Zum Inhalt der Seite

Black Angel

Wo bitte geht es zur Wirklichkeit?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Begegnung

Im Lokal war es stickig und es roch stark nach Zigarrenrauch. Wir setzten uns an den letzten freien Tisch und warteten darauf, dass eine der gestressten Kellnerinnen Zeit für uns hatte.

„Wir haben Zeit, nicht war Syrene?“, fragte Susanne und sie lächelte ohne eine Spur von Ungeduld.

„Natürlich...“, murmelte ich und sah mich um. Angetrunkene Leute und aufgetakelte Tussen saßen überall herum und hier und da konnte man Gesprächsfetzen auffangen. Es ging um alltägliche Probleme, wie Ehestreit, Beruf und den neuesten Klatsch über die Arbeitskollegen.

„Was ist denn los, Süße?“, fragte Susanne dann auf einmal und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch.

„Hm? Was meinst du?“, erwiderte ich noch nicht ganz anwesend.

„Na, du schaust aus, wie sieben Tage Regenwetter. Ist etwas...? War ES wieder?“

ES. So nannte Susanne diesen einen immer wieder kehren Traum. Lange Zeit hatte ich es ihr verschwiegen, doch irgendwann hat sie meine Ausreden nicht mehr geglaubt und ich hatte ihr alles haargenau erzählen müssen. Seitdem nahm sie immer an, dass dieser Traum an meiner schlechten Laune schuld ist. Leider liegt sie dabei nicht selten richtig.

„Hm... Ja... Irgendwie.“, gab ich nach einiger Zeit zu. Es war sinnlos zu lügen.

„Das ist nicht gut. Dabei sah es doch so gut aus, dass ES endlich aufgehört hat... Naja, wir wollen uns doch wohl nicht die gute Stimmung davon vermiesen lassen, oder? Jetzt ist UNSERE Zeit und nicht die der bösen Träume.“

Sie war wie immer. Und ich nicht: Ich war nie wie immer. Wie wie immer auch aussehen mag.

Zum Glück kam in diesem Moment eine Kellnerin und ich musste nichts darauf erwidern. Der Abend war für mich schrecklich. Ich hatte gehofft mich ablenken zu können, aber ich bekam den Traum nicht aus dem Kopf. Es schien schlimmer als jemals zuvor zu sein und ich ahnte, dass es etwas mit dem zu tun hatte, was ich an dem Morgen zu sehen gemeint hatte.

Schließlich sagte ich Susanne, dass ich ein wenig frische Luft schnappen wollte und sie nickte mir leicht zu, wobei sie schon wieder mit einem Typen beschäftigt war, der sie vor einer halben Stunde angesprochen hatte. Sonst ließ sie an unseren Abenden immer alle abblitzen, doch scheinbar hatte sie meine schlechte Laune nicht mehr ausgehalten.

Ich stieß die schwere Tür auf und trat in die kühle Nacht hinaus. Der Mond spendete genügend Licht und zusammen mit den Straßenlaternen konnte ich meine Umgebung einigermaßen gut erkennen. Als ich mich in der dreckigen Straße umsah, konnte ich einen Blick auf ein dunkles Federkleid erhaschen, ehe es in einer Gasse verschwand.

Nur einen kurzen Moment zögerte ich noch, bevor ich meinen Mantel fester um mich schlang und zu der Gasse hinüberging. Ein besoffener Kerl fragte mich aus einem Hauseingang hinaus nach meinem Befinden und ich ignorierte ihn. Für mich zählte nur, was ich gesehen hatte.

Es gab keine Laterne in der Straße, aber damit hatte ich gerechnet, als ich nun dort einbog. In dem Augenblick meldete sich zum ersten Mal an diesem Abend mein Verstand. Fragte mich nach meiner geistigen Gesundheit und wollte mich dazu drängen wieder zurück zugehen. In die Kneipe. Zu Susanne. Zu anderen Menschen. Ich sollte nicht einer Einbildung hinterher laufen. Denn genau das musste es ja gewesen sein.

Ich konnte nicht weit sehen. Nur das Mondlicht half mir nun. „Hallo?“ Meine zittrige Stimme durchschnitt die Stille, die sich in der Gasse gebildet hatte und als ich weiterging konnte man nur das Klackern meiner Schuhe und meinen schnellen Atem vernehmen.

„Ist hier jemand?“ So langsam kam ich mir blöd vor. Wer lief schon mitten in der Nacht in einer einsamen Gasse herum und fragte die Finsternis nach ihrer Anwesenheit? Genau. Niemand.

Als nun ein Rauschen hinter mir erklang war es wahrscheinlich verständlich, dass ich herumfuhr und mein Herz fast stehen blieb. Vor mir stand das wohl schönste Geschöpf, was ich in meinem kurzem Leben hatte sehen dürfen. Zumindest soweit ich es in der Dunkelheit einschätzen konnte.

Ich schätzte den Mann auf 25 Menschenjahre, zumindest hätte ein Mensch in dem Alter so ausgesehen. Er hatte lange schwarze Haare, die sein Gesicht umspielten und obwohl seine Augen schwarz wie die Nacht waren, so hatte er doch irgendwie einen sanften Hundeblick.

Seine Gesichtszüge waren weich und seine Lippen schmal und blass-rot. Bis hierhin war alles in Ordnung und auch sein athletischer Körper, der in einem schwarzen weit auslaufendem Mantel steckte war nichts unnatürliches. Doch dann schienen aus seinen Schulterblättern – ich konnte das zu dem Zeitpunkt nicht genau sagen, da ich seinen Rücken nicht hatte sehen können – große schwarze und gefiederte Schwingen zu wachsen.

War er ein Engel? Aber warum hatte er schwarze und nicht weiße Flügel? War er die Folge eines missglücktem Experiments? Aber warum wusste man davon nichts? Oder bildete ich ihn mir nur ein? War er in Wirklichkeit gar nicht da und das ganze nur einer meiner verrückten Träume?

Fragen über Fragen und ich wusste auf keine eine zufriedenstellende Antwort.

Ich wagte es nicht zu sprechen. Antworteten Halluzinationen? Bisher hatte ich keine gehabt. Zumindest nicht, dass ich wüsste.

Als sich der Mann dann bewegte erschrak ich leicht, da er vorher wie eine Statur da gestanden hatte. Er hob eine Hand und ich spürte, wie er über meine Wange fuhr. Seine Haut war so weich und sanft, wie sie aussah. Ein leichter Schauer lief meinen Rücken hinab. Seine Augen... Ich verlor mich fast augenblicklich in dem schwarz und all meine Widerstände fingen an bei seiner Berührung zu bröckeln. Ich wollte etwas sagen. Etwas schlaues, vielleicht witziges, aber ich brachte keinen Laut über meine Lippen.

Dann – der Moment schien viel zu schnell zu vergehen – schien der Blick des Mannes verwirrt. Er ließ seine Hand sinken und trat ungläubig einen Schritt zurück – seine Augen weit aufgerissen.

Viel zu langsam waren meine menschlichen Reaktionen und als ich die Hand nach ihm ausstreckte holte er zischend Luft und starrte meine Handinnenfläche ungläubig an. Noch bevor ich etwas sagen konnte, bevor ich Fragen stellen konnte schlug er mit seinen Flügeln und wurde eins mit der dunklen Nacht. Ich konnte ihm nur bis ins Mark verwirrt hinterher starren.

Nach einer Weile – ich wusste nicht wie lange, da mein Zeitgefühl ausgesetzt hatte – hörte ich Susannes Stimme. „Syrene! Ich hab dich schon überall gesucht! Wo warst du nur, du dumme Pute? Ich hab mir Sorgen um dich gemacht!“, erklang ihre melodische Stimme hinter mir. Nach ein paar Sekunden kam dann auch der dazugehörige Körper in mein Blickfeld.

„Ach du meine Güte! Du siehst ja aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!“, stellte sie fest und sie sah mich abschätzend an. „Komm, wir gehen jetzt erst einmal wieder rein und dann gebe ich einen aus, ja?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Zuckerschnute
2011-06-29T15:15:28+00:00 29.06.2011 17:15
Engel oder Dämon, das ist hier die Frage. Da schwarz hier ja offenbar die dominante Farbe ist müsste er, zumindest nach gängigen Klisches, zur zweiteren Sorte gehören. Aber Klisches sind ja nicht immer wahr. Also: lassen wir uns überraschen.
Was mich aber interesieren würde, warum ist der Kerl abgehauen?


Zurück