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Gedanken, Erinnerungen, Gespräche eines Zauberbrechers

Oneshot(-Sammlung)
von

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Der Gerechtigkeit genüge getan

„Und was soll ich nun genau tun?“, fragte Mathanil, als er langsam mit Varendil die Strasse der Urahnen hinunterging. Varendil blickte zu dem Elf mit den rostroten, modisch kurz geschnittenen Haaren. Mathanil war ein ehemaliger Zauberbrecher, einer seiner Ausbilder, der in einem Einsatz weitab von heimatlichen Gestaden eine derart schwerwiegende Verletzung des Beines erlitten hatte, dass es nie wieder richtig geheilt war. Varendil wusste nicht, ob es vielleicht doch möglich gewesen wäre, es zu heilen oder nicht. Mathanil hatte diese Gelegenheit jedoch genutzt, und hatte sich zurückgezogen vom aktiven Dienst. Nunmehr Verwalter des kleinen Zauberbrecherordens hatte er in den vergangenen Jahrzehnten ein Faible für die Tätigkeiten eines Juweliers erworben und war zu einem respektablen Handwerker dieser Kunst geworden, wenngleich seine Fähigkeiten nicht an gewisse Meister herankamen.

„Ihr sollt nur einige Arbeiten beurteilen.“, sagte Varendil erneut. Mathanil war nun auch schon etwas älter, und in der Begeisterung, von Varendil besucht zu werden, hatte er schon wieder vergessen, worum der eigentlich gebeten hatte. Varendil seufzte leise. Er hatte ein schlechtes Gewissen, nun schon den zweiten Sin'dorei am heutigen Tage nur für seine Zwecke auszunutzen. Er nahm sich vor, sowohl Dame Sonnenwind als auch Mathanil Goldklinge öfters einen Besuch abzustatten, und sich nicht stets ablenken zu lassen.

„Beurteilen auf was, Junge? Jetzt spuck's schon aus“, antwortete Mathanil mit einem verschmitzten Lächeln in den Augen. „Suchst du dir etwa eine neue Frau und willst sie mit einem Schmuckstück bezirzen? Wurde auch mal Zeit. Du hast diesem Biest Flammenschlag zu lange nachgehangen.“ Varendil blieb auf die Bemerkung kurz stehen und starrte seinen ehemaligen Lehrmeister an. „Wa.. was?“ „Ach komm, du weisst doch wie das funktioniert. Man hat so einiges munkeln gehört.“

„Na wunderbar“, seufzte Varendil und setzte sich erneut in Bewegung. „Sie hat also getratscht?“

„Ach.. dies und das.. Aber das ist doch jetzt gar nicht wichtig, oder?“

„Nein, wahrlich nicht. Allerdings ist es nicht das, was du vermutest.“

„Wie schade“, gluckste Mathanil und ging ebenfalls weiter. Sein Hinken konnte man nur erkennen, wenn man ein geübtes Auge hatte, allerdings wusste Varendil, dass ihm zu langes Gehen schwerfiel, und der Stock, auf den er sich stützte, war gut sichtbar, so klein er auch war.

„Ich hab Wichtigeres zu tun als mich >Hals über Kopf wieder in neue Verpflichtungen zu stürzen“, murmelte Varendil, obwohl die Worte falsch klangen. „Wie dem auch sei...“, räusperte er sich. „Eine gute Freundin wurde von Juwelier Mondfinsternis betrogen. Ich bin zwar nicht vom Fach, aber selbst ich denke, dass er mindestens das Doppelte, wenn nicht sogar das Dreifache hätte bezahlen müssen. Ich möchte nur, dass du mir dies bestätigst, wenn ich ihn.. nun ja..“

„Wenn du ihn in Grund und Boden redest, was?“ Mathanil lachte. „Das kann ich tun, Junge. Und alles andere überlasse ich deiner Zunge, die – wenn ich es recht im Kopf habe – beizeiten und bei Gelegenheit durchaus sehr spitz sein kann, Diplomatie hin oder her.“

Varendil grinste.

„Am besten wartest du draussen, bis ich die Stücke vorgelegt bekommen habe. Ich rufe dich dann. Ansonsten riskieren wir, dass er sie mir gar nicht erst vorlegt, weil er dich erkennt.“

„Ich bezweifle, dass es dem ehemaligen Hofjuwelier Mondfinsternis irgendwie wichtig genug ist, alle Amateurjuweliere zu kennen, aber wenn du es wünschst, werden wir es so machen.“

„Sehr gut.“
 

Wenige Momente später erreichten die beiden den betreffenden Laden an der Strasse der Urahnen. Mathanil setzte sich auf eine Bank draussen, während Varendil das Haus betrat.
 

Juwelier Mondfinsternis hatte langes, schwarzes Haar, welches im Schein der magisch leuchtenden Kugeln, die an der Wand aufgehängt waren, fast schon glänzte. Die Robe, die ihn kleidete, war schlicht, und dennoch von hervorragender Machart, glaubte Varendil zu erkennen.

„Willkommen, willkommen“, sagte Mondfinsternis. „Seid gegrüsst, Juwelier Mondfinsternis“, sagte Varendil, und setzte ein höfliches Lächeln auf. „Bei der Sonne, der Spross der Familie Leyklinge, wenn ich mich nicht irre?“ Mondfinsternis verbeugte sich tief. „Ja, der bin ich.“

„Es ist mir eine grosse Ehre, den Sohn eines derartig edlen Herren bei mir in meinem bedeutungslosen Geschäft zu haben. Womit kann ich euch behilflich sein, der Herr?“ < Unbedeutend wirst du sein, wenn ich mit dir fertig bin >, grollte Varendil innerlich, und war im selben Moment überrascht über die Anwandlungen von Abneigung, die er sogleich entwickelte.

Er behielt sein neutrales Lächeln weiterhin bei.

„Nun, es ist so. Ich befinde mich in einer etwas verzwickten Lage, aber ich bin mir sicher, ihr könnt mir helfen. Natürlich wird sich dies für euch auch sehr lohnen.“

Mondfinsternis nickte. „Ich würde alles tun, wenn es in meiner Macht steht, um euch zu helfen“, antwortete er etwas geziert.

„Wunderbart“, sagte Varendil. „Folgendes: Eine sehr gute Freundin hat vor wenigen Tagen hier zwei Schmuckstücke versetzt. Es handelt sich um zwei Ringe, einen davon mit einem Diamanten, wenn ich mich nicht irre.“

Mondfinsternis nickte langsam, verengte aber etwas die Augen. „Das ist gut möglich“, sagte er langsam. „Ich müsste in meinen Büchern nachschauen dafür.“ Das Misstrauen war ihm klar ins Gesicht geschrieben.

„Die Schmuckstücke haben einen grossen emotionalen Wert für die Dame, doch ist sie auf Gold angewiesen gewesen. Ich würde ihr nun gerne eine Freude machen, und sie zurückkaufen, um sie ihr zu schenken.“ Varendil lächelte unschuldig, während seine Worte wie erwartet die Miene von Mondfinsternis im Hinblick auf ein mögliches lukratives Geschäft aufhellten. Varendil zweifelte nicht daran, dass der Juwelier die Stücke ihm für teures Geld zurück verkaufen wollte

„Ah, aber sicherlich. Ich werde die Stücke sogleich holen. Zum Glück kommt ihr heute, morgen bereits hätte ich den einen Ring verkauft.“ Er sagte es, und ging zu einem Tisch, ergriff zielgerichtet eines der Kästchen, die darauf lagen, und reichte es Varendil. „Hier sind die zwei Stücke, wie ihr seht, noch bestens erhalten.“

Varendil nickte und öffnete das Kästchen, besah sich die Ringe. Sie schienen wirklich noch intakt – aber er hatte nichts anderes erwartet. Betrug hin oder her – Mondfinsternis war immer noch ein sehr guter und professioneller Juwelier.

„Ihr habt sicherlich nichts dagegen, wenn ich mir die Stücke im Sonnenlicht ansehe, ja?“ Noch bevor Mondfinsternis antworten konnte, steuerte Varendil mit dem Kästchen auch schon die Tür an, blieb im Türrahmen stehen. Anstatt die Ringe zu mustern, rief er aber nach Mathanil, der sich ächzend von der Bank erhob, und zu ihm tappte.

„Das sind sie also, hm?“, sagte er, und blickte in das Kästchen. „So ist es“, antwortete Varendil und nahm in diesem Moment keinerlei Notiz mehr von Mondfinsternis, der ihm gefolgt war, und Mathanil erschrocken anblickte.

„Hmm...“ Mathanils Finger strichen über den Diamant. Er schwieg einen Moment, dann nannte er eine Summe von Goldmünzen. „Soviel haben sie sicherlich gekostet, als sie gekauft wurden.“ „Und wie viel wäre eine angemessene Summe, wenn man die Provision des Juweliers und die Abnutzung mit einberechnet?“

„Abnutzung? Gold nutzt sich nicht ab. Und diese hier sind hervorragend gepflegt.. Ich würde sagen..“ Mathanil nannte einen Betrag, der – wie Varendil es erwartet hatte – etwas mehr als das Doppelte des Preises, den Tianesa bekommen hatte, als sie sie in ihrer Verzweiflung Juwelier Mondfinsternis verkauft hatte.

Varendils Augen verengten sich und er klöappte das Schmuckkästchen zu. „Danke Mathanil“, sagte er, bemüht um eine ruhige Stimme. Dann drehte er sich um und starrte Mondfinsternis mit eisigem Blick an.

„Ihr seid ein elender Betrüger, der sich am Leid von anderen Sin'dorei auch noch ergötzt.“, sagte er. Mondfinsternis hob abwehren die Hände. „Mein Herr, ich weiss nicht, wovon..“ „Schweigt und erspart mir eure Lügen!“, fuhr Varendil dazwischen, und betrat das Haus wieder.

„Ihr habt Madame Abendklang weniger als die Hälfte dessen bezahlt, was ihr jedem anderen Kunden bezahlen würdet, der euch solch hervorragenden Werke verkaufen würde.“

„Aber..“

„Nichts aber. Ihr habt gemerkt, dass Madame Abendklang keinerlei Fachwissen hat, und auch nicht höhergestellt ist, um so etwas zu wissen. Also habt ihr euch bereichert.“

„Das ist nicht wahr“, warf Mondfinsternis ein. Er blickte auf das Kästchen, welches Varendil immer noch in der Hand hielt. „Ich habe ihr einen angemessenen Preis bezahlt. Wisst ihr etwa nicht, wie viele derartige Schmuckstücke im Moment versetzt werden?“ Seine Stimme klang etwas verächtlich. „Die Preise sind gefallen, natürlich hat euch das euer Laie nicht erzählt. Ich würde niemals..“

„Hör nicht auf ihn, Junge. Ich hab das längst miteinbezogen“, sagte da Mathanil, der Varendil ins Innere des Verkaufsraumes gefolgt war. „Früher hätten die Ringe noch mehr gebracht, aber ich geh mit der Zeit.“

Mondfinsternis wurde zuerst bleich, dann rot. „Ihr dulde es nicht, dass ihr mich in meinem eigenen Haus des Betrugs bezichtigt“, wagte er aufzubegehren. „Ich habe einen Preis bezahlt, die Madame war einverstanden.“

„Natürlich war sie einverstanden, denn sie ist in Geldnot. Ihr habt das genau gewusst.“

„Es gibt keine Regeln, die mir verbieten, etwas mehr für mich herauszuschlagen. Was wollt ihr nun dagegen tun, Herr Leyklinge?“, höhnte er. „Gebt mir nun mein Eigentum und verlasst mein Haus. Ich sehe, ihr habt nichts von dem inne, was euren Vater ausgemacht habt, ihr seid sehr unhöflich.“

Varendil verengte die Augen.

„Wagt es nicht, über meinen Vater zu sprechen, Betrüger. Er war ein Ehrenmann, ganz im Gegensatz zu euch. Er hätte es niemals auch nur in Betracht gezogen, eine Dame, die allein für ihren Sohn sorgen muss, derartig auszunutzen.“, sagte er kühl, und trat einen Schritt näher zu Mondfinsternis.

„Ihr könnt euren Krempel behalten. Madame Abendklang will damit auch gar nichts mehr zu tun haben. Allerdings werdet ihr ihr den Rest des Goldes bezahlen, der ihr rechtmässig zusteht.“

„Rechtmässig.. pha“, höhnte Mondfinsternis erneut. „Nichts da. Der Preis wurde bezahlt, es gibt nichts mehr, was ihr fordern könnt.“

„Nein, fordern kann ich nichts mehr“, antwortete Varendil seelenruhig. Mondfinsternis lachte, als ob er sich schon auf der sicheren Seite wusste.

„Allerdings..“, sagte er, und strich sich über den Nasenflügel. „Allerdings bin ich davon überzeugt, dass ihr auf eure Kundschaft angewiesen seid.“

„Wie?“ Mondfinsternis, der schon hatte nach dem Kästchen greifen wollen, hielt in der Bewegung inne.

„Ihr habt euch einen Adeligen zum Feind gemacht, Mondfinsternis. Und ihr wisst sicherlich, was es bedeutet, im Adel in Misskredit zu stehen, hm?“

Mondfinsternis wurde erneut bleich. „Ihr könnt.. gar nichts gegen mich ausrichten.“

„Ich allein sicherlich nicht. Aber ich bin mir sicher, wenn Dame Sonnenwind das Gerücht streuen würde, ihr kostbarer Blutkristall-Ring sei zerbrochen wegen schäbiger Herstellungsweise, und dass sie nie mehr etwas bei euch bestellen würde, dann würde euch nach und nach jegliche Kundschaft weglaufen. Ich habe auch Beziehungen.“

Er blickte den anderen kalt an, und reichte ihm das Kästchen zurück. „Der Herr Himmelswispern wäre wohl ebenso betrübt über diese Nachrichten wie Arelia Sonnenlied.“

Die Nennung zweier weiterer seiner Kunden, die zum Adel gehörten, war zu viel für Mondfinsternis. Er nahm das Kästchen zwar in die Hände., aber wich etwas zurück.

„Aber..“

„Wie wollt ihr euer Einkommen sichern, wenn sich der ganze Adel von euch abwendet? Denkt an euren Lebensstandart. Denkt an eure Familie. Ihr könnt diesen Goldbetrag verschmerzen, den ihr Madame Abendklang schuldet“, redete Varendil weiter in Mondfinsternis' Gewissen. „Allerdings könnt ihr es nicht verschmerzen, wenn ihr keinerlei Aufträge für die wirklich teuren Stücke mehr bekommt. Seid vernünftig.“

Mondfinsternis wollte noch einmal zu einem „Aber“ ansetzen, doch Mathanil unterbrach ihn. „Sagt jetzt lieber nichts mehr, Mondfinsternis, es braucht nämlich auch nicht viel, um euch auch noch in der Juwelierzunft in Misskredit zu bringen. Tut lieber, was der junge Leyklinge sich in den Kopf gesetzt hat.“

Mondfinsternis drehte sich um, legte behutsam das Kästchen auf den Tisch und schweig einen Moment. Einen langen Moment, indem Varendil sich bemühen musste, nicht auf die Lippen zu beissen vor gespannter Nervosität. Er hatte alles, was er hatte, auf eine Karte gesetzt – doch konnte er das Spiel immer noch verlieren.
 

Schliesslich wandte sich Mondfinsternis wieder um und sagte tonlos: „Ich werde das Geld Madame Abendklang überbringen lassen.“

„Ich hole es selbst ab, und überreiche es ihr“, sagte Varendil, seine Stimme klang immer noch kalt. „Nur um sicherzugehen, dass ihr es ernst meint. Ich werde jedes Stück Gold nachzählen. Ich erwarte auch einen entschuldigenden Brief mit eurer Unterschrift.“

„Aber..“

„Kein Aber. Ich denke, 10 Goldstücke zusätzlich als Entschädigung für die seelische Ungemach, die sie erleiden musste, ist auch noch angebracht. Ich komme alles heute Abend abholen.“

„Mein Herr“, sagte Mondfinsternis, schon fast wimmernd.

„Das wäre dann alles. Ihr wisst, was ihr zu tun habt.“, sagte Varendil und erlöste Mondfinsternis schliesslich aus seiner Pein, verliess ohne Abschiedsgruss das Gebäude.

Mathanil folgte ihm, leicht grinsend.
 

„Dem hast du's aber gezeigt, Junge. Respekt.“, sagte er und klopfte Varendil auf die Schulter, der nur brummelnd etwas erwiderte: „Ich hasse Ungerechtigkeit.“



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