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Catch you if I can.

[Itachi/Sasuke- Centric]
von

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Kapitel 14: itachis prayer


 

Kapitel 14: itachis prayer

There are thoughts which are prayers.

There are moments when, whatever the posture of the body, the soul is on its knees.

- Victor Hugo
 

Man sah sofort, Narutos Zimmer war nicht nur ein Ort, an dem er sich aufhielt. Nicht bloß ein Raum, in dem er schlief und lernte. Das große Zimmer unterm Dach trotzte nur so vor Leben. Sasuke blieb im Türrahmen stehen, während Naruto herumwuselte, Klamotten vom Bett in den Schrank stopfte und ein bisschen Süßigkeitenpapier vom Schreibtisch in den orangefarbenen Mülleimer fegte.

„Das ist so typisch, Naruto!“, seufzte Sakura und hob mit spitzen Fingern einen Socken vom Schreibtischstuhl. Mit diesem wedelte sie Naruto vor der Nase rum. „Warum räumst du nicht auf, bevor du Freunde einlädst?“

„Streng genommen haben wir beide uns selber eingeladen, Sakura“, merkte Sai an und ließ sich auf dem Schreibtischstuhl nieder.

„Fall mir nicht in den Rücken!“, blubberte Sakura ihren Freund an, der sie bei den Hüften packte und auf seinen Schoß zog. Sie zog eine Schnute, lachte aber nach wenigen Sekunden und bewarf Naruto mit dem Socken, den sie mit den Fingern hielt.

Sasuke schaute auf Hinata, die sich wie selbstverständlich auf Narutos Bett gesetzt hatte und auf Shikamaru und rücklings auf dem ebenfalls knallorangefarbenen Sofa lag. Ja, es waren auch seine Freunde, die sich in diesem Zimmer verhielten, als seien sie hier zuhause, die dem Raum Leben einhauchten, aber vielmehr noch war es das liebevolle Chaos, das viele Orange, das Skateboard in der Ecke, die Poster an den Wänden, das Bild Hinatas in einem Rahmen auf dem Nachtisch. Neben dem Schreibtisch stand ein Hamsterkäfig, auf der Fensterbank eine halb verdorrte Pflanze und auf dem Bücherregal statt Bücher eine Menge CDs, ein paar Pokale und zwei weitere Fotorahmen, eines mit einem Familienbild und ein anderes das einen kleinen Naruto und eine kleine Sakura zeigte, um deren beider Münder und auf der Nasespitze Nutella klebte.
 

„Setz dich, setz dich, Sasuke. Steh da nicht so blöd rum“, lachte Naruto, als er sah, dass Sasuke sich noch nicht von der Tür fortbewegt hatte. Der Blonde griff nach einem Kissen vom Bett und schmiss es auf Shikamaru. „Mach ihm mal Platz, Alter.“

„Ist ja gut“, brummte der und setzte sich betont schwerfällig auf. Sasuke wollte erst sagen, dass das doch nicht nötig sei, aber er glaubte, diese Jugendlichen würden seine Zurückhaltung nicht verstehen. Am besten spielte er einfach mit, versuchte so selbstsicher wie nur irgendwie möglich zu wirken und setzte sich deswegen neben Shikamaru auf das Sofa. Sasuke schaute unauffällig durch die Runde. Auf Naruto, der sich hinter Hinata auf dem Bett niedergelassen hatte und mit einem ihren Fingern rumspiele, was sie zum kichern brachte; auf Sai, der das Mädchen auf seinem Schoß von hinten umarmte; auf Sakura, die dieses Mädchen war und auf Shikamaru, der wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Sofa hockte und an die Decke starrte. Irgendwie war es mit seinen Freunden aus England einfacher gewesen, sich anzupassen. Sie alle hatten ihre Bürden zu schleppen gehabt; Suigetsu Eltern die zu karriereorientiert waren, um bei ihrem Sohn zu sein; Karin, die sich von ihrer Mutter - dem Mathe-Drachen - mehr oder weniger terrorisiert fühlte und Juugo, der in einer Jugendgruppe wohnte. Die Jugendlichen hier aber schienen keinesfalls all zu große Bürden mit sich zu schleppen. Von Naruto wusste er, dass er liebende Eltern hatte und bei den anderen wirkte es nicht so, als sei es anders. Aber nun gut - er hatte es sich ausgesucht bei Itachi leben zu wollen, er hatte die Konsequenzen gekannt, hatte gewusst, dass er seine neu gewonnenen Freunde vorerst nicht wiedersehen würde, doch er war froh es getan zu haben. Auch wenn Naruto, Sakura und die anderen anders waren, als Suigetsu, Karin und Juugo, hieß das nicht, dass sie nicht seine Freunde werden konnten. Alles würde schon werden.

Und selbst wenn nicht, war der beste Trost immer noch, dass er eben bei Itachi lebte. Denn das hatte er so sehr gewollt.
 

„Mach mal deinen Laptop an, Naruto. Ich muss dir unbedingt was bei Facebook zeigen. Mach schon."

Naruto lachte, öffnete aber das Gerät, drückte auf den Powerschalter und setzte sich samt Laptop auf dem Schoß neben seine Freundin auf sein Bett. Als der Rechner hochgefahren war, gab er sein Passwort ein, öffnete den Internet Explorer und danach Facebook, bevor er Sakura das Gerät rüber gab. Mit schnellen Fingern tippte sie, wartete kurz und drehte den Bildschirm dann auf dem Schreibtisch in Richtung der anderen.

„Die Fotos meiner Schwester aus Afrika. Du wolltest sie doch unbedingt sehen. Hier." Sakura drückte immer wieder auf eine Taste, sodass das nächste Bild gezeigt wurde. Sasuke biss sich auf die Lippe. Sakuras Schwester war... Shizune? Warum?! Was für ein beschissener Zufall. Obwohl Sasuke kein Problem mit Shizune hatte, uns sie hoffentlich auch nicht mit ihm, auch wenn sie und Itachi nicht mehr zusammen waren, fühlte Sasuke sich unwohl. Er wollte diese Bilder nicht mit der kleinen Schwester Shizunes sehen, er wollte sie gar nicht sehen. Sasuke wollte sich aber auch nicht unnormal verhalten und nicht unhöflich sein, deswegen schaute er sich die Bilder weiter an.

„Wirklich schöne Fotos. Wie geht es Shizune eigentlich?", fragte die höfliche Hinata und lächelte.

„Nicht so gut", antwortete Sakura ehrlich. Sie seufzte und schloss das Fenster, als das letzte Foto gezeigt war.

„Warum?" Naruto legte den Arm um seine Freundin und fuhr mit der anderen einmal kurz durch Hinatas langes, dunkles Haar.

„Sei doch nicht so neugierig, Naruto", meinte Sai und zog Sakura noch ein Stück an sich ran. Er war ihr Freund, der hatte sie vor solchen blöden Fragen zu beschützen. Selbst wenn sie von ihrem besten Freund kamen.

„Das ist schon okay, Sai", sagte sie aber dann. „Shizune kennt Naruto schon, als der gerade richtig sprechen konnte. Nun ja, oder jedenfalls so sprechen, wie er es heute tut." Sie lachte, obwohl Sasuke genau wusste, dass die Gegebenheit, warum es Shizune schlecht ging, keine Lappalie war.

„Du bist fies, Sakura." Naruto zog eine Fluppe, über die sogar der faule Shikamaru grinste. Der hatte, nachdem das letzte Bild gezeigt war, die Augen geschlossen gehalten und die Arme hinterm Kopf verschränkt gehabt. Sasuke hatte schon geglaubt, er wäre eingeschlafen.

„Na ja", sagte Sakura dann nach einer Weile, als keiner mehr kicherte oder grinste, „Itachi hat Schluss gemacht. Ich meine, ich kenne ihn zwar schon länger durch Shizune, aber eben nur flüchtig, doch... er muss richtig mies gewesen sein. Meine Schwester hat nicht viel erzählt, aber sie ist echt fertig, die Arme."
 

Was Sasuke wusste, aber die anderen nicht, war dass es Itachi ebenfalls mies gegangen war. Er hatte wirklich traurig gewirkt, es war ihm nahe gegangen, dass es so zwischen ihm und Shizune geendet hatte und Sasuke wusste, dass Itachi Shizune wirklich gerne mochte. Aber er liebte sie wohl nicht. Sasuke kannte sich mit Liebe nicht besonders aus. Vor allem nicht mit einer solchen Art von Liebe, aber er wusste, dass Itachi nicht einfach so einen Menschen aus seinem Leben strich. Er hatte Shizune wahrscheinlich auch nicht aus seinem Leben verbannen wollen, er hatte nur Schluss gemacht. Natürlich, Sasuke glaubte, dass auch das schrecklich sein musste, aber auch Itachi hatte gelitten. Diese Jugendlichen sollen sich kein Urteil bilden. Sie kannten Itachi kaum. Das hatte Sakura selbst gesagt. Sie sollten beide Seiten hören, bevor sie über Itachi und seine Worte urteilten. Aber all das würde Sasuke nie sagen, egal wie sehr er Itachi mochte. Er war noch nicht so weit, den Älteren vor Leuten, die seine Freunde werden konnten, in Schutz zu nehmen.

„Du kennst den auch, ne Sasuke?" Er spürte Narutos Blick auf sich. Klar, kannte er Itachi. Und Naruto wusste das auch, auch wenn er nicht wusste, dass er bei ihm lebte. Naruto glaubte wahrscheinlich, er wohnte bei seiner Mutter und Sasuke sprach nicht dagegen. Gerade jetzt tat er es nicht, weswegen er überlegte, ob er nicht einfach nur sagen sollte, dass er Itachi eigentlich nur flüchtig kannte, doch da sprach auch der sonst selbst zum sprechen zu faule Shikamaru: „Wir alle kennen den, Blödmann."

„Ja." Jetzt lachte Sakura wieder. „Ino hat uns ja lange genug von dem vorgeschwärmt und dir sogar das Parfüm aufgezwungen. Egal, auch wenn du so ein blöder Faulsack bist, hat sie mit dir einen besseren Fang gemacht."
 

~~
 

Er wusste, dass es wichtig war. Itachi hatte ihm das zur Genüge eingetrichtert. Und er hatte es ja auch davor schon gewusst. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Itachi einen Termin für ihn machte. Eine Frage der Zeit, denn Zeit hatte es gebraucht, bis Sasuke in alle nötigen Versicherungen Itachis eingeschrieben war. Jetzt, wo auch Itachis private Krankenversicherung für Sasuke galt, hatte Itachi sich bemüht, so schnell wie möglich, einen Termin für Sasuke zu bekommen und den hatte er nun, drei Wochen nach seinem ersten Besuch bei Naruto.

Sasuke war schon so lange nicht mehr beim Arzt gewesen. Das letzte Mal war kurz vor dem Tode seines Vaters gewesen. Er hatte zum Kinderarzt gemusst, eine einfache Routineuntersuchung, viel einfacher noch, als die Routineuntersuchung, die er heute über sich ergehen lassen sollte.

„Bereit?" Itachi saß auf dem Fahrersitz, die eine Hand noch am Lenkrad, obwohl der Wagen schon vor der Praxis parkte. Sasuke schaute auf die Fußmatte vor dem Beifahrersitz. Er war nicht bereit. War alles andere als das. Aber er wusste, dass Itachi ihn nicht würde kneifen lassen. Es ging um seine Gesundheit, das war wichtig hatte Itachi klar gestellt.

Sasuke lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze des Sitzes und umklammerte seine Unterlippe mit den Zähnen. Seine Lippen waren nicht mehr so rau, nicht mehr so kaputt gebissen, aber manchmal fanden seine Zähne immer noch wie von selbst ihren Weg dazu, die Lippe zu bearbeiten, genauso wie er noch nicht komplett mit dem Nägelkauen hatte aufhören können.
 

Sasuke stieß die Luft durch die Nase aus und schüttelte sachte den Kopf. Er war nicht bereit, aber...

„Aber es ist wichtig, nicht wahr?", sagte er, öffnete die Tür auf seiner Seite und stieg mit einem Ruck auf. Er wartete, bis Itachi das Auto per Funk abgeschlossen hatte und neben ihm auf den Bürgersteig trat. Gemeinsam gingen sie in das Gesundheitszentrum, ein an der Frontseite gläsernes Gebäude und fuhren mit dem Aufzug, der ebenfalls Glaswände besaß, hinauf in den zweiten Stock, wo der Allgemeinmediziner, Itachis Hausarzt, seine Praxis hatte. Itachi mochte diese Praxis, von all jenen, in denen er je Patient gewesen war, am liebsten. Hatte man einen Termin, musste man kaum Zeit im Wartezimmer verbringen, ob nun Privat- oder Kassenpatient. So saßen auch er und Sasuke nur wenige Minuten im Wartezimmer auf blauen, gepolsterten Stühlen, bevor Sasukes Name aufgerufen wurde. Itachi blieb zunächst sitzen, sah wie Sasuke unsicher aufstand und zu ihm schaute. Itachi hatte nicht gewusst, ob Sasuke wollte, dass er mitkam. Er hatte es in Betracht gezogen, auch wenn es für einen Jungen in Sasukes Alter ungewöhnlich war, aber für Sasuke eben nicht, denn Sasuke war erst auf dem Weg dahin, ein normaler Jugendlicher zu werden.

„Soll ich mitkommen?", fragte Itachi daher und erntete nur ein sachtes Nicken seitens des Jüngeren, woraufhin er aufstand und hinter Sasuke in den Flur trat, wo die Arzthelferin ihnen einen Behandlungsraum zuwies.
 

Auch im Behandlungsraum musste Sasuke nicht lange warten, bis der junge, rothaarige Arzt den Raum betrat. Er schüttelte Itachi locker die Hand, sie wechselten ein paar Worte, so wie Sasuke gelernt hatte, gute Bekannte, eben ein paar Worte bei der Begrüßung wechselten und dann kam der Arzt zu ihm, reichte auch ihm die Hand und stelle sich als Sasori Akasuna vor. Sasuke nannte auch seinen Namen, obwohl der Arzt ihn durch das Telefonat mit Itachi sicherlich schon wusste, aber so erschien es ihm am höflichsten. Nachdem der Arzt sich vergewissert hatte, dass er Sasuke noch duzen dürfe, fing der mit seinen Fragen an:

„In Ordnung. Ich bräuchte erstmal noch ein paar Informationen für deine Akte. Dein Geburtsdatum?"

„23. Juli. 1994."

„Adresse?"

Sasuke nannte die Adresse, woraufhin Itachi einfiel: „Ach ja, die können Sie bei mir auch ändern."

Der Arzt nickte, notierte die Adresse und die Information seitens Itachi, erhob sich dann, ging zu einem an der Wand angebrachten Maßband und bat Sasuke sich gerade davor zu stellen.

„1.65 Meter, nun gut, dein Wachstum ist noch nicht abgeschlossen, daher ist das nicht weiter besorgniserregend, sofern keine Mangelerkrankungen Ursache dafür sind, aber das werden wir durch ein Blutbild mit Leichtigkeit feststellen können. Könntest du dich bitte auf die Waage stellen?" Der Arzt notierte Sasukes Größe in seiner Akte und danach sein Gewicht. Mit 46,2 Kilo hatte er eindeutig Untergewicht, das sagte der Arzt ihm und riet ihm dennoch, keinesfalls nun reinzuhauen wie ein Scheunendrescher, sondern gesund und mit kohlenhydathaltigen Lebensmitteln langsam aber stetig versuchen sollte, sein Gewicht auf die Norm zu bringen.
 

Nachdem der Arzt auch dies in seiner Akte notiert hatte, bat er Sasuke sich auf die Liege zu setzten und seinen Pullover, samt Shirt, auszuziehen. Mit einem unsicheren Blick in Richtung Itachi, zog Sasuke den Pullover über den Knopf, ehe er sein T-Shirt aus die gleiche Weise neben sich legte. Die ganze Zeit, während der junge Arzt ihn mit einem Stethoskop abhörte und ihm sagte, wann er ein und ausatmen und husten sollte, lag Sasukes Blick auf Itachi.

Es war nicht schön, nein. Er mochte es nicht, dass dieser Mann, und sei es auch nur seines Berufes halber, seinen nackten Rücken anfasste, aber er konnte sich dagegen nicht wehren. Er wusste, dass es wichtig war. Dennoch konnte er seinen Blick nicht von Itachi lösen und freute sich seinerseits dass dessen Augenmerk auch auf ihm lag. Unter Itachis Blick fühlte er sich sicher. Er wusste dann, dass niemand ihm etwas zu Leide tun konnte, den Itachi würde das nicht zulassen. Sasuke atmete, dieses Mal nicht vom Arzt angeordnet, aber auch nicht verhindern könnend, tief durch. Er hatte gedacht, er würde nervöser sein, mehr zögern, wenn er sich ausziehen sollte, aber es ging. Er hatte wohl in den letzten Wochen doch mehr an Stärke gewonnen, als er geglaubt hatte.
 

Der Arzt bat ihn, wieder das T-Shirt überzuziehen, aber den Pullover noch aus zu lassen, als er sich an einer Schublade zu schaffen machte und mit einigen Gerätschaften zurück kam. Er nahm Sasukes Arm in seine Hand und befestigte ein dunkelblaues Elastikband etwa eine Hand breit über Sasukes Ellenbeuge. Er fuhr mit einem Tuch über Sasukes Ellenbeuge, dort wo er eine gute Vene gefunden hatte, bevor er mit einer Nadel, an deren Ende eine Vakuumkanüle befestigt war sein Blut abnahm, nachdem er die Stauung wieder gelöst hatte. Sasuke spürte einen leichten Schmerz, aber den konnte er gut ignorieren. Es war nichts im Vergleich zu dem, was Kabuto schon alles mit ihm angestellt hatte. Dennoch war er froh, als der Arzt die Nadel wieder entfernte und einen Tupfer auf die kleine Einstichwunde drückte.

„Fest draufdrücken bitte, ich sage wann du loslassen kannst", wies der Arzt ihn an. Sasuke tat es, drückte den Tupfer gegen seine Ellenbeuge und schaute dem Rothaarigen, wie er die Nadel und die mit seinem Blut gefüllte Kanüle in verschiedene Behälter gab und zu ihm zurück kam. Es vergingen noch ein paar Sekunden, vielleicht eine Minute, ehe der Arzt Sasuke bat, den Tupfer loszulassen. Mit einem geübten Handgriff befestigte er ein kleines Pflaster und schmiss den Tupfer in einem Mülleimer.
 

Der Mediziner trat einen Schritt zurück und schaute zu Itachi.

„Ich werde, wie sie es gewünscht haben Herr Uchiha, aus einem Teil des Blutes ein großes Blutbild erstellen und die andere Hälfte in ein Labor schicken."

„Ja", antwortete Itachi. Er hatte Sasuke gesagt, warum er einen Teil seines Blutes ins Labor schicken lassen wollte, er hatte ihm gesagt, dass er sicher gehen wollte, dass Sasuke nicht HIV-positiv war. Manche würden vielleicht sagen, er übertreibe, warum sollte Sasuke sich mit HIV angesteckt haben, aber fand gar nicht, dass er übertrieb. Niemand von ihnen beiden wusste, ob Kabuto nicht krank war und ob nicht einer der Männer, die Sasuke auf der Straße mit Sex hatten bezahlen lassen, krank waren. Itachi wollte einfach nur sicher gehen und wenn Sasuke krank wäre, wäre es schrecklich, aber dann könnten sie wenigstens das Ausbrechen der eigentlichen Krankheit, nämlich AIDS, mit Medikamenten rauszögern.

Sasuke hatte dazu nicht viel gesagt. Itachi verstand das. Kein Fünfzehnjährige sollte sich mit dem Gedanken an eine eigene Ansteckung von HIV auseinandersetzten müssen, kein Jugendliche in Sasukes Alter sollte einen solchen Test machen lassen müssen, aber Itachi wollte sicher gehen und in drei bis vier Tagen - dass wusste Itachi und das sagte ihm Sasori Akasuna auch noch einmal - hatten sie dann Gewissheit.
 

~~
 

Düster lag der Korridor vor ihm. Er sah nach links und sah nach rechts, der Korridor schien ewig lang und so leer. Aber hier irgendwo musste sein Daddy sein. Und seine Mommy auch. Die ließen ihn nicht alleine. Schon gar nicht hier. An einem Ort, den er nicht kannte und den er vom ersten Augenblick an fürchtete. Er wollte nicht rennen, hatte Angst sich zu verirren, obwohl der Weg nur nach vorn gingen oder zurück. Es gab keine Abzweigungen, keine verkehrten Wege, nur diesen einen langen Gang und viele, viele Türen, die sich von außen nicht öffnen ließen. Er probierte es gar nicht erst. Er wusste das. So war das nun mal in Träumen.

Aber er rannte, weil er auch nicht stehen bleiben wollte. Er wusste - auch wieder weil es ein Träum war, nicht weil er es wirklich wissen konnte - dass er sich bewegen musste, um jemanden zu finden. Also lief er.
 

Vorwärts und Vorwärts. Glockenspiel. Winde weh'n.
 

Die Tür flog auf. Die Erste. Daddys Tür. Seine ganze Gestalt leuchtete im Anbetracht der Dunkelheit. Sein Atem war wie das Wehen der Winde eines lauen Herbsttages und seine Stimme wie ein Glockenspiel.

„Sasuke, Sasuke.“ Sasuke lief, er riss die kleinen Händchen nach oben um nach seinem Daddy zu langen, aber sein Daddy, der war nur gleißendes Licht. Die Konturen der Gestalt verschwammen vor seinen Augen, sie lösten sich auf. Pixel um Pixel. Faser für Faser. Lichtschein um Lichtschein.

Und Sasuke schrie.

„Daddy!“, schrie er. Schritt nach vorne, trommelte gegen die geschlossene Tür und hörte nicht auf nach seinem Daddy zu rufen.

Doch dann lief er wieder.
 

Vorwärts und Vorwärts. Rosenduft. Große Kluft.
 

Die Tür flog auf. Die Zweite. Mommys Tür. Ihre ganze Gestalt leuchtete im Anbetracht der Dunkelheit. Ihn umfing der Rosenduft ihrer Haare. Rosenduft überall. Ihre Stimme roch nach Blüten und stach wie Dornen. Dornen auf bleiche, bleiche Kinderhaut.

„Sasuke, Sasuke.“ Sasuke ging, ging paar Schritte, Mommys leuchtendes Antlitz in Sicht. Ein Ruck. Er konnte nicht weiter. Konnte nicht, konnte nicht. Eine große Luft vor seinen Füßen, zwischen ihm und Mommy. Einer Mommy die sich auflöste, wie Daddy zuvor. Denn auch sie war nur gleißendes Licht. Die Konturen der Gestalt verschwammen vor seinen Augen, sie lösten sich auf. Rosenblüte um Rosenblüte. Steinchen um Steinchen. Lichtschein um Lichtschein.

„Mommy!“, schrie er. Und noch mal und noch mal. Das durfte sie nicht. Sie dufte nicht!

Doch dann lief er wieder.
 

Vorwärts und Vorwärts. Schutzheiliger. So verweile hier.
 

Die Tür flog auf. Die Dritte. Itachis Tür. Itachi... Itachi... Itachi...

Bitte nicht. Bleib hier, bleib hier. Geh nicht fort. Nicht wie Daddy. Nicht wie Mommy.

Seine Gestalt leuchtete, glänzte, schimmerte im Anbetracht der Dunkelheit, der Einsamkeit.

„Sasuke.“ Itachis Stimme war ein Hauch. Es war sein Gebet. Itachi war sein Schutzheiliger.
 

Sasuke wusste es, tief drinnen wusste er es, wenn er ging - nur einen Schritt - dann verschwand Itachi. Dann war er allein. Allein, allein, allein...

In diesem Korridor, auf dieser Erde, hier...

Doch er konnte nicht anders. Er taumelte vorwärts und sobald sein Fuß den Grund berührte, begann Itachi sich aufzulösen. Sein Schutzheiliger.

Nein... Nein... Bitte nicht. Nicht.

So verweile hier.

Bitte... bitte geh nicht.
 

Und Sasuke schrie.

„Itachi“, schrie er. Doch Itachi war nicht mehr da. Sein Schutzheiliger war fort und überall in dieser Düsternis war Blut. Rotes Blut. Blut, rot wie Mohnblumen und rot wie Wein.

Seine Knie sackten weg, er glitt zu Boden, mit dem Gesicht in die Pfütze. Es war so nass und kalt. Blutpfütze.

Ihm war kalt... er war so allein.
 

Beruhig dich, beruhig dich, sagte er sich, noch ehe er die Augen aufriss. Aber was brachte das schon? Sein Herz klopfte im Stakkato, sein Atem kam stoßend und er wusste nicht, ob er mit einem Schrei auf den Lippen wach geworden war.

Es war nur ein Alptraum. Nur in Alptraum. Es war nichts weiter. Sein Kopf spielte ihm einen Streich mit diesen Vorstellungen, wenn gleich sie doch im Kern der Wirklichkeit entsprachen.

Sein Vater war Tod. Er war für immer fort. Er hatte sogar Glockenspiele geliebt!

Seine Mutter war noch am Leben, doch sie war unerreichbar und eigentlich, so hatte er es damals mal in seinen Gedanken ausgedrückt, war seine Mutter an dem Tag gestorben, an welchem auch sein Vater starb. Vorher hatte sie gerne bei den Rosen gestanden und sie hatte immer nach Rosen geduftet. Vorher.
 

Doch... Itachi! Itachi war noch hier. Er war hier, ... oder etwas nicht? Er war vorhin ins Bett gegangen, dass wusste Sasuke. Er hatte ihn noch die Tür reingehen sehen. Und Itachi würde nicht einfach wortlos verschwinden. Vor nicht mehr als zwei Monaten hatte Itachi darum gekämpft das Sorgerecht für ihn zu bekommen und er hatte es bekommen. Da würde er doch jetzt nicht einfach so gehen. Völliger Unsinn.

Aber... sein Vater hatte auch versprochen, immer für ihn da zu sein und dann war er gestorben, noch ehe Sasuke ein Mann wurde. Gegen den Tod war jeder Mensch machtlos.

Was wenn.... - Sasuke wollte es gar nicht denken, wollte die Worte schon Lügen schimpfen, bevor er sie wirklich dachte - was wenn Itachi im Schlaf...?

Nein... Nein... Bitte nicht. Nicht.

Bitte... lass es nicht geschehen sein.
 

Sasuke schwang die Beine aus dem Bett, taumelte mehr, als das er vorwärts ging. Er hielt ich mit einer Hand an der Flurwand fest, während er zu Itachis Zimmertür schritt. So leise wie es ihm nur irgendwie möglich war, drückte er die Klinke hinunter und trat in den Raum hinein. Es war Vollmond. Das Licht von selbigem leuchtete durch die Ritzen der Jalousie auf Itachis blasses Gesicht. Sasuke musste einfach herkommen. Sehen, dass Itachi da war, dass er atmete, lebte.

Itachi hatte ihn nicht zurückgelassen. Er war weder einfach so abgehauen noch war er ohne einen Mucks gestorben. Sasuke hätte es sich nie verzeihen können, wenn er im Nebenzimmer gelegen hätte und nicht mitbekommen hätte, dass Itachis Lebensgeister nicht mehr existierten. Er wäre daran zugrunde gegangen. Nicht, weil es dann keinen mehr gegeben hätte, der sich um ihn kümmerte - schon das wäre schrecklich - aber noch viel, viel mehr, weil er sich dafür gehasst hätte, dass Itachi starb, ohne dass er etwas dagegen tun konnte und auch, weil er nie wieder einem Menschen hätte in die Augen sehen können. Er war schon nicht bei dem Tode seines Vaters dabei gewesen und - manchmal glaubte er das wirklich - dafür ausreichend bestraft worden. Vielleicht, dachte er, wäre es nur gerecht, wenn er nun auch noch diese schlimmer Krankheit hätte - wenn er wirklich HIV-positiv wäre - denn sein Vater war einer ebenso schlimmen Krankheit gestorben - an einem Gehirntumor. Aber wäre das nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn? Eine Rache der Welt und all ihrer Geister? Sasuke hatte, in Wirklichkeit, riesige Angst davor HIV-positiv zu sein. Diese Angst war fast genauso groß, wie jene Itachi zu verlieren.
 

Itachis Augenlider flackerten, ohne dass Sasuke das wahrnahm. Er hatte noch nicht lange geschlafen, hatte lange wach gelegen und über Dinge nachgedacht. Wichtige Dinge, unsinnige Dinge, alles mögliche; manchmal hatte er das, dann lag er lange wach und dachte nach. Heute war einer dieser Tage.

Und er hatte, in seinem seichten Schlaf, gespürt, dass jemand in seinem Zimmer war. Irgendwie hatte er Sasukes Präsenz in seinem Unterbewusstsein bemerkt, dennoch war er überrascht, als er die Augen aufschlug und Sasuke wirklich nahe der Tür, mit den Händen in den Taschen seiner Schlafhose, stehend sah. Itachi griff, sich aufsetzend, zur Nachttischlampe neben seinem Bett und sah wie sein Zimmer in ein warmes, keineswegs grelles Licht getunkt wurde.

„Was iss‘n los, Sasuke?“, wollte Itachi schlaftrunken wissen. Er fuhr sich über das Gesicht und schob seine offenen Haare nach hinten. Er hoffte er klang nicht abweisend, denn Sasuke stand sicherlich nicht ohne Grund mitten in der Nacht in seinem Zimmer ohne angeklopft zu haben und ohne ihn zu wecken.
 

Sasuke biss sich auf die Lippe. Er konnte doch jetzt nicht einfach von seinem Traum und von seinen Ängsten erzählen. Wie lächerlich war denn dass! Itachi würde ihn auslachen! Gut, würde Itachi natürlich nicht, aber jeder andere würde es. Sasuke merkte es gar nicht, sein Körper reagierte von selbst und zuckte mit den Schultern. Er war kurz davor sich auch noch zu entschuldigen, als Itachis Stimme leise, aber viel weniger schlaftrunken als zuvor noch ertönte.

„Komm mal her zu mir“, sagte er und klopfte neben sich auf die Matratze. Sasukes Füße setzten sich von selbst in Bewegung, fast so wie in seinem Traum, doch als er vor dem Bett stand, verschwand Itachi nicht. Er löste sich nicht auf. Stattdessen konnte Sasuke sich auf die Bettkante setzten. Er spürte Itachis sorgenvollen Blick auf sich und senkte seinen zu Boden. Er wollte Itachi keinen Ärger machen. Und auch keine Sorgen.
 

„Magst nicht erzählen, warum du in mein Zimmer gekommen bist?“, wollte Itachi wissen und schaute Sasuke an. Die Hände hatte er immer noch in den Hosentaschen und sein Gesicht war dem Boden zugewandt. Sasukes Haarsträhnen verhinderten, dass Itachi ihm in selbiges schauen konnte. Itachi schaute auf Sasukes Rücken. Der Junge trug ein hellgraues Shirt zum Schlafen heute Nacht, aber dieses Shirt war an vielen Stellen beinahe schwarz. Warum war Sasukes Oberteil nass? Itachi fragte sich ob irgendwas geschehen war, aber was sollte passiert sein? Waren die Flecken vielleicht gar nicht von Wasser sondern von Schweiß? Aber warum sollte Sasuke so arg schwitzen, dass sein Shirt so klatschnass am Rücken klebte?
 

Sasuke seufzte. Es schlich sich ein so seltener Ausdruck auf sein Gesicht. Er hatte etwas störrisches, selbstironisches an sich und wirkte gleichzeitig so verzweifelt, aber die Haare verdeckten immer noch Itachis Sicht auf Sasukes Miene.

„Es ist einfach nur kindisch, entschuldige“, sagte Sasuke und jetzt hörte Itachi genau dass, was auch in Sasukes Gesicht geschrieben stand.

„Was soll kindisch sein?“, fragte Itachi einfühlsam. Er wollte Sasuke eine Hand auf den Rücken legen, glaubte aber dass es bei dem nassen Shirt eher unangenehm sein musste als sonst was. Deswegen ließ er es und wartete auf Sasukes Antwort, die auch schon bald, leise und schon nicht mehr im selben Ton wie die vorherigen Worte, kam.

„Hab nur schlecht geträumt.“
 

Itachi atmete beruhigt durch, ohne dass er Sasuke dies bemerken ließ und schüttelte leicht den Kopf. Er hatte wirklich schon gedacht, es wäre etwas wirklich schlimmes geschehen. Etwas reales. Ein Alptraum war natürlich auch schlimm, sehr schlimm sogar, aber es war etwas, mit dem sie gemeinsam fertig werden konnten. Es war nichts, dass sie nicht meistern konnten. Sie hatten schon einmal einen gemeistert. Und den Kopf schüttelte er, weil diese Sache gar kein bisschen kindisch war. Sasuke hatte schlecht geträumt, also war es völlig in Ordnung, dass er zu ihm kam. Absolut in Ordnung.

Und jetzt war sich Itachi auch sicher, dass die Nässe auf Sasukes Oberteil kein Wasser sondern Schweiß war. Es musste für Sasuke doch auch unangenehm sein. Deswegen schob Itachi seine Bettdecke zur Seite und wollte gerade aufstehen, als er Sasukes Hand an seinem Gelenk spürte. Warum wollte er ihn denn nicht gehen lassen? Er hatte doch nur vor, dem Jungen ein Oberteil von sich zu geben, weil seines nass war.

„Was ist denn nur los?“, fragte er mit sorgenvoller Stimme und setzte sich wieder in seine alte Position zurück. Er spürte wie Sasuke sein Handgelenk zögerlich wieder losließ und sah wie seine Finger auf dem Bettlaken zu liegen kamen. Statt ruhig dort zu liegen, spielten sie nervös mit einer kleinen Falte im Laken. Was hatte der Junge nur geträumt, dass er so durch den Wind war?
 

„Ich hab schlecht geträumt“, sagte Sasuke erneut, ganz so als gäbe es keine andere Erklärung. Als gäbe es nicht mehr zu sagen.

„Nur was denn, Sasuke. Was hast du geträumt, dass du mich jetzt nicht mal zum Schrank gehen lassen kannst, um dir ein neues Oberteil zu besorgen.“

Sasuke zuckte erneut unbewusst mit den Schultern, seine Finger hörten nicht auf an der Falte im Bettlaken zu fummeln. So war das nicht geplant gewesen! Er hatte nur nach Itachi sehen wollen, nur sicher sein wollen, dass Itachi da war, dass er lebte, aber er hatte nicht reden wollen. Er hatte sich doch nicht zum Affen machen wollen...

Diese Situation hier hatte er nicht gewollt, dennoch verließen die Worte seinen Mund wie von selber: „Du wart halt einfach weg und... da war Blut und... ja...“

Itachi machte einen beruhigenden Laut und legte seine Hand auf die Sasukes, die nicht aufhörte, an seinem Laken rumzufuchteln. Das machte Itachi nervös!

„Du musst keine Angst haben. Ich bin doch da und wir beide sind gesund, da ist nirgendwo Blut.“ Doch dann schallte er sich einen Lügner. Er wusste nicht, ob Sasuke gesund war. Er wusste es einfach nicht. Und augenblicklich hatte sogar er Panik, nur einen kurzen Moment lang. Sein Griff um Sasukes Hand verfestigte sich für ein paar Sekunden. Bitte lass es nicht so sein, flehte er. Bitte lass Sasukes Unterbewusstsein nicht Dinge wissen, die sie noch nicht wussten. Bitte - er sprach beinahe ein Gebet - lass Sasuke nicht mit HIV infiziert sein, bitte. Und als hätte irgendjemand sein Gebet gehört, beruhigte er sich. Er atmete tief durch und schaute Sasuke an, dessen Blick noch immer zu Boden gesenkt war.
 

„Hast du große Angst vor dem Testergebnis?“, fragte er, „Ist es deswegen?“

Und da blickte Sasuke hoch. Ein Ausdruck lag in seinem Gesicht, den Itachi nicht beschreiben konnte. Er spürte Sasukes Hand unter seine, wie sie sich anspannte und hörte Sasukes Stimme, die ihm eine Schauer über den Rücken jagte: „Klar, hab ich Angst, aber darum geht‘s nicht. Es ging um dich...“ Itachi schaute Sasuke in die Augen, er sah das Leben in ihnen, sprühende Funken.

„Ich hatte einfach eine Scheißangst, dass dir was passiert ist!“
 

Itachi war sich durchaus seiner Sterblichkeit bewusst. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod, an eine zweite Chance nach dem Ende. In diesem Sinne würde er sagen er war ein Realist. Aber dennoch erschien ihm sein eigener Tod so unheimlich weit fort. Er war nicht greifbar und diese Tatsache empfand Itachi als gut, auch wenn sie vielleicht falsch war, denn sterben konnte man immer. Babys starben, alte Leute starben. Wie konnte er Sasuke dann versprechen nicht zu sterben. Wie konnte er ihm versprechen, dass ihm nichts geschehen würde, lange, lange Zeit nicht. Er konnte es nicht. Aber wie sollte er diesen Jungen dann trösten?

Itachi legte seine freie Hand auf Sasukes Schulter und nickte.

„Nun... heute ist mir nichts passiert. Mir geht's gut. Ich bin nicht krank, ich bin nicht in Gefahr." Itachi wusste nicht, ob es richtig war, was er zu Sasuke sagte, aber er wusste schlicht nichts anderes zu sagen. Er ließ, dieses Mal, voll und ganz sein Herz entscheiden. Deswegen griffen Itachis Hände auch vorsichtig an den Saum von Sasukes Shirt. Er achtete bewusst auf Sasuke. Auf die Reaktion seines Körpers, doch es kam nichts, was ihn davon abhielt, das geplante durchzuführen. Deswegen hob er das Oberteil an und zog es vorsichtig über Sasukes Kopf. Den feuchten Stoff, schmiss er neben seinem Bett zu Boden. Während er mit einer Hand an die Kommode langte, die er von hier erreichen konnte, sprach er mit Sasuke.

„Ich kann dir nicht versprechen, dass mir nichts passiert. Jeder... stirbt irgendwann. Aber es sieht nicht danach aus, als würde es sehr bald bei mir sein, hm? Ich passe auf mich auf. Ich habe eine Verpflichtung." Das stimmte. Er achtete auf sich. Er fuhr kein Motorrad mehr, seit Sasuke bei ihm wohnte. Er überlegte sogar seine Maschine zu verkaufen, denn was sollte sie hier unbenutzt rum stehen? Das war doch sinnlos.
 

Itachi fuhr mit dem weißen Frottehandtuch, das er aus der Kommode gezogen hatte über Sasuke leicht feuchten Rücken, seine Schultern und über die Oberarme. Er war sanft, wollte den Jungen nicht verängstigen und anscheinend nahm Sasuke die ganze Sache gar nicht so sehr war, dass er überhaupt verängstigt sein konnte. Sasuke saß still da, lauschte seinen Worten - Itachi war sich sicher, dass sie alle bei Sasuke ankamen, sonst würde er gar nicht sprechen.

„Das Letzte, was ich will, ist jetzt zu sterben, wo ich endlich genau das tu, was ich tun will. Ich kann mich um dich kümmern. Ich werde gebraucht." Und er hätte nie gedacht das sich das so großartig anfühlen würde, gebraucht zu werden. Er hatte nie für jemanden verantwortlich sein wollen, aber bei Sasuke... war es genau das was er wollte. Itachi trocknete mit dem Handtuch sanft Sasukes Haare, die auch ein wenig feucht vom Schwitzen waren. Sasuke ließ es sich ruhig gefallen und irgendwann dann lehnte er sich sogar nach hinten gegen Itachis Brustkorb, obwohl sein eigener Oberkörper nackt war.
 

„Magst du hier bleiben?" Itachis Stimme war sanft, beinahe hätte er sogar seine Arme um Sasuke gelehnt, der so vertrauenswürdig an ihn gelehnt da saß. Er spürte aber nur das Nicken Sasukes, ehe er zusehen konnte, wie Sasuke sich auf die freie Seite des Bettes legte und die Decke mehr schlecht als recht bis zur Hüfte zog. Itachi lächelte leicht. Ihn freute dieses Vertrauen, ihn freute es, dass Sasuke das tat, was dazu beitrug, dass es ihm gut ging. Das war wichtig. Sasuke achtete auf das was sein Körper und was sein Inneres ihm sagte und er begann danach zu Handeln. All das sah Itachi als gute Zeichen. Er schmiss dass Handtuch zu Sasukes feuchtem Shirt auf dem Boden - dass konnte er später wegräumen.

Itachi legte sich auf seine Seite des Bettes, deckte sich auch zu und schaute Sasuke an, der mit dem Rücken zu ihm lag. Sein Körper erschien Itachi sehr nah, aber das war schon okay so, solange es für Sasuke okay war.

„Meinst du das ernst?", hörte er Sasuke leise Stimme. Stimmchen, schoss es ihm beinahe durch den Kopf, obwohl es vor wenigen Minuten noch alles andere als das gewesen war. Auch wenn es Sasuke heute Nacht wieder schlecht ging, fand Itachi, dass sie Fortschritte machten. Sie waren so ehrlich miteinander. So Aufrichtig.

„Was?", wollte Itachi wissen.

„Alles", meinte Sasuke. Er meinte die Dinge, die Itachi gesagt hatte. Wollte wissen, ob er wirklich das war, was Itachi wollte. Ob er es wirklich so war, dass Itachi glücklich war mit ihm, mit der Tatsache, dass er sich um Sasuke kümmerte. Das Sasuke ihn brauchte. Und... das Itachi wegen ihm noch umsichtiger mit seinem Leben sein wollte.

„Ja", antwortete Itachi und zog Sasukes Decke, in einer Geste der Fürsorge, ein Stück höher. Er hatte alles, was er zuvor gesagt hatte, so gemeint. Der Uchiha hob seine Hand, fuhr Sasuke durch das dunkle Haar und schloss einen Moment lang die Augen. „Du bist mir wichtig. Und ich werde dich stark machen. Das verspreche ich dir."
 

Sasuke wusste nicht genau, was Itachi meinte. Nicht völlig, aber er glaubte, er verstand es trotzdem irgendwie. Itachi wollte ihn nicht schwach zurücklassen, denn immer, immerzu, könnte Itachi etwas passieren. Sasuke musste sich nicht verrückt deswegen machen. Es war nur eine Wahrscheinlichkeit, es war kein Fakt und alles, alles könnte auch gut gehen. Sasuke sollte nicht vom Schlimmsten ausgehen. Er würde die Stärke besitzen, an das Beste zu glauben. Sein Vater war gestorben. Aber das hieß nicht, dass Itachi starb. Wahrscheinlich hatte Itachi noch ein langen Leben vor sich. Mit diesen Gedanken war es viel einfacher ruhig zu werden, stellte Sasuke fest.

„Danke", murmelte Sasuke und rutschte nur ein Stück näher zu Itachi, er tat es nicht bewusst, sein Körper handelte einfach von selber. Er mochte die Wärme, die von Itachi ausging. Die ließ ihn dann mit Sicherheit auch im Schlaf nicht daran zweifeln, dass Itachi da war. Dass ihm nicht einfach so, von hier auf gleich, war geschehen war. Diese Sicherheit brauchte Sasuke einfach heute Nacht.
 

Itachi spürte das, genauso wie er Sasukes Rücken beinahe gegen seine Brust und seinen Bauch zu spüren glaubte. Aber da war noch Decke zwischen ihnen und Itachis eigenes Oberteil. Und irgendwie erschien das falsch.

Genauso wie sich Sasukes Körper von selber bewegt hatte, tat es jetzt Itachis Arm, der sich unter den beiden Decken, über Sasukes Seite legte und ihn somit - irgendwie - umarmte. Itachi legte die Hand locker gegen Sasukes Bauch und stellte erleichtert fest, dass der Junge nicht zitterte, nichts dergleichen. Er vertraute ihm. Obwohl er hier mit nacktem Oberkörper lag, ließ er sich umarmen.

Dennoch, einen Moment lang, zweifelte Itachi. Wie konnte er das tun? Selbst wenn Sasukes Körper ihm nicht zeigte, dass es falsch war, war es das. Sasuke war schon so viel Böses widerfahren. Er hatte schon so viele grobe Hände auf seiner nackten Haut spüren müssen. Vielleicht hatte ihn sogar schon einmal ein Mann, mit anderen Absichten als Itachi sie hegte, so angefasst, wie er es gerade tat.

Aber wie konnte sich eine Sache, die so falsch sein sollte, so gut anfühlen?
 

~~
 

Drei Tage später fuhr Itachi nach der Arbeit mit Sasuke zur Arztpraxis. Sie mussten erneut nicht lange warten, bis sie den Raum - dieses Mal nicht in den Behandlungsraum sondern in einen mit Schreibtisch, einem Sessel dahinter und zweien davor - betreten konnten. Sie nahmen Platz und weil der Arzt ihre sorgenvollen Gesichter sah und weil ein Jugendlicher vor ihm saß, konnte er nicht anders, als zuerst, vor allem anderen, Entwarnung zu geben. Sasuke konnte unbesorgt sein. In seinem Blut hatte sich keinerlei Anzeichen des HI-Virus gezeigt. Sasuke hatte tief und erleichtert durchgeatmet, er hatte Itachi angesehen, in seinen Augen hatten Tränen gestanden, weil er so froh war, gesund zu sein. Er war so dankbar, dass er die Chance zu Leben hatte. Er war so dankbar, dass er gesund war.

Nun, ganz gesund war Sasuke dann doch nicht. Aber alles, was der Arzt ihnen sagte war nichts weltbewegendes, nichts das nicht mit leichtesten Mitteln behandelt werden konnte. Sasuke litt an Eisenmangel, aber der Arzt riet ihnen schlicht, Sasuke solle ein wenig mehr Fleisch essen, oder Nüsse und Bohnen und wenn auch das nicht half, sollten sie es mit Eisenpräparaten versuchen. Dazu könnten sie wohlmöglich auch einen Naturheilpraktiker zu Rate ziehen. Die hatten von so was meistens auch noch mehr Ahnung als Ärzte, gab Sosori zähneknirschend zu, und kannten gute Eisenpräparate.
 

Itachi war froh, dass er diese Ratschläge vom Arzt daheim noch einmal nachlesen konnte, denn in seinem Kopf war immer nur wieder die Information gewesen, dass Sasuke gesund war. Das Sasuke leben würde. Ohne Medikamente und ohne die Sorge, das je AIDS ausbrechen könnte. Itachi war dankbar, dass Sasukes Unterbewusstsein keine Dinge gewusst hatte, die sie noch nicht hatten wissen können, weil sie nicht wahr waren. Er war so dankbar, dass sein Gebet - das erste nach langen, langen Jahren, er hatte nicht mehr gebetet, seit er ein Kind war - erhört wurde.
 

to be continued

by Jess-



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Merylex
2011-08-11T22:49:43+00:00 12.08.2011 00:49
yay, ich sage nur liebe!
ich habe die Story erst gerade entdeckt, und ich finde sie fantastisch!
Gerade habe ich beide Teile regelrecht verschlungen und praktisch nicht mehr aufhören können zu lesen. Die Story beschäftigte mich ungemein, nicht nur weil es ein alternatives Univers, darstellt. Sondern weil du die Umstände und Situationen so toll beschreibst. Man litt regelrecht mit Itachi und Sasuke.
Besonders gut finde ich das z.B Fugaku auf die Lage aufmerksam gemacht werden muss, oder das die Grossmutter nicht Sasuke sieht, sondern nur ihre Schuldigkeit gegenüber ihren Kind.
Solche Sachen mag ich besonders, weil nicht immer alles super laufen kann und man überall anecken kann. Wo auch Lösungen länger Zeit brauchen, und Dinge anders laufen.
Süss wie die beiden sich annähern, ich hoffe Kabuto macht nicht alles kaputt, aber ein bisschen, er muss schliesslich noch versteckt werden. XD
Respekt für die Story, ich freue mich auf das nexte Kapi, vielleicht krieg ich ja einen ENS, lieb guck.
Von: abgemeldet
2011-08-11T17:21:44+00:00 11.08.2011 19:21
omg
dieses kapitel hatte jetzt aber echt viel spannung
ich bin noch total aufgekratzt
also erstmal: wieder geniales kapi
bin schon echt traurig, dass ich jetzt für zwei wochen nicht weiterlesen kann
hab mir dafür stay und catch ausgedruckt und die nehm ich dann halt so mit um mich über wasser zu halten ;D

glg
Sasuke
Von:  KleineBine
2011-08-11T15:33:13+00:00 11.08.2011 17:33
Gut das Sasu nicht HIV Positiv ist =3
Und ich finds schön das Sasu bei Itachi ohne weiter Probleme jetzt schalfen kann.

LG Bine
Von:  _sasuu
2011-08-11T13:37:03+00:00 11.08.2011 15:37
Wie wundervoll, das Sasuke kein Aids hat *__*
Er kann leben, ohne Medikamente~
Wundervolles kapitel, muss ich echt sagen.
Ich mag deine Fanfic's echt immer mehr :D


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