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Shattered

Um der Liebe Willen, lasse ich dich ziehen
von

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Shattered

Shattered
 

Wir waren Partner. Er, Adrian, der junge Historiker und ich, Heinrich, ein alter Mann. Und nicht nur das. Er war auch mein Patensohn. Ich half ihm bei seinen Vorträgen, unterstützte ihn wo ich nur konnte.
 

Adrian war zwanzig Jahre alt und besuchte die Kollegstufe 13 des Gymnasiums. Und er war hübsch. Sehr hübsch. Ich schämte mich, wenn ich ihn beobachtete, wie er sich bewegte und sprach, den Menschen von Zeiten erzählte, die Vergangenheit waren.
 

Das schwarze Haar, das in der Sonne braun schimmerte, die dunklere Haut, die er von seinem ausländischen Vater hatte und seine braunen, warmen Augen, die immer so wundervoll glänzten, wenn er seine Vorträge hielt.
 

Man sollte meinen ich habe ihn geliebt. Aber ich wusste, dass ich es nicht durfte. Es wäre schrecklich gewesen, hätte er davon gewusst. Ich, ein alter Sack von dreiundfünfzig Jahren und ein junger Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte, während meines sich bald dem Ende zu neigen würde?
 

Oh, nein. Das wäre das Letzte. In meiner Jugend war ich ein schöner Mann. Groß, schlank mit einem schmalen, aber männlichen Gesicht. Doch jetzt war ich ein Schatten meiner selbst.
 

Ich war noch groß, aber ich war schon dabei einen Bierbauch zu bekommen, wie so viele andere Männer meines Alters auch. Oh, nein, ich war nicht mehr attraktiv. Selbst mein Haar war beinahe komplett ergraut, es war fast nichts von meiner dunkelblonden Mähne zu sehen, die ich einst hatte.
 

Mein Haar war kurz geschnitten. Es war einfach praktischer so und außerdem fiel das Grau dann nicht mehr so auf. Es tummelten sich auch schon ein paar Falten in meinem Gesicht. Ich war noch nicht hässlich und ich sah auch nicht uralt aus. Aber viel zu alt, viel zu hässlich für jemanden wie Adrian.
 

Man sah ihm die Jugend an, er wirkte jünger als er eigentlich war. Seine vollen, geschwungenen Lippen reichten von einem Ohr zum anderen, wenn er lachte, seine Augen glänzten trotz des Wissens und seiner unglaublichen Intelligenz so jungenhaft und frech, dass ich nicht anders konnte, als ihn zu lieben.
 

Ja, ich liebte ihn. Was für eine Schande, was für ein Skandal. Wie würde er wohl von mir denken, wenn er das wüsste? Würde er mich verabscheuen, mich von sich stoßen?

Oder würde er mich anlächeln und diese rosigen, wundervollen Lippen auf die meinen drücken?
 

Nein, das würde er gewiss nicht. Wie könnte er auch meine Liebe erwidern? Es gab nichts an mir, was ihn dazu bringen könnte mich als mehr anzusehen, als ich war. Sein Partner und Pate.
 

„Und zum Abschluss kommt noch ein Satz, der so etwas wie eine Mahnung sein soll“, beendete Adrian seinen Vortrag über die Nationalsozialisten und es erschien ein Satz auf der Leinwand. „Gegen das Vergessen…“, las er laut vor und lächelte seine Zuhörer an.
 

Die Anwesenden klatschten und ich erhob mich von meinem Platz, stellte mich neben ihn. „Das hat jetzt doch zwei Stunden gedauert, aber es war wiedermal eine tolle Leistung“, lobte ich ihn grinsend und er lächelte zurück, war etwas verlegen ob des Kompliments.
 

„Ich dachte, dass es dieses Mal kürzer wird…“, meinte er, hantierte an seinen Unterlagen herum. Lachend gab ich ihm einen kleinen Klaps auf den Rücken und musste schmunzeln, als er erschrak und nach vorne taumelte.
 

Mein Schlag war wohl doch etwas zu kräftig gewesen. Schließlich war Adrian ein sehr schmächtiger junger Mann. Klein war er absolut nicht, nein, aber sehr schmal. Und dann trug er auch noch eine Brille. Kein Wunder, dass man ihn immer als „Stelzenstreber“ bezeichnete.
 

Adrian war noch nie jemand gewesen, der viel von Mode hielt oder von Mädchen. Sein ganzes Leben bestand aus lernen. Und er tat das gern. Vor allem Geschichte.
 

Er war der jüngste Heimatforscher der ganzen Umgebung, und der jüngste Referendar. Und noch dazu war er einer der aktivsten Mitglieder der mittlerweile sechs Vereine denen er beigetreten ist. Historische Runden, heimatkundliche Stammtische und Vereine für Natur-, Geschichts-, und Landeskunde.
 

Ja, ein seltsamer, aber bemerkenswerter junger Mann. Ich bewunderte ihn mindestens genauso sehr wie ich ihn liebte. Nur wusste er von Letzerem nichts. Was auch gut so war.
 

„Ich finde es immer so faszinierend, wenn die Menschen über die alte Zeit sprechen, wie es damals in der Diktatur für sie gewesen ist…“, plapperte er, als wir zu meinem Wagen gingen und ich konnte nicht anders, als jede seiner Bewegungen zu beobachten.

Es war eine Schande so einen reinen, jungen Mann mit solch lüsternen Augen zu betrachten.
 

Ich folgte ihm, schloss die Autotür und fuhr los. Sein Blick war nachdenklich und er starrte die ganze Zeit über aus dem Fenster. Das war ziemlich ungewöhnlich für ihn. „Heinrich…könntest du…mich erst zum Park fahren?“, fragte er dann leise, so leise, dass ich ihn kaum hörte.
 

„Klar, mach ich“, stimmte ich zu, lächelte ihn an und fuhr zum Park. Es war schon vollkommen dunkel, beinahe zweiundzwanzig Uhr. Als wir ausstiegen, war es ziemlich kalt und Adrian schlang sofort die Arme um sich und rieb an der Jacke.
 

Wie immer spürte ich diese unglaubliche Wärme in meiner Brust und ich musste bei dem Anblick lächeln. Adrian war so schön, dass es weh tat. Auch wenn es die meisten Jugendlichen nicht zu schätzen wussten, ich wusste es.
 

Die Mädchen wollten einfach richtige Männer mit starken Armen und den Jungen war es reichlich egal wie er aussah. Außer einem, fiel es mir siedend heiß ein.
 

Es gab tatsächlich einen seiner Klassenkameraden und Freunde, der ihn genauso ansah wie ich es tat. Derselbe Blick, die gleiche Liebe lag in ihnen. Er liebte Adrian. Nur war dieser zu blind um das zu sehen, seine Liebe zu sehen, meine Liebe zu sehen.
 

Wir liefen ein kleines Stück durch den Park, bis Adrian plötzlich stehen blieb. Verwundert drehte ich mich zu ihm, sah ihn fragend an.
 

Er stand nur da, starrte auf den Boden. Er war unglücklich. Ich konnte es sehen. Schmerz war in seinen Augen, die er so stur auf seine Fußspitzen richtete.
 

Was hat ihn unglücklich gemacht? Konnte ich ihm helfen?

„Adrian-“, fing ich an, als er plötzlich den Kopf hob und mich ansah.

Hoffnung war in seinem Blick. Ja, das und noch etwas anderes.
 

„Heinrich, ich…“, er hielt inne, kam einen Schritt näher, stand ganz dicht vor mir. „Ich muss dir etwas sagen“

Seine Stimme war so leise, als ob er sich nicht trauen würde lauter zu reden. Er hatte Angst. Aber wovor?
 

„Was denn?“, fragte ich, hatte es noch gar nicht begriffen, ahnte nicht was er mir sagen würde.

Er lächelte, legte eine Hand auf meine Wange. Ich Idiot hatte es damals immer noch nicht verstanden. Obwohl es doch so offensichtlich gewesen war.
 

„Ich…“, hauchte er, biss kurz auf seine volle, weiche Unterlippe. „Ich liebe dich“

Es war ein Schock. Unglauben, Freude und totales Unverständnis kämpften in diesem Moment um die Führung.
 

„Was?“, fragte ich, konnte es nicht begreifen. Ich musste mich verhört haben. Ja, genau. Nur verhört, nur missverstanden. Es war unmöglich, dass er das gesagt haben konnte.
 

Seine Hand zitterte, ich konnte es genau spüren, seine Augen wurden gefährlich feucht. „Ich liebe dich, Heinrich!“, wiederholte er, lauter, zittriger.
 

Ich begriff es. Für einen Moment spürte ich Freude. Adrian liebte mich. Er erwiderte meine Gefühle! Doch dann traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht.
 

Adrian war zwanzig Jahre alt. Und ich wurde dieses Jahr vierundfünfzig. Es war ein Unterschied von vierdreißig Jahren. Nein. Das durfte nicht sein. Niemals.
 

„Heinrich?“, fragte er. Ich konnte die Angst in seinen Augen sehen, die Liebe, die ich nie bemerkt hatte. Wenn ich egoistisch gewesen wäre, hätte ich ihn an mich gedrückt und geküsst.
 

Doch ich war kein Egoist. Nicht wenn es um Adrian ging. Und ich musste an den Jungen denken, seinen Kumpel, der ihn auch liebte. Wie hieß er gleich? Andreas?
 

Nein, ich konnte Adrian das nicht antun. Was sollte er bitte mit einem alten Mann wie mir machen? Ich würde älter werden, immer älter. Und er wäre noch jung, würde so kostbare Jahre an mich verschwenden, während ich langsam davon scheiden würde. Nein, ich war kein solcher Egoist, der das zulassen würde.
 

„Adrian, ich bitte dich“, sagte ich ruhig, schüttelte den Kopf. „Wir sind beide Männer. Außerdem bist du viel zu jung für mich. Also schlag dir das aus dem Kopf, Junge.“
 

Er ließ seine Hand fallen, sah mich ungläubig an. In seinen Augen sammelten sich die Tränen.

Ich konnte das nicht mit ansehen. Es zerriss mir das Herz und ich wollte ihn in den Arm nehmen, ihn küssen und sagen was ich für ihn fühlte.
 

Aber ich konnte nicht. Ich durfte nicht. Ruhig blieb ich stehen, versuchte meine eigenen Tränen zurückzuhalten. „A-aber Heinrich“; stotterte er, weinte und trat einen Schritt zurück. „I-ich dachte, dass…dass du mich auch liebst…ich dachte…dein Blick…Du…“
 

Bevor ich hätte etwas sagen können, rannte er davon, ließ mich hier zurück.

Es war besser so.

Für ihn.
 

Das ist schon einige Jahre her. Ich bin inzwischen sechzig Jahre alt und etwas früher in Rente gegangen als geplant. Wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen. Auch weil er ein paar Monate danach nach Bamberg gezogen ist.
 

„Die Zeit heilt alle Wunden“, hatte meine Mutter immer gesagt, aber es tut immer noch weh an damals zurückzudenken. Ich hatte ihn zum weinen gebracht, ihn dazu gebracht sich nie mehr bei mir blicken zu lassen. Oh, ja. Danach habe ich ihn nie mehr gesehen. Und das obwohl ich sein Pate bin.
 

Ich werde bald nach England reisen. Doch davor wollte ich ihn noch einmal sehen. Seine Mutter hat mir gesagt, dass er Gymnasiallehrer geworden ist.
 

Langsam schlürfe ich durch die Gänge des Gymnasiums, während die Schüler an mir vorbei gehen um nach Hause zu kommen. Ich weiß wo er jetzt ist. Schließlich habe ich mich informiert. Er ist in einem Klassenzimmer im Erdgeschoss, eines der letzten an der rechten Seite.
 

Und tatsächlich ist er es, der da am Pult steht, seine Sachen in einen Aktenkoffer packt. Das Zimmer ist leer, wir sind allein.
 

„Hallo, Adrian“, rufe ich, meine Stimme ist kratzig geworden, alt.

Er erschrickt und es fallen ihm beinahe die Blätter und Folien aus den Händen.
 

Langsam dreht er seinen Kopf zur Tür, sieht mich ungläubig an. Er hat mich wieder erkannt? Obwohl meine Stimme so anders klingt? So heißer, rau und alt?

Obwohl ich so anders aussehe? So bucklig, faltig und dick?
 

Ich habe stark zugenommen und fühle mich oft krank. Es geht mir wirklich nicht gut. Und ich sehe auch nicht sonderlich gut aus. Nicht gesund.
 

„Heinrich?“, haucht er, stellt seine Unterlagen ab. „Oh ,Gott! Heinrich!“

Plötzlich lächelt er, strahlt über das ganze Gesicht. Wie erwachsen er doch geworden ist. Seine Züge sind reif, männlich und attraktiv. Adrian ist noch immer so jung und schön.
 

Ja, es war richtig gewesen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass meine Entscheidung gut war, dass es kein Fehler war. Es hätte ihm nicht gut getan zu sehen, wie ich krank werde, alt werde.
 

„Wie geht es dir?“, fragt er, packt hastig seine Sachen zusammen. Ich muss lächeln, denn er ist noch immer so schlaksig und gleichzeitig so schön wie damals.
 

„Bestens, und dir? Ich habe gehört, du hast einen Freund“, rede ich munter drauf los und er stolpert zu mir, bevor er antwortet: „Mir geht’s blendend. Und ja, ich habe tatsächlich einen Freund. Erinnerst du dich noch an Andreas?“
 

Und wie ich das tat. Mein Blick wurde ohne, dass ich es aufhalten konnte traurig. Andreas. Der große, junge Bursche, der ihn mit denselben liebevollen Augen betrachtet hat wie ich.

Oh, ja. Ich erinnere mich.
 

Langsam schreiten wir durch de Gang. Mehr als ein Nicken bringe ich nicht zustande. Es ist schwer das Lächeln aufrecht zu erhalten. Ja, es ist alles gut so wie es ist. Meine Entscheidung ist richtig gewesen.
 

Wir stehen schon vor der Schule und ich spüre den sanften Herbstwind, der unsere Kleidung streift. Adrian wendet sich mir zu, sein Blick ist plötzlich ernst. „Hast du es eigentlich jemals bereut?“, fragt er. Er muss mir nicht sagen, was er meint. Ich weiß es ganz genau. „Oder jemals daran gedacht wie es gewesen wäre, wenn wir ein Paar geworden wären?“
 

„Glaub mir, Adrian“, fange ich an, senke den Blick. „Ich habe sehr oft daran gedacht. Beinahe zu oft. Aber ich weiß es. Wenn wir zusammengekommen wären, wärst du nicht mal annähernd so glücklich geworden wie du jetzt bist. Sieh mich an. Das wäre deine Zukunft gewesen. Ein kranker, alter Mann, der dir weiß machen wollte, dass er dir nicht verfallen wäre.“
 

Er lächelt mich an, so wunderschön wie damals. Nein, sogar noch schöner. Adrian will etwas sagen, doch dann hören wir jemanden rufen: „Hey! Tut mir Leid für die Verspätung! Ich stand noch im Stau!“
 

Andreas. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Damals hatte er sehr viele Pickel und war etwas dicklicher gewesen. Das hübsche Gesicht hatten nur die wenigsten gesehen.

Doch jetzt ist er schlank, ja, beinahe muskulös, die braunen Haare sind kurz und sein Gesicht ist hell und rein.
 

„Da ist mein Freund. Ich muss leider gehen“, entschuldigt Adrian sich, zuckt mit den Schultern. Ich nicke nur lächelnd. „Danke für alles, Heinrich“
 

„Gern geschehen“, murmele ich und will gehen. Doch er legt seine Hand auf meine Schulter, beugt sich kurz vor und haucht mir einen Kuss auf die Wange.

„Wärst du nicht gewesen, wäre ich nie aufs Gymnasium gekommen. Und ich hätte Andreas niemals kennengelernt“, flüstert er, lächelt mich so wundervoll an.
 

Ich trete einen Schritt zurück, erwidere das Lächeln und antworte: „Hätte ich dich nicht abgewiesen, wärst du mit einem alten Fettsack zusammen und nicht mit Ashton Kutchers Zwilling da drüben.“
 

Adrian lacht und schüttelt den Kopf. „Du bist wertvoller als du denkst, Heinrich“, haucht er und ich spüre die alte, wohlbekannte Wärme in meiner Brust.
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen eilt er die Treppe hinunter zu Andreas, der ihn gleich in den Arm nimmt und einen kurzen, süßen Kuss auf die Lippen drückt. Das Lächeln, das sie sich gegenseitig schenken, ist so schön, so vollkommen, so voller Liebe.
 

Meine Entscheidung war richtig, war gut und ich bin nicht mehr traurig.

Ich bin glücklich, denn ich habe ihm, Adrian, all das ermöglicht.
 

Allein dieses Lächeln zu sehen ist all die Trauer wert gewesen.
 

Ende.
 

Von Belle Audrey [06/03/11]



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SayuScreamsKawaii
2011-04-27T21:59:20+00:00 27.04.2011 23:59
Ich fand die Fanfic wunderschön =)
HAtte am Ende richtig Tränen in den Augen Q.Q
War superschön, es gibt nur wenig Faniction´s die Souu toll sind wie diese =D
Echt Genial
LG
Mille
Von:  Inan
2011-04-19T23:21:06+00:00 20.04.2011 01:21
Gefällt mir :D
Ich meine, ich kann vermutlich nicht halb so konstruktive Kommentare abgeben wie sie in der Beschreibung stehen, aber es ist wirklich mal was Anderes, dass die Leidenschaft in den Hintergrund rückt und dem Grundgedanken der 'Liebe' Platz macht :)
Weil, hier, wenn das keine Aufopferung ist, was dann? ;)
Wirklich toll~


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