, dass er zu Hause ist?"

"Eher nicht. Ich will nur seine Wohnung sehen. Vielleicht finde ich irgendwelche Spuren, die seinen Aufenthaltsort verraten."

"Dann treffen wir uns in meinem Büro und fahren dorthin."

"Ja, sicher. Ich will Ihnen nur noch sagen, dass wir auf keinen Fall einen Polizeiwagen, sondern ein Zivilauto nehmen müssen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen."

"Natürlich. Also gut, ich erwarte Sie in 20 Minuten."

Sie trafen sich fast genau 20 Minuten später in Pfeiffers Büro.

"Was ist das?", fragte Manao und deutete auf den Papierstapel auf Pfeiffers Schreibtisch.

"Infos über Ziegler. Ich hab in verschiedenen Akten und Papieren nach ihm gesucht."

"Und?"

"Das Wichtigste hab ich Ihnen schon am Telefon erklärt."

Sie verließen das Präsidium und stiegen in das Auto, das vor dem Eingang schon bereitstand. Der Kommissar fragte, ob Manao fahren wolle. Manao verneinte, da er keinen Führerschein hatte. Er hasste Autos. Den Kommissar erstaunte dies, er zog verwundert eine Augenbraue nach oben.

"Autos sind nichts weiter als Kohlendioxid- und Dreckschleudern", versicherte der Detektiv. "Ich bleib lieber bei meinem Fahrrad."

Als Pfeiffer losfuhr, wusste niemand mehr, was er sagen sollte. Die ganze Fahrt lang war es still. Manao nutzte die Zeit zum Nachdenken.

Ihn interessierte jetzt das Mordmotiv. Wieso würde jemand seine Partnerin töten? War sie nur seine Partnerin bei Diebstählen? Oder waren sie ein Paar? Eifersucht könnte das Motiv sein. Das ist ein häufiger Grund für einen Mord, dachte er. Aber er wollte nicht zu voreilig sein. Was käme für einen Dieb als Mordmotiv in Frage? Rache für jemanden? Nein, überlegte er. Was ihm eher in den Sinn kam, war Habgier. Seine Partnerin könnte das Diebesgut nicht geteilt haben und wurde wahrscheinlich deshalb ermordet. Er seufzte. Der Grund klang logisch.

Sie waren da. Manao wollte schon aussteigen, aber Pfeiffer hielt ihn an der Schulter fest und gab ihm einen metallenen Gegenstand in die Hände. "Für alle Fälle", sagte er leise. Sie verließen das Auto und gingen in Richtung eines braun gestrichenen Hauses. Manao ließ die Pistole schnell in seiner Jackentasche

verschwinden,um bei den vorbeigehenden Passanten keine Verdacht zu erregen. Er betrachtete das Haus. Die braune Farbe war schon zum Teil abgeblättert, sodass die nackten Ziegeln zum Vorschein kamen. Er fragte sich, wie alt das Haus wohl sei. Da bemerkte er etwas: über der Tür war die Jahreszahl 1918 gemeißelt. Wow, im letzten Jahr des 1.Weltkriegs gebaut, dachte er.

Sie sahen auf die Klingeln. Hier waren 8 Wohnungen, auf einer davon der Name Ziegler. Pfeiffer klingelte einmal. "Falls er sich meldet, geben wir uns als Elektriker aus, die die Heizung kontrollieren sollen, verstanden?", flüsterte er. Manao nickte.

Natürlich meldete sich niemand. Wäre auch zu einfach gewesen.

Manao bewegte die Tür. Sie war offen. Der Briefkasten mit Namen Ziegler war leer, obwohl die anderen mit Werbung voll waren. Das hieß, er war noch an diesem Tag zu Hause. Er hat Hinweise hinterlassen, meinte Manao.

Sie stiegen die Treppe hinauf, bis sie eine Wohnung mit seinem Namen im dritten Stock erreichten. Die Tür war verschlossen.

"Soll ich sie eintreten?", fragte Manao.

"Nein! Wir Polizisten müssen immer sauber arbeiten und nichts beschädigen. Ich mach das schon." Mit diesen Worten holte er einen Satz Dietriche aus der Hosentasche und begann, an dem Schloss rumzunesteln. Nach einigen Minuten war die Tür offen.

Sie untersuchten die Wohnung. Nichts, keine Hinweise auf seinen Aufenthaltsort, keine Waffen oder sonst etwas, was auf einen Dieb hinweist. Manao öffnete einen Kleiderschrank im Schlafzimmer des Mannes und entdeckte dort einen Schuhkarton. Er öffnete ihn und schnappte nach Luft, als er sah, was er enthielt.

"D-Das sind ja mindestens 500.000 Euro!", stammelte er.

"Alles Diebesgut", murmelte der Kommissar zufrieden.

Manao starrte auf das Geld. Plötzlich erinnerte er sich an einen Spruch: "Ein Täter kehrt an seinen Tatort zurück." Kann es sein, dass...

"Sagen Sie mal...", fragte er Pfeiffer. "Hat Ziegler eine Bank mehr als einmal ausgeraubt?"

"Ja, er hat eine Bank niemals in Ruhe gelassen, bis er sie mindestens zwei Mal um das Geld erleichtert hat. Ist ganz schön riskant von ihm."

"Wo war der erste Raub, den er mit dem Opfer zusammen begangen hat?"

"Oh, das weiß ich nicht mehr. Die Papiere liegen im Präsidium. Dort steht alles."

"Dann sollten wir schleunigst dahinfahren! Wenn sich mein Verdacht bestätigt...dann weiß ich wo er ist! Und auch, was er als nächstes vorhat!"

Gesagt, getan. Sie fuhren zurück ins Präsidium. Manao durchforstete die Papiere nach dem was er suchte. Plötzlich fand er es! Den ersten Raub mit dem Opfer beging Ziegler im Zoo! Sie hatten die Zookasse ausgeraubt! Wie er vermutet hatte, lag er mit seinen Überlegungen richtig. Aber das hieß, er musste handeln! So schnell wie möglich. Pfeiffer war im Büro eines anderen Kollegen, um ihn irgendetwas zu fragen. Gut! So schnell wie es ging, rannte er zum Ausgang. Während es Laufens fühlte er das Gewicht der Pistole in seiner Tasche. Wie gut, dass der Kommissar ihm eine gegeben hatte! Er war sich sicher, dass er sie brauchen würde.

Er gelangte zur Straßenbahnhaltestelle. Ein Glück, die Straßenbahn Richtung Zoo fuhr gerade ein. Manao stieg ein und die Straßenbahn fuhr los.

Anfangs kam er relativ schnell voran. Aber nach der zweiten Haltestelle begann die Bahn sich plötzlich nur noch zentimerweise zu bewegen und schien mehr zu stehen als zu fahren. Er drehte sich in Fahrtrichtung, um zu sehen, was die Ursache war. Ein Stau wegen einer kaputten Ampel!

"Warum gerade jetzt?", stöhnte er in Gedanken.

Mit blanken Nerven wartete er bis die Straßenbahn zur nächsten Haltestelle rollte. Dann stieg er aus und begann zu rennen.

"Wenn ich mich jetzt nicht beeile, kann es schon bald zu spät sein", dachte er.

Der Zoo war etwa einen Kilometer entfernt. Gut. In etwa zehn Minuten müsste er da sein. Er dachte nur daran. Ignorierte alles andere, die Leute, an denen er vorbeirannte, rote Ampeln, einfach alles. Er lief so schnell, dass er Angst hatte, die Pistole auf der Straße zu verlieren. Voller Sorge steckte er eine Hand in die Hosentasche, um zu überprüfen, ob sie noch da war. Zum Glück, ja. Er seufzte erleichtert.

Endlich war er da und begann, sich umzuschauen. Da sah er ihn. Der Mann stand nur da und starrte auf den Eingang, wo die Leute rein- und rausgingen. Er machte keine Anstalten, sich zu bewegen, stand einfach nur da.

Manao erkannte sofort, dass es Ziegler war. Er sah genauso aus wie der Mann auf dem Foto in Pfeiffers Papieren. Etwas metallenes ragte aus einer seiner hinteren Hosentaschen. Manao brauchte nicht nachzudenken, um zu wissen, dass das eine Pistole war. Er kam näher bis er hinter Ziegler stand. Er wusste, dass er nicht überstürzt handeln sollte, aber er wusste keinen anderen Weg, um den Kerl zu

stellen.

"Markus Ziegler", sagte er.

Der Mann zuckte erschrocken und fuhr herum. "W-Was? Woher wissen Sie, wer ich bin?"

"Manao Tajima, Privatdetektiv. Sie haben gestern abend diese Frau hier umgebracht, nicht wahr?"

Ziegler lächelte. "Sie haben wahrscheinlich schon die Fingerabdrücke auf der Krawatte überprüft, also kann ich Ihnen nicht sagen, dass es nicht stimmt, richtig?"

"So ist es. Und jetzt wollen Sie Selbstmord begehen."

Der Kerl war verblüfft. "N-nein, wollte ich nicht...wieso denken Sie das?"

"Sie haben die Beweise nicht beseitigt. Sie haben den Anzug und die Krawatte hier im Zoo gelassen. Hätten Sie sie mitgenommen, könnten Sie sich von allem Verdacht reinwaschen. Es ist so, als hätten Sie rausschreien wollen: Ich war es! So als wäre es Ihnen völlig egal, ob Sie sich als Mörder herausstellen oder nicht. Sie hatten auch das ganze Geld zu Hause gelassen. Wenn Sie vorhätten, zu fliehen, hätten Sie es mitgenommen."

"Gut", sagte Ziegler seufzend. "Sie haben Recht. Ich wollte mich umbringen, aber ich hab meine Meinung geändert." Seine Augen funkelten bösartig. "Gehen wir ein bisschen im Wald spazieren, um darüber zu reden. Ich bin bereit, mich verhaften zu lassen."

Manao glaubte ihm kein Wort. Aber er ging mit ihm mit, eine Hand auf der Pistole.

"Was war das Motiv?", fragte er. "Wollten Sie die Beute mit Ihrer Partnerin nicht mehr teilen?"

Ziegler antwortete eine Weile nicht. Als sie tief genug im Wald waren, sagte er: "Da irren Sie sich, mein lieber Herr Detektiv. Ich wollte ihr sogar den größten Teil davon geben, um sie abzuhalten, sich der Polizei zu stellen. Sie hielt es nicht mehr aus, Diebin zu sein. Ich musste sie aufhalten, und der einzige Weg war, sie zu töten."

Plötzlich nahm er Manao in den Schwitzkasten und drückte ihm seine Pistole an die Schläfe.

"Jetzt trage ich die Last eines Mörders auf mir", flüsterte er mit einer irren Stimme. "Es ist zu viel, ich kann damit nicht leben. Ich werde mich umbringen. Aber zuerst bist du an der Reihe, Schnüffler! Niemand wird mich aufhalten, egal ob Detektiv oder nicht!"

Während er redete, schaffte es Manao irgendwie, seine eigene Pistole hervorzuholen und sie an seine Kehle zu drücken.

So standen sie da: Manao im Schwitzkasten mit einer Pistole an der Schläfe und Ziegler mit einer Pistole an der Kehle. Niemand wagte etwas zu tun, niemand wusste, wer als erstes schießt. Jeder lauerte auf die Pistole des Anderen, auf den tödlichen Schuss. Eine blöde Situation. Manao überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Schießen oder nicht schießen?

Plötzlich ließ Ziegler seine Pistole los und fiel zu Boden. Etwas hatte ihm am Rücken gestreift. Es war ein Schuss, der aus dem Nichts kam.

Auf einmal kam eine Horde Polizisten und legten dem Täter Handschellen an. Manao sah Kommissar Pfeiffer auf sich zukommen. Dieser musterte ihn ärgerlich. Dann murmelte er etwas und steckte die Pistole, die er in Händen hielt, weg. Er ware es, der geschossen hatte.

"Was haben Sie sich dabei gedacht?", fuhr er Manao an. "Den Täter alleine stellen zu wollen, ist gefährlich! Sie hätten getötet werden können! Ein Glück, dass wir Ihnen gefolgt sind!"

Während er sich die Standpauke des Kommissars anhörte, dachte Manao darüber nach, wie knapp er wieder dem Tod entronnen war? Was hätte er gemacht, wäre die Polizei nicht aufgetaucht? Aber er war auch glücklich, dass er Ziegler davon abhalten konnte, Suizid zu begehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Catayane-
2011-06-25T15:13:05+00:00 25.06.2011 17:13
Jaaaa, endlich wieder Manao, Juhuu!
Ja, ist schön geworden, besonders toll ist, dass es diesmal kein tränenreiches Alles-kommt-raus-Geständnis war; hast du richtig gut gemacht.
Der Name Michael Pfeiffer .... hm, ich weiß nicht, ob dir das bewusst war, aber er erinnert stark an Michelle Pfeiffer XD
Toll, dass du weitermachst!


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