Zum Inhalt der Seite

Disruptive Factor

Never ever // Manabu x Jin - Kazuki x Manabu
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Regardless of Warnings

Die Zeit schien in meinem Kopf nicht mehr richtig weiterzugehen. Stattdessen legte sich die Selbstlosigkeit wie ein Schleier um mich, es war, als würde ich die Welt um mich herum nur noch verschwommen wahrnehmen.

Ein sehr schönes Gefühl, um ehrlich zu sein – ja, es war schön sich zu fühlen, als wäre alles in Ordnung. Gerade in Zeiten wo man weiß, dass absolut gar nichts in Ordnung ist, weiß man dieses Gefühl umso mehr zu schätzen.

Niemand konnte mich in diesem Moment fragen warum, wie, weshalb ich irgendetwas tat, denn das Gefühl, nichts Falsches zu tun, legte sich um mich wie eine sanfte Umarmung.

Wie eine Umarmung von Kazuki.
 

Vollkommen entspannt, beruhigt, nachdem ich weiß Gott wie lange mit meinen Tränen gekämpft hatte, lag ich, den Kopf und einen Arm auf Kazuki’s Schoß gebettet, da und dachte für diesen einen Moment einfach mal über absolut nichts nach.

Ich fragte mich nicht, warum um alles in der Welt ich am Schoß meines Ex-Freunds lag und mir von ihm den Nacken kraulen ließ.

Ich fragte mich nicht, wie es Jin im Moment ging, was er wohl machte.

Ich fragte mich nicht, ob zuhause Arbeit auf mich wartete, die ich in meinem momentanen mentalen Zustand sowieso nicht bewältigen würde.

Und ich fragte mich erst recht nicht, was die Zukunft mir nun auf dem nächsten Silbertablett vorbeitragen würde. Es war egal, ich würde sowieso nichts daran ändern können.
 

Wir hatten unser Gespräch fortgeführt, all das gesagt, was schon vor langer Zeit hätte gesagt werden sollen. All das gesagt, was uns beiden das Leben schwer gemacht hatte. Endlich alles losgeworden.

Ich fühlte mich so verdammt erleichtert, als wäre eine Wagenladung schwerer Steine endlich von meinen Schultern gefallen, und ich sah Kazuki an, dass es ihm kein bisschen anders ging.

Kazuki. Meine erste Liebe, die stark genug gewesen war, dass ich überhaupt nichts dagegen tun hätte können. Weil Liebe blind, hirnlos, abhängig – aber leider auch oft genug glücklich machte.

Ich hatte es immer gewusst, tief in meinem Inneren hatte ich mir stets ausgemalt, was passieren würde, wenn ich ihn irgendwann wiedersehen würde. Und eigentlich war ich immer wieder zu demselben Entschluss gekommen:

Dass ich ihm erneut verfallen würde. Weil ich einfach nicht anders konnte.

Weil meine Gefühle für diese Person viel stärker waren, als alles andere, stärker als mein Körper und Verstand.
 

„Mach keinen Scheiß, Manabu, okay?“

Yuuto’s Worte flogen mir durch den Kopf.

Doch ich ignorierte es. Ich wollte keine Warnungen hören, denn sie waren mir egal.
 

Ich hatte Kazuki nun eine ganze Weile nicht angesehen. Wir hatten beide nur geschwiegen. Er hatte vielleicht viel nachgedacht, ich allerdings nicht. Ich hatte meinen Kopf einfach nur für einen kurzen Zeitraum komplett abschalten wollen.

Eine Pause, die ich schon seit langem wirklich nötig hatte.

„Manabu?“

Ich antwortete nicht, stattdessen sah ich einfach zu ihm hinauf, um ihm zu zeigen, dass er meine Aufmerksamkeit hatte.

„Wie... geht es jetzt weiter...?“

Haha. Die Frage kam gerade eindeutig von der falschen Person. Sollte nicht eher ich derjenige sein, der genau diese Frage hätte stellen müssen?

Denn wenn ich wüsste, wie es jetzt verdammt noch mal weitergehen sollte, dann hätte ich keinen Grund mehr, ständig schlaflose Nächte voller seelischer Verzweiflung zu führen, aus Angst vor dem, was vor mir lag!

„Das fragst du mich?“

Er fixierte betreten einen imaginären Punkt am Fußboden.

„Ich... ich lasse dich nicht mehr gehen, Manabu. Das ist dir klar.“, so selbstbewusst Kazuki’s Stimme für gewöhnlich klang, wenn er solche Sätze von sich gab, so brüchig und unsicher wirkte er in diesem Moment. Verletzlich.

Er schien zu spüren, dass er mich an eine gefährliche Grenze trieb, an der ich sehr leicht auszucken und einfach verschwinden könnte. Damit lag er gar nicht so falsch, doch ich tat einfach nichts.
 

„Du kannst mich nicht als deinen Besitz beanspruchen,“, brachte ich schließlich doch hervor, und richtete mich wieder in eine sitzende Position auf, „...Ich habe einen festen Freund....“

Diese Worte fielen mir so schwer. So verdammt schwer.
 

Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er sich fest auf die Unterlippe biss, konnte daraus deutlich merken, dass er gerade sein Temperament zügelte, so gut er es noch beherrschte.

„Sag mal, was ist das alles für dich? Pflicht? Gehst du deiner Pflicht nach, anstatt das zu tun, was du selbst willst?“, sagte er und sah mich dabei direkt an. Ich wandte mein Gesicht ab.

„Du bist egoistisch, Kazuki...“, flüsterte ich.

„Jeder Mensch ist bis zu einem gewissen Grad egoistisch! Jeder Mensch muss einmal etwas Schlechtes tun, damit es ihm danach wieder besser geht!“

„Pech für dich, ich bin kein egozentrisches Arschloch!“ – meine Stimme wurde lauter.

Ich wollte einfach nicht glauben, was er mir sagte. Es ging wirklich nur ums wollen.

Dass er Recht hatte, dass das Leben nun einmal so war, das wusste ich.

„Manabu, hör mir zu... Ich habe so viel über derartige Dinge nachgedacht, die letzten Jahre. Nachdem ich dich gezwungenermaßen verlassen hatte, kam ich mir vor wie das größte Arschloch der Nation. Aber von da an... habe ich verstanden. Ich habe plötzlich verstanden, was in den Köpfen jener Menschen vor sich geht, die andere verlassen, die Beziehungen beenden und vielleicht den Grund nicht nennen können...“, er macht eine kurze Pause, schien zu überlegen, wie er formulieren sollte, was er mir sagen will,

„Nicht jeder... Natürlich gibt es solche, die wirklich keine guten Absichten in solchen Dingen haben. Aber ich habe so viel beobachtet, Leute, die sich zerstritten haben, und deren Gründe aber von beiden Seiten erklärbar waren. Das Problem ist doch nur immer, dass niemand dem jeweils anderen verdammt noch mal zuhören will!“

Ich hörte ihm aufmerksam zu.

Was er sagte, klang irgendwie nicht nach dem, was andere Menschen hören wollen würden. Und dennoch klang es nicht falsch, sondern eher logisch.
 

„Verstehst du mich, Manabu? Jeder Mensch hat seine Gründe für das, was er tut. Eine Person ist nicht zwingend ein Arschloch, wenn sie jemanden im Stich lässt. Man muss solchen Personen nur zuhören... Anstatt sie mit ihren Schuldgefühlen alleine zu lassen und überall laut hinauszuschreien, was für ein schlechter Mensch diese Person ist. Die meisten, die auf diese Art etwas... etwas Falsch machen, die wollen sich nur selbst damit helfen. Ich habe mir auch damit geholfen. Ich habe mir weitere Grausamkeiten von meinem Vater erspart...“

Ich spürte, wie mir bei den Worten wieder die Tränen kamen.

Wieso sagte er mir das alles überhaupt?

„Du tust gerade so, als wären Arschlöcher jetzt plötzlich die besseren Menschen! Was geht eigentlich in deinem Hirn ab?! Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich einfach... dass ich mit Jin...“ – ich konnte es nicht einmal aussprechen. Ich wollte das doch nicht. Ich wollte Jin nicht wehtun, aber...

„Bist du glücklich?“
 

Ich stockte.

Senkte meinen Blick.

„Nein...“, hauchte ich schwach, denn es war an der Zeit, auch mal wieder die Wahrheit ans Tageslicht zu lassen, „...nicht mehr.“

Er sah mich durchdringend an, legte schließlich sanft eine Hand in meinen Nacken. Mein Blick war leer, ich spürte in diesem Moment nur eine tiefe Verzweiflung, die Verzweiflung vor einer absolut unmöglichen Entscheidung zu stehen.

Es gab weder Richtig noch Falsch!

Egal welchen Weg ich wählen würde, beide wären gleich gut wie schlecht!

Würde ich Kazuki abweisen, würde ich selbst unglücklich sein.

Würde ich Jin verlassen, könnte ich diesem nie mehr in die Augen sehen, ohne vor Schuldgefühlen zu ersticken.
 

Wie, wie um alles in der Welt, konnte man in so einer Situation noch das Richtige tun?!
 

Ich kam ihm näher, vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass schon wieder vereinzelte Tränen über mein Gesicht liefen. Ich legte meine Arme um ihn.

So sehr. Ich hatte ihn so sehr vermisst... Dieses Gefühl, ihn fest an mich zu drücken und zu wissen, dass er bei mir bleiben würde, solange ich es wollte. Diese Sehnsucht, der ich mich einfach nicht entziehen konnte. Dieses Verlangen, ihn zu küssen und einfach alles zu vergessen, was die letzten Jahre gewesen war.

Ich wollte es so sehr. Wenn es doch nur so einfach wäre.

„Wenn du glücklich bist bei Jin... dann bleib bei ihm. Ich werde mich dir nicht mehr nähern, in keinster Weise. Aber wenn du es nicht bist... Bitte triff die richtige Entscheidung für dich selbst, Manabu, nicht für jemand anders.“

„Ich kann das nicht einfach so... Wieso verstehst du das nicht?“, fragte ich leise und entfernte mich wieder etwas.

Er gab diese Dinge von sich, als ob es das absolut einfachste auf der Welt wäre. Aber das war es nicht. Ich hatte Angst, furchtbare Angst vor meiner Konfrontation mit den anderen.

Egal wie ich mich entscheiden würde, ich würde entweder mich selbst und Kazuki, oder die anderen drei enttäuschen.

„Glaubst du, es ist für mich damals so einfach gewesen? Reiß dich doch endlich mal zusammen, Manabu. Wie willst du jemals mit deinen Problemen zurechtkommen, wenn du mit den Betroffenen Personen nicht redest?“
 

Reden... Ja. Das klang doch tatsächlich einmal nach einer guten Idee.
 


 

Ich wusste, dass dieser Tag, vielleicht auch die darauffolgenden, nicht sonderlich angenehm für mich sein würden. Aber da musste ich wohl irgendwie durch.

Eine ungefähre Entscheidung hatte ich getroffen, aber ich konnte das nicht tun, ohne vorher mit jemandem über die ganze Sache zu reden, der mich auch wirklich voll und ganz verstand – Yuuto!

Mein bester Freund, den ich sowieso schon eine Weile vernachlässigt hatte, hatte ein deutliches Recht die Sache als erster zu erfahren.

An der Stelle muss ich erwähnen, ja, Freundschaften stehen in der Wichtigkeit für mich über einer Beziehung. Aber nur wahre Freundschaften. Und da gab es niemanden außer Yuuto.

Ich tippte auf meinem Handy herum, suchte seinen Namen in meinem Telefonbuch.

Kazuki’s Wohnung hatte ich verlassen, nachdem Chieco zurückgekommen war. Die übrigens stolz erzählte, dass „Ihr neuer Song fertig ist“ – mit weit geöffnetem Mund musste ich vor einer Viertelstunde also feststellen, dass sie tatsächlich DIE Chieco Kawabe war, und somit musikalisch erfolgreicher als unsere eigene Band...

Ein Genickbruch der besonderen Art für mich als Musiker, aber ich hatte mich für sie gefreut. Den neuen Song hat sie uns auch gleich freudig vorgespielt.

Er passte irrsinnig gut zu... mir. „Kizuna iro“, murmelte ich kurz gedankenverloren vor mich hin, der Name ihres Songs. Sie sang darin über einen Freund, der sie verlassen hatte, und es nach langer Zeit anscheinend nicht mehr wagte, sie anzusehen. Ich fragte mich in diesem Moment, ob sie den Text auf Kazuki und mich bezogen hatte.

Vor allem aber auch wurde mir beim Hören klar, dass dieses Mädchen kindisch, aufgedreht und immer fröhlich wirkte, aber anscheinend auch eine sehr ernste Seite und gute Menschenkenntnis besaß.

Wie man sich im Äußeren eines Menschen täuschen konnte.
 

„Manabu?“, ertönte Yuuto’s Stimme am anderen Ende. Ich presste mir mein Handy gegen das rechte Ohr. Meine Schritte durch die Straßen wurden langsamer.

Ein hartnäckiger, kalter Wind blies mir um die Ohren, und ich wünschte mir, ich hätte wenigstens einen Schal mitgenommen.

„Hey, Yuuto. Bist du zuhause, kann ich vorbeikommen?“, fragte ich. Meine Unsicherheit war in diesem Moment verschwunden, aus dem einfachen Grund, dass ich Sicherheit verspürte, wenn ich mit ihm sprach. Vielleicht eine Art Sicherheit, dass er mich nicht hängen lassen würde. Das war es doch immerhin auch, was man von einem echten Freund erwartete.

„Klar. Hab nix mehr vor heute. Soll ich schon mal Kaffee machen?“, antwortete er, und ich konnte sein Grinsen nahezu heraushören. Es ließ mich leise aufseufzen.

Yuuto blieb einfach Yuuto, und das zu wissen beruhigte mich sehr. Er würde mich nicht verurteilen.

„Solang ich dafür nicht zahlen muss! Bin in 10 Minuten bei dir.“

„Bis gleich~“, sagte er, legte auf.

Ich ließ das Handy gedankenverloren wieder in meiner Jackentasche verschwinden, spazierte gemütlich durch die, seltsamerweise, recht menschenleere Straße. Um diese Uhrzeit war sonst eigentlich mehr los. Aber ich konnte nur vereinzelt andere Leute sehen, die bei Geschäften oder Cafes ein- und ausspazierten.

Ich vergrub meine leicht frierenden Hände ebenfalls tief in den Taschen meiner Jacke und beschleunigte meinen Schritt wieder, Yuuto sollte nicht zu lange auf mich warten.

Die Ruhe dieses kleinen Spaziergangs genoss ich, immerhin hatte ich das deutliche Gefühl, dass es für mich die Ruhe vor dem Sturm war.
 

Yuuto empfing mich mit einem Grinsen und duftendem Kaffee in seiner Küche. Hervorragend, genau das brauchten meine Nerven jetzt! Noch einigermaßen guter Laune, setzte ich mich ungefragt an seinen Küchentisch und schnappte mir die Tasse mit dem Digimon-Aufdruck, die in diesem Haus schon immer ‚meine’ gewesen war.

Ein Hoch auf meine immerwährende Autorität in diesen heiligen 4 Wänden!

„Na, was führt das Schäfchen nun letztendlich doch zu mir zurück?“, fragte mein bester Freund mit einem wissenden Lächeln – als ob ich ihm irgendetwas lang und breit erklären müsste.

„Die Angst vorm Wolf, der mir den Kopf abbeißen will, auch bekannt als Byou“, antwortete ich seufzend, stellte die Tasse wieder ab, nachdem ich murrend festgestellt hatte dass mein Kaffee noch zu heiß war.

„Das heißt, du hast dich entschieden?“

Ja, ich musste ihm wirklich nicht viel erklären. Dennoch wollte ich, dass dies ein klärendes Gespräch wurde, und keine abgehackte Nummer.

„Eigentlich schon...“, murmelte ich, wieder deutlich leiser geworden, „aber... wie um alles in der Welt soll ich das Jin beibringen? Er wird mich hassen.“

Yuuto zog eine Augenbraue hoch und musterte mich, mit einem halb ungläubigen, halb amüsierten Blick.

„Schätzchen, That’s life. Natürlich wird er dich hassen. Zumindest für eine Weile. Nach einer Zeit wird er’s verkraften, schätze ich. Du kennst doch Jin, er ist nicht ein Leben lang nachtragend.“ Die selbstlose Art und Weise, wie er das sagte, ließ mich laut aufseufzen.

„Glaubst du nicht, es gäbe irgendeinen... irgendeinen Weg, der für alle gut ist?“, fragte ich kleinlaut. Ich nippte mit den Lippen an meiner Digimon-Tasse, und musste für ihn in diesem Moment wohl wie ein völlig verstörtes Kleinkind wirken.

War ja auch gar nicht mal so weit daneben.

„Doch, den gibt es“, setzte Yuuto plötzlich wieder dran, allerdings beobachtete ich mit Unruhe, wie sich seine Stirn in Falten legte,

„Denselben Weg, den du soeben zu mir gefunden hast. Wenn du Byou und Jin nicht gleichberechtigt behandelst, nämlich dass sie ein sehr gutes Recht darauf haben die GANZE Geschichte – und wirklich die ganze – zu erfahren... dann wirst du vermutlich nicht ohne blaue Flecken von Byou und tiefe seelische Wunden, die dir Jin’s Enttäuschung darbieten wird, davonkommen. Im Klartext, alle, die an der Sache irgendwie beteiligt sind, müssten miteinander darüber reden.“
 

Er stoppte seinen Redefluss und schüttelte kurz den Kopf, ehe er sich umdrehte und begann, in einer Schublade seiner Küche herumzuwühlen. Er zauberte eine Packung Marlboro hervor, aus der er sich schließlich eine nahm und mir einen Blick zuwarf, der wohl in etwa ‚Hast du Feuer?’ aussagen sollte.

„Seit wann rauchst du wieder?“, fragte ich erstaunt. Er zuckte mit den Schultern. „Ich tu’s nur, wenn ich sehr gestresst bin.“

Yuuto war gestresst?

DAS war sein gestresster Zustand?!

Himmel, wie ruhig er blieb! Wenn ich so richtig gestresst war, dann würde ich stets am liebsten alles um mich herum kurz und klein schlagen, oder einfach mal so richtig laut schreien.

Aber da schien mein Bester auf einem völlig anderen Level zu sein.

„T-tut mir leid, Yuuto...“, entkam es mir plötzlich. Richtig, immerhin war diese Situation eigentlich einzig und allein meine Schuld, und das von Anfang an...

Weil ich immer so dermaßen überreagierte. Ich konnte es nicht steuern, aber das zählte eigentlich nicht als Ausrede. Ich war einfach nur ein Looser, und meinetwegen machte Yuuto sich hier die Mühe?

Er grinste allerdings nur und zündete sich scheinbar seelenruhig die Zigarette an, nachdem er doch noch ein Feuerzeug in seiner Schublade gefunden hatte.

„Halt die Klappe Manabu. Du brauchst dich bei mir für gar nichts zu entschuldigen. Denk lieber über eine Entschuldigung für Jin nach.“
 

Keine Sorge Yuuto, das tat ich, und wie ich das tat...

Ich blieb lange bei ihm, erzählte ihm alles – und zwar wirklich alles, bis ins kleinste Detail – was es zu erzählen gab, was passiert war, über Kazuki und Chieco, und über den Entschluss meine Entscheidung zu treffen. Alles was er brauchte, um mich zu verstehen und dementsprechend handeln zu können.

Und schließlich war ich derjenige, der Kazuki anrief, und Yuuto kümmerte sich darum Byou und Jin zu erreichen. Yuuto war der Meinung, dass Chieco auch mitkommen sollte, denn ohne sie wirkte Kazuki recht haltlos. Ungefähr so, wie ich nun mal ohne meinen besten Freund wirkte. Abgesehen davon hing sie auch in der Geschichte mit drin, und wir hatten klar und deutlich abgesprochen, dass wir alle Dinge zu diskutieren hatten.

Wir würden uns gleich morgen in unserem Garagenraum für Bandproben treffen und die Sache hinter uns bringen. Aber, Gott, ich war schrecklich nervös.

Yuuto meinte, es würde alles gut gehen, oder zumindest würden wir auf diese Art das Schlimmste vermeiden. Schlimm werden würde es dennoch.
 

„Hey, Manabu. Was hältst du davon, wenn wir heute einfach feiern gehen, damit du dich ein bisschen beruhigst?“, schlug Yuuto plötzlich vor. Was folgte, war ein ungläubiger Blick meinerseits. Also, mir war ja nach allem zumute – Selbstmord, Heulen, meinen Koffer packen und Japan verlassen um in Amerika ein neues Leben anzufangen – aber nach feiern war mir jetzt nicht unbedingt.

„Ist das dein Ernst?“, fragte ich daher mit hochgezogener Augenbraue noch einmal nach. Er nickte lächelnd. Mit prüfendem Blick wog ich ab, ob das nun gut oder schlecht war.

„Klar. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein bisschen Alkohol dir jetzt helfen könnte, mal deinen Kopf durchzuwaschen. So viel Mindfuck wie du in den letzten Tagen wahrscheinlich hattest, würd ichs auch nicht anders machen, das gehört alles mal rausgespült, und danach kannst du wieder klar denken...“

Und dieser Vorschlag kam von IHM.

Von der Person, die mich meinem Dasein als Alkoholiker vor einigen Jahren entzogen hat. Soviel also zum guten Vorbild!

„Wenn... wenn du meinst?“, fragte ich, nach wie vor unsicher, und mein bester Freund grinste mich übers ganze Gesicht an.

„Komm schon. Das wird lustig, und Spaß hast du grade dringend nötig!“

„Ohne Jin und Byou? Du weißt, dass ich armseliges Etwas sonst keine Freunde habe“, entgegnete ich ihm mit einem sarkastischen Grinsen, weil es zwar die Wahrheit war, aber die genauso traurig wie lustig für mich war.

„Na und? Wir haben früher auch immer zu zweit scheiße gebaut.“

Argument.

„Okay, was hältst du davon – ich geh noch kurz nach Hause um mich weniger wie eine Leiche aussehen zu lassen, komm zurück zu dir und wir leeren die erste Flasche bei einer Runde MarioParty. Dann gehen wir in die Stadt.“

„Klingt nach nem Plan.“
 

Gesagt, getan – oder zumindest fast so, wie es geplant war.

Aus der einen Flasche bei MarioParty wurden schnell zwei – oder drei...?-, nachdem wir beschlossen hatten dass jeder trinken musste wenn er ein Minispiel verliert. Von daher waren wir beide bereits ein bisschen angeheitert, als wir Yuuto’s Wohnung verließen um noch auszugehen, und nahmen uns vor den restlichen Abend nicht mehr allzu viel alkoholisches zu uns zu nehmen.

Wir waren zu Fuß unterwegs, da der nächstbeste Club, in dem wir sowieso immer landeten, nicht weit entfernt war. Ein großes, dunkel wirkendes Gebäude, auf den ersten Blick nicht sonderlich einladend, aber dennoch der beste Platz zum Feiern in dieser Gegend. Nicht sehr groß, nicht das, was man von Tokyo’s Nachtleben gewohnt war, aber groß genug für kleine Runden und gemütliches Beisammensein.

Und außerdem, die hatten wenigstens gute Musik.

Wir betraten dass Gebäude und suchten uns direkt einen Weg zur Theke, um uns dort auf den schwarzen Hockern niederzulassen. Bevor ich etwas sagen konnte, hatte Yuuto auch schon für mit mitbestellt, und ließ danach prüfend seinen Blick durch den Raum schweifen – um, wie er mir dann scherzhaft mitteilte, ‚ein potentielles Vergewaltigungsopfer ausfindig zu machen’.

Wenigstens einer von uns hatte hier noch Humor!

Aber hey, vom Nintendospielen bis hierher hatte ich bereits mächtig Spaß gehabt, und auch hier fühlte ich mich nach all den nervenzerreißenden Tagen mehr als nur wohl. Einfach nur mit meinem besten Freund abhängen, so wie früher, noch bevor ich Jin und Byou kennengelernt hatte, zu Zeiten, als Yuuto-sama noch damit beschäftigt war, mich aus meiner Lebenskrise herauszuziehen.

Ich wippte mit dem Fuß im Takt zur Musik und summte die Melodie, die der DJ vorgab, leise mit. Meine Augen schweiften über die Tanzfläche und irgendwie hätte ich ja gute Lust, mich dort ein wenig zu verausgaben. Hatte ich lange schon nicht mehr getan!

Dennoch verschob ich diesen Wunsch auf später und stieß stattdessen zum erneuten Mal an diesem Abend mit Yuuto an, mehr oder weniger auf unsere Freundschaft.
 

In Gewissem Sinne hatte er recht gehabt. Es fiel mir zwar verdammt schwer, einfach mit ihm Spaß zu haben und so zu tun als wäre absolut nichts passiert, aber es tat dennoch gut.

Einfach mal abzuschalten. Aber ob das wirklich eine gute Idee war?

Ich fühlte mich momentan gut, keine Frage, aber ich hatte dennoch ein ungutes Gefühl in der Magengegend, das mir anscheinend sagen wollte, es würde noch irgendetwas schief laufen.

Aber hey, was konnte schon groß passieren, außer dass ich in eine Schlägerei geraten könnte, mir was brechen könnte, von einem Auto überfahren werden könnte, in einer Mülltonne übernachten könnte...

Egal, was passieren würde, solang ich nicht starb, hätte ich am nächsten Morgen was zu lachen. Es war, anmerkend, der Alkohol, der mich so selbstlos denken ließ.

Vielleicht hätten wir einfach die Mario Party Runde weglassen sollen, ich hatte eindeutig zu oft verloren.

„Manabu? Wo starrst du bitte hin?“, riss mich auf einmal eine Stimme aus meinen wirren, unsortierten Gedanken, die sich mit jedem weiteren Glas langsam in Luft auflösten.

„Häh?“, gab ich äußerst intelligent zurück. Erst dann bemerkte ich, dass ich schon eine ganze Weile, seit wir hier an der Theke Platz genommen hatten, zu einem bestimmten Tisch hinüberstarrte. Irgendetwas schien meinen Blick dort festgehalten zu haben.

„Stehst du neuerdings auf Brüste?“, Yuuto lachte und klopfte mir auf den Kopf, als würde er feststellen wollen, ob es vielleicht verdächtig hohl klang.

Und noch einmal brauchte es einen Augenblick, ehe ich erkannte, dass an dem Tisch den ich angestarrt hatte zwei sehr hübsche Mädchen saßen, die sich küssten. Beschämt sah ich zur Seite und griff zu meinem Glas, um dieses Bild-

Moment.

Nein, warte.

Ich hatte nicht ohne Grund dorthin gestarrt!

„Umm... das... das ist Chieco. Also... die mit den langen, braunen Haaren“, stammelte ich und Yuuto’s Augen wurden noch im selben Moment tellergroß.
 

„DAS ist Kazuki’s beste Freundin?! Und mit der wohnt er zusammen? Da hoff ich aber mal für dich, dass er ausschließlich auf Kerle steht!“, platzte er ungehalten heraus und warf noch mal einen unsicheren Blick zu den beiden Mädels hinüber, „...also ich jedenfalls würde ihn beneiden...!“

Diese Aussage fand ich dermaßen lustig, dass ich mich erstmal gründlich an meinem Getränk verschluckte, ehe ich in schallendes Gelächter ausbrach.

„So witzig find ich das jetzt nicht!“, schmollte er und stützte sich mit einem Arm an der Theke ab, „Ich mein okay, du bist schwul, aber sieh dir das Mädchen doch mal an! Die macht schon einiges her.“

Das sein Hauptaugenmerk anscheinend auf ihrer Oberweite lag war so offensichtlich, dass es mich noch mehr amüsierte als ich es sowieso schon war.

„Sie ist ja auch Model nebenberuflich, soweit ich weiß...“, gab ich wenig beeindruckt zurück, „...und sie ist musikalisch übrigens schon erfolgreicher als wir.“

„Bitte was? Gib mir ihre Nummer!“, forderte er, diesmal allerdings mit einem Lachen, um mir zu verstehen zu geben dass er es nicht ernst meinte.

Ich überlegte, wieso genau ich eigentlich nicht aufstand um Chieco zu begrüßen, die mich noch nicht gesehen hatte, weil sie uns beiden den Rücken zugewandt hatte.Vielleicht wollte ich sie einfach nur nicht mit ihrer Freundin stören.

Die war aber auch ganz schön hübsch. Glattes, schwarzes Haar, ungefähr mittellang, typisch japanisch eben. Und ein hübsches, niedliches Gesicht. Sie trug auffällige Kleidung, die mich stark an diverse Oshare Kei Bands erinnerten. Um ihren Hals baumelte eine große Kette, aber ich konnte nicht ganz erkennen, was darauf geschrieben stand. Ihre Freundin sah für mich sehr jung aus, aber da hatte ich mich ja auch in Chieco bereits getäuscht. Man könnte die beiden für 16 halten.

Kein schlechter Geschmack, Chieco. Wer von den beiden wohl die Dominante in der Beziehung war...?
 

„Aber hey, heißt das nicht Kazuki könnte hier auch irgendwo sein?“
 

Genau im selben Moment durchfuhr mich ein ziemlicher Schrecken, und Yuuto’s Worte verdoppelten die Wirkung.

Jin war hier.

Und zwar nicht irgendwo im Raum, sondern schon auf direktem Weg zu uns beiden.

„Jin, du auch hier?“, entkam es Yuuto überrascht. Anscheinend dachte er sich gerade dasselbe, was ich mir gedacht hatte – nämlich ‚oh Shit’ oder Ähnliches.

Der blonde Drummer hob die Hand zur Begrüßung und zwang sich zu einem Lächeln. Dass es gezwungen war, konnte ich deutlich erkennen, waren wir doch eine ganze Weile zusammen gewesen...

Verdammte scheiße. Das hier hätte ein Abend werden sollen, der mich von meinen Sorgen und schlechten Gedanken abbrachte, und jetzt war Jin hier und im allerschlimmsten Fall trieb sich auch Kazuki hier irgendwo herum!

Hätte es denn noch irgendwie schlimmer kommen können?!

Aber, wie so oft, hätte ich genau diese Frage erst gar nicht stellen müssen. Eigentlich müsste ich es mittlerweile gewohnt sein, dass Gott einem jedes Mal ein ‚Challenge accepted’ zurückbrüllte, wenn man ihn fragte ob es denn noch schlimmer ginge.
 

„Hey, Manabu.“, sagte Jin, ohne mich dabei überhaupt richtig anzusehen, und ich wäre in dem Moment am liebsten gestorben.

„Jin... Y-Yuuto hat dich doch angerufen oder?“, ich warf einen unsicheren Blick zu meinem besten Freund, dachte mir aber noch im selben Moment, wie dumm das eigentlich von mir war. Ich tat grade so, als könnte ich Yuuto nicht vertrauen. Wenn nicht ihm, wem denn sonst?!

„Ja, hat er. Und warum nicht du selber?“, Jin sagte diese Worte recht nahe bei mir, sodass Yuuto ihn wegen der lauten Musik nicht ganz verstehen konnte. Ich jedoch schon. Mir steckte ein fetter Kloß im Hals. In einer verzweifelten Geste fuhr ich mich mit meiner rechten Hand durch die Haare und biss mir fest auf die Unterlippe.

„Hey... wir wollten doch... morgen darüber reden. So haben wir das ausgemacht, oder nicht...?“, fragte ich ihn unsicher. Ich bemerkte Yuuto’s sorgenvollen Blick. Er schien bereit, sofort einzuschreiten, sollte die Sache jetzt irgendwie eskalieren, bevor mit anständig miteinander reden könnten.

„Ja, Yuuto hat das so mit mir ausgemacht. Mit dir würd ich gern jetzt noch kurz reden, wenns dir in den Kram passt.“
 

Diese Ausdrucksweise.

Ich war vieles von Jin gewohnt, aber das passte absolut nicht zu ihm, schon gar nicht der sarkastische Unterton, der in seiner Stimme mitschwang. Aber ich konnte es durchaus verstehen. Ich hatte mir längst zu viel erlaubt. Viel zu viel.

Zögernd gab ich mir schließlich einen Ruck und erhob mich von dem Barhocker. Yuuto warf mir einen warnenden Blick zu. Ich konnte ihm ansehen, dass er mir sagen wollte, ich sollte einfach Nein sagen und jetzt nicht mit Jin über irgendetwas reden.

Aber ich wollte ihm nicht noch mehr antun... Ich war mir sicher, wenn er sich jetzt bereits in einem so gereizten Zustand befand, würde es morgen doch nur noch schlimmer werden. Vielleicht konnte ich ihn irgendwie milder stimmen, ehe es zum gemeinsamen Gespräch kam. Vielleicht...
 

Nervös folgte ich Jin in einen etwas abgelegeneren Teil des Clubs, wo Yuuto uns nicht sehen konnte und es zumindest ein bisschen ruhiger war, sodass wir uns auch ungestört unterhalten konnten. Noch während ich mich mit ihm durch die Menge drängte, spürte ich beinahe einen Blick auf mir, und die Bestätigung erhielt ich als ich mich unruhig umsah. Chieco hatte mich nun auch entdeckt. Sie wirkte überrascht.

Ich ignorierte sie und folgte weiter meinem... nun, was war er für mich? Noch-Freund? Oder bereits Ex-Freund? Offiziell war ja noch überhaupt nichts beendet, aber ich sah es bereits kommen.

„Was soll das alles?“, fragte er schließlich unverblümt. Er war stehen geblieben, lehnte sich gegen eine Wand und sah mich durchdringend an, während ich selber zu überrascht war, um etwas sagen zu können, „Warum erzählt mir Yuuto, wir müssten morgen alle miteinander über etwas reden? Warum hast du mich nicht selber angerufen? Und über was sollen wir reden?“

Viel zu direkt. Wieso stellte er mir diese Fragen JETZT?! Das alles waren Dinge, die ich ihm am nächsten Tag sagen hatte wollen! Nicht jetzt, nicht hier! Mein Kopf machte mich kurz darauf aufmerksam, dass der Jin, den er kannte, die Sache ohne weiteres verstanden hätte und garantiert bis zum nächsten Tag keine Fragen gestellt hätte, es sei denn –
 

Natürlich. Er war betrunken. Das merkte man ihm nie wirklich an, außer durch die Tatsache, dass er plötzlich Dinge von sich gab, die er sonst niemals aussprach.

Das hätte mir früher auffallen sollen.

„Du hast schon recht viel erwischt, oder, Jin...?“, fragte ich vorsichtig nach, und seine Reaktion bestätigte es mir.

Er ging mir sofort an den Kragen, mit einem wütend-verzweifelten Ausdruck in den Augen.

„Halt die Klappe!“, zischte er, ließ mich dann allerdings sofort los, ein wenig verwirrt über sich selbst. Immerhin hatte er gerade gewirkt, als hätte er mich schlagen wollen.

Nach dem, was ich mir geleistet hatte, konnte er mich aber auch ruhig schlagen, so viel er wollte, ich hatte momentan wirklich nichts anderes verdient.

„Beruhige dich, bitte... Wir haben nicht ohne Grund beschlossen, morgen alle miteinander zu reden. Ich werde dir alles sagen, was du wissen willst. Ich werde dich nicht mehr anlügen oder versuchen, dir irgendwie aus dem Weg zu gehen... Aber ich kann dir in deinem jetzigen Zustand sicher nichts sagen!“, sagte ich und hoffte, er würde mich verstehen.

Meine Hand begann leicht zu zittern, als ich merkte, wie er vor mir mit den Tränen kämpfte. Mein ganz persönlicher Albtraum nahm erneut seinen Lauf.

„Also hast du mich belogen. Du bist mir aus dem Weg gegangen.“, stellte er fest und biss sich dabei beinahe seine Unterlippe blutig. Ich konnte es nicht mit ansehen, aber genauso wenig hatte ich eine Chance, ihm irgendwie aus dem Weg zu gehen. Jetzt nicht mehr.

„Und es tut mir leid. Ich glaube, mir hat noch nie in meinem Leben etwas so leid getan... aber bitte versteh, dass ich dir das alles nicht jetzt-“

„Halt’s Maul...“

Die Worte waren nur leise, allerdings packte er mich im nächsten Moment erneut am Kragen und riss daran, um mich herumzudrehen. Mittlerweile waren zwei kleine Tränen über sein Gesicht gerollt. Er drückte mich gegen die Wand, doch es wirkte nicht bedrohlich – im Gegenteil, es wirkte viel mehr, als wollte er mich einfach nur festhalten und nicht mehr gehen lassen. Mehr verzweifelt als wütend.

„I-ich liebe dich...“, entkam es ihm stockend. Es fehlte nicht viel, um mein Herz zum Zerreißen zu bringen.

„Jin... bitte... bitte beruhige dich!“, versuchte ich es noch einmal vorsichtig, drehte meinen Kopf weg und schloss dabei die Augen, als könnte ich dadurch ausblenden, welche Schuld gerade auf meinen schwachen Schultern lastete.
 

Jin’s Hand wanderte in meinen Nacken, er riss meinen Kopf grob nach vorne und presste seine weichen Lippen auf meine.

‚Nicht...!’, dachte ich nur, blieb jedoch im ersten Moment einfach nur geschockt stehen, unfähig, irgendetwas zu tun. Jin’s linke Hand umklammerte meinen Arm, so fest, dass es bereits weh tat. Sein Kuss wirkte verzweifelt. Mein Mitleid verhinderte, dass ich reagierte.

Aber ich musste irgendwie reagieren!
 

Ich krallte mich in sein Hemd und drückte ihn schnell von mir weg, um den Kuss zu lösen. Er keuchte leise, sah zu Boden, ließ jedoch meinen Arm nicht los. Ich sah, dass er weinte.

„Warum? Was mache ich falsch?“, fragte er leise. Gar nichts. Überhaupt nichts machte er falsch. Ich war derjenige, der alles falsch machte.

Zögernd zog ich ihn in eine Umarmung, die für mich bereits eher freundschaftlich wirkte, als dass irgendjemand uns für ein Paar hätte halten können.

„Du machst nichts falsch. Es ist meine Schuld, Jin... Du kannst überhaupt nichts dafür, für gar nichts.“ Ich wusste, wie lächerlich meine Worte klangen. Ich gab ein erbärmliches, klischeehaftes Bild von jemandem ab, der seinen Freund betrogen hatte. Das Niveau hatte sich in meinem Keller verkrochen und heulte dort.
 

Aus den Augenwinkeln entdeckte ich erneut Chieco, und dieses Mal mit genau demjenigen, den ich noch befürchtet hatte. Kazuki war hier, und er starrte geradewegs zu mir und Jin herüber. Sein scharfer Blick war für mich nicht zu deuten.

Wunderbar, konnte jetzt bitte auch noch Byou irgendwo auftauchen, um der Sache die Krone aufzusetzen? Wie viel Pech konnte man an einem einzelnen Abend haben?!

Mit glasigem Blick sah Jin zu mir auf. Sein Blick schien erneut darauf aus zu sein, mein Herz zu vernichten.

„Und was wirst du mir dann morgen sagen? Dass es vorbei ist? Das weiß ich jetzt auch schon...“, sagte er, rammte mir damit einen weiteren imaginären Dolch in die Seele.

„Das... Verdammt Jin, ich wollte...“, - nein, ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Ich sollte lieber meine vorlaute Klappe halten. Es half nichts. Ich hatte Jin verletzt, und das mit vollem Bewusstsein.

Und als hätte er mir nicht schon genug ins Gewissen geredet, setzte er noch eins drauf.

„Ist Kazuki so viel besser als ich, hm? Was gibt er dir, was ich nicht kann?“, seinem dunklen Tonfall war anzumerken, dass es spätestens jetzt für mich gefährlich wurde, „Vögelt er dich? Wusste nicht, dass du auch drauf stehst unten zu liegen...“

Meine Augen wurden ein ganzes Stück größer, als Jin mich erneut zurückdrängte, diesmal allerdings tatsächlich auf eine sehr grobe Art und Weise. Er war wütend, verzweifelt und wirkte, als wäre er in seinem momentanen Zustand zu absolut allem fähig.

Das war nicht der Jin, den ich kannte und gewohnt war.
 

Bevor er jedoch irgendetwas tun konnte, sah ich Yuuto, der auf uns zukam und so schnell er konnte Jin von mir wegriss.

Ich sollte ihn als meinen persönlichen Gott bezeichnen.

Für ihn selbst ging die Sache allerdings weniger gut von dannen, denn Jin wehrte sich sofort gegen ihn, zappelte und machte es meinem besten Freund sehr schwer, ihn festzuhalten.

„Jin, beruhig dich verdammt!“, sagte Yuuto. Im nächsten Moment gab er einen Schmerzenslaut von sich, ohne dabei jedoch den blonden Drummer loszulassen, der ihm grob seinen Ellbogen in den Magen gerammt hatte.

„Fuck...“, entkam es Yuuto nur leise, und sein Griff wechselte nun ebenfalls zu einem weniger sanften, quasi als Rache für den Stoß.

„Aua! Lass mich los, Arschloch!!“, schrie Jin sofort aus vollem Hals.

„Erst wenn du dich beruhigst!“, kam es ebenso aggressiv zurückgeschrien, und daraufhin wurde der Blonde tatsächlich ruhiger. Einen prüfenden Blick später wurde er losgelassen. Er blieb ruhig stehen, zwischen Yuuto und mir. Seine Hände zitternden und er schien etwas mit aller Kraft zurückhalten zu wollen.

„Ich hasse dich, Yuuto.“, platzte es schließlich doch heraus, und verschlug mir auf der Stelle den Atem, „Ich hasse dich dafür, dass du dich immer auf seine Seite stellst, völlig egal, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Verreck doch...“

Ich sah, wie Yuuto sich zusammenreißen musste, um seine Ruhe zu bewahren.

Diese Worte von jemandem gehört zu bekommen, der eigentlich ein sehr guter Freund für einen war, war hart.
 

Ich hatte das schon oft erlebt, wenn Jin betrunken war. Ständig hatte er in diesem Zustand völlig offen Dinge gesagt, die er im Normalfall niemals gesagt hätte. Und niemals war ich mir sicher gewesen, ob er einfach nur die Wahrheit sagte, die er sonst nicht über sich brachte, oder ob zu viel Alkohol einfach einen anderen Menschen aus dem sonst so liebenswürdigen Drummer machte.

„Jin... du... wirst jetzt gehen. Und wir sehen uns morgen. Ist das klar?“, sagte Yuuto. Seine Stimme klang brüchig. Ich hatte ihn noch nie so erlebt, oder fast noch nie. Er sah richtig bestürzt aus.

Jin schenkte ihm nur ein sarkastisches Grinsen. „Ist das ein Leader-Befehl?“, fragte er, nicht ganz ernst gemeint, woraufhin sein Gegenüber sich zu einem Lächeln zwang.

„Ja“, sagte er einfach, und es schien Jin noch mehr zu reizen. Jedoch zeigte es die Wirkung, die Yuuto sich erhofft hatte, denn er verließ uns einen Moment später ohne ein weiteres Wort.
 

Ich hatte in den letzten Wochen kaum etwas wirklich richtig gemacht, aber in diesem Moment wusste ich, dass mein bester Freund durchaus eine Umarmung nötig hatte. Ich zog ihn an mich und er ließ es stumm geschehen.

Natürlich, er war keine Heulsuse, ein kurzer Moment würde genügen, und er hätte seine Fassung wieder erlangt. Er war nun einmal ein willenstarker Mensch.

„Alles klar?“, fragte ich leise. Nur zu deutlich hatte ich gesehen, wie Jin’s Worte ihm wehgetan hatten. Ich kannte ihn nun lange genug, um das zu merken.

„Ja Mann, geht schon...“, antwortete er nur, löste die Umarmung und ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. Irgendwie hatten wir beide die Lautstärke hier schön völlig ausgeblendet, es war, als würden die ganzen Leute und die Musik erst jetzt zurückkehren, und wir wären für eine Weile ganz woanders gewesen.

Ich hielt Ausschau nach Kazuki und Chieco. Was allerdings nicht nötig war, denn die beiden waren bereits auf dem Weg zu uns, nachdem sie festgestellt hatten, dass Jin sich verzogen hatte.

„Was war das denn grade?“, fragte Kazuki, allerdings weniger forsch, da er im Prinzip wusste, dass er nicht fragen sollte.

Yuuto winkte ab und schien damit beschäftigt zu sein, seine Gedanken wieder zu sammeln. Chieco legte mir besorgt eine Hand auf die Schulter. Ich hatte irgendwie das Gefühl, sie hätte absolut alles verstanden, was in diesem Moment in mir vorging.

Ihre Freundin war auch im Schlepptau, hielt sich jedoch schüchtern hinter der Sängerin versteckt und sagte nichts.

„Nichts... Wir werden uns wie geplant alle morgen treffen. Der Schwierigkeitsgrad des Gesprächs hat sich nur grade ein wenig erhöht“, sagte Yuuto schließlich.
 

Schwierigkeitsgrad erhöht? Das traf es ganz schön gut, wenn man bedachte, dass Jin nun längst wusste was Sache war, mir das alles bereits an den Kopf geworfen hatte, Kazuki gesehen hatte wie Jin mich vorhin geküsst hatte, und zu guter letzt Yuuto offenbart wurde, dass Jin ihn anscheinend abgrundtief hasste.

Nie wieder, das schwor ich mir, nie wieder würde ich mein kaum vorhandenes Glück so herausfordern.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-02-11T22:26:57+00:00 11.02.2012 23:26
Ich liiii~eebe Yuuto im gestressten Modus XDD ah~ das war die beste Stelle :D
und ja~ btw...sorry, dass das mit dem Kommentar solange gedauert hat, obwohl ichs noch am selben Tag gelesen hab, als es hochgeladen wurde ><" an dem Tag hatte ich mich nach langer Zeit auch mal wieder bei Animexx eingeloggt und baa~m war da die ENS von dir...das nenn ich mal Timing :D
so~ zurück zum Kommentar zum Kapitel ><"
ich find es schade, dass es dann jetzt bald zu Ende ist o3o auch wenn ich mich schon auf die Fortsetzung von Chikashi High freue :D (yeah~ und das war jetzt schon wieder nichts zum Kapitel .____.)
ehhm~ ... Jin! QQ das ging jetzt alles so schnell mit Kazuki und Manabu OO gefühlt iwie zu schnell ><" aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht mehr so ganz in der Story drin war^^
ahh~ heute ist nicht mein Tag (gut, dass er nur noch 30 Minuten andauert ;D)...überhaupt kein Fluss im Kommentar schreiben drin xx
"Schluss" - Not Found -.-"
(bis dann :D)


Von:  Arisa-Yuu
2012-02-06T16:58:08+00:00 06.02.2012 17:58
Ganz ehrlich, ich kann Jin verstehen. Er fühlt sich verraten und hintergangen von seinem 'Noch-Freund' und Manabu hat nicht die eier in der hose, um ihm die wahrheit zu sagen.
gut, sie haben dieses treffen vereinbart, dennoch hätte er vorher allein mit Jin sprechen müssen. ist zumindest meine meinung. wenn man schon schluss macht, dann auch ordentlich und auf die gefahr hin, dass der andere (verständlicher weise) wütend reagiert.
so, dass musste ich los werden..
das Manabu Jin nicht weh tun will, ist ein schöner vorsatz, aber dadurch hat er ihm, glaube ich, nur noch mehr verletzt. ich bin mal gespannt, wie Byou darauf reagiert. er ist sicher nicht begeistert von dieser entwicklung..
außerdem traue ich Kazuki immer noch nicht ganz. er zwar alles erklärt und sich bei Manabu entschuldigt, aber...ich weiß nicht..
ein letzter satz zu Yuuto. ein richtig guter freund^^b
ich bin gespannt wie es weiter geht und ob die freundschaften wirklich halten, bzw die beziehungen..
eine wirklich spannende und dramatische ff^^

LG
AY
Von: abgemeldet
2012-02-06T07:38:01+00:00 06.02.2012 08:38
Ooookay~
Endlich ist wieder ein kapitel von dir da
*freu*
* Fahnen schwenk*
Aber mal zur FF,
Alsooo die Digimon-Tasse ist der Burner=D *die auch hab*
*grinz*
Und voll fies von Jin, ich kann meine Gedanken noch nicht so Ordnen, bin noch voll am Zittern, weil halt so viele Emotionen und so
*bibber*
XD
Naja, aber ich finde es schon schön, das Manabu und Kazuki sich ausgesprochen haben, aber trotzdem sünde für das kleine Jin..nyaaa~..
Naja trotzdem geile FF ich freu mich schon auf den Nächsten teil =D
Glg PrinceTaemin XD
Von:  Trashxbaby
2012-02-05T19:41:17+00:00 05.02.2012 20:41
Wie ich den ganzen Tag lang nur meine pers. Startseite aktualisiert hab um ja sofort mitzukriegen wann das Kapitel endlich online ist! XD
Und Puffel ich muss schon sagen du hast wirklich verdammt lang gebraucht meine Liebe!!! /DDDDD Aber is schon gut wir sind alle mal gestresst und so~

Fuuu und so mega viel Drama! O3O Man weiß ja garnicht mit wem man zuerst Mitleid haben soll....
Armer Manabu...der hat echt kein schönes Los gezogen XD Aber an seiner Stelle hätte ich mich auch für Kazu entschieden >DDD''' *gg* Das im Club war aber sicherlich nochmal ne richtige Klatsche für ihn .o.
Jin tut mir auch mega leid...der Arme Kleine QwQ Wieso wird ihm soviel böses angetan?~ Aber wie er im Club ausgerastet is war mal irgendwie cool. Ich habs ihm gegönnt, irgendwann muss man ja mal Dampf ablassen xD
Yuuto is irgendwie...so nen Kumpel/besten Freund würd ich mir auch wünschen...er is so fürsorglich und hat immer die richtigen Ratschläge...♥

Hachja und mein Kazu...der tut mir natürlich auch leid. Was ein Arsch von Vater....u______û

Ich freu mich schon aufs nächste Mal und das wunderbare Gespräch XD ♥
Von:  MRS_ABNORMAL
2012-02-05T16:59:10+00:00 05.02.2012 17:59
Danke das du mir die ENS geschrieben hattest! Blöd nur, dass ich dann alle fünf Minuten gucken musste, ob es endlich freigeschaltet wurde |D
Egal, es ist da! Und mir war gar nicht bewusst, dass das letzte Update so verdammt lange her war ._.

Naja egal! So bei dem Kapitel weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll ;;A;;
Manabus Leben ist irgendwie verdammt kompliziert. Auf der einen Seite er und Kazuki, naja gut ich zähle auch Yuuto dazu. Und dann auf der anderen Seite ein enttäuschter, wütender Jin plus Byou im Schlepptau, der sowas von nicht erfreut sein wird wenn er die Story hört.
Klar das Jin abgrundtief verletzt ist, ich meine ds war schon offensichtlich das mit Manabu und Kazuki ist, aber trotzdem. Dieses 'Ich hasse dich' gegenüber Yuuto finde ich unfair. Wirklich D:
Er müsste doch eigentlich wissen, dass Manabu und Yuuto (fast) immer zusammenhalten und vor allem wenn der Grund ja irgendwie auch berechtigt ist. Ich kann mich nicht richtig ausdrücken grade -__-
Und im Nachhinein war das echt ne schlechte Idee feiern zu gehen, aber jetzt ist es ja passiert D:

Eigentlich müsste ich es mittlerweile gewohnt sein, dass Gott einem jedes Mal ein ‚Challenge accepted’ zurückbrüllte, wenn man ihn fragte ob es denn noch schlimmer ginge.
Dieser Satz, er ist einfach so wahr! Hat Manabu ja gegen Ende auch nochmals gemerkt. Aber gut, geschehen ist geschehen. Aber ich bin mir irgendwie sicher, dass sich der Schwierigkeitsgrad im Bezug auf das Gespräch nicht nur ein bisschen erhöht hat sondern verdammt angestiegen ist. Mein Gefühl sagt mir irgendwie, dass Jin sofortzu Byou geht und Manabu morgen mit nem Byou zu tun hat der auf 180 ist.
Das wird nicht lustig D:

Was ich allerdings amüsant fand, war die Digimon Tasse. So eine hätte ich auch gerne D:
Ohja und du hast doch nochmal genauer Chiecos Karriere erwähnt, fand ich ja auch gut :3

So ich bin auch schon wieder am Ende angekommen .. Ich muss mir definitiv nochmal Gedanken über das Kapitel machen |D
Mal gucken was dann bei dem Gespräch rauskommt. Ich hoffe ja, dass es noch ein Kapitel gibt und dann erst einen Prolog ;D
Wobei ich freu mich ja auch wenns mit Chikashi High weiter geht ..
Egal! Was als erstes kommt! |D

LG Ringo-chan


Zurück