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Comatose

Und je mehr ich mich verstecke, merke ich, dass ich dich langsam verliere
von

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Chapter 1 - Prince of Ice

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 1 - Prince of Ice (Zensiert)

Es ist Samstagnacht, meine Disconacht! Das Sky9 ist rammelvoll, die Musik laut, der Geruch von Sex und Schweiß überall und ich – ich bin mittendrin!
 

Bunte Lichter wirbeln über die Tanzfläche, geben jedem Gegenstand, jedem Typen, jedem Schweißtropfen erst den richtigen Effekt. Halbnackte, muskulöse Männerkörper tanzen eng umschlungen miteinander, pressen sich an ihrem Gegenüber oder suchen sich ihren Fick für heute Nacht.
 

Ich habe schon einen Kandidaten: Einen süßen Latino, der mir beim Tanzen ständig heiße Blicke zuwirft. Und ich erwidere sie.
 

Es ist ein Spiel. Wir checken uns gegenseitig ab, warten auf den perfekten Moment, an dem einer von uns den anderen anspricht und dann werden wir im Darkroom verschwinden. Danach heißt es: Auf Nimmerwiedersehen!
 

Dieses Spiel, spiele ich jeden Samstag und das schon seit knapp 10 Jahren. Mit süßen Achtzehn habe ich damit angefangen und seit dem auch nie wieder eine echte Beziehung gehabt. Warum sollte ich auch? Beziehungen verursachen nur Schmerz und Ärger. Ich habe keinen Nerv dafür mit irgendeiner Tunte zusammenzuleben, geschweige denn eine zu lieben!
 

Lieben… das tue ich nicht mehr, seit dieses Arschloch von Jan mich erst betrogen, dann schlecht behandelt und mich letzten Endes fallen lassen hat…Aber wäre er nicht gewesen, wäre ich nicht der, der ich jetzt bin. Tristan Stevenson, einer der begehrtesten und geilsten Typen, den man hier in dieser Stadt finden kann.
 

Hmmm…Lecker. Mein süßer Latino ist gerade dabei, sein lilafarbenes Hemd aufzuknöpfen und leckt sich lasziv über die vollen Lippen. Auf den Moment hab ich gewartet! It´s Showtime!
 

Gerade gehe ich auf ihn zu, mache den ersten Schritt nach vorne, als ich einen unangenehmen Druck im Nacken spüre. Es ist keine Person, die mich berührt, es ist eher so etwas wie… ein Gefühl. Ein kribbelndes, viel zu heißes Gefühl…
 

Aus reinem Reflex heraus, drehe ich meinen Kopf schnell zur Seite und starre direkt in zwei eiskalte, blaue Augen. Für einen kurzen Moment wird mir schwindelig.
 

Der Blick mit dem mich dieser Typ ansieht, ist so intensiv, so stark und brennend, wie ich es bisher noch nie erlebt habe. Es hat etwas tierisches an sich, wie die Augen eines Wolfes, der seine Beute anvisiert. Diese blauen Augen sehen mich direkt an, aber nicht wie es andere Leute tun, es ist, als würde er in mein Innerstes eindringen. Bohrend, brennend und doch eiskalt.
 

Ich schüttele den Kopf, will dieses ungewohnte, seltsame Gefühl loswerden, doch es will einfach nicht weichen.
 

Vorsichtig sehe ich wieder auf und lasse meinen Blick über seinen Körper gleiten. Einfache Chucks, verwaschene Jeans und ein kurzärmliges Hemd. Alles in Schwarz. Er ist schlank, groß und hat recht breite Schultern. Hm… Nicht schlecht, allemal besser, als dieser tuntige Latino.
 

Und dann sehe ich genauer in sein Gesicht. Dichte, recht dunkle Augenbrauen, die seinen Blick noch um einiges intensiver machen – falls das überhaupt noch möglich ist – und eine nur leicht gebräunte Haut. Er hat schmale Lippen, eine beinahe perfekte Nase und ein männlich geschnittenes Gesicht. Seine Haare sind blond und mittellang. Verwuschelt, mit ein paar helleren Strähnen drinnen. Es sieht einfach geil aus! Er ist perfekt. Ungefähr Mitte zwanzig, heiß und anscheinend interessiert.
 

Ich will gerade zu ihm, da spüre ich eine Hand an meinem Arm. Ich seufze genervt. Der Latino. Den hab ich ganz vergessen. „Na, wie wär´s?“, grinst er und leckt sich über die Lippen. Fand ich das wirklich sexy? Der Typ nervt. „Verpiss dich!“, zische ich und will wieder zu dem perfekten Fremden, aber dieser Idiot lässt nicht locker.
 

„Vorhin warst du noch interessiert!“, ruft er wütend. Ich lächele ihn so nett und lieb an wie es mir gerade möglich ist. „Tja, jetzt nicht mehr“, sage ich süßlich und schaue ihn gleich darauf wieder finster an: „Und jetzt, hau ab! Ich hab was Besseres gefunden!“ Empört nach Luft schnappend, wendet sich der Latino ab und stampft davon. Erleichtert sehe ich auf.
 

Weg. Er ist weg! Verdammt! Suchend sehe ich mich in der Menge um, doch ich kann ihn nirgends mehr sehen. Scheiße! Nur wegen dieser bescheuerten Latinotunte!
 

Ich setze mich in Bewegung und lasse meinen Blick über die Tanzfläche schweifen. Er ist wirklich weg. Enttäuscht lasse ich mich auf einem Barhocker fallen. Der Barkeeper Cody gesellt sich gleich zu mir. Ein etwas älterer Typ, so um die vierzig und einer meiner besten Freunde. „Na, noch nichts gefunden?“, fragt er und ich schnaufe verächtlich.
 

„Doch. Der Typ war so geil! Perfekt von Kopf bis Fuß! Und da kommt so eine Tunte angelaufen, die ich erstmal abwimmeln musste und plötzlich ist er weg!“, beschwere ich mich und greife enttäuscht nach dem Drink, den Cody auf dem Tresen abstellt. Er mustert mich mit einer gewissen Genugtuung in seinem Blick und meint: „Tja, scheiße gelaufen, was?“
 

Und schon trottet er zum nächsten Kunden. Wie ich das hasse, wenn er mir diesen bescheuerten Spruch aufdrückt. „Oh, ja. Scheiße gelaufen“, murmele ich leise, bevor ich den Drink frustriert in mich kippe.
 

Da! Da ist es wieder! Dieses grauenhafte Kribbeln von eben. Meine Haare stellen sich auf und ich bekomme eine Gänsehaut, als ich merke, dass sich jemand neben mich setzt. Ich bin mir sicher, dass er es ist. Aber ich sehe ihn nicht an. Noch nicht.
 

Das ist auch so ein Spiel. Tu so, als ob er dir egal wäre. Lass ihn den ersten Schritt machen und mach einen auf mysteriös. Doch er tut nichts. Ich werde unruhig und spüre seinen intensiven, brennenden Blick auf mir.
 

Meine Wangen fühlen sich heiß an und ich gebe dem Verlangen nach, sehe ihn an.

Und – Oh, mein Gott! – von Nahem sieht der Kerl noch tausend Mal geiler aus!
 

Er grinst mich an und es bilden sich kleine Grübchen an seinen Wangen. Er ist so verdammt sexy!

„Hey“, fange ich an und er grinst noch eine Spur breiter, sagt nichts. Ich warte noch auf eine Antwort, doch er tut nichts, sieht mich einfach nur mit diesem unglaublich intensiven Blick an. Ich muss schlucken und kann seinem verunsichernden Blick aus irgendeinem Grund nicht lange standhalten.
 

Ich atme tief durch und wende mich noch einmal an ihn. „Ich bin Tristan“, sage ich und rutschte dabei etwas näher. Auch wenn ich ein sehr seltsames, irgendwie erdrückendes Gefühl habe.
 

Er stößt die Luft aus, als ob er über irgendwas erleichtert wäre. Dann lächelt er mich an und rückt noch ein Stück näher. „Key“, haucht er mit einer dunklen, weichen Stimme, die nicht erotischer hätte sein können.
 

Warte… Key? Meint er jetzt „Kay“ von „Okay“ oder sollte das etwa ein Name sein?
 

„Ist das dein Name oder irgendein Kürzel?“, frage ich ihn auch gleich. Er grinst mich wieder so toll an. „Ich heiße einfach nur Key“, antwortet er. Und dann traue ich mich. Ich starre in das eiskalte Blau. Ich weiß gar nicht wieso oder warum, aber ich stelle mein Glas ab, stehe auf und ziehe ihn zur Tanzfläche.
 

Er fängt gleich an zu tanzen, ich auch. Normalerweise, drücken sich meine Flirts immer sofort an mich und reiben sich an meiner Haut, doch er tut es nicht. Er tanzt so eng mit mir, dass ich seinen Atem spüren kann, aber er berührt mich nicht. Nicht ein einziges Mal, obwohl wir so nah bei einander stehen.
 

Das hier ist noch viel geiler, als alles andere, was ich bisher erlebt hab. Nichts hat mich je mehr angemacht, als sein intensiver Blick, der noch immer auf mir ruht. Sein attraktiver Körper, den ich nur erahnen kann, sein Atem und diese wundervollen Grübchen sind einfach so was von geil. Kurz gesagt - er ist atemberaubend!
 

Er sagt nichts, bleibt die ganze Zeit stumm.

Andere fangen immer gleich an irgendeinen Scheiß zu quatschen, der mich nicht interessiert, doch er tut das nicht. Er, Key, ist irgendwie anders. Ich rücke ein Stückchen näher und berühre ihn zart, so nahe sind wir uns, doch er weicht zurück und bringt wieder denselben minimalen Abstand zwischen uns wie zuvor.
 

Er grinst mich wieder an, diesmal schelmisch, als ob er mich testen möchte. Von mir aus. Wenn er es so will! Dann spiele ich eben sein kleines Spielchen mit! Ich rücke wieder näher, und er weicht zurück. Das geht ziemlich lange so weiter, bis er mich plötzlich an den Schultern packt, zurückstößt und hart an die Wand presst, die wir erreicht haben. Eingekeilt stehe ich da.
 

Er grinst mich an und tut sonst gar nichts. Wir stehen einfach so da. An den Stellen wo seine Hände liegen wird es warm, es fängt an zu brennen und ich habe das starke Bedürfnis zu fliehen, wegzurennen. Sein Blick ist zu intensiv, zu eindringlich und sein Griff einfach zu fest.
 

Es macht mir Angst und ich will mich diesem Blau entziehen, aber ich kann nicht. Ich bleibe regungslos da stehen und halte seinem Blick stand. Was mache ich hier eigentlich? Hab ich tatsächlich Angst vor ihm? Bin ich so ein Weichei? Auch wenn er mich noch so einengt und mich verunsichert, ich bin ein Mann! Ich darf nicht schwach werden und aufgeben! Dafür bin ich einfach zu stolz. „Du und dein blöder Stolz!“, murmelt mein inneres Ich und ich schnaube in Gedanken. Fresse da oben!
 

Wir stehen nach einer ganzen Ewigkeit immer noch da. Sein Grinsen schwindet langsam. Er sieht mich plötzlich traurig an und seufzt. Dann lässt er mich los und geht ein paar Schritte zurück. Nanu? Was ist denn jetzt los? Ich entspanne mich wieder und sehe ihn verwirrt an. Verlegen blickt er zu Boden und öffnet langsam seine Lippen. „Sorry“, sagt er, unterdrückt etwas…Ist er verbittert? „Wollte dir keine Angst machen“
 

Er sieht auf und ich schlucke. Er hat es gemerkt? Okay, so schwer ist das ja auch nicht gewesen. Ich hab wahrscheinlich ausgesehen wie ein verschrecktes Kaninchen.
 

Langsam wendet er sich zum gehen um, doch da trete ich einen Schritt vor und berühre vorsichtig seine Schulter. Ich bin unsicher, weiß gar nicht was ich jetzt denken soll. Verwundert blickt er zurück und ich presse spontan meine Lippen auf seine. Keine Ahnung, was mich da geritten hat. Tatsache ist: Ich hab es getan!
 

Ich habe keine Angst mehr. Was sollte schon so gefährlich an ihm sein? Er hat nur die…äh…seltsame Gabe Menschen Angst einzujagen? Ja, vielleicht – Keine Ahnung. Es ist mir ehrlich gesagt egal. Ich will mit diesem Typ ins Bett und zwar sofort! Das ist alles was zählt!
 

Ich bewege meine Lippen verlangend gegen seine und er geht darauf ein. Und dann überrascht er mich erneut: Key drückt mich noch einmal gegen die Wand und schiebt sein Knie unvermittelt zwischen meine Beine. Ich öffne erschrocken meinen Mund. Er nutzt gleich die Chance und fängt sofort an meine Zunge mit seiner zu umspielen.
 

Ich hab immer noch kein sonderlich gutes Gefühl bei der Sache, jedoch liegt das wahrscheinlich nur daran, dass ich es gewohnt bin, der Dominante zu sein. Und hier ist das eindeutig nicht der Fall. Moment…
 

Ich erstarre schon wieder. Wenn er der Dominante ist, muss ich doch daraus schlussfolgern, dass er Top im Bett ist, oder? Und das ist schlecht. Sehr, sehr schlecht. Ich und Bottom? Pah! Nie im Leben!
 

Verwundert löst er den Kuss und neigt seinen Kopf fragend zur Seite. Dabei hebt er seine linke Braue an und blinzelt verwirrt. Keine Ahnung warum mir diese Mimik bei ihm so genau auffällt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er nichts sagt.
 

Wenn ich es mir recht überlege, hat er bisher wirklich nicht viel gesagt. „Ich liege nie unten“, erkläre ich und sehe ihm herausfordernd in die eisblauen Augen. „Damit das schon mal klar ist“
 

Er nickt leicht, lächelt und berührt vorsichtig meine Lippen mit seinem Zeigefinger. Key sieht mich unter den Spitzen seines blonden Ponys an und lässt seine Hand zu meinem Hals gleiten. Er ist allem Anschein nach einverstanden.
 

Gut, er ist wohl doch eher Bottom. Besser für mich. Ich grinse ihn anzüglich an und beuge mich ein klein wenig herab, um mit meinen Lippen sein Ohr zu berühren. „Zu mir?“, hauche ich und ich spüre wie er nickt.
 

Wir verlassen das Sky9 schweigend. Wie immer sehen mir die Männer hinterher, aber dieses Mal wohl aus anderen Gründen.
 

Erstens: Ich bin geil. Zweitens: Key ist auch geil. Logisch, oder?
 

Wir sind da und ich schließe die Tür hinter mir. Ich mache mich schon insgeheim darauf gefasst, dass er über mich herfällt, aber es passiert nichts. Immer noch nicht.
 

Stattdessen geht er den breiten, langen Flur entlang und sieht sich um. Hä?

Etwas verdattert stehe ich noch an der Tür. Er ist nicht gleich zur Sache gekommen. Okay. Was nicht ist, kann ja noch werden. Auf geht’s!
 

Ich hole ihn ein und stelle mich dicht hinter ihn. „Das Schlafzimmer ist gleich da hinten“, raune ich verführerisch in sein Ohr. Er riecht echt klasse…Aber nach was? Mit einer geschmeidigen Bewegung dreht er sich zu mir und grinst mich an. Augenblicklich wird mir heiß und ich spüre das geliebte Ziehen in meinen Lenden.

Wie ich dieses Grinsen liebe!

Sanft lege ich meine Hände auf seine Hüften und schiebe ihn Richtung Schlafzimmer. Wir berühren uns kaum, als ich blind nach der Türklinke taste und sie langsam nach unten drücke. Die Tür geht auf und ich spüre seine Hand auch schon am Saum meines T-Shirts.
 

Langsam entblößt er meine Haut und zieht mir den störenden grauen Stoff über meinen Kopf. Normalerweise zerren meine Ficks an der teuren Kleidung, wie wilde Tiere.

Aber er macht es ganz langsam. Zögert den Spaß hinaus und macht mich wahnsinnig heiß.
 

Wir nähern uns meinem Bett, während ich die Knöpfe seines Hemdes öffne. Er sieht mir in die Augen und ich spüre wie mein Glied steif wird. Mein Herz klopft heftig in meiner Brust und ich beiße mir kurz auf die Unterlippe. Das hier macht mich so was von an!
 

Ich will ihn gerade küssen, als wir rücklings aufs Bett fallen. Und bevor ich es auch nur richtig realisieren kann, ist er auch schon über mir und sieht grinsend auf mich herab. Ich blinzle verdattert in die Dunkelheit. Hat er nicht gesagt, dass er Bottom ist? Okay, gesagt hat er so gut wie gar nichts, dennoch bin ich davon ausgegangen, dass er sich von mir ficken lassen würde.
 

„Ich hab doch gesagt, dass-“ Erschrocken keuche ich auf. Er hat seine kühle Hand in meine Hose geschoben und umfasst sanft mein Glied. Ich stöhne und schließe ergeben die Augen. Das fühlt sich so was von geil an… Sollte er mich wirklich ficken wollen, werde ich ihn schon rechtzeitig aufhalten…
 

Ich spüre wie sich die Hitze in meinem Körper breit macht und stoße erregt in seine Hand. Leise lachend drückt er mein Becken in die Matratze und beugt sich langsam vor. „Pst…“, schnurrt er und beißt sanft in mein Ohrläppchen, während er meine Hose öffnet.
 

Und dann spüre ich seine Lippen. Ich stöhne lauter und kralle mich in die Bettdecke, als er es in kreisenden Bewegungen leckt. Es ist nur seine Zungenspitze, die mich berührt, trotzdem macht mich das ganz verrückt! Mein Herz rast und ich spüre schon die ersten Schweißtropfen auf meiner Stirn.
 

Vorsichtig versucht er mit seiner linken Hand meine Hose abzustreifen. Ich helfe ihm so weit es geht und er lässt von mir ab. Kurze Zeit später höre ich, wie unsere Kleidung mit einem raschelnden Geräusch zu Boden fällt.

Komplett nackt setzt er sich auf meine Oberschenkel und grinst mich wieder so schelmisch an.
 

Dann hebt er auffordernd die Brauen. Aha. Stille Botschaft, wie? „Kondome?“, frage ich vorsichtshalber. Er nickt und ich grinse zurück. „Keine Sorge. Ich mach´s eh nicht ohne“

Ich öffne die Schublade meines Nachtschränkchens und fische Kondome und Gleitgel zwischen diversen anderen Dingen heraus.
 

Er nimmt mir das Zeug sofort ab und reißt gekonnt das Kondom zwischen seinen Zähnen auf. Ich stoße erleichtert Luft aus, als er es mir überzieht.
 

Ich beiße kurz auf meine Unterlippe, als er dann etwas Gleitgel darauf verteilt.
 

Und dann passiert es endlich. Langsam lässt er sich auf mich herabsinken. Key reibt sich an mir. Provoziert mich bewusst. Er bringt sich in die richtige Position und setzt sich quälend langsam. Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig! Ich spüre seine enge Hitze um mich und stöhne auf. Wenn er sich doch nur endlich bewegen würde!
 

Ich höre sein leises Kichern an meinem Ohr, als er sich kurz zu mir vorbeugt. Wieso, um alles in der Welt, tut er nichts weiter? Ich platze, wenn er mich noch länger warten lässt! Alles in mir ist heiß und ich zittere vor Erregung.
 

Als er endlich anfängt sich ein wenig auf und ab zu bewegen, keuche ich erleichtert auf. Hauchzart streichen seine Hände über meinem Bauch. Ich bin nicht mal ganz in ihm drin. Oh, ja. Er versteht was von Folter. Ist er Sadist oder so was? Sieht er mich gerne so leiden?
 

Langsam öffne ich meine Augen und sehe direkt in seine. Sein Blick ist klar und konzentriert. Als würde er gerade ein Buch lesen. Gar nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Sollte er mich nicht mit einem vernebelten Blick ansehen? Oder irgendwie erregt?
 

„Bitte…“, fleht eine Stimme, die ich so gar nicht von mir kenne.
 

Moment. Stopp! Kann mal jemand zurückspulen? Habe ich gerade wirklich „bitte“ gesagt? Ich? Ja, anscheinend. Er schmunzelt amüsiert und bewegt sich noch einen Tick langsamer. Hallo?!
 

Leise keuche ich. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum ich so ruhig bin. Wahrscheinlich, weil es mir peinlich wäre in den Raum zu schreien, während er noch immer keinen Pieps von sich gibt.
 

Und tatsächlich. Außer meinem gedehnten Stöhnen ist es völlig still. Nichts ist zu hören.
 

Er bewegt sich ein klein wenig schneller, drückt mich tiefer in sich hinein. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf jede seiner ruhigen Bewegungen. Es fühlt sich gut an. Sehr gut sogar. Ich kann seine Fingerspitzen auf meiner Brust spüren. Wie sie auf und ab gleiten und Muster auf meine Haut malen. Muster, die ich nicht zuordnen kann.
 

Ich atme nur noch flach. Genieße, was er mit mir macht. Es ist wie eine Art Trance, komatös. Er kontrolliert mich, meine Atmung und meine Empfindungen. Es ist so anders als sonst.

Normalerweise waren es nur schnelle Ficks. Rein, raus – Fertig! Doch das hier ist nicht so ein Fick.
 

Immer tiefer lässt er mich in sich eindringen, lässt mich vor und zurück gleiten. Mein Atem wird schneller. Mir wird immer heißer. Ich könnte schwören, dass mein Gesicht gerötet vor Hitze ist. Was macht er nur mit mir?
 

„Noch ein bisschen…“, flüstert seine Stimme durch die Dunkelheit hindurch. Ich schlucke, kann mich kaum zusammenreißen. Mir wird schwindelig. Meine Hände krallen sich in die Bettdecke. Ich bin gleich soweit…
 

„Tristan…“
 

Ich keuche auf.

Scheiße. Ich bin gekommen.

Warum musste er auch meinen Namen sagen? War doch klar, dass das passieren würde!

Ich wollte kommen, andererseits hätte ich das gerne noch weiter genießen wollen.
 

Mein Herz flattert und meine Atmung muss sich erstmal wieder beruhigen. Das war…so was von geil! Ich kann spüren, wie ich anfange zu grinsen. Muss ziemlich bescheuert aussehen, aber was soll es! Ich kann das gerade nicht zurückhalten.
 

Ein abfälliges Schnauben. Er steht auf. Hä? Was ist denn jetzt los? Ich öffne irritiert die Augen und sehe dabei zu wie er sich die Hose über seinen runden, feschen Hintern streift.

Er will gehen? Jetzt schon?
 

Ich blinzle verwirrt. Er greift schon zu seinem Hemd, als es plötzlich aus mir rausplatzt: „Sehen wir uns wieder?“

Er dreht sich um und ich lächele ihn sexy an. Das klappt immer.
 

Erst sieht er mich verwirrt an, dann grinst er zurück. Soweit so gut…

Langsam kommt er auf mich zu. Das Hemd noch immer in der Hand. Vor mir bleibt er stehen und beugt sich zu mir runter. Ich spüre seinen Atem an meinem Ohr und bekomme eine Gänsehaut.
 

„In deinen Träumen jede Nacht, Schätzchen“, raunt er.
 

Was? Er zieht sich zurück, lacht leise in sich hinein und geht. Die Tür schließt sich. Ich sitze völlig versteinert auf meinem Bett und starre Löcher in die Luft. Was war das denn?
 

Kann mir jemand erklären was da gerade passiert ist?

Ich, Tristan Stevenson, habe einen Korb bekommen?

Einen KORB?!
 

Irgendwas ist da gerade entsetzlich schief gelaufen. Ganz sicher.

Chapter 2 - A glorious mess!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 2 - A glorious mess! (Zensiert)

Pieppiep, pieppiep, pieppiep…

Scheiß Wecker! Ich strecke meine Hand aus und schalte den Störenfried aus. „Aufstehen!“, ruft mein inneres Ich. „Aufstehen!“

Schnauze!
 

Schlecht gelaunt werfe ich die Decke zur Seite und stehe auf. Ich muss zur Arbeit. Scheiße. Langsam aber sicher schlurfe ich ins Badezimmer. Die Fliesen sind kühl und ich erschaudere kurz. Ich hätte Socken anziehen sollen.
 

Müde strecke ich mich und schaue grummelnd in den Spiegel. Man, sehe ich beschissen aus! Und so soll ich zur Arbeit?
 

Ich habe fette, dunkle Augenringe und meine Haut ist so blass, dass ich einem Geist Konkurrenz machen könnte. Die dunkelbraunen Haare machen das Ganze auch nicht besser. Im Gegenteil. Ich sehe aus wie eine Wasserleiche.
 

Hmmm...Aber sind Wasserleichen nicht irgendwie grünlich? Egal. Was interessiert mich das. Ich lebe. Na, ja. So halb, aber immerhin.
 

Ich gähne meinem Spiegelbild entgegen. „Ich wünsche dir auch einen guten Morgen!“, trällert mein inneres Ich sarkastisch. Haha.
 

Wie erbärmlich. Ich höre ständig eine Stimme, die zu jeder meiner Bewegungen dumme Kommentare abgibt. Ich bin ein Fall für den Psychiater, das steht fest.
 

Dunkle, braune Augen blicken mir müde entgegen. Erschöpft spritze kaltes Wasser in mein Gesicht und versuche meine Lebensgeister irgendwie auf Trab zu bringen. Ich bin wach. Vollkommen wach. Ich bin…Gähn. Mist.
 

Zu einem Häufchen Elend bin ich degradiert, jawohl! Und wer ist Schuld? Dieser blöde Key!

„In deinen Träumen jede Nacht, Schätzchen“
 

Dieser beschissene Satz verfolgt mich bis in meine Träume. Alpträume, wohl gemerkt.

Dabei ist der ganze Scheiß schon drei Tage her.
 

Ein Korb. Ich, Tristan Stevenson, habe einen Korb bekommen. Kann sich das einer vorstellen? Noch dazu von einem seltsamen Spinner, der nicht mal richtig reden kann? Ich glaub mein Schwein pfeift!
 

Das ist mir noch nie passiert. Da bin ich so freundlich und erkläre mich bereit, ihn ein zweites Mal zu ficken und er lässt mich abblitzen? Das ist doch Wahnsinn!

Sonst rennen mir doch die anderen immer hinterher!
 

Ich dusche und ziehe mich an. Eine schwarze Hose, ein teures braunes Satinhemd und ein Jackett, passend zur Hose. Ordentlich, sauber und elegant. Schlicht ist es auch noch.
 

Ich bin groß, schlank und durchtrainiert. Breite Schultern und dicke Augenbrauen habe ich auch. Ich sehe verdammt gut aus und habe Stil! Außerdem bin ich ja wohl eine Granate im Bett! Was hat ihm daran nicht gepasst?!
 

Obwohl…Am Freitag hab ich gar nichts gemacht. Das ist es! Er hat gar nicht wissen können, wie gut ich bin! Schließlich hat er mich gar nicht zur Sache kommen lassen!
 

Aber es sah ganz danach aus, als ob das Absicht gewesen wäre. Er wollte mich reiten. Das war nicht meine Schuld. Es hat ihm trotzdem nicht gefallen. Aber warum? Was genau ist schief gelaufen? Ist… ist mein Schwanz etwa zu klein?
 

Nein, das ist unmöglich. Oder…? Vorsichtig schaue ich an mir herunter. Moment… Was mache ich da eigentlich?!
 

Jetzt mache ich mir schon Sorgen über meine Schwanzgröße, wie ein pubertierender Dreizehnjähriger! Hey, Erde an Tristan! Das war nur ein Fick, klar?

Einfacher, normaler… verdammt guter… Sex.
 

Mist. Ob ich es zugeben will oder nicht, aber das war ja wohl einer der geilsten Ficks meines Lebens! In meiner Top-Ten: Zehnter Platz. Na, ja… Neunter. Mindestens.
 

„Konzentrier dich auf die Straße“, ermahne ich mich, als ich in meinem schwarzen Mercedes sitze. Keine Ahnung wie ich ins Auto gekommen bin. Routine wahrscheinlich.

Ebenso routiniert findet mein Auto auch den Weg zu meinem Büro.
 

„Herr Stevenson! Gut, dass sie endlich da sind! Herr Dr. Miller hat angerufen, wegen dem Termin…“, plappert eine meiner Angestellten drauflos, als ich durch die Türe komme.
 

Tina Schnell. Eine permanente Nervensäge. Womit, um alles in der Welt habe ich das bloß verdient?
 

Irgendwie irritieren mich ihre pink lackierten Fingernägel, als sie mit ihrer rechten Hand durch ihr platinblondes Haar streicht. Genauso wie der ganze Rest an ihr. Wie zum Beispiel dieser fürchterlich kurze Rock. Ist ja eklig.
 

Sie ist zu geschminkt, zu freizügig und einfach zu tussig. „Er kann leider nicht kommen…“, beendet sie ihr unnötig langes Gerede, während wir in mein Büro gehen.
 

„Er hat also abgesagt?“, frage ich ungläubig.

Nein! Das heißt, ich hätte noch ein bisschen schlafen können? Verdammter Mist! Müde setze ich mich an meinem Schreibtisch. „Ja, er verschiebt den Termin auf Morgen, 12.45 Uhr…“, meint sie und schaut mich mit einem ziemlich doofen Blick an. „Sie sehen müde aus!“
 

Erst jetzt bemerkt? Ich sehe sie wohl ziemlich giftig an, denn sie weicht etwas zurück. Ihr Gesicht ist übertrieben verzerrt und sie umklammert ihren Notizblock. Dramaqueen. Als ob ich sie gleich umbringen würde!
 

Na, ja. Ein schneller Denker ist sie ja nicht. Blond eben. Haha. Frau Schnell, schneller Denker! Kapiert? Hahaha… haha… ha…?

Nicht lustig, ich weiß.
 

Genervt seufze ich auf und massiere meine Schläfen. Ganz ruhig. Immer mit der Ruhe. Nicht überreagieren… Seit wann bin ich eigentlich so empfindlich?!
 

„Herr Stevenson?“, fragt Frau Schnell besorgt nach. Ihre Stimme klingt verunsichert.

Kein Wunder, so wie ich mich aufführe!
 

Ich atme tief durch und lächele sie schwach an. „Tut mir Leid. Ich habe wirklich sehr schlecht geschlafen“, erkläre ich und bin kurz davor zu gähnen.
 

„Wage es ja nicht! Wo bleibt denn dein berühmter Stolz?“, meldet sich meine innere Stimme wieder und ich grummle gedanklich vor mich hin. Kann ich das nicht irgendwie abstellen? Ein Knöpfchen drücken oder so was?
 

„Sie können wieder gehen“, murmle ich und sie macht sich zum Glück aus dem Staub. Oh, nein! Soweit kommt es noch, dass ich wegen so einem Idiot wie Key, meine Arbeit nicht in gewohnter Qualität erledige!
 

Ich bin Architekt. Ein sehr, sehr guter Architekt! Und das wird sich doch nicht wegen eines einzigen lächerlichen Korbes ändern! Pah! Wäre ja noch schöner!
 

Der Tag zieht sich zäh dahin. Ich bin nicht recht da. Zum Glück habe ich nur noch einen Termin vor mir. Nur noch einen. Dann darf ich endlich nach Hause!
 

Ich sitze in meinem Büro und starre Löcher in die Luft. Das kann ich wirklich gut. Mach ich ja schon den ganzen Tag.
 

Beim dumm in die Gegend glotzen ist mir aufgefallen, dass mein Büro irgendwie beschissen aussieht. Als ich noch ein pubertierendes Etwas mit Hackfresse gewesen bin, hatte ich mir selbst geschworen, dass ich alles anders machen würde, als mein Vater.
 

Na, ja. Gerade erfolgreich war ich darin nicht. Ich bin in seine Fußstapfen getreten und Architekt geworden. Und mein Büro sieht genauso beschissen aus wie seines.
 

Liegt wahrscheinlich daran, dass es ja eigentlich seines ist. Mit ein paar moderneren Möbeln versteht sich.
 

Außerdem ficke ich mich ebenfalls durch ganz München. Nur eben auf dem anderen Ufer.
 

Früher hatte ich die wahnwitzige Vorstellung, dass ich eines Tages heiraten, Kinder kriegen und für immer und ewig treu sein würde. Eben alles anders machen würde, als mein Vater.
 

Wenn ihr mich fragt, ist das von vornherein Schwachsinn gewesen.
 

1. Heiraten interessiert mich einen rostbraunen Stinktierfurz. Ich bin schließlich schwul.
 

2. Kinder nerven. Ich wäre außerdem ein grottenschlechter Vater. Und da ich das weiß, werde ich den Teufel tun und meine Kinder derartig mit mir quälen.
 

3. Was nützt einem treu bleiben, wenn man selbst der Betrogene ist? Nichts. Außerdem habe ich nicht vor jemals wieder eine Beziehung zu führen. Eher schlafe ich mit einer Lesbe!
 

Ich werde brutal aus meinem Gedankengang gerissen, als Frau Schnell – ohne zu klopfen natürlich – in mein Büro platzt. „Herr Gordon ist jetzt da. Soll ich ihn reinbringen?“, fragt sie und grinst mich dümmlich an.
 

Warum, zum Teufel, hab ich die eigentlich eingestellt? Oder nicht schon längst gefeuert?

„Ja, von mir aus“, grummle ich und setzte mich gerade hin. Ich will nach Hause.
 

„Sie können reingehen“, informiert sie irgendeinen Kerl, dessen Namen ich schon vergessen hab. Ich höre Gebrummel. Zweistimmiges Gebrummel. Na, toll. Jetzt sind es auch noch zwei? Ich seufze und schaue auf, als die beiden Personen hereinkommen.
 

Scheiße. Nein. Nein! Das ist jetzt alles nicht wahr! Meine Gesichtszüge entgleisen mir und ich starre ihn ungläubig an. Wieso ausgerechnet er? Kann ich bitte schnell verschwinden? In irgendein Loch hüpfen oder von einer Klippe springen, bitte? Bitte?!
 

Er sieht mich genauso geschockt an, wie ich ihn. Keiner von uns hätte je gedacht, dass wir den anderen wieder sehen würden. Na, ja. Zumindest nicht so schnell.

Mein Blick wandert über seinen Körper.
 

Key sieht noch genauso gut aus wie ich ihn in Erinnerung habe. Seine Haare sind leicht verwuschelt und reichen ihm bis zu den Augenbrauen. Er trägt ein schwarzes Longsleeveshirt mit Rollkragen und eine dunkle Jeanshose. Stil hat er. Mist.
 

Ich fange mich als Erster wieder und lächle die beiden Männer freundlich an.

„Guten Tag. Ich bin Herr Stevenson. Freut mich, dass sie da sind“, stelle ich mich vor und stehe auf.
 

„Sehr erfreut, ich bin Manuel Gordon. Und das hier ist mein Bruder Key“, erklärt Herr Gordon lächelnd, während Key mich mit einem kalten Blick mustert.
 

Sein Bruder hat ein etwas rundlicheres, sympathisches Gesicht und ist wahrscheinlich älter als Key. Die Haare sind braun, seine Augen dunkelblau und er lächelt schon die ganze Zeit über. Irgendwie sehen die Beiden sich nicht sonderlich ähnlich.
 

Aufs Händeschütteln, würde ich am Liebsten verzichten. Aber was sein muss, muss sein. Als ich Keys Hand ergreife, spüre ich mein Herz etwas schneller schlagen. Allein die Berührung macht mich nervös. Ich lasse ihn ziemlich schnell wieder los.
 

„Setzten Sie sich, bitte“, sage ich höflich und deute auf die Stühle vor meinem Schreibtisch.
 

Ich muss meinen Job gut machen, egal was gewesen ist. Eigentlich ist das nicht das erste Mal, dass einer meiner Ficks sich hierher verläuft. Aber eben das erste Mal jemand, der mich eiskalt abserviert hat.
 

Key hat sich inzwischen auch wieder unter Kontrolle und setzt sich mit seinen Bruder hin, während er einen dunkelroten Schal von seinem Hals zieht.
 

Meinen Job erledige ich wie ich es immer tue. Freundlich, höflich und stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Was soll ich schon machen? Ist immerhin meine Arbeit.
 

Insgeheim habe ich ja zwei Gesichter. Auf der Arbeit bin ich der freundliche, zuvorkommende Herr Stevenson, doch im Privatleben eher der „Du-kannst-mich-mal-Typ“. Zugegeben bin ich auch nicht gerade der Netteste, aber meine Freunde mögen mich trotzdem.
 

Na, ja. Solange ich es nicht übertreibe. Es gibt schon Einige, die mich an so richtig üblen Tagen erwischt haben und nicht wirklich gut auf mich zu sprechen sind.

Deshalb muss ich für meine Kunden immer das Pokerface aufsetzen. So wie jetzt.
 

Es läuft alles gut. Herr Gordon sagt mir ungefähr was er sich für das Haus vorstellt und Key sitzt einfach nur da und schweigt. Ihn mitzubringen, war also vollkommen überflüssig.

Theoretisch gesehen, hätte mir dieses Treffen erspart bleiben können. Echt toll.
 

Außerdem macht der Typ mich total nervös. Er starrt mich die ganze Zeit an und beobachtet jede meiner Bewegungen. Brauchst du ein Passbild?, bin ich versucht zu sagen, halte aber lieber meine Klappe.
 

Hast du mich denn nicht genug angesehen, als wir gefickt haben?, denke ich verärgert. Offenbar nicht. Dann hättest du mich wohl nicht so einfach abgesägt oder?
 

Na, ja. Das würde ganz schlecht rüber kommen. Auch wenn es mich nervt. Sein Blick ist nämlich noch genauso fest und verunsichernd wie vor drei Tagen. Scheiße.

Meine Hände werden feucht und ich versuche den Gedanken zu verdrängen.
 

„Ja, dann sehen wir uns am Donnerstag! Noch mal vielen Dank, Herr Stevenson!“, verabschiedet sich der Bruder und reicht mir aufs Neue die Hand.

Ich bringe es hinter mich und ehe ich mich versehe, schüttele ich schon wieder Keys Hand.
 

Zum ersten Mal seit dem gesamten Gespräch lächelt er mich an. Und da sind sie wieder. Seine wundervollen Grübchen. Mir wird warm und ich spüre es in meinen Lenden kribbeln. Wieso hat er nur so eine Wirkung auf mich?
 

Mein Lächeln wird breiter und ich habe richtig Lust ihn auf meinen Schreibtisch zu pressen und… Ähem. Das gehört, denke ich, nicht hierher.
 

„Bis Donnerstag“, sage ich und lasse seine Hand nach einer gefühlten Ewigkeit los. Sie gehen. Key zwinkert mir noch einmal zu und rauscht ab. Heilige Scheiße. Ist das gerade wirklich passiert? Ich kann es irgendwie nicht fassen.
 

Und was sollte das Zwinkern? Zufällig fällt mein Blick auf Keys Stuhl. Da liegt ein Schal. Und der gehört eindeutig ihm.
 

Mein Herz schlägt Saltos und ich grinse dämlich vor mich hin. Absicht. Das war pure Absicht. Ich bin sicher, er wollte mir einen Grund geben, um mich bei ihm zu melden. Meine Libido freut sich und ich plumpse zufrieden in meinen Stuhl. Mit dem Schal in meiner Hand.
 

Er ist seidig und riecht echt klasse. Ist das Keys Duft? Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr wie er gerochen hat. Ist ja auch schon drei Tage her.
 

Er will mich wiedersehen!
 

Fast hätte ich mich wirklich gefreut, als sich plötzlich meine innere Stimme wieder meldet: „Wieso muss das unbedingt Absicht gewesen sein? Sei mal realistisch! Er hat seinen Schal wahrscheinlich einfach nur vergessen!“
 

Scheiße. Daran habe ich gar nicht denken wollen. Natürlich! Ist doch logisch! Das war keine Absicht. Es war ein Versehen. Ein einfaches, dummes Versehen.
 

Obwohl es Sinn macht und ich mir sogar sicher bin, dass es so ist…spüre ich immer noch diese bescheuerte, winzig kleine Hoffnung in mir, dass es Absicht gewesen sein könnte.

Ich bin erbärmlich. Eindeutig armselig.
 

Nach einer Stunde bin ich zu Hause. Ich habe Herr Gordons Telefonnummer mitgehen lassen und sitze nachdenklich auf meinem Sofa. Key will mich bestimmt nicht wieder sehen. Da bin ich mir sogar sicher. Wieso habe ich da überhaupt noch Hoffnung?
 

Trotz der Zweifel stehe ich nach einer Weile auf und greife zum Telefon.

Soll ich es wagen und nach Keys Adresse fragen? Was würde wohl Herr Gordon davon halten, wenn ich zu seinem Bruder renne und versuche ihn durchzuficken? Aber so was würde Key wohl kaum herumerzählen oder?
 

Ehrlich gesagt habe ich nicht die geringste Ahnung. Es könnte ja auch sein, dass Key den Schal nimmt und mir die Tür vor der Nase zuknallt. Das letzte Mal, schien er ja nicht sehr begeistert von mir und meinem besten Stück zu sein.
 

Aber ein Versuch wäre es doch wert, oder? Was habe ich denn schon zu verlieren? Ich habe ja schon einen Korb bekommen. Hole ich mir eben einen zweiten.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken tippe ich die Nummer ein und drücke auf das grüne Knöpfchen. Nach dem dritten Klingeln nimmt sogar jemand ab. „Bei Gordon“, meldet sich vermutlich der Bruder und ich atme noch mal tief ein.
 

„Ja, guten Tag, ich bin Herr Stevenson vom Architekturbüro. Ich wollte Sie bitten, mir die Adresse ihres Bruders zu geben“, plappere ich und könnte mir gleich eine schallen.

Ich komme mir so was von dumm vor.
 

„Ähm, wozu, wenn ich fragen darf?“, fragt er leicht verwirrt. Zu Recht.
 

„Oh, Ihr Bruder hat seinen Schal nach dem Termin vergessen. Also wollte ich den einfach mal vorbeibringen“, versuche ich zu erklären und klinge dabei reichlich blöd.

Seit wann rede ich eigentlich so einen Schwachsinn?
 

„Okay, wenn das so ist. Er wohnt in der Friedrich-Schiller-Straße, Hausnummer 18“, antwortet er auch gleich. Zum Glück fragt er nicht weiter nach.
 

„Vielen Dank, Herr Gordon!“, bedanke ich mich ohne groß nachzudenken und lege gleich auf. Friedrich-Schiller-Straße. Wo ist das noch gleich?
 

Ich werfe mir schnell meinen schwarzen Mantel über und sprinte ins Freie. Es ist verdammt kalt, aber zum Glück nicht so schlimm wie im letzten Winter. Da hatte ich oft das Gefühl zu einem Eiswürfel zu gefrieren, wenn ich draußen war.
 

Ich schließe die Autotür und starte den Wagen. Es ist fast zwanzig Uhr und schon ziemlich dunkel. Wenn er auf Sex aus ist, wird er schon nichts gegen die späte Zeit haben. Falls nicht, wird er mich für den späten Besuch wohl kaum lynchen, oder?
 

Friedrich-Schiller-Straße. Was für ein beschissener Straßenname. Wo soll das denn sein? Aber für solche Fälle gibt es ja Navigationsgeräte.
 

„Rechts abbiegen“, meint eine helle Frauenstimme. Nach ein paar weiteren Anweisungen habe ich die Straße gefunden. Allzu weit weg ist es also nicht.
 

Da ist es. Nummer 18. Eine recht ruhige Gegend. Und das Gebäude ist auch eher durchschnittlich. Na, ja. Verdient halt nicht jeder so viel Geld wie ich.
 

Ich steige aus meinem Auto und eile zur Tür, um der Kälte so schnell wie möglich zu entkommen. Mein Blick wandert über die Namensschilder. Gordon, Gordon… Ah, da.
 

Ich klingle und wippe unruhig auf meinen Fußballen her und her. „Hallo?“, ertönt Keys dunkle Stimme aus der Sprechanlage.
 

„Guten Tag, hier ist Tristan Stevenson. Sie haben Ihren Schal in meinem Büro vergessen. Darf ich kurz reinkommen?“, frage ich und reibe meine Hände ob der Kälte.

Es ist erst ziemlich still, dann höre ich ein zustimmendes Grummeln.
 

Ich werde reingelassen und drücke die Tür auf. Der Gang ist dunkel und ich habe keine Ahnung in welchem Stockwerk er wohnt. Unsicher steige ich die Treppen hinauf, bis ich eine offene Tür entdecke.
 

Key steht am Türrahmen und mustert mich kalt. Seine Haare sind zerzaust und er trägt nur ein T-Shirt und Boxershorts. Gott, sieht das heiß aus!
 

Ich lächle ihn an und bleibe direkt vor ihm stehen. Fragend hebt er eine Braue und streckt fordernd seine Hand aus. Sieht nicht gerade danach aus, als ob er an einer Wiederholung interessiert wäre.
 

Etwas unsicher geworden drücke ich ihm den Schal in die Hand, aber ich bleibe wo ich bin. „Noch was?“, fragt er gelangweilt und sichtlich genervt. Autsch, das war wohl nichts.
 

Ich sehe ihm direkt in die Augen. Sein Blick ist noch immer fest und hart. Die sanft gebräunte Haut sieht unglaublich weich und samtig aus. Ich will ihn. Jetzt sofort. Ich setze alles auf eine Karte und trete entschlossen einen Schritt vor.
 

„Um ehrlich zu sein, ja“, raune ich und lege meine Hand in seinen Nacken.

Fest und gierig küsse ich ihn. Er könnte sich wehren. Mich wegschubsen. Mir eine Klatschen. Es wäre mir egal. Ich habe es zumindest versucht.
 

Doch dann packt er mich an den Schultern, zieht mich in den Flur und knallt die Tür hinter uns zu. Seine Lippen pressen sich gierig gegen meine und er fängt an, mir hektisch meinen Mantel auszuziehen.
 

Mein Glied wird schlagartig steif und ich spüre wie es in meinen Lenden zieht. Er will es doch? Key will mit mir schlafen?
 

Ich gleite mit meiner Hand unter sein Shirt und streiche über die weiche Haut darunter. Während mein Jackett sich auch schon von mir verabschiedet, schiebt er mich unnachgiebig durch den Flur in irgendein Zimmer.
 

Nein. Dieses Mal wird er nicht der Dominante sein. Ich bin fest entschlossen. Noch einmal kriegt er mich nicht unter.
 

Wir sind im Wohnzimmer. Ich ziehe ihn zu mir, küsse ihn fester, härter. Sein Glied drückt sich gegen meines. Die rechte Hand krallt er in mein Haar und ich schiebe ihn bestimmt zum Sofa. Heute werde ich ihm zeigen, was ich drauf habe.
 

Wir fallen rückwärts auf die Couch und ich drücke ihn mit meinem ganzen Gewicht in den grauen Stoff. Mein Puls rast und ich lasse kurz von ihm ab. Sein Kopf liegt auf der Lehne und er schlingt seine langen Beine fest um meine Hüfte.
 

Keys helle, blaue Augen sehen mich fest an und ich kann die Gier in ihnen sehen. Es wirkt so als ob ein Sturm in ihnen toben würde. Er liegt unter mir, aber dennoch zeigt er, dass er mir nicht unterlegen ist. Wir ebenbürtig sind. Allein mit diesem Blick.
 

Wieder küssen wir uns so hart, dass ich schon ein Kribbeln auf meinen Lippen spüren kann. Ich stupse mit meiner Zunge gegen seine Lippen und er lässt mich gewähren. Unsere Zungen umspielen sich, kämpfen beinahe miteinander.
 

Orangen. Er schmeckt nach Orangen.
 

Key zieht an meinem Hemd und bedeutet mir es auszuziehen. Grinsend löse ich mich kurz von ihm. Ernst und mit zusammengezogenen Brauen sieht er mich an. Zornig, ja, beinahe wütend.
 

Seine Lippen sind gerötet und etwas angeschwollen, sein Haar ist noch unordentlicher als vorher. Dieser Anblick ist echt geil. Mein Herz schlägt hart gegen meine Brust. Ich streife das braune Hemd ab, werfe es achtlos auf den Boden. Ich will keine Zeit verschwenden.
 

Wieder treffen sich unsere Münder und ich ziehe ihm hektisch die Boxershorts aus. Sie bleibt ihm am rechten Bein hängen, aber das ist mir im Moment so was von egal.
 

Key macht sich derweil an meiner Hose zu schaffen und öffnet mit einer ruckartigen Bewegung den Reißverschluss.
 

Seine Finger sind kalt und doch erregen sie mich. Wild pocht mein Herz in meiner Brust, das Blut rauscht durch meine Adern. Wieso gefällt mir das alles so sehr?

Wir sind beide voll erigiert, schauen uns gegenseitig tief in die Augen.
 

Wir sind Jäger. Das wissen wir beide. Und dieses Mal haben wir uns gegenseitig gefangen. Zumindest für diesen Moment sind wir nur auf uns konzentriert, denn wir wollen beide dasselbe.
 

Ich ziehe Gleitgel und ein Kondom aus meiner Hosentasche und reiße Letzteres zwischen meinen Zähnen auf. Mit einer schnellen Bewegung rolle ich es mir über und lege eines seiner Beine auf meine Schultern. Lange halte ich das nicht mehr aus.
 

Das Gleitgel verteile ich kurz auf meine Finger. Er hält still, während ich ihn dehne, ihn vorbereite. Als ob ich um sein Einverständnis bitten würde, sehe ich ihn an und hebe fragend eine Braue.
 

Als Antwort lächelt er mich an und presst seine Lippen auf meine. Mein Herz flattert und ich muss grinsen. Ich liebe dieses Lächeln! Meine Finger ziehe ich aus ihm heraus, bringe mich in die richtige Position. Ich will ihn. Sofort!
 

Er zieht scharf die Luft ein.

Key zeigt keine Schwäche, sieht mich noch genauso herausfordernd an und richtet seinen Oberkörper etwas auf. Ich muss grinsen. Ob er sich jemals fallen lässt?
 

Selbst als mich bewege, keucht er nur ab und zu auf, lässt seinen warmen Atem über mein Gesicht streifen und fängt bald schon an sich gegen mich zu drücken.
 

Schweißtropfen laufen über meine Haut und mein Gesicht wird vermutlich schnell rot vor Hitze. Ich atme schnell und ungleichmäßig, spüre seine herrliche, warme Enge um mich.

Es gefällt mir immer mehr.
 

Zum ersten Mal höre ich ihn keuchen und ab und zu stöhnen, als ich diesen besonderen Punkt in ihm berühre. Seine Stimme zu hören erregt mich mehr als alles andere.
 

Sein Stöhnen ist dunkel, männlich und gar nicht so wie das der meisten Twinks, die ich sonst immer aufreiße. Er lässt sich nicht fallen, bewegt sich mindestens genauso viel wie ich, hält mich mit seinem Blick auf Abstand, obwohl wir uns körperlich nicht näher sein könnten.
 

Wie macht er das?
 

Key ist mir nicht unterlegen, lässt sich nicht beherrschen. Fest packt er meinen Arm, drückt mich tiefer in sich hinein. Auch er fängt an zu schwitzen, sein Hals bekommt rötliche Flecken.
 

Hatte ich jemals so geilen Sex? Ich kann mich an nichts Derartiges erinnern.
 

Ich genieße jedes Geräusch, das seine Lippen verlässt. Meine Hände gleiten über seinen Körper, streichen fest über die weiche Haut.
 

Sein Shirt schiebe ich nach oben und entblöße seine Brust. Die kleinen Brustwarzen sind steif und Schweißtropfen laufen an ihnen vorbei. Er ist so verdammt heiß!
 

Langsam beuge ich mich vor, küsse seinen Hals. Seine feuchte Haut schmeckt salzig. Und da bemerke ich es. Ich kann es riechen. Seinen Duft. Trägt er Parfüm? Es kommt mir so bekannt vor. Und es gefällt mir.
 

Mir wird immer heißer, unser Atem schneller. Seine Hand krallt sich fest in meinen Arm und er hält die Luft an. Ich keuche auf, als ich spüre wie er sich um mich verengt.
 

Mir wird schwindelig und ich falle auf ihn. Ich spüre mein Herz wild schlagen und ich muss unwillkürlich lächeln. Wir sind gekommen.

Chapter 3 - Best friends

Schweigen. Keiner von uns sagt auch nur ein Wort.

Wir sitzen angezogen auf der Couch und starren ins Nichts. Irgendwie ist mir diese Stille unangenehm. Ich bin es gewohnt immer irgendwie zu reden.
 

Weil meine Hose unser kleines Abenteuer nicht unbefleckt überstanden hat, trage ich eine von Key. Eine ausgeleierte Jogginghose um genau zu sein.
 

Er ist kurz gegangen und hat sie mir gebracht. Dabei habe ich ihn sogar erwischt, wie er für einen Moment das Gesicht verzogen hat, als er aufgestanden ist. Wir haben es wirklich ziemlich heftig miteinander getrieben.
 

In der ersten Nacht, habe ich mich fallen lassen, doch heute hatte ich mehr Kontrolle über das Geschehen. Ich war mir meiner Taten sicherer gewesen. Aber jetzt, im Nachhinein, weiß ich nicht, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen ist, her zu kommen.
 

Ob es ihm wirklich gefallen hat? Mir schon, allerdings habe ich gerade ein komisches Gefühl in der Brust.
 

Immer wenn ich so ein Gefühl habe, verheißt das nichts Gutes. Ob ich jetzt einfach gehen soll? Schließlich habe ich bekommen was ich wollte, also gibt es keinen Grund länger zu bleiben.
 

Ich mache Anstalten aufzustehen, als er mich plötzlich fragt: „Wie hast du meine Adresse herausgefunden?“
 

Key spricht mich an? Etwas verdattert setze ich mich wieder hin. Er sieht mich nicht an, sondern starrt auf einen unsichtbaren Punkt an der Wand.
 

„Ich habe deinen Bruder angerufen und ihn gefragt. Er hat sie mir sofort gegeben“, erkläre ich und lächle ihn schwach an. Verstehend nickt er kurz und lehnt sich zurück. „Du hast einen netten Bruder.“
 

Etwas verwundert blickt er mich an. Doch dann lächelt er. „Ja“, murmelt er. „Nett aber naiv.“

Und zum ersten Mal sehe ich wie sein Blick abwesend wird. Ein sanftes Lächeln liegt auf seinen Lippen, als ob er an etwas Schönes denken würde.
 

Fasziniert starre ich ihn an. So einen Blick hat er auch drauf? Ich mag es. Es sieht schön aus. Als ob er gerade irgendwo, ganz weit weg, wäre. Vielleicht erinnert er sich an etwas?
 

Doch dann schüttelt er den Kopf, ist wieder ernst. Schade.

Wieder Schweigen. Was jetzt? Ich glaube, ich sollte wirklich gehen. Es ist neun Uhr und ich muss morgen früh raus. Aber andererseits…
 

Sein Blick ruht wieder auf mir. Ich kann es spüren. Und aus irgendeinem Grund will ich bleiben. Mein Körper ist schwer wie Blei und ich kann einfach nicht aufstehen. Das letzte Mal habe ich mich so gefühlt, als meine Mutter gestorben ist.
 

Es ist nicht so, dass ich traurig gewesen bin oder gar depressiv. Im Gegenteil. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich war geschockt, glücklich und gleichzeitig hatte ich das Gefühl ohnmächtig zu werden.
 

Doch das hier ist etwas anderes. Ich sitze einfach hier, bewege mich keinen Zentimeter. Aber ich muss gehen. Noch länger kann ich nicht bleiben. Doch warum, rühre ich mich dann nicht?
 

Ich gebe mir selbst einen Ruck. Irgendwas muss ja passieren. Wir können schließlich nicht den ganzen Abend hier herumsitzen und uns anschweigen. „Ich muss gehen“, sage ich schlicht. Mehr bringe ich nicht heraus.
 

Wieder sieht er von mir weg und zieht die Augenbrauen zusammen. „Beweg deinen Arsch!“, ruft meine innere Stimme. Mist. Ich hatte gehofft, dass Ding wäre weg.
 

Und dann schaffe ich es. Als ich aufstehe fühlt es sich fast so an, als würde ich mich von einem gigantischen Klebestreifen lösen. Ich bin eindeutig zu lange gesessen. Und müde bin ich auch.
 

Mein Jackett sammle ich im Gehen auf und ich betrete den Flur. Er sieht mir nach, aber macht keine Anstalten mir zu folgen. Was habe ich auch erwartet? Dass er mir hinterher rennt, um mir ein Abschiedsküsschen zu geben?
 

Mein teurer, schwarzer Mantel liegt völlig vernachlässigt auf den Boden und ich muss unwillkürlich schmunzeln. Ja, dieses Mal war wirklich anders.
 

Ich ziehe mich endgültig an, öffne bereits die Tür als er zu mir kommt. Sein Gang ist federleicht, geradezu elegant. Ein ganz schöner Kontrast zu den knittrigen Sachen, denke ich unwillkürlich und lächle ihm entgegen.
 

Was er wohl will? Vielleicht ein neues Treffen? Meine Handynummer? Wohl kaum, oder?

Er öffnet kurz die Lippen, will etwas sagen, lässt es dann aber doch. Fragend hebe ich eine Braue. Doch er schüttelt nur den Kopf, lächelt und winkt grinsend.
 

Hä? Etwas verwirrt winke ich zurück und will nun endlich gehen, doch ich stoppe mitten in der Bewegung. Etwas wüsste ich dann doch gerne. Schelmisch grinsend drehe ich mich wieder zu ihm um und frage ihn: „War das eigentlich Absicht?“
 

Er blinzelt, weiß scheinbar gar nicht was ich meine. Mein Grinsen wird breiter. „Das mit dem Schal. Du hast ihn absichtlich liegenlassen, oder?“, bohre ich weiter.

Erkenntnis spiegelt sich in seinem Blick wieder. Er grinst nur zurück, zuckt mit den Schultern.
 

Das war Antwort genug. In meinem Bauch kribbelt es wohlig und ich wende mich wieder ab. Irgendwie macht mich das glücklich. Also war das erste Mal doch nicht so übel, oder Key?
 

Ich höre noch, wie die Tür sich schließt und meine eigenen leisen Schritte, im Treppenhaus widerhallen. Es ist wirklich verdammt ruhig.
 

Als ich das Gebäude verlasse, schlägt mir ein kalter Windstoß entgegen. Ich erschaudere, reibe frierend über meine Arme. Sanfte Flocken legen sich auf den Stoff meines Mantels, bleiben in meinem Haar hängen.
 

Eilig laufe ich zu meinem Auto, öffne schnell die Tür und lasse mich in das schwarze Leder fallen. In meinem Wagen ist es nicht gerade wärmer als draußen. Verdammt, mir ist kalt! Ich hasse Winter!
 

Mitte Februar. Na, ja. Zumindest ist es nicht so kalt, wie es noch im Januar gewesen ist. Eigentlich ist es momentan erträglich.
 

Trotzdem hoffe ich, dass es schnell wieder Sommer wird. Mit meinen besten Freunden draußen etwas unternehmen, wenn ich mal frei habe, und richtigen Sport treiben wäre schön! Nicht immer nur in diesem stickigen Fitnessstudio hocken.
 

Ich hasse es dort, aber auf Erkältungen kann ich verzichten. Das würde mich nur an meiner Arbeit hindern. Und das ist das Letzte was ich will.
 

Ich fahre nach Hause, will ins Bett. Ob Key auch so müde ist? Keine Ahnung. Irgendwie kann man nichts an ihm erkennen. Wie er gerade fühlt oder was er denkt.
 

Es gibt Menschen, die sind für mich wie ein offenes Buch. Ob es nun Freunde, Bekannte oder eben nur Ficks sind. Sie sind alle einfach zu durchschauen. Ich habe ein Gespür für so etwas. Eine Art Talent könnte man sagen.
 

Jedoch bin ich bei Key ratlos. Er hat mir nur ein einziges Mal ein anderes Gesicht gezeigt. Für einen Moment hat er zugelassen, dass ich zumindest die Chance hatte zu erraten, an was er denkt.
 

Ansonsten ist er mir ein Rätsel. Seine Augen zeigen nichts. Weder Leere, noch richtige Gefühle. Außer Wut und Kälte. Und das eine Mal, als er zu träumen schien, glaubte ich für einen Moment so etwas wie Liebe in ihnen gesehen zu haben.
 

Wer weiß. Kann mir eigentlich auch egal sein. Ich sehe ihn höchstwahrscheinlich sowieso nicht wieder. Doch. Aber nur vielleicht. Am Donnerstag. Ob er kommen wird? Keine Ahnung.
 

Aber jetzt sollte ich nicht weiter über ihn nachdenken. Habe ich ja am Wochenende schon zu Genüge getan. Das sollte für den Rest der Session reichen.
 

Ich parke in meiner Garage, steige aus und eile in mein Haus. Erleichtert schließe ich die Tür hinter mir und lehne mich kurz dagegen. Was für ein Tag!
 

Müde streife ich meinen Mantel ab und hänge ihn an einen der Kleiderhaken im breiten, hellen Flur. Als ich meine Schuhe ausziehen will, erstarre ich. Oh, Scheiße.

Ich habe meine beschissene Hose bei Key vergessen!
 

Ungläubig zupfe ich an dem Stoff der Jogginghose, als ob sich das graue Polyesterding dadurch in eine edle, schwarze Armanihose verwandeln würde. Deswegen hat er im Flur so dämlich gegrinst!
 

Mein Gesicht bekommt rote Flecken vor Scham und ich spüre die unangenehme Hitze, die meinen Hals hinauf kriecht. Das kann doch alles nicht wahr sein!
 

Völlig erschöpft, schleppe ich mich in mein Schlafzimmer, streife meine Kleidung ab. Schlafen. Das ist alles was ich jetzt noch will!
 

Ich lasse mich in mein Bett fallen, genieße das angenehme Gefühl der weißen Seide auf meiner Haut. Tief atme ich ein, krieche unter die Bettdecke und schließe die Augen.

Es dauert nicht lange und ich falle in einen tiefen Schlaf…
 

„S is for the simple need, E is for the ecstasy, X is just to mark the spot…!”

Was zur Hölle…?! Ich reiße die Augen auf. Woher…?

„Yes, Sex is always the answer…!“
 

„Verdammt!“, fluche ich wütend, rapple mich auf und angle nach meinem Handy. Wer wagt es mich mitten in der Nacht anzurufen?!
 

„Wer will verprügelt werden?“, zische ich genervt.

„Boah, du hast aber gute Laune!“, lacht Codys warme Stimme und ich grummle wütend vor mich hin. Hätte ich mir ja denken können!
 

Ich versuche ruhig zu bleiben und frage: „Was willst du?“

Mann, da will man einmal in Ruhe schlafen und dann so was!
 

Wieder lacht er. Ich schließe kurz die Augen. Sein Lachen beruhigt mich. Wie immer. „Ich wollte nur fragen, ob du heute nach der Arbeit vorbeikommen möchtest! Hast dich ja seit vier Tagen nicht mehr gemeldet“, meint er und ich kann im Hintergrund das Brummen seiner alten Kaffeemaschine hören. „Hab auch ein paar neue Filme da. Die können wir uns dann anschauen!“
 

Sollte ich ihm das Stören meines wertvollen Schlafes einfach so vergeben und ja sagen? Ihm diesen Triumph gönnen? „Okay, geht klar. Hatte dann eh nichts Besonderes vor“, gebe ich mich schließlich geschlagen. Aber nur weil er mein bester Freund ist.
 

Er lacht noch mal kurz und sagt: „Bis nachher dann!“

Ich lege schweigend auf und lasse mich wieder ins warme, kuschelige Bett fallen. Vielleicht schlafe ich ja noch ein paar…
 

Pieppiep, pieppiep, pieppiep…
 

Verdammt!

„Haha!“, höre ich meine innere Stimme spotten und ich stülpe mir verzweifelt mein Kissen über den Kopf. Wann hört das endlich auf?!
 

Die Stunden vergehen schnell. In meiner Arbeit ist jede Menge zu tun und ich hetze von den Handwerks- zu den Bauherrenterminen. Und wenn ich ehrlich bin, wird meine Laune immer besser je mehr ich mich dem Tagesziel nähere. Codys Haus!
 

Seit der Sache mit Key habe ich mich nicht mehr bei ihm gemeldet. Denn sonst hätte ich es ihm erzählen müssen. Schließlich erzählen wir uns alles. Außerdem hätte er gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Er kennt mich halt zu gut.
 

Wir sind schon seit ungefähr zehn Jahren Freunde. Er war es, der mir geholfen hat, mich von Jan zu trennen. Ohne ihn, hätte ich die Qualen solange ertragen, bis mein Freund sie beendet hätte. Pardon, mein Exfreund.
 

Um achtzehn Uhr stehe ich vor seiner Haustür. Gerade will ich klingeln, als er mir auch schon die Tür öffnet und mich strahlend anlächelt. „Hey, da bist du ja!“, begrüßt er mich. Aus irgendeinem Grund wischt er seine Hände an einem Küchentuch ab. Das schreit nach Essen.
 

„Jo, da bin ich“, grinse ich und gehe schnell rein. „Verdammt kalt, da draußen!“

Meinen Mantel hänge ich an der Garderobe auf und die schwarzen Schuhe pfeffere ich in eine Ecke. Mmh…! Ich rieche frischgebackene Pizza! „Du hast Pizza gemacht, gelle?“, frage ich auch gleich.
 

„Wie hast du das nur erraten?“, meint er und ich grinse ihm entgegen.

Gutgelaunt geht er in die Küche und ich folge ihm. Mit einem Mal fällt der ganze Stress der letzten Tage von mir ab und ich lasse mich auf einem der Barhocker fallen, die in seiner Küche herumstehen. Immer wenn ich bei ihm bin, geht es mir richtig gut.
 

Cody ist fast vierzig, solo seit ich denken kann und Barkeeper im Sky9. Warum er keinen Freund hat, ist mir wirklich schleierhaft. Er ist ein verdammt attraktiver Kerl. Sehr groß – sogar größer als ich! – muskulös und außerdem ein echter Sonnenschein.
 

Und eben weil er solo ist, hat er nur einen runden Stehtisch in seiner Küche stehen. Und zwei Barhocker, falls ich mal hereinschneie, weil ich zu faul zum Kochen bin.

Sein Haus ist allgemein winzig, aber echt gemütlich. Ich fühle mich hier sogar wohler, als in meinem eigenen kleinen Reich.
 

Na, ja. Klein? Mein Haus ist groß. Zu groß, wie ich manchmal finde. Modern, mit schönen Möbeln und einem geilen Badezimmer. Das meiste ist weiß oder schwarz. Allzu viele Farben sind da nicht. Und das beeindruckt jeden, der hineinkommt.
 

Ich mag mein Haus, aber hier kann ich richtig entspannen und außerdem bin ich dann nicht allein. Noch dazu ist Cody ein verdammt guter Koch. Egal was er macht, es schmeckt fantastisch!
 

Und gerade kratzt er die Pizza vom Backblech ab und lässt das krüppelige Etwas auf einen Teller fallen. Ja, also, mit Formen hat er es nicht so, aber es schmeckt gut. Meistens.
 

Er stellt den Teller mit der Pizza auf den Tisch und warnt mich: „Vorsichtig: Heiß!“

Der Duft von geschmolzenem Käse und Thunfisch steigt mir in die Nase. „Mmh! Thunfisch ist auch drauf?“, freue ich mich und reibe gierig meine Handflächen aneinander.
 

Er lacht und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. „Ich wusste, wann du ungefähr kommst und du liebst Pizza mit Thunfisch. Da hab ich das einfach mal mit drauf gemacht“, meint er nur und zuckt mit den Schultern.
 

Warme, braune Augen sehen mich an und ich muss unwillkürlich lächeln. „Aber du hasst Thunfisch!“, entgegne ich ihm kopfschüttelnd.
 

Wieder ein Schulterzucken. „Für dich esse ich sogar Fisch!“, lacht er und nimmt sich das erste Stück. Grinsend mache ich es ihm gleich und beiße genüsslich rein.
 

Es ist wirklich noch verdammt heiß und ich ziehe scharf die Luft ein. Schnell schlucke ich das heiße Zeug herunter. Scheiße! Als ich anfange zu husten und mir selbst auf die Brust klopfe, steht Cody schlagartig auf und ist sofort bei mir.
 

„Alles okay?“, fragt er mich besorgt und legt mir seine Hände auf die Schultern.

Ich schnappe hastig nach Luft, als es vorbei ist und nicke langsam. Heilige Scheiße! So ein Mist passiert aber auch nur mir! Beim nächsten Mal warte ich eindeutig länger.
 

„Geht wieder“, murmle ich und Cody atmet erleichtert wieder aus.

Er knufft mich kurz in die Seite und grinst.

„Wehe du jagst mir noch einmal so einen Schrecken ein! Ich dachte schon du krepierst mir hier!“, meint er nur besorgt und setzt sich wieder hin.
 

Ja, ja. Der gute alte Cody macht sich immer Sorgen. Echt süß wie er immer auf mich aufpasst. Jedoch überkommt mich manchmal das Gefühl, dass er mich wie ein Kind behandelt. Als ob ich achtzehn wäre und noch immer bei diesem Arsch von Jan wohnen würde.
 

Doch das ist zehn Jahre her und ich bin erwachsen. Das ist eine Tatsache, die er manchmal einfach vergisst. Und das kann sehr nerven!
 

Später nehmen wir unsere Pizzastücke, die wir sorgfältig aufgeteilt haben und machen es uns auf seiner Couch gemütlich. „Also die neuen Filme sind…“, meint er und hält kurz inne. „Na, ja. Neu kann man nicht sagen, der eine ist schon etwas älter. Aber wir kennen sie noch nicht“
 

Ich ziehe die Brauen hoch und sehe ihn skeptisch an. „Wir? Woher willst du wissen, dass ich sie nicht kenne?“, frage ich ihn und er grinst mich blöd an. Ich ahne Schlimmes.
 

„Weil ich jeden Film kenne, den du kennst. Und da ich sie noch nie gesehen habe, weiß ich, dass du sie auch noch nie geschaut hast“, sagt er bloß und legt mir selbstsicher einen Arm über die Schultern. So ein Klugscheißer.
 

Skeptisch nehme ich die beiden DVDs in die Hand. „Latter Days” und „Shelter”. Mist. Die kenne ich wirklich nicht. Na, ja. Sind ja auch nicht gerade aus meinem Lieblinsgenre.
 

Latter Days sieht nicht übel aus. Zumindest der Spanier, oder was auch immer er sein soll, schreit geradezu nach Sex. Aber Shelter… Wahrscheinlich einer von diesen kitschigen Schwulenfilmen, die sich Cody so gerne reinzieht. Keine Ahnung warum er sich so was antut.
 

Vielleicht weil er solo ist. Ersatzliebe sozusagen. Er könnte sich aber genauso gut einen Freund suchen gehen. Ich wette die Meisten wären ihm nicht abgeneigt. Insgesamt hat Cody nur einen Schönheitsmakel. Er hat jede Menge fette Narben am Körper, seit er mit dreizehn einen Unfall gehabt hat. Aber das finden einige durchaus attraktiv.
 

Ich würde mir ehrlich wünschen, dass er sich endlich verliebt. Zwar glaube ich nicht an die Liebe – zumindest was mich angeht – und solche Kitschfilme hasse ich sowieso, aber Cody hätte es verdient.
 

„Und?“, fragt er auch noch und ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. Mich auch noch piesacken oder wie? Wie alt sind wir denn? Zehn?
 

Ich seufze auf und murmele: „Ist ja schon gut… Ich gebe mich geschlagen…“

Er lacht. Was? Jetzt lacht der Kerl mich auch noch aus?!
 

Wir sehen den Film Shelter. Ist zum Glück nicht ganz so kitschig wie befürchtet. Geht ja auch nicht hauptsächlich um Liebe. Halleluja.
 

Meine Gedanken schweifen ab. Ich muss aus irgendeinem Grund an Key denken. Er verwirrt mich. Erst ist er kalt, dann lächelt er mich an, dann ist er noch kälter und im nächsten Moment vögeln wir auf seiner Couch. Wie soll ich das denn verstehen?
 

„Tristan?“, reißt mich Cody aus meinem Gedankengang. Ich schrecke auf. Oh, nein. Sein Blick verheißt nichts Gutes. Als er dann auch noch auf Stopp drückt und näher rutscht weiß ich, dass es zu spät ist. Seine Körperhaltung schreit nach: Spuck es aus oder stirb!
 

Ich erzähle ihm auch prompt wie das mit Key angefangen hat. Und tatsächlich erinnert er sich sogar noch an den blonden Typen, der mich an der Bar abgefangen hat. „Der war echt heiß!“, lobt er mich und grinst. „Ein bisschen zu gut für dich, oder? Er sah nett aus“
 

„Nett?“, grummle ich skeptisch. Keine Ahnung was Cody unter nett versteht. Aber eines steht fest: Key ist ganz bestimmt nicht nett! Auf den anderen Kommentar gehe ich erst gar nicht ein.
 

Anschließend erzähle ich ihm noch den Rest. Bis ins kleinste Detail. Ist ja auch nichts dabei. Wir haben uns schon Schlimmeres erzählt.
 

Er hört zu, nickt ab und zu oder schaut ungläubig. Als ich fertig bin, pfeift er anerkennend. „Nicht schlecht!“, meint er dann. „Also der Gute hat meinen Respekt. Schließlich weißt du sogar noch wie er heißt. Das dieser Tag kommen würde…“
 

Schmollend boxe ich ihn auf den Arm. Er wagt es mich zu beleidigen? Na, ja. Ist ja nicht so, dass er nicht recht hätte. Mehr als 80 Prozent der schwulen Münchener Männer sind durch mich befriedigt worden! Da kann ich mir doch nicht all diese Namen merken!
 

Er lacht nur, legt einen Arm um mich und zieht mich zu sich. „Na, na! Gleich gewalttätig werden?“, grinst er und drückt mir einen Kuss in mein Haar.

Ich seufze nur, lehne mich an ihn und schließe die Augen.
 

„Du bist echt doof“, murmle ich nur. „Und du stinkst nach Aftershave.“

Er lacht wieder.
 

„Und ich dachte, dass Aftershave sexy macht“

„Bei dir braucht es etwas mehr als Aftershave um sexy zu sein“

„Musst du gerade sagen, du Fleischklops!“
 

Wir sehen uns an und brechen in lautes Gelächter aus.
 

Immer dasselbe mit Cody!

Chapter 4 - Taking off that mask

Langeweile. Ein wirklich schönes Wort. Es passt perfekt zu meiner momentanen Stimmung. Ja, mir ist langweilig. Woher kommt das Wort eigentlich?

Wahrscheinlich, weil eine Weile sehr lang ist, wenn man Langeweile hat.
 

Und wie gelangweilt kann man eigentlich sein, wenn man sich sogar über das Wort Langeweile Gedanken macht? Ich meine, das ist doch total langweilig.
 

„Ich geb´ dir gleich Langeweile!“, ruft meine innere Stimme. „Du Langweiler!“

Ja, ja. Ich hab es kapiert. Davon wird die Uhr auch nicht schneller ticken. Obwohl das wirklich toll wäre.
 

Ich sitze nämlich schon seit geschlagenen zwei Stunden in meinem Büro und zähle Schäfchen. Naja. Keine Schäfchen. Eher die Bücher in meinem Regal, die Stifte auf meinem Schreibtisch und sogar schon die Sommersprossen meiner Halbschwester Janina, die mir mal eines ihrer dämlichen Modelfotos geschenkt hat.
 

Ja, meine kleine Schwester ist Model. Kein Besonderes oder Berühmtes, versteht sich. Wäre ja noch schöner. Das hat sie von mir geklaut. Mit achtzehn hab ich ein paar Fotos von mir schießen lassen. Auch nichts Besonderes, aber hey! Die Bilder waren immerhin in ein paar Zeitschriften abgedruckt worden. Sexzeitschriften. Frischfleisch kommt immer gut.
 

Sie ist natürlich nur in anständigen Zeitschriften zusehen. Und ihr eigentlicher Beruf ist es ja sowieso nicht. Die liebe Janina ist hauptsächlich Friseuse. Also kann man sich ausmalen wie viel Geld sie insgesamt verdient. Ding, ding. Richtig geraten, sehr wenig.
 

Naja. Von dem Geld kann sie ganz normal leben, aber für mich wäre es verdammt wenig. Dann müsste ich auf mein schönes großes Haus, mein schwarzlackiertes teures Auto und meine eleganten Klamotten verzichten.
 

Ich hab mir nicht umsonst meinen Arsch wundgearbeitet. Ist ja nicht so, als ob ich das alles geschenkt bekommen hätte. Im Gegenteil, ich hab verdammt hart dafür gearbeitet.

Und ich bin wirklich froh darüber.
 

Aber ich muss gestehen, dass ich neidisch auf Janina bin. Der Glückspilz ist bei unserem Vater aufgewachsen und sie hat einen Freund. Pardon, ich meine Ehemann.

Die Beiden sind ja jetzt seit einem Jahr verheiratet.
 

Ja, ich bin neidisch darauf, dass sie einen Mann hat. Auch wenn sich das heute keiner mehr vorstellen kann, ich war mal ein Träumer. Ein verdammter Romantiker mit dem Traum Künstler zu werden und die große Liebe zu finden.
 

Ich denke, ich muss nicht aussprechen, dass das alles kräftig in die Hose gegangen ist. Wie man sieht, bin ich Architekt und absolut kein Künstler. Und das mit der Liebe ist, wie Cody jetzt sagen würde, eben scheiße gelaufen.
 

Am Anfang habe ich auf Wolke Sieben geschwebt. Ich war mit Jan zusammen, musste nicht mehr mit meiner Mutter zusammen leben und habe Kunst studiert.
 

Wie zu erwarten, ist alles schief gelaufen. Die Zärtlichkeit und all diese verfickten Liebesschwüre waren zu Schlägen und Erniedrigungen geworden. Und nein, ich war es nicht. Er war es, der mich gequält hat.
 

Das Lächerlichste an der ganzen Sache ist, dass Jan kein Muskelprotz gewesen ist oder gar größer als ich. Zwar war Jan fünf Jahre älter, aber er war klein, süß und immer die Frau in der Beziehung. Bis sich das Blatt gewendet hat.
 

Seine Schläge haben mir körperlich nie wirklich weh getan, aber innerlich hat es mich jedes Mal beinahe zerrissen vor Schmerz. Ich habe mir jeden Tag Mühe gegeben ihn glücklich zu machen, ihn viel zu sehr geliebt, als dass ich hätte zurückschlagen oder ihn hätte anschreien können.
 

Oh, ja. Ich bin ihm hinterhergerannt wie ein armseliger, hechelnder Dackel seinem Herrchen. Zu groß war der Wunsch endlich mal von Jemandem geliebt zu werden. Erbärmlich.
 

Doch ich war schon geübt darin gewesen mir nichts anmerken zu lassen. Meine Mutter hat mich eben verdammt gut trainiert. Sie war da nicht anders als Jan, wenn nicht sogar viel schlimmer. Viel, viel schlimmer.
 

Das perfekte Lächeln und die starke, ehrenhafte Körperhaltung hatte sie mir auf brutalstem Wege beigebracht. Und keiner hatte meine Fassade, die Maske, je durchschaut.

Niemand außer einer Person.
 

„Hey, alles okay?“, hörte ich neben mir und ich verschluckte mich beinahe an meiner Cola. „Sorry, wollte dich nicht erschrecken!“

Ich blickte zur Seite und sah in zwei fröhliche, braune Augen die mir entgegen lachten.
 

Da stand ein ziemlich großer Typ mit kurzen blonden Haaren, der mich nett anlächelte.

Nicht noch so einer, der mich anbaggern möchte, dachte ich und widmete mich wieder meiner Cola.
 

Ich ignorierte ihn einfach, dann würde er bestimmt wieder gehen. So wie die anderen vor ihm auch. Wie spät war es eigentlich? Kurz warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Ohje. Fast sechzehn Uhr. Jan wird bestimmt wieder sauer, wenn ich zu spät nach Hause komme.
 

Nach Hause. Dahin wollte ich nicht mehr zurück. Er wird wahrscheinlich wieder irgendeinen Grund gefunden haben um mich anzuschreien. Wie so oft in letzter Zeit. Aber vielleicht auch nicht? Vielleicht war er heute wieder normal?
 

Ich spürte diese winzig kleine Hoffnung in meinem Herzen. So wie jeden Tag, wenn ich in diesem Café saß, sicher vor ihm und den Schmerzen.
 

„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte der Fremde mit seiner weichen Stimme und lächelte mich wieder an. Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er sich einfach hin und grinste mich weiter an.
 

Einfach ignorieren, dachte ich wieder. Auch wenn mir das langsam schwerfiel. „Ich heiße Cody. Und du?“, versuchte er weiter und lehnte sich zurück. Er lächelte ja immer noch.

„Tristan“, stammelte ich leise und sah ihn etwas verwirrt an.
 

Irgendwas an dem Typen stimmte nicht ganz. Er war zu freundlich. Die, die mich sonst anbaggerten waren anders. Frecher, aufdringlicher. Und sie versuchten normalerweise mir körperlich näher zu kommen.
 

„Du siehst traurig aus“, stellte er fest und ich bemühte mich keine Miene zu verziehen. Jetzt war der Zeitpunkt an dem ich besser die Maske aufsetzen sollte.

„Ich habe nur Kopfschmerzen“, log ich und zeigte ihm mein perfektes Lächeln.
 

Dieses Lächeln habe ich jahrelang geübt. Seit dem Kindergarten, wusste ich wie man die Menschen täuscht. „Man weint in der Öffentlichkeit nicht“, hatte meine Mutter immer gesagt. „Vor allem Männer nicht. Wo bleibt denn da die Ehre?“
 

Er zog eine Augenbraue hoch, sah mich skeptisch an. Merkte er etwas? Nein, das war unmöglich. Keiner hat es je gemerkt. Die Maske war perfekt. Oder?

„Du lügst“, bemerkte er, seine Stimme klang kalt.
 

Ein Schauer lief über meinen Rücken, meine Gesichtszüge erstarrten für einen kurzen Moment. Nein. Das konnte nicht sein. Niemand merkte es. Niemand.

„Schwachsinn!“, winkte ich ab, klang so perfekt fröhlich. „Warum sollte ich lügen?“
 

Der Ausdruck in seinen braunen Augen war enttäuscht, beinahe wütend. Langsam schob er seinen männlichen, kräftigen Unterkiefer vor.

Er glaubt mir immer noch nicht, schoss es mir durch den Kopf. Wieso?
 

Ich spürte wie eine unangenehme Hitze meine Hals hinauf kroch und meine Wangen rot wurden. Er machte mir Angst. „Ich hasse Lügner“, sagte er direkt und ich konnte beinahe ein Feuer in seinen Augen brennen sehen.
 

Wieder wurde mir bewusst wie schwach ich war. Ich sackte in mich zusammen und meine Gesichtszüge entglitten mir endgültig. Game Over. Das falsche Spiel war vorbei. Er hatte mich durchschaut.
 

„Wie hast du es gemerkt?“, hauchte ich, spürte wie meine Wangen gefährlich rot wurden. Der Ausdruck in seinem Blick wurde wieder weicher, er sah mich sanft an, ja, beinahe zärtlich.
 

Ich wollte nicht hören was er jetzt sagen würde. Andererseits, musste ich wissen, was mich verraten hatte, damit ich diesen Fehler korrigieren konnte. Damit die Maske, das Pokerface wieder perfekt werden konnte.
 

Langsam öffnete er seine Lippen, sah mich noch einmal prüfend an. Die Unsicherheit und die Angst vor seinen Worten wuchsen, der Druck in meiner Brust wurde stärker.

„Deine Augen“, sagte er schließlich. „Sie sind leer“
 

Die Tür wird aufgerissen und ich schrecke auf. Frau Schnell steht da und grinst mich blöd an. Mein Gott! Kann sie nicht einmal klopfen? Noch dazu sind ihre Wangen seltsam gerötet.
 

Sie leckt sich über ihre rosafarbenen, glänzenden Lippen und kichert dümmlich. „Ein gewisser Key Gordon, möchte zu Ihnen“, informiert sie mich und zwinkert mir vielsagend zu.

Key Gordon? Was will der denn hier? Und was sollte das Zwinkern?
 

Ich setzte mich wieder gerade hin und murmele etwas verdattert: „Lassen Sie ihn rein.“

Tatsächlich ist es Key, der mein Büro betritt. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen und ich bemerke eine recht große dunkelblaue Papiertüte, die er in der rechten Hand hält.
 

„Was führt dich heute zu mir?“, frage ich freundlich und rücke etwas näher an meinen Schreibtisch heran. „Ich hatte dich vor Donnerstag, ehrlich gesagt, nicht hier erwartet“
 

So unauffällig wie möglich, lasse ich meinen Blick über seinen Körper gleiten. Er trägt eine Bluejeans, ein weißes Hemd und ich bemerke auch eine kleine Kette mit einem silbernen Anhänger an seinem Hals. Wow, nicht schlecht.
 

„Du hast deine Hose bei mir vergessen“, erklärt er grinsend und reicht mir die Tüte. Boah, das war ja ein ganzer Satz! „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist“

Spott schwingt in seiner Stimme mit und ich spüre wie eine unangenehme Hitze meinen Hals hinauf kriecht.
 

Mist! Die Hose! An die hab ich überhaupt nicht mehr gedacht! „Oh, ja, die Hose“, stammele ich vor mich hin. „Danke“

Ich schaue hinein.
 

Sie ist in Plastik eingehüllt. Überrascht hebe ich die Brauen und sehe mir die Tüte genauer an. Da ist das Firmensymbol einer recht guten Reinigung drauf. Und soweit ich weiß, ist die nicht gerade billig.
 

„Du hättest sie nicht gleich zu einer Reinigung bringen müssen“, bringe ich, noch immer etwas verdattert, hervor und sehe ihn an. „Das hättest du ruhig mir überlassen können. Ist ja nicht das erste Mal, dass meine Klamotten bei so was dreckig werden.“
 

Key lächelt, zuckt mit den Schultern und meint: „Dachte mir, das gehört sich so“

Unwillkürlich muss ich lächeln. Irgendwie kommt er mir heute anders vor. „Danke“, bringe ich leise hervor.
 

Er steht noch eine Weile da herum und lässt seinen Blick durch mein Büro gleiten. „Ich geh dann“, verabschiedet er sich und wendet sich der Tür zu.
 

Aus irgendeinem Grund spüre ich Bedauern. Wahrscheinlich weil ich jetzt die nächste Stunde weiter hier herumsitzen und mich langweilen werde. Außerdem war die Gesellschaft an sich nicht zu verachten.
 

„Hey“, rufe ich und Key dreht sich verwundert zu mir. Er steht am Türrahmen und sieht mich fragend an. „Hast du Lust auf Kaffee? In der Nähe ist ein gutes Café.“

Moment. Habe ich ihn gerade wirklich zum Kaffeetrinken eingeladen? Ich?
 

Muss an der Langeweile liegen, schließlich gehe ich nicht oft einfach mit irgendwem Kaffee trinken. Wenn überhaupt dann mit Cody, Felix oder meiner Halbschwester Janina.
 

Apropos Felix, der hat sich seit einer Woche nicht mehr bei mir gemeldet. Wahrscheinlich ist er da drüben in Spanien zu sehr damit beschäftigt sich vögeln zu lassen, als seinen Freunden mal eine Postkarte aus seinem Urlaub zu schicken. Frechheit.
 

Key hat mir immer noch nicht geantwortet, scheint mit sich zu ringen. Doch dann lächelt er wieder und nickt. „Okay“, stimmt er schließlich zu und ich stehe schwungvoll auf.
 

„Klasse! Dann gehen wir gleich los!“, freue ich mich und marschiere entschlossen durch die Tür. Leise lachend folgt Key mir und ich entdecke Frau Schnell, die mich verwirrt anschaut.
 

„W-wo wollen Sie denn jetzt hin?“, fragt sie verwundert und blinzelt dümmlich.

Ich grinse, lege einen Arm um Keys Schultern und antworte: „In meine wohlverdiente Mittagspause!“
 

Key grinst und Frau Schnell wird so rot wie eine Tomate. Kann sein, dass sie das jetzt falsch versteht. Sie weiß ja mit welchem Geschlecht ich es treibe. Jedoch ist mir das gerade vollkommen egal! Ich will raus und zumindest für eine halbe Stunde vor der Langeweile fliehen, die mich stundenlang gequält hat.
 

Warm eingepackt verlassen wir das Gebäude und machen uns auf den Weg zu meinem Lieblingscafé. Es ist nichts Luxuriöses oder Teures. So Verschwenderisch, dass ich einen Haufen Geld für Kaffee ausgebe, bin ich dann doch nicht.
 

Ich lege nur viel Wert auf gute Klamotten und ein ordentliches, elegantes Auftreten. Meine Mutter hatte mich früher immer gezwungen schlichte, saubere Sachen zu tragen, während andere Schüler mit gemütlichen Jogginghosen und weiten Sweatshirts herumgelaufen sind, die sie mehrere Tage hintereinander an gehabt haben.
 

Wobei ich auch zugeben muss, dass ich nicht gerade vorsichtig mit dem Geld bin, wenn es um mein Haus geht. Ich bin eben Architekt. Da muss alles genau stimmen, sonst fühle ich mich unwohl.
 

Es ist draußen verdammt kalt und ich friere trotz meines warmen Mantels. Auch Key scheint der momentanen Temperatur nicht gerade angetan zu sein. Seine Wangen und die Nasenspitze sind schon leicht rosa und er reibt ab und zu seine Hände aneinander.
 

Irgendwie muss ich gestehen, dass das wirklich niedlich aussieht. Allgemein kommt er mir heute ganz anders vor als sonst. Er hat viel mehr geredet und böse angesehen hat er mich auch noch nicht. Ist heute ein besonderer Tag oder hatte er davor einfach nur schlechte Laune?
 

„Da ist es“, rufe ich und zeige auf das bunte Café weiter vorne.

Erleichtert stößt Key die Luft aus und wir beeilen uns ins Warme zu kommen.
 

Es ist nicht viel los und ich steure direkt meinen Stammplatz in der Ecke an. Langsam streife ich meinen Mantel ab, lasse mich auf einem Stuhl nieder. Key zieht sich auch seine Jacke aus, hängt sie an seinen Stuhl.
 

Er lächelt mich kurz an, setzt sich und lässt seinen Blick durch den Raum streifen. Ich persönlich kenne das Café in und auswendig.
 

Die Wände sind in einem warmen, frischen orange gestrichen und es hängen ein paar schreckliche, abstrakte Bilder an der Wand, die sich Kunst schimpfen.
 

„Hey Tristan!“, begrüßt mich eine junge Angestellte und ich lächle ihr entgegen. „Was machst du denn so früh hier? Ich dachte, du musst arbeiten.“

Fragend sieht sie mich an und pustet eine krause, schwarze Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
 

„Tach, Sarah! Ich mache Mittagspause“, antworte ich und lehne mich zurück. „Habe mich unglaublich gelangweilt“

Verwundert zieht sie die Brauen zusammen und schürzt ihre dicken, dunklen Lippen.
 

„Und ich dachte, dass man als Architekt rund um die Uhr am schwitzen ist?“, bemerkt sie nachdenklich und stemmt die Hände auf ihre breiten Hüften.
 

Sarah trägt wie so oft einen braunen Gürtel, der ihre schmale Taille betont und eine orangefarbene Weste mit der sie versucht ihre üppige Oberweite zu kaschieren. Sie hat eine recht kleine Nase und eine helle Haut für eine Afrikanerin und wirklich schöne dunkle Augen.
 

Wenn ich hetero wäre, hätte ich sie schon vor langer Zeit flach gelegt. Sie ist nämlich verdammt attraktiv. Außerdem stehe ich auf Exotik.
 

„Glaub mir, gestern habe ich geschuftet wie ein Hund!“, seufze ich und verdrehe die Augen, ob der Erinnerung. „Aber es gibt immer einen Tag an dem absolut nichts zu tun ist. Und heute ist leider Gottes so einer“
 

Sie lacht mich an und erst dann fällt ihr Blick auf Key. „Ui, ui! Und wer ist die Sahneschnitte hier?“, fragt sie frech und ihr Grinsen wird noch breiter.

Etwas verwirrt blickt Key auf und sieht sie an, als ob sie ein Alien wäre.
 

Da kommt mir doch glatt eine Idee. Ich grinse breit, greife über den Tisch nach Keys Hand und sehe ihn gespielt verliebt an. „Mein Verlobter!“, trällere ich und lache mich innerlich kaputt.
 

Sarahs Augen werden kugelrund und sehen beinahe so aus, als ob sie ihr gleich heraus fallen würden, während Key mich vollkommen überrumpelt anstarrt. Einfach köstlich!

Ich pruste los und die Beiden schauen noch verwirrter.
 

„Ein Witz!“, lache ich und Sarah stößt die Luft aus, die sie anscheinend angehalten hatte. Auch Key entspannt sich wieder und ich lasse seine Hand los.
 

„Idiot!“, lacht sie und verpasst mir einen Klaps auf den Kopf. „Du hast mich zu Tode erschreckt!“

Unschuldig klimpere ich mit den Wimpern und schmolle gespielt.
 

„Würde es denn so unmöglich klingen, wenn ich mich endlich mal dazu entscheiden würde zu heiraten?“, frage ich und seufze theatralisch auf.
 

„Wenn ich ehrlich bin“, fängt Sarah grinsend an und schüttelt kurz den Kopf. „Es erscheint mir wahrscheinlicher mit den Armen zu wedeln und zum Mond zu fliegen, als dass du jemals heiratest, Tristan. Ich meine 10 Jahre solo sein und sich über die Liebe lustig machen und dann plötzlich heiraten? Tut mir Leid, aber an Wunder glaube ich nicht!“
 

Da ist der Beweis. Heute könnte sich keiner vorstellen, dass ich einst romantisch war.

„Das hast du aber aus Queer as Folk, meine Liebe!“, entgegne ich und grinse sie an.
 

Augenrollend schüttelt sie den Kopf und zieht einen kleinen Block aus ihrer Hosentasche. „Also was darf ich euch Turteltauben denn bringen?“, fragt sie ausweichend und macht gleich eine wegwerfende Bewegung. „Einen Kaffee mit zwei Zuckerwürfeln, ohne Milch, ich weiß. Und du, Süßer?“
 

„Orangensaft“, bestellt Key und starrt sie an. Es ist der intensive, viel zu feste Blick mit dem er mich auch ständig angesehen hat. Und sie reagiert genauso wie ich. Etwas eingeschüchtert schaut sie weg und geht.
 

Oh, ja. Toller erster Eindruck, Key, wirklich. Sie ist bestimmt begeistert von dir.

Anscheinend ist er anfangs zu jedem so. Aber warum ist er denn jetzt anders zu mir? Habe ich irgendetwas Besonderes geleistet? Wenn ja, was war es?
 

„Magst du diese sinnfreien Kritzeleien?“, frage ich, als ich seinen Blick auf die abstrakten Was-auch-immer bemerke.
 

Er verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf. „Nicht wirklich“, meint er abfällig. „Sieht eher aus, als ob der, der dafür verantwortlich ist vergessen hat, seine Farbpalette sauber zu machen. Reine Farben- und Platzverschwendung, wenn du mich fragst.“
 

Da teilen wir wohl dieselbe Meinung. Guter Junge.

„Also ich finde abstrakte Kunst gar nicht so schlecht“, meldet sich meine innere Stimme und ich schnaube genervt.

Dich hat auch keiner gefragt!
 

„Lästerst du wieder über unsere Inneneinrichtung, Mister Pingelig?“, zischt Sarah neben uns. Oh, oh. Sie auch nur irgendwie wütend zu machen, könnte mir das Leben kosten.

Und aus irgendeinem Grund hat sie es sich zur Aufgabe gemacht dieses Zeug da zu beschützen. Dabei war sie nicht mal der Täter. Obwohl ich es ihr zutrauen würde…
 

Deswegen lächle ich nur freundlich, nehme meine Tasse Kaffee entgegen und schweige. Bevor das hier eskaliert, schließlich kann Sarah sehr aggressiv werden. Auch Key zieht es vor die Klappe zu halten und fängt schon an seinen Orangensaft zu schlürfen.
 

Ein letztes beleidigtes Schnauben ihrerseits und sie verzieht sich auch schon wieder.

Oh, je. Ich sollte besser aufpassen was ich in ihrer Gegenwart sage. Könnte schlimm ausgehen.
 

Verstohlen beobachte ich Key, der nur aus dem Fenster schaut und ab und zu vom Orangensaft trinkt. Er ist wirklich verdammt hübsch.
 

Sein Pony reicht ihm beinahe bis zu den Wimpern, während sein Haar im Nacken eher kurz ist. Er ist dunkelblond, aber hat recht viele dünne, hellblonde Strähnen dazwischen. Nicht selten, so eine Frisur haben bestimmt viele, aber sie sieht gut aus. Wirklich.
 

Auch ist es keine Seltenheit, dass jemand blaue Augen hat, jedoch faszinieren mich seine irgendwie. Am Rand sind sie ziemlich dunkel, aber hauptsächlich haben sie ein helles Eisblau.
 

Doch das was mich wirklich stutzig macht ist, dass sein Blick immer klar und nüchtern ist.

Selbst beim Sex scheint er völlig konzentriert zu sein, während andere in Ekstase verfallen.
 

Vor allem bei mir ist das selten. Normalerweise schaffe ich es immer den Bottoms solange das Hirn aus dem Schädel zu vögeln, bis sie Sterne sehen. Aber Key ist ein harter Brocken. Mehr als ein bisschen Keuchen und Arschschmerzen habe ich nicht erreichen können.
 

Key ist schon ein seltsamer Kauz, so einen habe ich noch nie getroffen. Dabei kenne ich viele Arten von Menschen. Zu viele.
 

„Du hast eine Menge Geld oder?“, fragt er plötzlich und reißt mich aus meinen Gedanken. Er sieht noch immer aus dem Fenster, hat den Kopf auf seiner Hand abgestützt. Ich brauche noch etwas um zu reagieren bevor ich antworte: „Ja. Ich habe auch hart genug dafür gearbeitet“
 

Ruckartig wendet er seinen Kopf zu mir, sieht mich direkt an. Aber sein Blick ist nicht hart oder kalt. Eher…bewundernd? „Ganz alleine?“, flüstert er leise.

„Naja. Mein Vater hat mir am Anfang geholfen. Mich empfohlen und so weiter“, erkläre ich und er nickt verstehend.
 

Wow. Seinem Blick zu urteilen scheint er es ja wirklich toll zu finden. Ich spüre ein kleines bisschen Stolz und muss kurz lächeln.

„Bild dir bloß nichts drauf ein“, motzt meine innere Stimme wieder.

Einfach ignorieren.
 

„Du hast ja auch schon ein Haus“, bemerkt er und trinkt wieder vom Glas. „Komisch, wenn man bedenkt, dass du noch so jung bist“
 

Jung? Naja. Ich bin nicht alt, aber ich nähere mich meinem dreißigsten Geburtstag in einer Geschwindigkeit, die mir absolut nicht gefällt.

Du hast noch zwei Jahre, tröste ich mich selbst.
 

„Nun, ja. Wie man es nimmt. Mit achtundzwanzig fühlst du dich von Tag zu Tag immer älter“, seufze ich und rühre mit meinem Löffel ein bisschen im Kaffee herum. „Und das Haus… Weißt du, seit ich klein bin habe ich einen Drang nach Sicherheit. Also hab ich mir gedacht, wenn ich schon mal Geld habe und sowieso Architekt bin, warum nicht?“
 

Er lächelt, stellt das Glas zur Seite und beugt sich etwas vor. „Mein Bruder braucht unbedingt ein Haus. Er will sich bald verloben“, verrät er mir leise und grinst leicht. „Und glaub mir, wenn er bis dahin kein Haus hat, wird sie ihn sofort in den Wind schießen.“
 

Keine Ahnung wie es dazu gekommen ist. Wir fangen an wirklich zu reden.

Er lästert ein bisschen über die Freundin seines Bruders und ich über meine inkompetente Sekretärin.
 

Wir lachen ab und zu, spaßen und versuchen zu erraten, welcher Gegenstand auf den abstrakten Bildern zu sehen ist. In einem kann ich Frau Schnell im Entenkostüm entdecken, während er meint einen seekranken Einstein darin zu sehen.
 

Und ehe ich mich versehe, ist auch schon eine Stunde um. „Mist!“, ruft er plötzlich, steht ruckartig auf und starrt auf seine Armbanduhr. „Ich muss ja noch zu Katharinas Geburtstag! Scheiße, das hab ich total vergessen!“
 

Etwas verdattert sitze ich noch da und sehe zu, wie er sich hektisch seine Jacke anzieht. Dann sieht er zu mir, lächelt und zuckt mit den Schultern. „Ich muss leider gehen, sonst bringt mich mein Bruder um. Ist schließlich der Geburtstag seiner Freundin“, entschuldigt er sich. „Danke, für den Nachmittag, war echt nett.“
 

Gerade will er gehen, als ich ihn kurz am Arm festhalte. „Falls du mal Lust auf Saft hast“, meine ich und drücke ihm meine Visitenkarte in die Hand. „Ruf mal an.“
 

Ich zwinkere, bin mir der Zweideutigkeit meines Angebotes vollkommen bewusst. Key grinst, steckt die Karte ein und streicht sich kurz den Pony aus seinem Gesicht. „Mal sehen“, sagt er nur und geht.
 

Eine Weile sitze ich noch da und starre auf die Tür. Irgendwie erscheint mir das alles recht surreal. Wir haben geplaudert, als wären wir richtige Freunde oder so etwas. Die Stimmung war angenehm, ruhig.
 

„Ähm, sagen Sie mal“, stammelt irgendwer neben mir und ich drehe meinen Kopf zur Seite. Da steht ein Typ, der mich irgendwie seltsam anschaut. „Sie haben doch nicht eben mit, äh, Key Gordon gesprochen, oder?“
 

„Doch“, antworte ich etwas verdattert. „Wieso fragen Sie?“

Sein Blick huscht kurz über meinen Körper und dann wieder auf mein Gesicht, bevor er leise sagt: „Naja. Wir waren zusammen in der Schule, und er ist jetzt auch mein Arbeitskollege und ähm- Ich habe ihn davor noch nie mit jemanden reden sehen, wissen Sie? Er war in der Schule auch immer nur allein herumgesessen und äh…“
 

Irgendwie bin ich verwirrt. Wie, er hat ihn noch nie reden sehen? „Ich meine, er hat nie so richtig mit jemandem gesprochen. Immer nur das Nötigste und… das war das erste Mal, dass ich ihn lachen gehört habe.“
 

Der Typ scheint wirklich total verwirrt zu sein, kratzt sich ständig am Hinterkopf und reibt unter seiner Nase herum. „Aha? Wir sind halt Freunde“, lüge ich. Dieses Gespräch gefällt mir irgendwie nicht. Ich habe das Gefühl, Dinge über Key zu erfahren, die ich nicht wissen sollte.
 

„Freunde? Ach, du Heilige, der Typ hat Freunde?“, wundert er sich und macht große Augen. Okay, jetzt wird es mir wirklich zu blöd.

„Ja, und?“, zische ich. Dieses Arschloch hier macht mich wütend. „Und jetzt verpiss dich, ich hab zu tun!“
 

Mein Blick könnte töten und er versteht mich zum Glück und haut ganz schnell ab.

Genau wegen solchen Typen war ich früher immer der Außenseiter. Bist du nur ein klein wenig anders, bist du sofort Dreck, schon klar!
 

„Und wenn er es nicht so gemeint hat?“, flüstert meine innere Stimme und versucht mich zu beruhigen.

Gerade will ich innerlich antworten, als jemand schreit: „Halt die Fresse, Paul!“
 

Genau. Halt die Fresse, Paul.

Chapter 5 - Welcome back!

„Warum genau, bin ich eigentlich hier?“, frage ich genervt, lasse mich von wildfremden Menschen anrempeln und bekomme allgemein wenig Luft, während ich hier total nutzlos herumstehe und warte.
 

„Weil Felix einer deiner besten Freunde ist?“, versucht es Cody zaghaft und zuckt hilflos mit den Schultern, während meine Schwester Janina ihren Blick durch die Menge schweifen lässt. Anscheinend versucht sie Felix unter den Hunderten von Menschen auszumachen. Was natürlich nicht funktioniert.
 

Man kann nicht behaupten, dass Felix mir egal wäre. Aber ich wäre viel lieber zu Hause geblieben und hätte gemütlich vor dem Fernseher gesessen, anstatt hier dumm herumzustehen und auf ihn zu warten.
 

Doch da gibt es ja noch meine liebe Halbschwester, die es für nötig hält ihn direkt am Flughafen abzuholen und gleich eine riesige Willkommensparty zu schmeißen.

Was natürlich völliger Blödsinn ist. Wer will bitte nach einem langen, erschöpfenden Flug noch Party machen?
 

Jedoch ist die gute Janina nicht gerade eine einfühlsame oder sensible Person, weswegen es ihr reichlich egal ist, ob er nun schlafen möchte oder nicht.
 

Und da Felix es sowieso nie schafft sich irgendwie bei ihr durchzusetzen, wird er mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder nachgeben und total übermüdet und gereizt in seinem Sessel hocken, während diese Verrückte in seiner Wohnung feiert was das Zeug hält.
 

Das war letztes Jahr auch so. Vorletztes Jahr auch. Sogar vorvorletztes Jahr ist es genauso abgelaufen. Eigentlich seit Janina ihn kennt. Was leider meine Schuld ist, schließlich ist sie meine Schwester und sie muss immer jeden kennen, den ich auch kenne.
 

Genauso wie Cody jeden Film gesehen haben muss, den ich mir aus Langeweile reingezogen habe. Und wie Felix jeden im Bett gehabt haben muss, den ich auch hatte. Wenn ich ehrlich bin habe ich manchmal das Gefühl von vollkommen gestörten Irren umzingelt zu sein, die mir irgendwie alles nachmachen und mir rund um die Uhr nachspionieren.
 

Da ich so vom Leben gestraft bin und es partout nicht schaffe mich meiner endlosen Pechsträhne zu entziehen, muss ich mich wieder einmal meinem Schicksal ergeben und warten. Und zwar bis Felix seinen Arsch herschiebt, damit ich mich wieder aus dem Staub machen kann. Am besten bevor mich Janina dazu zwingt mit ihr Party machen.
 

„Da ist er!“, kreischt Janina lautstark, fuchtelt mit ihrem Zeigefinger in der Luft herum und hüpft wie ein Flummi auf und ab. Weswegen sich auch einige Köpfe nach uns umdrehen. „FELIX!“
 

Tatsächlich stolpert ein total übermüdeter, braungebrannter Felix auf uns zu, der hechelnd seine Koffer und Taschen durch den Flughafen schleppt. Ohje, der Arme. Und da will Janina noch feiern?
 

„Hört auf zu glotzen und helft mir mit den beschissenen Koffern!“, motzt er auch gleich und drückt mir und Cody sämtliches Gepäck in die Hand.
 

„Ich freue mich auch dich wieder zu sehen, mein Schatz!“, trällere ich und werfe die schwere Tasche über meine Schulter. Anscheinend hat Felix aber keine Lust sich zu freuen, denn er schaut mich nur finster an und schnaubt genervt.
 

„Lass deinen blöden Sarkasmus und bewege deinen Arsch hier raus!“, zischt er genervt und stampft Richtung Ausgang. Fragend sehe ich zu Cody, der nur mit den Schultern zuckt und ihm folgt.
 

Janina stellt sich neben mich und meint: „Ich glaub der hat seine Tage.“

Meine Laune liegt bereits am Tiefpunkt, als wir hinaus gehen und zu meinem Auto trotten.
 

Als ich heute früh aufgewacht bin und gesehen habe, dass mein Kaffee alle ist, habe ich bereits geahnt, dass der heutige Tag absolut beschissen werden würde.
 

Und tatsächlich hat meine Kaffeetheorie gestimmt. Sonst wäre ich ja nicht hier und würde versuchen Felix´ viel zu schwere, bekloppte Koffer in mein Auto zu quetschen.

Warum hat er auch verdammte zwei Koffer mit nach Spanien nehmen müssen? Reicht einer nicht?!
 

Dann ist dieser Idiot nicht mal dankbar für die schwere Arbeit, die ich hier leiste und wagt es auch noch sich über meine Musik zu beschweren, während ich versuche mich auf die Straße zu konzentrieren.
 

„Was findest du eigentlich an diesem Sänger?“, nörgelt er herum, während er missbilligend auf meine Skillet-CD starrt. „Der hat doch ein total hässliches Gesicht und kaum Haare auf dem Kopf! Muskeln und lange Beine hin oder her, aber der Typ ist potthässlich und singen kann er auch nicht! Und dann auch noch…“
 

Stur zwinge ich mich ruhig zu bleiben und weiter auf den Verkehr zu achten, während er einfach weiter plappert und mir irgendwas von Haarkoffein erzählt, das meinem überaus attraktiven Lieblingssänger wieder Haare beschaffen soll.
 

Na, gut. Ich gebe zu, dass John Cooper, der Sänger der Band, kein sonderlich hübsches Gesicht hat. Und eine wallende Prachtmähne auch nicht. Aber es ist nun mal Tatsache, dass sein Body wirklich mehr als nur ein bisschen sexy ist. Vorallem beim Musikvideo von Hero.
 

Bei ihm würde ich mich sogar freiwillig flachlegen lassen. Und das muss etwas heißen, denn ich liege selten unten. Es gab wirklich nur ein paar Male bei denen das passiert ist.

Doch die kann ich an einer Hand abzählen.
 

Ich habe auch keine Probleme damit zuzugeben, dass ich eben nicht immer oben liege, aber einer von den „Unfällen“ bereitet mir noch heute Magenschmerzen.

Es ist nach einer von Janinas Partys gewesen. Ich war gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt und stockbesoffen.
 

Wenn ich ehrlich bin, habe ich keinen Plan was genau passiert ist, aber ich kann mich nur zu gut daran erinnern, dass ich mit schrecklichen Arsch- und Kopfschmerzen aufgewacht bin und ein vollkommen nackter Cody neben mir lag.
 

Ja, Cody hat mich gefickt. Und ich bin nicht stolz darauf. Wir haben nie wirklich darüber geredet und vermeiden das Thema sogar noch heute. Nach sechs vollen Jahren.
 

„Vielen Dank, dass Sie Tristans Speedtaxiservice gewählt haben“, witzele ich, als wir da sind und lächele Felix so fröhlich wie möglich an. „Beehren Sie uns am besten nie wieder!“
 

Sein Blick spricht Bände und ich ziehe es vor ab jetzt meine Klappe zu halten, wenn ich mein überaus hübsches Köpfchen noch am rechten Platz behalten möchte.
 

Schweigend steigt er aus und stampft zu seiner Wohnung. „Und was ist mit deinen Koffern?“, rufe ich noch hinter her und stelle missbilligend fest, dass er die Tür offen gelassen hat.

Das heißt: Bring sie mir rein, Sklave!
 

Schnaubend steige ich aus und schleppe mit Cody doch tatsächlich seine bescheuerten zwei Koffer und drei Reisetaschen die Treppen hinauf in seine Wohnung.

Und da nennt man mich eingebildeter Egoist? Meine Gutmütigkeit wird sogar schamlos ausgenutzt!
 

„Der kann froh sein, dass ich so nett, freundlich und warmherzig bin…“, murmle ich gereizt und stelle die letzten Taschen in das vollkommen demolierte Schlafzimmer vom überaus reizenden Felix ab.
 

Hinter mir kichert Cody bekloppt. Ich drehe mich genervt zu ihm um. „Was ist denn so lustig?“, zische ich und er grinst mich breit an.
 

„Du solltest dich mal selbst fluchen hören“, schmunzelt er, hält sein Lachen anscheinend mühevoll zurück. „Einfach zu komisch!“
 

Aha. Er findet es also witzig, wenn sein bester Freund sich für einen guten Zweck die Arme ausrenkt. Und das alles nur, weil irgendwo ganz tief in ihm drin noch der armselige, aufopferungsvolle Tristan schlummert, der von Jan in einen doppelwandigen, mit hochsicherem Doppelbart Schloss ausgestatteten Panzertresor eingeschlossen wurde und nur in seltenen Momenten wie diesem wieder zum Vorschein kommt.
 

Wirklich, sehr komisch. Ich lache mich kaputt. Haha.
 

„NEIN!“, kreischt Felix und ich höre irgendetwas poltern. Was... war das denn?!

Vorsichtig schleichen ich und Cody in die Küche und entdecken Janina und den Schreihals darin.
 

„Du kannst dir deine verfickte Party in den Arsch schieben und jetzt lass mich in Ruhe!“, brüllt Felix und wirft die Plastikbecher für die Erdbeerbowle nach Janina, die sich duckend hinter einem Stuhl versteckt.
 

Irgendwas an diesem Bild stimmt nicht. Ich habe Felix nämlich noch nie so schreien hören und das Janina sich, wegen einer mit Plastikbechern werfenden Schwuchtel, hinter Stühlen versteckt ist mir auch neu.
 

„Felix!“, keucht Cody überrascht auf und hechtet zu der schreienden Furie.

Mit einem festen Griff packt er ihn und setzt ihn auf einen Stuhl. „Was ist hier bitte los?!“
 

Tränen laufen über seine Wangen und Cody ist für einen Moment total verwirrt. Ich auch. Felix weint? Herrje, was ist denn passiert?
 

Langsam komme ich auch näher, schiebe Cody zur Seite und lege meine Hände auf die Schultern von dem weinenden Elend hier. „Hey, was ist passiert?“, frage ich leise und nehme ihn kurz in den Arm, als er dann nur schluchzt und sein Gesicht in seinen Händen vergräbt. „Pst…Ruhig.“
 

Sachte wippe ich hin und her und versuche ihn irgendwie zu beruhigen. Wenn mein Kaffee das nächste Mal alle ist, bin ich vorgewarnt und gehe am besten gar nicht erst raus.

Man lernt ja bekanntlich immer dazu.
 

Tatsächlich funktioniert mein eher schlechter Versuch ihn wieder zu beruhigen. Langsam löst er sich von mir, schnieft und murmelt dann irgendetwas, das ich nicht verstehe.
 

Als ich ihn dementsprechend verwirrt ansehe, versucht er es noch einmal deutlicher: „I-ich… Fernando ist… Also ich... Ich vermisse ihn.“
 

Es dauert etwas länger bis mein Gehirn diese Worte so weit verarbeitet hat, dass ich daraus irgendetwas Sinnvolles schlussfolgern kann. Das Ergebnis heißt: Felix hat sich höchstwahrscheinlich in einen spanischen Typen namens Fernando verliebt und trauert ihm gerade hinterher.
 

„Oh“, bringe ich nur hervor und Felix fängt wieder an zu weinen.

Toll gemacht, Tristan, du bist echt klasse!
 

Nur leider, habe ich tatsächlich keine Ahnung was ich jetzt sagen soll. Vom Liebeskummer kann ich Lieder singen, aber was macht man beim Trösten?

Mir fällt da nur eine Sache ein, die vielleicht – ich betone das vielleicht – funktionieren könnte.
 

Zaghaft schiebe ich eine Hand unter seine Beine und hebe ihn hoch. Beinahe wäre er mir wieder herunter gefallen, denn mit so einem Gewicht habe ich nicht gerechnet.

Verdammt, ist der Typ schwer! Dabei ist er nicht mal so groß wie meine Schwester!
 

Felix klammert sich an meinen Hals und sieht mich aus großen, blauen Augen an.

Langsam aber sicher, macht mir der Junge Angst...
 

Cody und Janina schauen mir bloß belustigt dabei zu, wie ich versuche dieses Ding auf meinen Armen ins Schlafzimmer zu tragen. „Glotzt nicht so blöd!“, presse ich zwischen den Zähnen hervor und schleppe mich mit zitternden Armen in besagten Raum.
 

Dass sein Zimmer vollkommen verdreckt ist und jede Menge Müll auf dem Boden liegt, macht es mir ehrlich gesagt nicht leichter.

Als ich endlich an seinem Bett ankomme und ihn so vorsichtig wie möglich hineinlege, muss ich kurz erleichtert auf seufzen. Gott, war das schwer!
 

Wie ein kleines Kind liegt er da, sieht mich aus feuchten Augen an. Ohje. Ich weiß verdammt genau wie er sich jetzt fühlt. Leer und kalt.

Langsam nehme ich alle Kissen, die ich finden kann und schüttele sie auf.
 

Als ich mich von Jan getrennt habe, hat mein Vater das auch gemacht. Er hat sie mir unter den Nacken, den Rücken, die Knie und die Füße gelegt und das mache ich jetzt bei Felix, der mir nur stumm dabei zusieht.

Vorsichtig decke ich ihn zu, bedacht darauf keine unnötigen Geräusche zu machen und streiche ihm eine hellbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
 

Es ist recht kalt im Zimmer und ich drehe auch die Heizung etwas auf. In sich drin ist einem in so einer Situation schon kalt genug, da sollte zumindest der Körper nicht frieren.

Die schwarzen Gardinen ziehe ich auch zu.

„Tristan?“, nuschelt er leise und ich setze mich zu ihm ans Bett. „Danke.“
 

Ich lächle ihn nur an, weiß gar nicht was ich jetzt sagen soll. Herrje, ich fühle mich langsam wirklich wie früher. Wo hat sich denn bitte der neue, stärkere Tristan versteckt, den ich mir an gearbeitet habe? Was macht denn der Alte hier?
 

„Ruh dich aus, du hast einen langen Flug hinter dir“, sage ich nur leise und stehe auf.

Und eine harte Zeit vor dir, ergänze ich in Gedanken, knipse das Licht aus und verlasse das Zimmer. Als ich mich umdrehe blicke ich in Codys und Janinas grinsende Gesichter.
 

Schlagartig ist mein neuer, wunderbarer Tristan wieder da und meine Laune legt sich umso gemütlicher und schwerer auf den Tiefpunkt der Gereiztheit.
 

„Wie schön, dass ich zu eurer Erheiterung beitragen konnte!“, trällere ich und lächele die beiden gespielt fröhlich an. „Würdet ihr jetzt eure hübschen Popöchen aus Felix´ Wohnung bewegen? Er braucht nämlich Ruhe!“
 

„Versteh das nicht falsch, Tristan“, flüstert Janina, während wir das Treppenhaus herunter laufen. „Aber du hättest dich mal selbst sehen sollen. Das sah echt noch kitschiger aus, als Mike und Dannys rosarote Hochzeit in Codys Lieblingsschnulze!“
 

Cody nickt zustimmend und meint dann auch noch: „Ich habe schon vergessen, dass du auch total zärtlich sein kannst. Da war einfach irgendwie... ungewohnt, weißt du? Sonst bist du immer... naja... anders halt.“
 

Ich ziehe es vor zu schweigen, verlasse das Gebäude und steige wortlos in mein Auto. „Hey, nimmst du uns nicht mit?!“, kreischt Janina hinterher, als ich den Motor anschalte.

Das Letzte was die Beiden von mir zu Gesicht bekommen ist mein Mittelfinger, bevor ich davon düse und sie alleine da stehen lasse.
 

Cody wohnt sowieso nur zwei Blocks weiter und Janina kann auch einfach ihren wundervollen Ehegatten anrufen und sich holen lassen. Ich habe heute schon genug einen auf Wohltäter gemacht und das reicht auch für die gesamte Session. Wenn es geht für immer.
 

Leider passiert es immer wieder, dass ich ab und zu in mein altes Muster verfalle. In diesen Momenten sollte man meinen, ich wäre... nett...
 

Allein daran zu denken, ist schrecklich! Ich will nicht mehr nett sein! Das war ich lange genug und was hat es mir gebracht? Jede Menge Ärger und Schmerzen. Nein, danke, nicht nochmal! Achtzehn Jahre sind, meiner Meinung nach, genug.
 

Ich komme zu Hause an, parke in der Garage und steige aus dem Auto. Heute werde ich nichts weiter machen, als auf meiner Couch zu gammeln und durch die Sender zu zappen. Tristan, der Gammler, schlägt wieder zu!
 

Doch leider, bleibt das nur ein schöner, weit entfernter Traum, denn sobald ich mich in Jogginghose und T-Shirt auf die Couch werfe, klingelt es schon an meiner Tür.
 

Genervt stöhne ich auf und schlurfe völlig unmotiviert zum Störfaktor. Da will man einmal vor sich hin gammeln und dann so was! Vorsichtig öffne ich die Tür und strecke meinen Kopf heraus. Falls das jemand Wichtiges ist, kann ich ihn wohl kaum in dem Aufzug entgegentreten.
 

Ich höre ein raues Ein- und Ausatmen. Was...?
 

Da steht so ein Typ mit einer billigen Clownmaske. Hä? Was soll das denn werden?

„Ich bin dein Vater...!“, keucht dieser Irre schließlich und macht nochmal einen auf Ich-bin-zu-dumm-zum-atmen.
 

Okay, das wird mir echt zu blöd.
 

„Klar, und ich bin Madonna! Wer zum Henker bist du denn?“, zische und hebe genervt eine Braue. Soll das ein schlechter Scherz sein? Wer macht so was denn noch?

Dabei wollte ich doch nur einen gemütlichen Abend auf meiner Couch verbringen!
 

Und dann höre ich ein Lachen – sein Lachen um genau zu sein. Oh, mein Gott. „Jetzt im Ernst, ich bin wirklich dein Vater!“, grunzt mein überaus geliebter Erzeuger und reißt sich die Maske vom Kopf. Natürlich, wer hätte es denn sonst sein können?
 

„Ich bin seit vorgestern wieder in der Stadt und habe mir gedacht, wir machen mal so einen richtigen Männerabend! Du weißt schon, so ein Vater- und Sohnzeugs!“, plappert er und schiebt sich völlig unaufgefordert an mir vorbei in die Wohnung. Hipp, Hipp, Hurra...!
 

Noch etwas perplex schließe ich endlich die Tür und wanke meinem Vater hinterher in mein Wohnzimmer. Dieser pellt sich aus seinem Mantel wirft ihn mitsamt der Maske über die Lehne meiner schwarzen, teuren Ledercouch.
 

„Was sollte das eben werden?“, frage ich ihn, leicht genervt mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. Ich wusste ja schon immer, dass er verrückt ist, aber solche Aktionen sind mir neu.
 

Er rollt mit den Augen und seufzt: „Ach, Tris! Du bist so steif, weißt du das? Verstehst nicht mal mehr Spaß!“
 

Oh, ja! Steif bin ich wirklich sehr oft, bin ich versucht zu sagen, halte aber lieber meine Klappe. Wenn mein Dad schon mal nach München kommt, um mich zu besuchen, sollte ich ihn auch nicht gleich wieder vergraulen. Denn nichts desto trotz, ist er mein Vater. Übrigens ist er wirklich der Einzige, dem ich es erlaube mich „Tris“ zu nennen.
 

„Also gut! Willst du was trinken, Dad?“, lächle ich und er lässt sich auf die Couch fallen.

Er hat sich die Jahre über ziemlich gut gehalten. Noch immer ist er recht schlank, groß und allzu faltig ist er auch noch nicht. Kann vielleicht auch daran liegen, dass er viel zu jung Kinder bekommen hat. Mit Einundzwanzig Jahren heiraten und auch noch mit dreiundzwanzig ein Kind kriegen, ist doch etwas heftig.
 

Aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass er mich vierzehn Jahre meines Lebens allein mit meiner Mutter gelassen hat. Er hätte sie gar nicht erst heiraten sollen, wenn er sich doch sowieso nicht binden wollte. Und das ich genauso aussehe wie er, hat diese Zeit auch nicht erträglicher gemacht. Im Gegenteil.
 

Meine Mutter hat ihren Frust und ihren Hass an mir ausgelassen. „Du bist doch genauso wie er!“, hat sie immer gesagt. Kunststück, ich bin schließlich sein Sohn. Was kann ich denn dafür, dass ich wie sein kleiner Bruder aussehe?
 

„Hast du Bier da?“, fragt er und ich sehe ihn kurz verwundert an. „Was denn?“

Ich zucke mit den Schultern und sage: „Naja, du trinkst doch sonst immer Champagner, Wein... So ein teures Zeug halt.“
 

Auch er zuckt mit den Schultern. „Glaub mir, jeder braucht mal eine Pause von Wein“, seufzt er und fährt sich durch sein leicht ergrautes Haar. „Nur weil wir beide viel Geld haben, heißt das nicht, dass wir nicht auch mal ein einfaches Bier trinken können, oder?“
 

„Ich geh mal nachschauen, ob ich so was überhaupt im Haus habe“, meine ich nur und gehe runter in den Keller. Eigentlich trinke nur selten. Mir schmeckt Alkohol eben nicht sonderlich. Außerdem mache ich nur Blödsinn, wenn ich trinke und darauf kann ich sehr wohl verzichten.

Nur im Sky9 trinke ich ab und an ein paar von Codys Drinks, aber von denen werde ich ja auch nicht so schnell betrunken.
 

Mein Gott, ich habe ja tatsächlich Bier hier unten! Ah, stimmt. Das war ja wegen Janinas Geburtstag. Wir haben in meinem Haus Party gemacht und Cody hat so viel Bier angeschleppt, dass ich immer noch ein paar hier rumstehen hab. Ist ja nicht so lange her, gerade mal zwei Wochen. Da war Felix noch in Spanien. Der Glückliche.
 

Ich schnappe mir zwei Flaschen und gehe wieder zu meinem Vater. Der nimmt sein Bier dankend entgegen und starrt weiter auf den Fernseher, den ich wohl vorhin angelassen habe. Langsam lasse ich mich neben ihm fallen und öffne meine Flasche.
 

„Und? Wie läuft es bei der Arbeit?“, fragt er dann und nippt an seinem Bier.

In dem komischen Film verprügeln sich gerade zwei Typen, während so eine Tussi daneben steht und heult. Langweilig. Wegschalten.
 

„Bei Stevie Junior läuft alles bestens, und bei Senior?“, fahre ich den Smalltalk fort und überlege gerade, ob ich mir kämpfende und hysterisch kreischende Ninjas antun soll oder nicht. Hm... Ne, lieber nicht! Wegschalten.
 

Grinsend sieht er mich kurz an und antwortet schließlich: „Ja, bei dem alten Sack läuft es momentan auch nicht schlecht.“

Danach wird es wieder ruhig. Aber das ist eigentlich normal bei uns. Allzu viele Gesprächsthemen haben wir ja sowieso nicht. Von seinen Affären will ich nichts wissen und mein Liebesleben existiert ja schon lange nicht mehr.
 

Und von der Arbeit reden wir auch nicht viel. Er weiß ja, dass ich eigentlich nie Architekt werden wollte. Außerdem ist er hier, weil er eben eine Pause von der Arbeit braucht. Gibt es noch andere Themen? Naja, zumindest welche, bei denen wir nicht auf unsere reichlich missglückte Vergangenheit kommen?
 

Wir könnten uns natürlich auch über Fußball unterhalten, nur leider schaue ich diesen Schwachsinn nicht. Ich habe es sehr oft versucht, weil Cody ja so ein großer Fan ist, aber ich bin beinahe jedes Mal dabei eingeschlafen. Es langweilt mich eben, da passiert ja nicht wirklich etwas. Da rennen nur zwanzig Idioten einem blöden Ball hinterher, während die restlichen zwei dumm herum stehen.
 

Schweigend starren wir noch eine Weile auf den Fernseher, als dann mein Geschäftshandy klingelt. So ein total langweiliger Piepton. Seufzend stehe ich auf und hebe ab. „Guten Abend, Stevenson hier. Wer ist dran?“, sage ich in einem freundlichen Ton und staune nicht schlecht, als ich die Stimme meines Anrufers höre.
 

„Hier ist Key, du erinnerst dich noch?“, fragt er und ich fange sofort dämlich zu grinsen an. Nach zwei Wochen Funkstille seinerseits ruft er wirklich an! Er kam nämlich zu keinen weiteren Terminen mehr und sein Bruder meinte, er hätte Stress bei der Arbeit.

Ich dachte, dass er einfach keinen Bock mehr auf mich hätte.
 

Doch jetzt ruft er an. „Klar erinnere ich mich!“, lache ich ins Telefon und lehne mich gegen den Türrahmen des Wohnzimmers. „Wie komme ich zu der Ehre?“

Neugierig dreht sich Dad zu mir um und hebt eine seiner dunklen, dicken Brauen.
 

Ich lächle nur und warte auf Keys Antwort. „Naja, falls dein Angebot noch steht, können wir ja mal was zusammen machen“, meint er schließlich und ich grinse noch einen Tick breiter. „Aber nicht in dem Café, wie wäre es mit einem Abend im Sky9?“
 

„Klar, steht das Angebot noch! Sagen wir, Samstag um 22 Uhr?“

„Abgemacht! Treffen wir uns dann an der Bar?“

„Ähm... Ja, in Ordnung. Also bis Samstag!“
 

Er verabschiedet sich und legt auf. Yeah! Das schreit ja nach einer heißen Nacht!

Dümmlich grinsend setze ich mich wieder neben meinen Vater, nehme mein unangerührtes Bier und nippe mal kurz dran.
 

Mein Vater sieht mich leicht verwirrt an und fragt dann doch tatsächlich: „Sag bloß, du hast einen Freund?“

Beinahe hätte ich mein Bier wieder ausgespuckt. Was? Einen Freund? Ich? Was denkt er bitte von mir?! Dementsprechend geschockt blicke ich ihn auch an.
 

„Sag mal, spinnst du? Wie kommst du auf diesen Schwachsinn?“, gebe ich völlig entgeistert von mir. Glaubt er allen Ernstes, dass ich nach der Sache mit Jan einfach so wieder einen Freund habe? Und ihm nicht mal was gesagt hätte?
 

Unsicher zuckt er mit den Schultern. „Naja, du klangst so fröhlich wie schon lange nicht mehr und dein Grinsen sah eindeutig verliebt aus“, erklärt er und ich weiß einen Moment nicht was ich sagen soll. Habe ich wirklich so verliebt gewirkt? „Außerdem kannst du nicht ewig so weiter machen, Tris. Irgendwann wirst du dich wieder verlieben, ob du nun willst oder nicht.“
 

Irgendwie fühle ich mich gerade ziemlich überfahren. „Das sagt der Richtige“, schnaube ich und setze wieder meine Maske auf. Er soll nicht merken, was für eine verfluchte Angst ich wirklich davor habe.
 

„Was das betrifft...“, murmelt er und senkt den Blick. Moment... Was... „Der Grund warum ich hier bin ist eigentlich... Ich werde wieder heiraten, Tristan.“
 

Okay. Das reicht. Das nächste Mal, wenn mein Kaffee alle ist, werde ich das Haus nicht verlassen und erst recht niemanden rein lassen.
 

Sicher ist Sicher.

Chapter 6 - Bad fuck!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Chapter 6 - Bad fuck! (Zensiert)

„Okay, Tristan! Das reicht jetzt!“, schnaubt Cody und nimmt mir den Controller aus der Hand. „Du hasst Videospiele! Vor allem, wenn es nur darum geht irgendjemanden abzuschießen! Also warum um alles in der Welt spielst du hier Call of Duty?!“
 

Ich fletsche die Zähne und versuche ihm den Controller wieder abzunehmen, doch leider ist Cody viel größer als ich und außerdem drückt er mich gerade ziemlich unfair von sich. Verdammt sei dieser Titan! „Lass mich doch einfach!“, zische ich, werfe mich auf ihn und schnappe mir sofort den Controller, als er überrascht inne hält. „Ist doch mein Problem!“
 

Und somit setze ich mich wieder auf den Boden und knalle ein paar Soldaten ab. Man darf doch mal Videospiele spielen oder? Wieso muss das gleich verdächtig sein? Na, gut. Ich werde in zwei Jahren dreißig, aber irgendwo bleibt man doch immer jugendlich oder?

„Lügner“, meldet sich dann meine innere Stimme. „Du weißt genauso gut wie ich, dass du so ein Zeug hasst. Du machst dich ja jedes mal über Codys Neffen lustig, wenn er da ist und spielt!“
 

Klappe, Paul!

„Nenn mich nicht Paul!“, mault er auch gleich.

Tja, Pech gehabt, Paul!

„Fick dich doch!“ Und damit ist mein, zugegeben, kurzer Kampf im Inneren schon wieder vorbei.
 

Wie erbärmlich kann man nur sein? Ich streite mit einer imaginären Stimme, die auch noch einen Namen hat! „Tristan“, seufzt Cody und setzt sich neben mich. „Ich kenne dich jetzt schon zehn Jahre lang. Und ich merke es, wenn dich etwas bedrückt. Also, los. Spucks aus!“
 

Seine große, warme Hand legt sich auf meine und ich höre tatsächlich auf wie ein Irrer irgendwelche Soldaten abzumurksen. Verdammt! Wie schafft er es nur immer wieder, mich mit einer winzigen Berührung und ein paar Worten einfach so zu beruhigen?
 

Ich atme tief durch und schließe kurz die Augen. „Mein Vater war gestern da“, fange ich an und er nickt kurz. „Er... will wieder heiraten.“

Seine Augen weiten sich ein bisschen und er sieht mich kurz überrascht an.
 

„Wirklich?“, fragt er dann und lächelt. „Aber das ist doch toll! Hey, freu dich doch für ihn!“

Grinsend knufft er mir in die Seite, aber mein Gesichtsausdruck bleibt kalt.

Er weiß nicht, was es für mich bedeutet.
 

„Es ist nicht toll“, sage ich einfach, ohne jegliche Gefühlsregung. „Cody, diese Frau ist schwanger! Ich bekomme noch einen Bruder oder eine Schwester... Verdammt!“

Der Controller landet ziemlich unsanft auf dem Boden und ich presse meine Hände gegen mein Gesicht. Nicht weinen. Das gehört sich nicht.
 

Schwer und schützend legt Cody seinen Arm um meine Schulter und zieht mich an sich. „Hat er dir das gesagt?“, fragt er und ich schüttele den Kopf. „Woher willst du das dann wissen?“

Ich atme tief durch.
 

„Das ist es ja“, flüstere ich schließlich. „Er hat nichts gesagt, als ich ihn gefragt habe. Das war Antwort genug!“

Am Ende bin ich doch recht laut geworden, weshalb ich ihn entschuldigend ansehe. „Sorry, ich wollte nicht so schreien...“
 

Aber er verwuschelt nur kurz meine Haare und meint: „Wenn es dir hilft, kannst du so viel schreien wie du willst. Nur wäre ich dir dankbar, wenn ich davor noch ein paar Ohrstöpsel holen dürfte. Schließlich ist mein Trommelfell sehr empfindlich.“

„Idiot“, nuschle ich bloß.
 

Danach ist es ruhig. Seufzend lehne ich mich an ihn. Cody ist seit zehn Jahren mein bester Freund. Seit der Sache mit Jan ist er nicht einmal von meiner Seite gewichen. Natürlich haben wir uns ab und zu gestritten, aber wir haben es nicht mal zwei Tage durchgehalten aufeinander sauer zu sein.

Und immer ist er es, der mir zuhört und mir wieder auf die Beine hilft. So wie jetzt.
 

Mein Vater heiratet. Und bekommt noch ein Kind. Es ist ja nicht so, dass ich sauer bin, weil ich ihm nicht zutraue ein guter Vater zu sein. Schließlich ist er jetzt erwachsen und würde das Kind nicht so im Stich lassen wie mich und Janina früher. Aber genau das ist es, was mich stört.
 

Als ich auf die Welt kam, war er schon über alle Berge. Er wollte weder von mir, noch von meiner Mutter etwas wissen. Ich war ihm egal. Genauso wie jedem anderen auch. Meine Mutter hasste mich, ich war der Außenseiter der Klasse und eigentlich immer und überall allein.
 

Meine Halbschwester hatte es nicht so schwer. Zwar hatte er sie anfangs genauso liegen lassen wie mich, aber sie musste keine vierzehn Jahre auf einen Vater warten. Ihre Mutter hatte kurze Zeit nach der Geburt einen neuen Freund. Janina hatte damals Jemanden, bis Herr Stevenson beinahe in einem Autounfall gestorben ist.
 

Das war wohl einer der berühmten Momente, bei denen es im Hirn eines Menschen >Klick< macht und er Hals über Kopf entscheidet, sich und sein Leben zu verändern. Und tada! Plötzlich stand der leibliche Vater vor ihrer Tür. Ja, vor ihrer. Nicht vor meiner.
 

Sie war damals vier Jahre alt. Ich war schon zehn. Bis er sich getraut hat, mit seinem Sohn Kontakt aufzunehmen sind nochmal vier Jahre vergangen. Da war ich also schon ein Teenager. Als er mich plötzlich nach Schulschluss angesprochen hat und meinte er wäre mein Vater, habe ich ihm eines meiner Schulbücher gegen den Kopf geworfen und bin weggerannt.

Wer würde es auch schon glauben, wenn ein Fremder einfach so meint, dass er der Vater wäre?
 

Zugegen, er sah aus, als hätte man mich geklont und in eine Zeitmaschine gesteckt, aber ich hatte echt Angst vor dem Kerl. Ich dachte, dass wäre irgendein Verrückter, der mich kidnappen wollte.

Bis er noch am selben Tag vor der Tür stand und meine Mutter ihn beinahe umgebracht hätte. Von da an musste ich ihm ja glauben.
 

Bis ich ihm aber verziehen habe, waren nochmal drei Jahre vergangen. Das war aber Jans Verdienst. Ohne ihn würde ich den sehr geehrten David Stevenson immer noch hassen.

Und jetzt? Jetzt zeugt er einfach so ein Kind. Er will ein toller Vater sein, mit dem Hosenscheißer zum Spielplatz gehen, seine Windeln wechseln, es füttern und einen auf Ich-bin-der-beste-Papi-der-Welt machen.
 

Ja, ich bin ein verdammter Egoist. Der Gedanke, dass es dem neuen Kind besser ergehen soll, als mir, kotzt mich an. Dass er dem Vieh Liebe schenkt und sich um es kümmert, während ich in der Hölle leben durfte.
 

„Tristan! Du denkst ja schon wieder darüber nach!“, holt mich Cody aus meinen ziemlich egoistischen und dummen Gedanken. Verdammt, ich sollte froh darüber sein, dass es dem Ding besser gehen wird!
 

Seufzend sehe ich zu ihm. Seine warmen, braunen Augen schauen mich schon wieder so an. So besorgt, als wäre ich ein kleines Kind. Ich hasse das. „Seit wann kannst du Gedanken lesen?“, frage ich ihn leise. Eigentlich sinnlos, ich kenne die Antwort ja.
 

„Tristan, ich kenne dich in- und auswendig!“, lacht er und beißt mir ins Ohrläppchen. „Ist doch klar, dass ich so etwas bemerke!“

Überrascht greife ich nach meinem Ohr. Also irgendwie verwirrt mich die Aktion gerade. Seit wann beißt er mir denn ins Ohr? Naja, egal. Ist ja nur Cody!
 

Am nächsten Tag stehe ich abends frisch geduscht vor meinem Kleiderschrank. In einer Stunde treffe ich mich mit Key im Sky9. Und aus irgendeinem unerfindlichen Grund habe ich keine Ahnung was ich anziehen soll.
 

Eigentlich mache ich mir selten Gedanken über so etwas. Wenn, dann nur bei einem Treffen mit einer wichtigen Persönlichkeit oder eben Jemandem, vor dem ich sehr viel Respekt habe.

Wieso dann jetzt? Ist ja nicht so, als ob es sonderlich wichtig wäre, was ich anhabe. Beim ersten Treffen habe ich ja auch nur ein T-Shirt und eine Jeans getragen, also bitte.
 

„Ach, ist doch egal!“, rufe ich dann ins Leere und ziehe nur eine Jeans und ein schwarzes Shirt an. Gerade will ich den Schrank zu machen, als ich mich nochmal im riesigen Spiegel, der in der Innenseite der Schranktür hängt, ansehe. Irgendwie gefällt mir das nicht. Es fühlt sich einfach... nicht richtig an. Dabei habe ich es tausend mal getragen. Oder vielleicht liegt es genau daran?
 

Mit einem grimmigen Blick ziehe ich es wieder aus. Was stimmt denn nicht? Ich denke noch eine Weile darüber nach und entscheide mich etwas anderes zu tragen.

Dann probiere ich das nächste Outfit, nur um es gleich danach wieder auszuziehen.

Nun, ja... So geht das noch etwas länger weiter, bis ich auf die Uhr schaue. Fuck! Nur noch zehn Minuten!
 

„Du hast doch nicht allen Ernstes fünfzig Minuten vorm Kleiderschrank gestanden, oder?“, neckt mich Paul und ich knurre ihn an. Verdammt, was ist denn los mit mir?!

Meine schöne, teure Kleidung liegt völlig verstreut im Raum und ich weiß immer noch nicht was ich tragen soll.
 

Und dann hab ich es. Ich hetze durch das Chaos und ziehe schnell eine schwarze Hose und ein weißes, schlichtes Hemd an. Es ist nichts Besonderes und ich hätte es sicher wieder ausgezogen und weiter gegrübelt, wenn es nicht schon so verdammt spät wäre.
 

Ich rase zur Tür, ziehe mir schnell meinen Mantel über und renne zu meinem Auto. Verdammt, ich komme noch zu spät! Wie ich das hasse!

„Unpünktlichkeit ist ein Zeichen von Respektlosigkeit und Unfähigkeit“, hat meine Mutter immer gesagt.
 

Als ich ankomme, bin ich zehn Minuten zu spät. Scheiße!

Und von Key auch keine Spur. Na, super. Aber irgendwo muss er doch sein? Ich meine, das waren doch nur zehn Minuten! „Egal ob es nur fünf Minuten oder zwei Stunden sind, zu spät ist zu spät.“

Okay, Mutter, das reicht. Raus aus meinem Kopf!
 

„Hey, da bist du ja!“, höre ich hinter mir und ich wäre beinahe vor Schreck umgekippt. Mann, was schleicht der sich von hinten an? Ich sollte echt nicht so viel denken, da bin ich ja total empfindlich.
 

Vorsichtig drehe ich mich um und sehe direkt in zwei eisblaue Augen, die mich belustigt anschauen. „Hab ich dich etwa erschreckt?“, schmunzelt er auch noch und ich wäre beinahe rot geworden. Aber nur beinahe. Ich bin doch kein Teenager mehr!
 

„Ja, etwas“, lächle ich also bloß und kratze mich verlegen am Hinterkopf. Die Sache mit meinem Vater hat mich wohl ziemlich aus der Bahn geworfen, denn irgendwie komme ich mir gerade selbst fremd vor. Schließlich habe ich mir meinen „Ohje-wie-peinlich-ich-kratz-mich-da-mal-völlig-unnötig-am-Hinterkopf“-Tick schon seit Jahren abgewöhnt. Und jetzt tue ich es wieder. Mist.
 

„Sorry, dass ich etwas spät bin“, entschuldige ich mich dann. „Ich wurde aufgehalten.“

„Ja, von deinem Kleiderschrank“, kommt Paul mal wieder zu Wort und ich werfe einen imaginären Schuh nach ihm.
 

Aber Key winkt nur ab und lächelt. „Waren eh nur zehn Minuten“, meint er und geht an mir vor zur Bar. Moment... Hat Cody nicht heute Schicht? Oh, nein. Das könnte unangenehm werden. Eher unfreiwillig folge ich ihm und setze mich auf einen Hocker.
 

So unauffällig wie möglich, mustere ich ihn. Und ich sehe... das ist jetzt nicht wahr oder?

Key trägt ein schwarzes T-Shirt und eine Jeans. Ich glaub es nicht. Und da stehe ich fünfzig wertvolle Minuten, die ich anderweitig hätte nutzen können, vor meinem Kleiderschrank und befürchte das Ende der Welt, weil ich das zu oft an hatte?
 

„Alles okay?“, fragt mich Key dann auch noch und holt mich aus meiner glotzenden Starre zurück. Doch bevor ich ihm versichern kann, dass alles okay ist, spüre ich eine schwere Hand auf meiner Schulter. Oh, hallo Cody, wie geht es dir?
 

Und tatsächlich trügt mich mein Cody-Warnsignal nicht und wenige Sekunden nach meiner brillanten Erkenntnis, dass er praktisch neben mir steht, sagt er auch schon: „Hey, Tristan, willst du einen Drink?“
 

Lächelnd hat er einen Ellenbogen auf den Tresen abgestützt, während seine andere Hand auf meiner Schulter liegt. Es dauert noch ein paar Sekunden, in denen sich Keys Blick in meine Schläfe bohrt, bis Cody ihn bemerkt. „Ist das nicht der Typ, der dir diesen richtig genialen Korb gegeben hat?“, fragt er mich dann auch noch. Moment... genialer Korb? Sagte er gerade genial?
 

Zutiefst empört ziehe ich meine Augenbrauen zusammen und starre ihn böse an. Tse, und das nenne ich meinen besten Freund? Aber er ignoriert mich und meinen Killer-Blick und wendet sich stattdessen an Key, der nun auch jegliches Interesse an meiner Schläfe verloren hat und Codys Blick erwidert. Diese Sache gefällt mir nicht. Wirklich nicht.
 

„Du bist also der legendäre Key, der Tristan einen Korb gegeben hat?“, fragt er erneut und strahlt ihn so bewundernd an, dass es mich nicht wundern würde, wenn er jetzt sein T-Shirt ausziehen und Key um ein Autogramm auf seinem Rücken bitten würde.
 

Doch Key sieht ihn nur kalt an. Wow, das ist wirklich merkwürdig. Er ist immun gegen Codys Lächeln? „Ja, der bin ich wohl“, bestätigt er und lehnt sich etwas nach vorne. „Und du bist?“

„Cody“, stellt er sich vor und reicht Key einer seiner gigantischen Pranken. „Sein bester Freund und Kummerkasten.“
 

Ohne jegliche Gefühlsregung nimmt er Codys Hand und nickt ihm knapp zu. Cody scheint Keys kalten Blick nicht einmal zu bemerken – oder es ist ihm egal –, denn er lächelt weiterhin unbeschwert vor sich hin.
 

Wieder einmal verstärkt sich meine Vermutung, dass Key sich nicht die geringste Mühe gibt, irgendwelche Sympathiepunkte bei irgendwem zu sammeln und diese Leute automatisch so kalt ansieht, dass sogar Außenstehende Angst vor ihm haben. Weswegen ich mir ein weiteres Mal die Fragen stelle: Wieso ist er bei mir jetzt so anders? Was habe ich getan?
 

Doch bevor ich weiter über diese wirklich interessanten Fragen grübeln kann, tippt mir jemand auf die Schulter und macht ein Geräusch, das – mit sehr viel Fantasie –, so was wie ein „Äh“ sein könnte. Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite und blicke direkt in zwei riesige, grüne Augen, die mich schüchtern ansehen.
 

Ein Twink. Recht kurze, blonde Haare, ein schmales Gesicht, etwas kleiner und schlank. Nichts Ungewöhnliches. Schließlich ziehe ich solche Kerle beinahe magisch an. Aber der hier sieht mich an, als ob er Angst hätte, dass ich ihn gleich umbringe.
 

Jungfrau und zum ersten Mal im Sky9. Eindeutig. Es steht ihm praktisch auf der Stirn geschrieben. Ich, als Profi, muss das wissen, schließlich komme ich schon seit zehn Jahren hierher und schleppe alle Arten von Kerlen ab. Und so wie er mich ansieht und von einem Bein aufs andere tritt, als müsste er aufs Klo, ist das auch zu einfach zu erraten.
 

„Ich, äh...“, stammelt er und sein Blick huscht unruhig über mein Gesicht. „Wollte, ähm, fragen o-ob... Naja, ob du...“

Er gibt sein Bestes, um mit mir zu kommunizieren, gestikuliert mit seinen Händen in der Luft herum und sieht mich hoffnungsvoll an. Aber ich habe trotzdem nicht die geringste Ahnung, was er mir mit alldem mitteilen möchte.
 

Deswegen hebe ich fragend eine Braue. „Ob ich was?“, hacke ich nach und er wird noch ein Tick röter. „Ob...“, murmelt er und lässt seine Hände langsam sinken. Ob was? Langsam aber sicher, werde ich wirklich ungeduldig. Aus den Augenwinkeln sehe ich wie Cody schmunzelt und von einem Glas nippt. „Ja?“, sage ich dann und hoffe, dass er es endlich hinter sich bringt.
 

Er atmet tief durch und sieht mich direkt an: „W-willst du tanzen?!“, bringt er schließlich hervor und ich sehe wie seine Hände zittern.

Niedlich ist er, das muss ich ihm lassen. Und vor ein paar Jahren hätte ich ihn mit Sicherheit gleich flachgelegt, aber ich habe dazu gelernt.
 

Glücklich strahle ich ihn an, nehme unauffällig Keys Hand. „Oh, ja! Ich will wirklich tanzen!“, rufe ich so fröhlich wie nur möglich und steige lässig vom Barhocker.

Der Kleine strahlt zurück, seine Augen glitzern und er will gerade etwas sagen, als ich Key von seinem Hocker ziehe.
 

Ich rufe noch ein: „Ich wünsche dir viel Spaß!“ und verschwinde mit Key auf der Tanzfläche. Seinen verletzten und traurigen Blick kann ich praktisch in meinem Nacken spüren und es tut mir Leid. Wenn ich ehrlich bin, habe ich es noch nie gemocht, jemanden zu verletzten.
 

Als ich endlich stoppe und Key ansehe, wirft er mir einen so gruseligen Killer-Blick zu, dass ich beinahe neidisch werde. „Was sollte das eben?“, fragt er mich, anscheinend sehr wütend. „Du hast dem Kleinen weh getan, du Arsch!“
 

Er kapiert es nicht. War ja klar. „Was das sollte?“, schnaube ich, als ob das die dümmste Frage wäre, die ich je gehört habe. „Key, der Kleine ist eine Jungfrau! Wenn ich darauf angesprungen wäre, hätte er sich wahrscheinlich in mich verliebt und dann, ja, dann hätte ich ihm wirklich weh tun müssen.“
 

Er sieht mich überrascht an. Jegliche Wut ist aus seinem Blick verschwunden. Seufzend frage ich: „Dachtest du, ich hätte das gemacht, weil ich einfach mal Lust drauf hatte?“

Keine Antwort. Schön zu wissen, wie viel Key von mir hält. Wirklich, ich bin gerührt.
 

„Nein, eigentlich nicht“, meint er dann doch und lächelt mich an. „Aber dass du so emotional bist und daran denkst, hätte ich jetzt auch nicht gedacht.“

Moment. Emotional? Ich?
 

„Äh, da verstehst du was falsch“, fange ich an und schüttle den Kopf. „Ich habe dabei weniger an ihn gedacht, sondern mehr an mich. Wenn er sich in mich verliebt, geht er mir nur auf den Wecker und wenn ich ihm dann einen Korb gebe, fängt er an zu heulen. Das hat nichts mit Emotionen zu tun, es würde mich einfach nerven!“
 

„Dir ist schon klar, dass deine Aussagen total kontraproduktiv sind?“, meint Paul. „Die machen gar keinen Sinn.“

Ich schweige. Schließlich hat er Recht, was soll ich da jetzt noch groß sagen?
 

Key grinst mich nur an und sagt: „Ja, ja. Schon klar, Tristan, du hast dabei wirklich nur an dich gedacht!“

Dabei zieht er das „nur“ so sehr in die Länge, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde. So viel zu meiner Ehre und dem Aufrechterhalten meines neuen, besseren Arschloch-Images.
 

Soeben habe ich mich selbst als gefühlsduseliger Schwächling entlarvt. Eigentor sozusagen. Super.
 

„Ich gestehe! In Wirklichkeit bin ich ein Weichei!“, rufe ich und Officer Paul legt mir die Handschellen an. Seine Gehilfen packen mich an den Armen und der Officer ruft: „Abführen!“
 

„Tristan? Noch da?“, fragt mich eine Stimme und eine Hand wedelt vor meinem Gesicht herum. Hä, was? Verwirrt blinzle ich ein paar Mal und Key grinst mich belustigt an. Irgendwie ist heute nicht mein Tag, schließlich mache ich mich schon zum zweiten Mal zum Affen. Und das, obwohl ich noch genug Kaffee da hatte. Merkwürdig...
 

Key hebt eine Braue. Oh, er erwartet wohl eine Antwort. „Ja, ich bin noch da“, bestätige ich und spreche absichtlich monoton. „Naja, so halb, aber immerhin.“

Leise lachend fängt er an zu tanzen. Haha, ich hatte ganz vergessen, dass wir hier auf der Tanzfläche stehen!
 

Das war schon das dritte Mal, dass ich mich vor ihm zum Affen gemacht habe. Ich sollte eine Strichliste führen.
 

So ziemlich verspätet fange ich auch das Tanzen an. Es ist beinahe wie ein De-ja-vu. Wir berühren uns nicht, sehen uns an und schweigen. Die Musik nehme ich gar nicht mehr wahr, ich konzentriere mich nur auf ihn. Und ich erinnere mich daran wie sich sein Körper unter meinem angefühlt hat.
 

Seine kühlen Hände, die weichen, schmalen Lippen und der kalte, distanzierte Blick aus seinen eisblauen Augen. Aber genau das, ist nicht mehr wie zuvor. Sein Blick ist nicht mehr distanziert, nicht mehr kalt. Er sieht mich an, fast als würde er mich... Ja, was? Mich mögen?
 

Bei dem Gedanken, fange ich plötzlich an zu lächeln. Natürlich. Das ist es. Er ist nicht mehr kalt zu mir, weil er mich mag. Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen?

Doch da stellt sich noch eine Frage. Wieso mag er mich?
 

Man kann ja nicht behaupten, dass ich eine sonderlich sympathische Persönlichkeit hätte. Im Gegenteil. Die meisten Kerle und Frauen sind nur in meiner Nähe, weil ich gut aussehe. Da „vergessen“ sie gern mal den einen oder anderen Makel.
 

Bei Cody und mir ist es anders. Er kennt mich eben besser, als jeder andere und hat mich getroffen, als ich noch der sanfte, gutmütige Tristan war. Ja, der süße, liebe Tristan. Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke.
 

Janina mag mich nur – okay, sie erträgt mich -, weil ich eben ihr Bruder bin. Halbbruder, aber das übersieht sie gerne. Und bei Felix? Keine Ahnung, dieser Kerl ist sowieso total seltsam.

Wieso dann Key? Er hat mich als Arschloch kennengelernt und ich kann mich nicht daran erinnern, dass er je eine andere Seite von mir gesehen hätte.
 

Das Gespräch im Café war ja witzig, aber nur weil ich die ganze Zeit über meine Sekretärin hergezogen bin. Wirklich nett war das nicht. Außerdem war ich der einzige, der die ganze Zeit geredet hat. Stimmt. Wenn ich jetzt drüber nachdenke, hat er nicht mehr als sechs Sätze von sich gegeben.
 

„Hey!“, holt mich Key aus meinen – wiedermal völlig sinnlosen – Gedanken und deutet zur Seite. „Der Typ starrt hierher. Was meinst du? Dich oder mich?“

Unauffällig schiele ich zur Seite. Groß, viel zu muskulös und ein Blick, der nicht dümmer aussehen könnte. Er hat eine wirklich verblüffende Ähnlichkeit mit einem Gorilla. Sehr faszinierend.
 

Nicht gerade sehr angetan von der Aussicht, dass er auf mich steht – er starrt nämlich mich an -, verziehe ich das Gesicht. „Ich hoffe mal, keinen von uns Beiden“, meine ich deswegen nur und bemerke über Keys Schulter hinweg einen anderen Typ. Der starrt ganz offensichtlich Keys Hintern an. Nicht übel, wirklich. Schlank, gutaussehend. Vielleicht Spanier? Italiener?
 

Da bemerkt er mir auch schon und... lächelt? Okay, anscheinend findet er mich auch nicht schlecht. Dabei galt seine Aufmerksamkeit vorhin ganz offensichtlich Key. Ach, was! Ich sehe so gut aus, ist doch klar, dass ich ihm auch gefalle!
 

„Der ist besser“, grinse ich deswegen und nicke zum dem großen Spanier/Italiener. Langsam dreht sich Key um und als die beiden sich ansehen, könnte ich schwören, dass glühende Funken aus ihren Augen sprühen und auf meiner Haut pieken. Ist ja gruselig!
 

Erst da fällt es mir wieder ein. Ursprünglich wollte ich doch mit Key... Das heißt, er hatte gar nicht vor mit mir zu schlafen? Das hier ist kein Date, sondern ein... Leise lacht mich Paul aus und murmelt: „Du bist sein neuer Kumpel!“.
 

Ich bin ein Freund. Einfach ein guter Freund. Das bedeutetet, ich werde nie wieder in den Genuss kommen, ihn flachlegen zu dürfen. Ich muss keusch sein und meine Finger bei mir behalten, obwohl er genau vor mir steht. Mit diesem irre runden, knackigen Hintern und diesen weichen Lippen, die nach Orange schmecken... Ach, du Heilige Scheiße!
 

Langsam kommt er auf uns zu. Key grinst mich an. Und ich? Ich glotze völlig schockiert über diese einfach grauenhafte Erkenntnis ins Nichts. Nur ein Kumpel. Ich, Tristan Stevenson, bin für Key sexuell uninteressant geworden und werde als guter Freund degradiert.
 

„Hey“, grüßt der Typ und sieht abwechselnd mich und Key an. „Lust auf einen Dreier?“

Mutig ist er, das muss man ihm lassen. Und sehr direkt. So wie ich.
 

Er ist auch ziemlich groß, hat breite Schultern, dunkle Augen, kurze Haare.... Moment. Der Kerl sieht genauso aus wie ich. Sogar seine Stimme klingt wie meine.

Mit kleinen Unterschieden: Er ist eindeutig hübscher und jünger als ich. Und er hat schwarze Haare, meine sind braun.
 

„Klar doch“, grinst Key nur und sieht mich auffordernd an.

Obwohl ich immer noch im Schockzustand bin, formen meine Lippen eine Art Lächeln und ich frage: „Top oder Bottom?“
 

„Ich lege euch beide flach“, beschließt er einfach aus dem Nichts heraus und greift ganz dreist nach meinen Hintern. „Auch dich.“

Arroganter, selbstverliebter Idiot. Ich schnaube, packe mit festem Griff seinen Arm und halte ihn deutlich auf Abstand. „Eher legt der Papst einen Striptease hin und tanzt in roter Unterwäsche an der Stange, bevor Jemand wie du es schafft Tristan Stevenson flachzulegen.“
 

Kurz verzieht dieses Weichei das Gesicht unter meinem Griff, dann grinst er mich an. „Oho, ein überzeugter Top?“, lacht er und ich sehe ihn ernst an.

„Nein, aber ein Mann, der sich nicht jedem dahergelaufenen Vollidioten hingibt“, zische ich nur.
 

Das hat gesessen. Er sieht mich überrascht an, senkt dann peinlich berührt die Augen und versucht sich zu befreien. Mit einem möglichst gleichgültigem Gesichtsausdruck lasse ich ihn los. Ich kann Keys Blick auf mir spüren, aber ich bin jetzt wirklich schlecht gelaunt. Sehe ich aus wie irgendein Twink, den man nur am Arsch zu packen braucht, damit er sich sofort flachlegen lässt?
 

Mist, ich habe schon zu viele Emotionen gezeigt! Bevor ich endgültig meine Selbstbeherrschung verliere, setze ich besser meine Maske auf.
 

Als wäre nichts gewesen, fange ich an zu lächeln. „Also viel Spaß euch beiden, ich reiß mir jetzt einen geilen Typen auf“, rufe ich gespielt glücklich. Wie immer klinge ich wahnsinnig überzeugend. Ich hätte Schauspieler werden sollen.
 

Total verwirrt schauen mich die Beiden an und ich quetsche mich „gut gelaunt“ durch die Menge. Schade um Key, aber was soll es. Wenn er nicht mit mir ins Bett will, such ich mir eben einen anderen. So einfach ist das.
 

Wie erwartet, stürzen sich die ersten Kerle auf mich, sobald ich alleine bin. Drei Twinks werfen mir vielsagende Blicke zu, ein recht durchschnittlicher Typ, tanzt mich von der Seite an und ein wahnsinnig heißer „Beachboy“ zwinkert mir zu und tanzt sich gekonnt durch die Menge.

Tja, Tristan Stevenson ist eben einer der Begehrtesten hier.
 

In meinem Nacken kribbelt es und ich weiß, dass Key noch da ist und mich beobachtet. Soll der sich mit diesem selbstverliebten Idioten begnügen, ich reiß mir einen besseren Kerl auf.

„Sicher, dass es so einen Kerl überhaupt gibt?“, fragt mich Paul und erinnert mich daran, dass Key einer der Besten war, die ich je im Bett hatte. Naja, egal, ich finde schon wen.
 

Genügend Auswahl habe ich ja, schließlich tanze ich gerade zwischen zwei Männern. Von den drei glotzenden Twinks, haben sich zwei mit bedauernden Blicken abgewendet, während der Dritte mich immer noch anglotzt.
 

Der Beachboy gefällt mir. Auch wenn ich diese Art von Typen nicht ausstehen kann, für eine schnelle Nummer sind die immer gut. Keine nervtötenden Gefühle, keine Bedingungen, nur etwas Spaß und Befriedigung. Das merkt anscheinend auch der Durchschnittstyp, denn er gibt den Kampf um meine Aufmerksamkeit auf und geht. Grinsend leckt sich Beachboy über die Lippen und legt seine Arme auf meine Schultern.
 

Alles wäre schön und gut gewesen, hätte er nicht angefangen zu reden. Ob ich oft hier bin? Jeden Samstag. Ob ich Sex on the Beach mag? Ich mag Alkohol prinzipiell nicht. Ob ich mir wirklich jedes Mal einen Typ aufreiße? Natürlich, sonst wäre ich nicht hier. Und so weiter und so weiter...
 

Gott, wie ich das hasse, wenn sie anfangen mich vollzutexten! Noch dazu tanzt er nicht wirklich, er reibt sich bloß an mir und fährt ständig durch meine Haare. Ja, ich weiß, dass ich sehr schöne dunkle, braune Haare habe, aber man kann es auch übertreiben. Als er mich auch noch küsst, habe ich das Gefühl ganz schnell wegrennen zu müssen. Der küsst wie ein nasser Propeller.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit voller Folter fragt er: „Zu mir oder zu dir?“.

Na, endlich! Jedes Mal, wenn ich zur Sache kommen wollte, hat er mir noch eine dumme Frage gestellt. „Zu mir“, bestimme ich dann. Nach dem Sex bin ich oft zu faul, wieder nach Hause zu gehen. Schmeiße ich lieber meinen Fick raus.
 

Endlich machen wir uns auf den Weg und ich fahre mit ihm zu meinem wundervollen, großen Haus. Wie die meisten Kerle vor ihm, sieht er das Haus bewundernd an und fängt wieder an zu quatschen. „Boah!“, bringt er hervor. „Bei der geilen Karre hab ich mir schon was gedacht, aber wenn du in so einer Villa wohnst, musst du ja voll viel Kohle haben, ey!“
 

Ich ziehe es vor zu schweigen und schließe auf. Bevor ich überhaupt durch die Tür gegangen bin, schmeißt er sich schon auf mich und zerrt an meinem Mantel. He, der war teuer!

Seine Lippen presst er auf meine und schon nestelt er an meinem Gürtel herum.
 

Völlig überfahren, versuche ich diese Furie irgendwie in mein Gästezimmer zu bugsieren. So was lasse ich nicht in mein normales Bett. Als ich das endlich geschafft habe, habe ich nicht mehr an als meine offene Hose und er trägt auch nur seine Pants. Ganz plötzlich lässt er von mir ab, zieht sich die Pants aus und schmeißt sich auf das Bett.
 

„Komm her“, raunt er und streckt seinen Hintern raus. Äh... Okay? Recht langsam folge ich ihm und starre auf seinen braungebrannten Hintern, den er anscheinend sehr stolz in die Höhe hält.

Ich fische Gleitgel und Kondome aus dem Nachttisch und dehne ihn nur kurz. Erst dann fällt mir auf, dass ich ein klitzekleines Problemchen habe...
 

Ich bin schlaff. Diese ganze Aktion war so verwirrend, dass ich nicht mal annähernd erregt bin. Schnell greife ich nach meinem kleinen Freund. Scheiße, ist das peinlich!
 

Ich muss an etwas erregendes denken... Hintern, Schwänze, lange Beine, Bauchmuskeln, blonde Haare, schmale Lippen, eisblaue Augen... Plötzlich halte ich inne. Eisblaue Augen? Schmale Lippen? Blonde Haare? Verdammt, wieso denke ich gerade an Key?!
 

Beachboy knurrt schon missbilligend und ich denke einfach nicht weiter drüber nach. Schnell ziehe ich das Kondom über. Allein der Gedanke an Key hat ausgereicht, damit ich bereit bin.
 

So hart wie ich kann, fange ich an. Der kleine Masochist schreit natürlich sofort auf und drückt sich gegen mich. Diese Art von Kerle kenne ich. Die stehen nicht auf vorsichtig, die wollen hart genommen werden. Deswegen reiße ich mir die nur auf, wenn ich gerade aggressiv bin.

Und das bin ich.
 

Er windet sich unter mir, stöhnt laut und lässt alles mit sich machen. Es gefällt mir nicht. Der lässt sich viel zu schnell fallen, es ist zu einfach. Ich will sein Gesicht sehen, seine Augen und seinen Blick auf mir spüren und nicht seinen Rücken anstarren. Diese ganze Haltung passt mir nicht.
 

Deswegen ziehe mich aus ihm raus, drehe ihn auf den Rücken und fahre heftiger fort. Aber es wird nicht besser. Seine Augen sind fest geschlossen, sein Mund so weit geöffnet, dass ich in seinen Rachen sehen kann.

Nein, ich will in seine Augen sehen.
 

„Sieh mich an“, raune ich mit meiner tiefen Stimme in sein Ohr und ich spüre wie er Gänsehaut bekommt. Langsam öffnet er die Augen. Sein Blick ist verschleiert, beinahe als wäre nichts mehr dahinter. Es ist nicht besser, sondern schlechter geworden. Er soll mich nicht so ansehen! Sein Blick soll kalt sein, distanziert, mehr wie... Keys.
 

Auch seine Hände, die sich in meinen Rücken krallen gefallen mir nicht. Sie sind viel zu warm, störend. Sie sollen kühl sein, sich mehr bewegen, mich sanft berühren und mir nicht die Haut auf kratzen. Eben... nicht so.
 

Allein schon wie er stöhnt, nervt mich. Es ist viel zu laut! Das klingt nicht, als ob wir Sex hätten, sondern als ob ich gerade versuchen würde, ihn umzubringen. Fuck! Diese ganze Sache hier bringt es nicht! Bevor ich wieder erschlaffe, bringe ich das hier besser zu Ende.
 

Er wird noch lauter, schreit mir ins Ohr, als ob ich ihm gerade sein Bein absägen würde und kratzt wirklich meine Haut auf. Es brennt an den Stellen und ist nicht gerade angenehm.

Und dann – Na, endlich! Erlösung! Er ist gekommen.
 

Sein Atem geht schwer und er lächelt mich mit hochrotem Kopf an. „Das...“, keucht er und schließt die Augen. „...war richtig geil...“
 

Na, wenigstens hat es einem von uns gefallen. Ich werde wohl eher auf ewig traumatisiert sein. „Mike hatte Recht...“, macht er weiter und ich entsorge das Kondom so, als ob ich gekommen wäre. „Tristan Stevenson hat es voll drauf.“
 

Mike... Kenne ich den? Wahrscheinlich einer von mindestens hundert Mikes, die ich bisher flachgelegt habe. Schön zu wissen, dass ich an Neulinge weiterempfohlen werde. Nur leider hilft mir das nicht weiter. Ich sehe Beachboy an, der eigentlich Malvin heißt, und verstehe einfach nicht, warum es mir nicht gefallen hat.
 

Der Kerl ist ein Traum. Blond, gebräunt, grüne Augen und eine Hammer-Figur. Aber es war trotzdem scheiße. Verdammt, wo lag das Problem? Ich habe tausende von solchen Typen flachgelegt, wieso war es diesmal anders?
 

„Zieh dich an und geh“, fordere ich ihn auf und streife mir selbst meine Pants über. Er richtet sich auf und sieht mich überrascht an.

„Schon?“, fragt er auch noch und zieht eine Schnute. „Darf ich wenigstens duschen?“
 

Wenn ich nein sagen würde, wäre das wirklich unfair. Schließlich kann der arme Tropf ja nichts dafür, dass in meinen Hirn irgendwas kaputt gegangen ist. Deswegen lächle ich ihn an und meine mit etwas mehr Leben in der Stimme: „Klar. Das Bad ist zwei Türen weiter. Benutze aber bitte nur die grauen Handtücher.“
 

Mein Lächeln wirkt immer Wunder und er steht entzückt auf und trottet ins Bad, nicht ohne noch strahlend zurück zulächeln. Als er aus der Tür draußen ist, vereist meine freundliche Miene und ich sammle seine Klamotten auf, damit ich sie ihm gleich auf die Kommode neben der Badtür legen kann. Ich habe ihm gerade die Sachen bereitgelegt, als mir auffällt, dass ich sie ordentlich gefaltet und sogar schön der Größe nach gestapelt habe.
 

Mist, alte Gewohnheiten wird man wohl nie los.

Schließlich war ich eine Ewigkeit meine eigene Hausfrau, zwei Jahre die von Jan und sogar eine Weile die Putzfrau für Cody. Irgendwie musste ich mich ja für die kostenlose Unterkunft revanchieren.
 

Was soll es, wenn ich sie schon gefaltet habe, hinterlasse ich wenigstens einen ordentlichen Eindruck bei dem Kerl. Nicht das es wichtig wäre, aber es würde mir nicht gefallen, wenn sich herum erzählen würde, dass ich ein unordentliches Arschloch wäre.

Das mit dem Arschloch ist wahr, aber unordentlich? Nein, das bin ich nun wirklich nicht.
 

Erschöpft lege ich mich in mein eigenes Bett. Ich warte bis er mit duschen fertig ist und nach einer Weile, die Haustür schließt. Erst dann schlafe ich ein...
 

...und hoffe, dass mein Gehirn morgen wieder funktioniert.

Chapter 7 - Weird feeling

„S is for the simple need, E is for the ecstasy, X is just to mark the spot, ´cause that´s the one...!“

Grummelnd strecke ich meine Hand aus und versuche irgendwie mein Handy vom Nachttisch zu fischen. Ein kurzer Blick auf meinen Wecker verrät mir, dass es sechs Uhr morgens ist. Cody. Eindeutig.
 

„Wer stresst?“, murre ich müde und gähne so laut ich kann, um Cody so dezent wie möglich auf diese absolut unglaubliche Uhrzeit aufmerksam zu machen.

Gelächter. War ja klar. Dieser Idiot liebt es mich zu quälen, vorallem sonntags um sechs Uhr morgens.
 

Warum ist der Kerl überhaupt wach? Der hat doch seit Schichtende im Sky9 nicht länger als drei Stunden geschlafen oder?
 

„Charmant wie immer, mein Lieber!“, meint er nur lachend und ich knurre in mein Handy. Auch noch frech werden! „Wie war deine Nacht?“

Wegen so einer dämlichen Frage stört er meinen wertvollen Schönheitsschlaf?
 

„Äh“, bringe ich hervor. Wie sollte ich dieses unvergessliche Erlebnis am besten beschreiben? Unbefriedigend? Solala? Nicht ganz mein Ding? „Absolut beschissen.“ Naja, so geht’s auch.
 

Wie immer höre ich das vertraute Brummen von Codys steinalter Kaffeemaschine und das Klappern von Geschirr im Hintergrund. „Beschissen? Wieso das denn?“, fragt er, anscheinend verwundert. „Soweit ich mich erinnern kann, bist du mit einem recht hübschen Kerl gegangen.“

Dummerweise kann ich diese Frage selbst nicht beantworten.
 

Was war nur los? Was genau ist in meinem Hirn kaputt gegangen? Bin ich irgendwann davor auf den Kopf gefallen oder gegen eine Laterne gerannt? „Keine Ahnung“, antworte ich also wahrheitsgemäß. „War einfach irgendwie scheiße.“
 

„Hm“, macht Cody nur. Super, ich wusste, dass ihm die Antwort nicht passen wird. „Du hast jetzt zwei Möglichkeiten, Tristan. Entweder rückst du sofort mit deinem Problem heraus oder du kommst zu mir und erzählst es mir beim Frühstück. Und bevor du jetzt sagst, dass du sowieso nicht kommen würdest, lass dir gesagt sein, dass ich dich hundert Prozent dazu zwingen werde.“
 

Autsch. Anscheinend habe ich wirklich keine Wahl, denn wenn ich mich jetzt weigere, wird das sehr unangenehme Konsequenzen haben. Das kenne ich ja schon. Keinen Gratis-Koch mehr!

„Ja, ja!“, brumme ich also und setze mich im Bett auf. „Ich bin in zwanzig Minuten da.“

Aufgelegt. Ja, Cody, ich hab dich auch lieb und bis später!
 

Gähnend krieche ich aus dem Bett und tapse ins Bad. Duschen. Ich muss ganz dringend duschen!

Es wird immer behauptet man würde wach werden, sobald man sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzt oder kalt duscht. Das Merkwürdige daran ist, dass es bei mir nicht funktioniert. Zumindest heute nicht. Denn als ich aus der Dusche trete, fühle ich mich noch genauso müde wie zuvor.
 

Mein Spiegelbild sieht nicht besser aus, als ich mich fühle. Irgendwas stimmt mit mir nicht und ich weiß einfach nicht was es ist. Böse starre ich mich an. Paul, du Klugscheißer! Sag auch mal was! Sonst weißt du doch auch alles besser!
 

Aber in der Folterecke meines Hirns, in den sich Paul seit Kurzem eingenistet hat, regt sich nichts. Still und schweigend döst mein inneres Ich vor sich hin, während mein recht dümmlicher Körper nutzlos herum steht und es nicht schafft dieses Gehirn zum rattern zu bringen.
 

Was ist nur los? Wieso hat mir der Fick nicht gefallen? Doch die wichtigste Frage ist: Warum zur Hölle, musste ich an Key denken, um einen Ständer zu bekommen? Sonst war es mir doch auch egal, wer unter mir lag, solange er auch nur ansatzweise akzeptabel aussah.
 

Das einzige Mal, bei dem ich so gefühlt habe, war als ich mit Jan zusammen war. Nicht ein einziger Mann hatte mich interessiert, immer nur Jan, Jan, Jan... Aber das ist was ganz anderes! Ist ja nicht so, dass ich in Key verliebt wäre oder so! Haha! Unmöglich! Niemals!
 

Kurz spüre ich ein verdächtiges Zucken in meinem Inneren. Paul? Was meinst du? Ich hab doch Recht oder? Oder...?

Mein Herz schlägt viel zu schnell. Schneller als es gesund für mich ist. Wieso sagt Paul nichts? Will er mir etwa weiß machen, dass ich in Key...? Oh, mein Gott. Nein, das kann gar nicht sein. Tristan Stevenson hat kein Herz, er kann sich gar nicht verlieben!
 

Ja, genau. Kein Herz, keine Gefühle, stimmt doch? Schließlich hat Jan es schon vor Jahren zertrümmert. Und als Cody versucht hat, es wieder zusammenzuflicken, habe ich es ihm mit 60% Rabatt verkauft. Inklusive einer süßen, kuscheligen Tristan-Puppe mit Schleife im Haar.

Also völlig unmöglich, dass ich irgendwas für Key empfinden würde!
 

Ich schüttle den Kopf. Was stehe ich hier so blöd herum? Die Sache ist geklärt, also sollte ich mich mal anziehen und zu Cody gehen, bevor er seine Drohung wahr macht und ich wieder für weiß Gott wie lange nur Fast Food zu essen bekomme!
 

Als ich zehn Minuten später vor seiner Tür stehe und gerade den Arm hebe, um die Klingel zu betätigen, reißt Cody die Tür auf. „Da bist du ja“, haucht er und ich bekomme beinahe ein Herzkasper. Ach, du heilige...!
 

Anschließend rolle ich mit den Augen und schiebe mich an Cody vorbei in die kleine Wohnung. Nachdem ich mir meinen Mantel abgestreift habe, gehe ich in seine kleine, gemütliche Küche und setze mich auf einen der Barhocker.

Wie immer liegt ein Hauch von Codys Aftershave in der Wohnung. Er hat schon immer so gerochen. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre dieser Duft wirklich ein Teil von ihm.
 

„Also?“, fragt er mich dann und lehnt sich an die Küchentheke. „Was genau ist passiert?“

Grummelnd verschränke ich die Arme vor der Brust. Ich habe echt keine Lust darüber zu reden. „Ich hab einen Kerl abgeschleppt und es war scheiße“, sage ich also nur.
 

Aber wie erwartet, reicht das Cody nicht. „Etwas genauer bitte?“, fordert er und sieht mich durchdringend an. Seufzend erzähle ich es ihm also ganz. Mit jedem noch so kleinen Detail. Er hört zu und ich habe irgendwie ein seltsames Gefühl, als ich zu dem Part komme, bei dem ich diesen Typ ständig mit Key verglichen habe.
 

Für einen kurzen Moment scheint sich Codys Körper anzuspannen und er schluckt sichtlich. „Und dann ist er gegangen“, beende ich die Erzählung. Er nickt und sieht mich irgendwie seltsam an. „Was ist?“
 

Cody senkt nur schweigend den Blick. „Tristan... ich glaube, dass du...“, stammelt er dann und ich spüre mein Herz schneller schlagen. Diese Situation macht mir Angst. Sein Blick, die Art wie er das sagt... Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht und ich weiß einfach nicht was. Er holt tief Luft und sieht mich wieder direkt an. „Kann es sein, dass du in ihn verliebt bist?“
 

Mit einem Mal wird mir schlecht. Sogar Cody denkt, dass ich...?

„Dein Grinsen sah irgendwie verliebt aus“, hat Dad gesagt. „Außerdem kannst du nicht ewig so weiter machen, Tris. Irgendwann wirst du dich wieder verlieben, ob du nun willst oder nicht.“
 

Aber, nein, das ist unmöglich. Ich kenne Key ja nicht mal wirklich! Gut, wir haben zwei Mal gefickt und ab und an miteinander geredet, aber mehr nicht. Wie sollte ich da etwas für ihn empfinden können? Mehr als ein bisschen Geplauder und Sex war es nicht.
 

Und dann fällt es mir siedend heiß wieder ein. Bei Jan war es doch auch nicht anders. Wir hatten gerade Mal ein Date und schon war ich verliebt.
 

Ich schüttle den Kopf. Nein. Das war etwas anderes. Schließlich war ich damals ein einsamer Teenager. Da war es doch klar, dass ich mich sofort verliebe, wenn einer nett zu mir ist und meint, dass er mich wahnsinnig gern hat. Aber jetzt bin ich erwachsen und absolut nicht einsam.

Schwachsinn! Ich bin nicht in Key verliebt!
 

„Nein“, sage ich deshalb, aber eigentlich eher zu mir selbst, als zu Cody. Er atmet aus, beinahe als wäre er erleichtert. Hä? Ich sehe ihn fragend an und er lächelt.

„Hab mir schon Sorgen gemacht“, erklärt er. „Du weißt schon, wegen früher. Ich will dich nicht wieder so sehen, wie vor 10 Jahren.“
 

Seine Stimme klingt merkwürdig und irgendwie kann ich ihm nicht ganz glauben. Aber warum hätte er sonst so erleichtert reagieren sollen? Ich mache mir bloß zu viele Gedanken, das ist alles.
 

Danach macht er uns endlich Toast und schiebt mir einen Espresso rüber. Er schmeckt herb und ist eigentlich noch zu heiß. Früher hab ich das Zeug gehasst, inzwischen ist es Gewohnheit geworden. Früher... Ich habe mich verändert. In allem. Mein Aussehen ist anders, meine Lebensweise, meine Gefühle... einfach meine Art zu sein.
 

Nachdem ich mich von Jan getrennt habe, habe ich mein ganzes Leben umgekrempelt. Plötzlich habe ich angefangen richtig zu fluchen, wurde beinahe vulgär, trainierte, zog mich vor der Kamera aus, habe mir meine recht langen Haare abrasieren lassen und flirtete mit jedem hübschen Mann, den ich traf. Egal ob er Begleitung hatte, hetero oder schon um die fünfzig war. Hat er mir gefallen, habe ich ihn sofort angebaggert.
 

Ich muss innerlich grinsen, als ich mich an meine ersten richtigen Schimpfwörter erinnere. Natürlich habe ich schon so einige gekannt und in Gedanken habe ich meine Mutter jede Sekunde meines Lebens verflucht... Aber damals, ja, damals habe ich es zum ersten Mal ausgesprochen.
 

Es war genau hier, in Codys Wohnung. Wir kannten uns schon zwei Wochen und ich habe ihn besucht. Er hat mir ein Bier in die Hand gedrückt und dann stand ich plötzlich auf dem Sofa und habe auf meine Mutter geschimpft, Jan in die Hölle geschickt und auf alle diese Arschlöcher, die mich früher in der Schule gemobbt haben geflucht.
 

Zum ersten Mal habe ich alles ausgesprochen, jedes Wort, das ich nie sagen durfte. Diese Maske, an die meine Mutter mich gebunden hat, habe ich damals einfach abgelegt. Ich habe meine Emotionen gezeigt, geschrien, gelacht und geweint.

Danach bin ich heulend in Codys Armen zusammengebrochen.
 

Damals habe ich zum ersten Mal seit meinem achten Lebensjahr vor einen anderen Menschen geweint. Und wie ich geweint habe. Wie lange? Eine halbe Stunde? Keine Ahnung, ich erinnere mich nicht mehr. Aber es war so befreiend gewesen, hat sich so verdammt gut angefühlt.
 

Ich werfe einen kurzen Blick auf Cody, der nachdenklich seine Kaffeetasse in der Hand hält und aus dem Fenster sieht. Gott, ich habe ihm so viel zu verdanken. Eigentlich mein ganzes Leben. Ohne ihn wäre ich nie der geworden, der ich jetzt bin. Natürlich meinen einige, dass ich früher viel sympathischer war, aber ich mag mich so wie ich jetzt bin. Ich bin so viel stärker als früher, habe Freunde, einen guten Job und jeden geilen Kerl, den ich will.
 

Mist. Jetzt muss ich schon wieder an Key denken. Ich sollte besser aufpassen wohin meine Gedanken sich verirren.

Key... Was genau ist eigentlich passiert? Wieso stört es mich so sehr, dass ich sein „Kumpel“ bin? Natürlich, er ist verdammt sexy, aber das ist Cody auch.
 

Jaja, ich weiß! Der Vergleich ist miserabel. Schließlich sind die Beiden so verschieden wie Tag und Nacht. Key ist eher athletisch, während Cody beinahe wie ein Boxer aussieht.
 

Scheiße, ich wünschte ich hätte diesen Kerl nie flachgelegt! Hätte ich mir einfach diesen Latino gekrallt, an den ich mich wundersamerweise sogar noch erinnere, wäre mir dieser ganze Mist erspart geblieben. Ich hätte gestern eine sehr spaßige Nacht mit dem braungebrannten Beachboyhintern gehabt und ich hätte Cody heute früh abwimmeln und weiterschlafen können.
 

Obwohl... Auch wenn ich ihn an diesem Tag nicht in mein Bett geholt hätte, ich wäre trotzdem auf ihn getroffen. Auf meiner Arbeit zusammen mit seinem Bruder. Ich hätte ihn mit den Augen verschlungen und er mich. Er hätte seinen Schal wahrscheinlich wieder liegen lassen, ich wäre zu ihm gefahren und wir hätten dort miteinander gevögelt.
 

Aber hätte er mir danach einen Korb gegeben? Oder hätte er sogar mein Angebot uns wieder zu treffen angenommen? Vielleicht würden wir jetzt nebeneinander in einem Bett liegen und uns von einer heißen Nacht erholen? Eine Affäre haben?
 

Eine Affäre mit Key... Dann könnte ich diesen Körper wieder fühlen. Diese sanft gebräunte, weiche Haut mit den festen, schlanken Muskeln darunter... Und ich könnte diesen intensiven, kalten Blick auf mir spüren, der mir beim bloßen Gedanken daran Gänsehaut beschert.
 

Ich atme scharf ein. Oh, Gott. Woran denke ich da bitte? Besser ich passe auf wohin meine Gedanken schweifen, sonst könnte das leicht peinlich werden. Verstohlen werfe ich einen Blick auf die Uhr. Scheiße!
 

Erschrocken springe ich auf und Cody sieht mich überrascht an. „Ich muss zur Arbeit!“, rufe ich deshalb und renne zur Tür. „Sonntags?“, ruft Cody verwundert.

„Ja, leider!“, antworte ich und verliere beinahe die Balance, als ich meine Schuhe wieder anziehe. Etwas verdattert folgt mir Cody, während ich meinen langen, schwarzen Mantel anziehe. Ich spüre seinen Blick auf mir und drehe meinen Kopf zur Seite.
 

Er sieht mich an. Beinahe wie... hypnotisiert. „Was?“, frage ich etwas verwirrt und er senkt den Blick wieder. Er murmelt etwas, dass soviel wie „Nichts, nichts“ heißen könnte und lächelt mich kurz an. Mein Herz schlägt merkwürdig schnell. Was sollte dieser Blick? Irgendwas daran war anders als sonst. Wirklich, wirklich anders. Und es gefällt mir nicht.
 

„Bye“, bringe ich schließlich hervor und flüchte beinahe aus seiner Wohnung. Als ich mitten in der Kälte stehe, atme ich tief durch. Verdammt, ich habe das Gefühl, dass irgendwas im Gange ist, das mir absolut nicht gefällt.
 

Ich steige in mein Auto und fahre zur Arbeit. Es ist viel los. Ich hechte von einem Ort zum anderen, kümmere mich um Papiere, führe Telefonate und spreche auch mit einem neuen Kunden. Aber egal wie viel ich tue und wie sehr ich versuche mich zu konzentrieren, irgendwie kann ich das nicht. Meine Gedanken schweifen ständig ab, ich habe Mühe den Worten der Anderen zu folgen und ich fühle mich einfach beschissen.
 

Alles in meinem Kopf dreht sich um meinen Vater, Key, Cody, dem merkwürdig ruhigen Paul, der mich schon den ganzen Tag anschweigt und zuletzt um meine bemitleidenswerte Libido.

Was verdammt nochmal ist eigentlich los mit mir?!
 

„Ähm, Herr Stevenson?“, stammelt Frau Schnell und ich sehe auf. Ich sitze wie ein nasser Mehlsack an meinem Schreibtisch und habe bis vor ein paar Sekunden die Tischplatte angestarrt, nachdem der neue Kunde gegangen ist. Zum Glück ist mein Pokerface gut genug, damit er nicht viel von meiner geistigen Abwesenheit bemerkt hat.
 

Frau Schnell sieht mich irgendwie besorgt an und ich bin mir sicher, dass ich absolut beschissen aussehe. Deshalb richte ich mich langsam wieder auf. „Ja, Frau Schnell?“, frage ich dann und lächle sie an. Pokerface, Pokerface, Pokerface... Scheiße, ich bin zu müde um meine Maske wirklich glaubwürdig erscheinen zu lassen.
 

Das merke ich genau dann, als Frau Schnell sagt: „Ich mache mir Sorgen um Sie. Sie sehen schon seit heute früh völlig erschöpft aus. Ist alles in Ordnung?“

Wow, so fürsorglich kenne ich sie gar nicht. Trotzdem schüttele ich nur den Kopf und stehe langsam auf. Feierabend.
 

„Es ist alles Bestens, danke. Ich glaube ich bekomme bloß eine Erkältung“, meine ich deshalb und lächle sie wieder an. Anscheinend habe ich diesmal sogar glaubwürdig gewirkt, denn sie scheint wirklich beruhigt zu sein. „Gute Besserung, Chef!“, wünscht sie mir und lächelt. „Schönen Feierabend!“
 

„Danke, Ihnen auch, Frau Schnell“, gebe ich zurück und beeile mich ins Freie zu kommen. Es ist 18 Uhr und ich habe keine Lust nach Hause zu gehen und allein zu sein. Aber seit heute Früh... Nein, auf Cody habe ich auch keine Lust.
 

Deshalb fahre ich einfach in mein Lieblingscafé. Wow, ich bin so pünktlich, sie schließen in ein paar Minuten! Egal. Ich geh trotzdem rein.

Der Blick, den mir Sarah zu wirft, drückt deutlich aus: Was verdammt nochmal, hast du um diese Zeit hier zu suchen?
 

„Hallo, Sarah!“ Ich ignoriere den Blick, strahle sie an und lehne mich an die Theke. „Ist heute nicht ein wunderbarer Tag für eine Tasse Kaffee?“

„Ja“, brummt sie, sichtlich genervt. „Für einen Kaffee-To-Go ist es tatsächlich ein wunderbarer Tag!“
 

Anscheinend war sie sogar schon dabei, die Stühle hochzustellen. „Aber draußen ist es so kalt...“, jammere ich, nehme ihr den Stuhl ab, den sie gerade hochgehoben hat und setze mich dreist darauf. Jetzt scheint sie wirklich wütend zu sein.
 

„Tristan, ich warne dich...“, haucht sie kurz darauf und ich überspiele meine wachsende Furcht, indem ich sie breit angrinse.

„Ja?“, frage ich dann und ziehe das Wort spöttisch in die Länge. „Also, was ist jetzt mit dem Kaffee?“
 

Schnaubend dreht sie sich um und macht mir doch tatsächlich meinen Kaffee, wobei sie die arme Tasse geräuschvoll auf die Theke knallen lässt, bevor sie die Kaffeemaschine wieder anschaltet. Ein Wunder, dass das Porzellan noch heil ist. Grinsend sonne mich in dem wunderbaren Gefühl des Triumphs, als sie mit meinem Kaffee wieder kommt.
 

Doch bevor ich auch nur den Mund zu einem dummen Spruch formen kann, kippt sie den Kaffee über meine Hose. Und mein Kiefer klappt von ganz alleine auf.
 

„Scheiße!“, rufe ich und springe auf.

Jetzt ist es Sarah, die triumphierend grinst.

„Du wolltest Kaffee oder nicht?“, meint sie nur und klimpert unschuldig mit ihren langen, geschwungenen Wimpern.
 

Ich ersteche sie praktisch mit meinem Blick und tatsächlich scheint etwas von ihrem Selbstbewusstsein zu schwinden. Denn sie spannt sich sichtlich an und weicht unauffällig ein Stück zurück.
 

„Es ist eine verdammt teure,100% afrikanisch-indische Maki-Buki-Seide vom getüpfelten Aka-Tucka-Seidenspinner gefertigte Hose und du schüttest einfach Kaffee drüber!“, schnauze ich und greife wütend nach ein paar Servietten, die auf der Theke stehen, um etwas von dem Kaffee wegzuwischen.
 

„Ähm...“, stammelt sie dann und ich schaue sie an. Sie senkt sofort den Blick und nuschelt etwas, das so etwas wie eine Entschuldigung sein könnte. Seufzend sehe ich wieder auf meine nasse Hose und... lache.
 

Ja, ich lache. Und wie ich das tue. Auf einmal scheint sich alles von mir zu lösen. Diese eklige Anspannung, diese blöden Gedanken... Tränen steigen mir in die Augen und ich schlinge meine Arme um meinen Bauch.
 

Was ist das denn bitte für ein Tag? Und auf einmal höre ich sogar leises Glucksen aus einer ganz bestimmten Ecke meines Gehirns. Paul!

Lachend lehne mich an die Theke, kann gar nicht mehr aufhören. Ach, du heilige Scheiße!
 

Sarah sieht mich völlig entgeistert an. Kein Wunder, ich muss aussehen wie ein Irrer! „Ähm, Tristan?“, fragt sie dann, sichtlich verwirrt und ich wische mir die Tränen aus den Augen.

„Ja?“, gluckse ich und grinse sie breit an. Worüber hab ich mich eigentlich aufgeregt? Ist doch nur eine Hose!
 

„Geht es dir gut?“, blinzelt sie irritiert. „Oder soll ich mir irgendwie Sorgen machen?“

Ich atme tief durch und greife nach der Tasse, die sie immer noch in Hand hält. Da ist sogar noch etwas Kaffee drin, den ich auch gleich trinke. Dann drücke ich ihr einfach die leere Tasse und zehn Euro in die Hand. „Behalte den Rest“, gluckse ich und verlasse das Café wieder.
 

Sie sieht mir völlig verwirrt nach und ich höre noch wie sie sagt: „Nein, dem geht’s echt nicht gut.“
 

Als ich in meinem Auto sitze, bin ich schon wieder am denken. Die Sache mit dem Kaffee hat mich irgendwie wachgerüttelt. Zwar ärgern ich und Sarah uns immer gegenseitig, aber wir sind eigentlich fast schon wie Freunde. Nein, nicht nur fast. Wir sind Freunde. Nur hab ich das bis jetzt noch nie wirklich begriffen.
 

Im ersten Moment war ich echt sauer, weil diese Hose wirklich sehr viel gekostet hat, aber im Nachhinein... ist es mir egal. Was kümmert mich das bisschen Stoff?

Außerdem habe ich das verdient. Ich bin immer ziemlich dreist, aber heute habe ich übertrieben. Kleine Sünden werden sofort bestraft, nicht wahr?
 

Richtig sauer kann ich Sarah einfach nicht sein. Dafür kennen wir uns zu lange und verstehen uns zu gut. Damit komme ich auch wieder zu Key.

Wenn er mit mir befreundet sein will, wo ist da das Problem? Bin ich so oberflächlich, dass mir unser gutes Verhältnis egal ist, weil er einen knackigen Arsch hat?
 

Nein. Wir verstehen uns, er mag mich und unsympathisch ist er mir ja nicht gerade. Eigentlich wäre es doch ganz schön, wenn wir Freunde wären. So wie mit Cody und Felix. Apropo Felix, ich sollte mal nachfragen wie es dem armen Tropf geht. Hoffentlich isst er nicht wieder so viel, schließlich hatte er sich fest vorgenommen abzunehmen.
 

Mit diesem neuen Entschluss, lass ich den Motor wieder anspringen und fahre zu dem Fleischklops. Wenn ich ihn nur anrufen würde, würde er mit Sicherheit nicht abnehmen.

Als ich da bin, eile ich schnell zu dem Gebäude und drücke auf die Klingel. „Wer da?“, höre ich seine Stimme aus der Sprechanlage.
 

„Der Weihnachtsmann“, meine ich und rolle mit den Augen. „Na, wer wohl?“

Ohne ein weiteres Wort, lässt er mich rein. Ich verdrücke mich ins Warme... Scheiße, im Treppenhaus ist es genauso kalt wie draußen!

Schnell eile ich die Treppen rauf und bin erleichtert, als ich Felix´ Stockwerk erreiche.
 

Die Tür steht offen und ich stecke vorsichtig meinen Kopf rein. „Felix?“, frage ich in die Dunkelheit hinein und wage mich langsam in den Flur. Leise schließe ich die Tür hinter mir und sehe mich um. Wieso ist das Licht aus? Und wieso schreien alle meine Instinkte danach so schnell wie möglich wegzurennen?
 

Vorsichtig wage ich mich weiter in die Dunkelheit und taste die Wand nach irgendeiner Tür ab. Sogar die Rollos sind zu. Jedes meiner Sinne ist angespannt. Scheiße... ich hasse es, wenn es dunkel ist. Ein kalter Schauer zieht über meinen Rücken hinweg und das Blut rauscht durch meine Adern.
 

Lauernd, bedacht darauf keinen Krach zu machen, gehe ich langsam die Wand entlang. Plötzlich höre ich etwas poltern und zucke zusammen. Ich kneife die Augen zu und will schon auf die Knie gehen, als mir einfällt wo ich bin. Es ist nicht Jans Wohnung. Und das eben war kein Glas.
 

Glas zersprang und ich zuckte heftig zusammen. Die Schlüssel fielen aus meiner Hand und ich spürte wie meine Nackenhaare sich aufstellten. „Tristan, beweg endlich deinen Arsch her!“, schrie er durch die Wohnung. Mein Atem ging schnell und ich presste mich an die Wand. Meine Augen kniff ich fest zu, auch wenn das sinnlos war. Er hatte die Wohnung abgedunkelt. Was schloss ich da noch die Augen?
 

„Tristan!“, brüllte er und ich hörte wieder irgendetwas zerspringen. Diesmal reagierte ich und löste mich mit zittrigen Beinen von der Wand. Sie fühlten sich so an, als wären sie aus Butter... oder gar nicht da. Mit fahrigen Bewegungen tastete ich nach der Türklinke des Schlafzimmers. Als ich das kalte Metall unter meinen Fingern spürte, hatte ich das Gefühl, dass meine Hand sich auflöste. Sie war so schwach, dass ich es einfach nicht schaffte, sie zu bewegen.
 

„Wie lange brauchst du denn noch?!“, schrie er und ich öffnete mit zitternden Händen die Tür. Es brannte nur eine Kerze im Zimmer. Schemenhaft konnte ich seine Gestalt in der Finsternis erkennen. Meine Beine schlotterten und mein Herz raste so schnell, dass es weh tat. Sein Atem ging schwer. Er war wirklich wütend.
 

Ich hörte wie er auf mich zu kam. „Wo warst du?“, fragte er zischend. Seine Stimme klang so kalt, dass es mir die Kehle zu schnürte. Irgendetwas in mir hinderte mich daran den Mund zu öffnen. „Ich hab dich was gefragt! WO WARST DU?!“

Erschrocken keuchte ich auf, als genau neben mir etwas zu Bruch ging.
 

Rede! „I-ich war bei einem Freund...“, brachte ich heiser hervor und ich hörte wie er schnaubte.

„Ein Freund?“, wiederholte er und sprach es so abfällig aus, wie alles, das mit mir zu tun hatte. „Was ist das wohl für ein Freund, frage ich mich?“
 

Gänsehaut überzog meinen Körper und ich versuchte krampfhaft den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. „E-einfach nur ein... Freund...“, stammelte ich leise und presste mich an die Wand. Er lachte schrill auf und meine Knie gaben für einen Moment nach.
 

„Du lügst mich an!“, schrie er und ich rappelte mich schnell wieder auf. Gerade wollte ich ihm widersprechen, als er wieder etwas nach mir warf. Es traf mich hart an der Schläfe und ich musste mich zurückhalten, um nicht aufzuschreien. Pochender Schmerz durchzog meinen Körper und ich wimmerte leise auf. „Verfickte Hure! Gib es zu! Du hast mit ihm geschlafen!“
 

„W-was? N-nein!“, stammelte ich und es zerbrach etwas über mir. Scherben rieselten auf mich hinab und ich kniff zitternd die Augen zu. „I-ich würde nie... ich liebe dich doch, i-ich...“

Plötzlich spürte ich seine Hand an meinem Arm und er schmiss mich geradewegs ins Bett. Ich stieß mit dem Knie gegen das hölzerne Bettgestell und biss fest die Zähne aufeinander, um keinen Laut von mir zu geben.
 

Er zog mir einfach so die Hose von den Beinen und ich blieb still liegen. „Und?“, hauchte er plötzlich in mein Ohr. „Wie war es? Hat es Spaß gemacht?“

Heftig schüttelte ich den Kopf. Nein, nein... Alles in mir schrie danach, mich von ihm zu lösen und wegzurennen. Aber er gab mir nicht die Chance, keilte mich völlig ein.
 

„Was hat er gemacht?“, fragte er zischend und krallte seine Nägel schmerzhaft in meine Haut. „Hat er dich gefickt? Na? Los, doch! Erzähl´s mir, du Hure!“

Ich hörte wie er den Reißverschluss seiner Hose öffnete und spürte wie er plötzlich an meinen halblangen, vom Regen feuchten Haaren riss.
 

„Du gehörst mir, Tristan“, raunte er und küsste sanft meinen Nacken. Und ich wusste, dass die Schmerzen bald vorbei waren. „Ich liebe dich... und keiner wird das je wieder tun, hörst du? Ich bin und bleibe der Einzige. Dein Herz gehört mir. Genauso wie dein Körper.“
 

Noch etwas durchhalten und es war vorbei...
 

Als ich das kühle Metall unter meinen Fingern spüre, erwache ich aus meiner Trance. Ich schnappe nach Luft und blinzle. Scheiße... Mein Herz schlägt viel zu schnell und es dauert etwas bis ich meine Beine wieder spüre. Wieso musste ich mich daran erinnern?

Heftig schüttle ich meinen Kopf, um diese widerlichen Gedanken abzuschütteln.
 

Ich drücke die Türklinke nach unten und betrete den Raum. Er ist da. Ich weiß es. Schnell knipse ich das Licht an und Felix sieht mich müde an. „Was ist?“, fragt er mich und ich gehe einfach auf ihn zu.
 

Es sieht aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen! „Ich wollte nur mal nach dir sehen“, antworte ich und setze mich an die Bettkante. „Wie geht es dir?“

Leise brummt er etwas und dreht sich auf die Seite. Seine Wangen sehen aus wie Hamsterbacken und ich weiß, dass er seine Diät schon wieder aufgegeben hat.
 

„Also echt, Felix! Du kannst dich doch nicht so hängen lassen!“, empöre ich mich und ziehe ihm geradewegs die Bettdecke weg. Er funkelt mich böse an und ich entdecke Krümel, Essensreste und Süßigkeitenverpackungen auf dem Bettlaken. Ich seufze auf. „Das ist nicht dein Ernst oder?“
 

Genervt steht er auf und brummt: „Lass mich doch!“

Mit den Augen rollend, fange ich an den Müll einzusammeln und in den Mülleimer zu schmeißen, der neben seinem chaotischen Schreibtisch steht. Verwundert starrt mich Felix an. „Was machst du da?“, fragt er, als ich seine Bettwäsche ausklopfe, damit in sein Badezimmer gehe und sie in die Waschmaschine stopfe.
 

Tristan, die Profi-Putzfrau, tritt wieder in Aktion! Schweigend sammle ich den ganzen Müll in seinem Zimmer auf, staubsauge den dreckigen Boden und danke Gott, dass es Laminat ist und Felix nie auf die dumme Idee gekommen ist sich einen Teppich zu kaufen.

Anschließend drehe ich die Heizung auf null und reiße das Fenster auf. Verdammt, stinkt es hier!
 

„Äh... Tristan?“, murmelt Felix völlig irritiert, als ich auch noch anfange aufzuräumen und seine dreckigen Klamotten in den Wäschekorb zu werfen.

Ich drehe mich zu Felix um, greife nach seinem Arm und bugsiere ihn ins Bad. „Duschen, aber sofort!“, befehle ich und gebe meiner Stimme die Art von Ton, die keine Widerrede duldet.
 

Völlig verwirrt nickt er nur und ich verlasse das Bad. In der Küche liegen Pizzareste, Fast-Food-Verpackungen und sonstige Arten von widerlichem Müll. Auch hier spiele ich den Putzteufel und entsorge zusätzlich alle Süßigkeiten und ungenießbaren, fettigen Lebensmittel.

In jedem Zimmer ziehe ich die Rollos zur Hälfte auf, öffne die Fenster und räume alles grob auf.
 

Als Felix frisch geduscht und angezogen im Türrahmen seines Wohnzimmers steht und mich anstarrt, lächle ich ihm nur kurz zu, gehe an ihm vorbei und ziehe die Mülltüten aus deren Eimern. Schweigend verlasse ich seine Wohnung wieder, schmeiße die Tüten in die Container und fahre zum nächsten Laden. Es ist 19:43 Uhr. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch.
 

Ich kaufe richtiges Essen und klingle wieder bei Felix. Zum zweiten Mal steige ich die Treppen hoch und reiche ihm an der Tür die Tüten mit dem Essen. „Lass dich nicht hängen, Kleiner“, lächle ich und steige wieder die Treppen hinab. Felix steht völlig perplex da herum und ich höre ihn kurz bevor ich das Gebäude wieder verlasse noch ein „Danke“ rufen.
 

Dafür schuldet er mir noch was, aber echt jetzt.

Chapter 8 - Just a question of time

Scheiße.
 

Das ist was Erste, das mir an diesem Morgen einfällt. Und es wird wahrscheinlich noch den Rest des Tages in meinem Kopf herum schwirren, so wie gestern und vorgestern und vorvorgestern... Denn momentan läuft einfach alles – und ich meine auch wirklich alles - scheiße.

Gerade wurde ich auch noch, für meine Verhältnisse verdammt spät, um 11 Uhr von meinem Handy geweckt. Eine SMS.
 

Hey, Tristan.

Hätte Lust auf Saft.

Gilt das Angebot zwei mal?

Key.
 

Scheiße. Das Key sich nach zwei Wochen doch noch einmal bei mir meldet, ist mir irgendwie peinlich. Schließlich bin ich beim letzten Mal einfach so gegangen. Ich hatte sogar ernsthaft überlegt, ob ich nicht doch in eine anderen Club gehe, nur um ihm nicht zu begegnen. Was irgendwie bescheuert gewesen wäre, schließlich ist der Samstag immer für das Sky9 reserviert gewesen und ich habe eigentlich nicht vor das zu ändern.
 

Natürlich gehe ich auch in andere Clubs, aber allein der Gedanke dort nicht hinzugehen, um Key nicht zu treffen, ist einfach lächerlich.

Solche Gedanken sind mir noch nie gekommen. Das Sky9 aufgeben, um jemanden zu meiden... undenkbar. Und trotzdem hatte mich dieser Gedanke beschlichen.
 

Langsam richte ich mich auf. Mein Kopf tut verdammt weh und ich habe das Bedürfnis, mich sofort wieder hinzulegen. Der Geschmack, den ich im Mund habe, ist auch widerlich. Alkohol. Wer hat diesen Mist überhaupt erfunden?
 

Ich trinke nicht. Zumindest nie mehr als ein oder zwei Drinks, wenn überhaupt. Wieso zur Hölle habe ich dann gestern weiß Gott wie viele Flaschen Bier getrunken? Und dann habe ich nicht mal wen abgeschleppt. Letzte Woche auch nicht. Eigentlich habe ich seit dieser Nummer mit dem Beachboy, jeden Typen abblitzen lassen.
 

Scheiße. Noch dazu ruft mich mein Vater alle zwei Tage an und erzählt mir irgendetwas von seiner ach so tollen Hochzeit mit „Susanne-Schatz“, die noch bevorsteht. Machen das normalerweise nicht nur Frauen oder solche Klischee-Schwulen?

Langsam zweifle ich an der Sexualität meines Vaters.
 

Aber das Seltsamste ist, dass seine Hochzeit allem Anschein nach, völlig unspektakulär wird. Zumindest hat er weder vor in einer Kirche zu heiraten – da weder er noch seine Verlobte auch nur ansatzweise gläubig sind -, noch plant er irgendwas Besonderes. Nichts außer eine Rede über die Liebe im hohen Alter und jede Menge Wein und Champagner.
 

Und genau das kann ich nicht mehr hören. „Die Rede“ hier, „ Die Rede“ da, „Klingt das zu kitschig?“, „Meinst du nicht, es sollte mehr Witz drin sein?“, „Was glaubst du klingt besser?“, Bla bla bla...

Ich. Werde. Wahnsinnig!
 

Scheiße. Auch mit Cody läuft alles gerade so... merkwürdig. Wir können zwar ganz normal miteinander reden, aber immer wenn ich irgendwie auf das Thema Key komme, windet er sich aus dem Gespräch. Wieso? Ich habe ihn schon öfter gefragt, ob irgendetwas los ist, aber er weicht mir aus. Und leider bin ich nicht einmal annähernd so gut wie Cody was Menschenkenntnisse oder Erpressungen angeht. Um es alá Cody zu sagen: „Eine ganz schön beschissene Situation, was?“
 

Stöhnend lasse ich mich zur Seite fallen und vergrabe mich wieder unter meiner Decke. Cody hat nicht angerufen. Normalerweise ruft er mich ständig an. Vor unserem Gespräch über diesen Fehltritt mit dem Beachboy haben wir sogar übertrieben oft miteinander telefoniert und nebeneinander auf seiner Couch gehockt.
 

Dieser Blick... Langsam schließe ich die Augen. Ich kann mich noch haargenau daran erinnern, wie er mich angesehen hat. Es war so merkwürdig. Egal wie lange ich darüber nachdenke und nach einem Grund suche – Ich finde nichts. Nothing. Nada. Niente. Niets. N- Davon wird es auch nicht besser.
 

Seufzend öffne ich wieder die Augen und starre auf mein Geschäftshandy. Irgendwie muss ich die Gelegenheit verpasst haben, Key meine normale Handynummer zu geben. Stimmt, er hat immer noch nur meine Visitenkarte.

Was soll ich antworten? Ja? Nein? Und wenn... wieso nein?
 

Mürrisch setze ich mich im Bett wieder auf und lese die SMS noch einmal. Und noch einmal.

Dass er sich das mit dem Saft gemerkt hat... Ein kleines Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Es ist ein seltsames Gefühl seinen Namen auf dem Display zu lesen. Es fühlt sich so... unwirklich an.
 

Seufzend lehne ich mich zurück und starre weiter auf das Display, das sich langsam verdunkelt. Wir haben miteinander geschlafen und auch mehr als drei Wörter miteinander gewechselt. Trotzdem ist es ein merkwürdiges Gefühl gerade von ihm eine SMS zu bekommen. Irgendwie freue ich mich, aber dann doch nicht. Mir ist das vom letzten Mal wirklich peinlich.
 

Ich habe mich einfach provozieren lassen. Das ist sonst überhaupt nicht meine Art. Im Gegenteil. Tristan Stevenson ist bekannt für seine „Ruhe“. Natürlich bin ich oft genervt und gereizt, aber, dass ich dem Typen nicht einfach einen abweisenden Spruch aufgedrückt, sondern auch körperlich zum Einsatz gekommen bin, ist nicht gut. Absolut nicht.
 

Wenn ich schon wegen einer Kleinigkeit wie dieser so reagiere... Verdammt, was ist mit meiner Selbstbeherrschung passiert? Meiner schönen Maske?

Sogar Frau Schnell merkt, dass etwas mit mir nicht stimmt. Wenn sogar so ein Spatzenhirn wie sie mitbekommt, dass in der gut geölten Maschine Stevenson ein paar Zahnräder stocken, muss ich echt etwas dagegen tun.
 

Nur was? Was kann ich schon tun?

Dass mein Vater heiratet kann ich nicht aufhalten. Ich will das auch gar nicht. Ist ja sein Problem, nicht meines.

Bei Cody kann ich nur fragen und fragen und fragen - und wenn es sein muss sogar betteln – bis er mir verrät was bei ihm los ist. Nur steht da mein dummer Stolz im Weg.
 

Und was ist mit Key? Gute Frage. Mit ihm darüber reden? Soll ich ihn etwa fragen: „Hey, sag mal, hat dich das irgendwie gestört, als ich mich vor dem Dreier gedrückt habe, mir einen anderen Kerl gesucht und dich allein mit diesem Spanier-was-auch-immer-Typen stehen gelassen habe?“

Wohl kaum.
 

Oder soll ich ihn einfach ignorieren? Was wenn ich ihn wiedertreffe? Soll ich dann behaupten, dass mein Handy kaputt gegangen ist und seine Nummer nicht aufgeschrieben habe?

Nein, nein und nochmal nein.
 

Jetzt reicht es, ich ruf ihn an.

Gerade habe ich die Nummer gewählt, höre den ersten Piepton und... lege auf.

Was zur Hölle ist los mit mir?! Jetzt traue ich mich noch nicht einmal ihn anzurufen? Hallo? Tristan? Noch da?
 

Mein Herz wummert in meiner Brust und irgendetwas in mir weigert sich strikt ihn anzurufen. Da ist etwas wie ein Netz, das den Befehl auf den „Anruf“-Knopf zu drücken, auffängt und wieder ins Gehirn zurück schleudert.
 

Feigling, Feigling!“, trällert Paul spottend und streckt mir die Zunge raus.

Klappe!
 

Ich atme tief durch, drücke den Knopf noch einmal und zwinge mich zu warten...

Bitte, heb nicht ab! Bitte, bitte, bitte...
 

„Hallo?“, nimmt er natürlich trotzdem ab und ich nehme ein paar Männer wahr, die sich im Hintergrund unterhalten. Oh, habe ich ihn etwa bei irgendwas gestört?

„Hey, Tristan hier“, melde ich mich und stehe endlich auf. „Wegen deiner Frage; das Angebot gilt natürlich so oft du willst.“
 

„Echt? Klasse!“, meint er und klingt dabei sogar etwas überrascht. „Oh, warte kurz.“

Ich höre etwas gedämpft wie er sich mit irgendeinem Typen unterhält. Mist, er scheint gerade echt beschäftigt zu sein. Aber... Sonntags?

„Sorry, ich bin gerade bei der Arbeit. Können wir uns, sagen wir mal, um...“, schlägt er vor und hält für einen Moment inne. „16 Uhr treffen? In dem Café?“
 

„Ja, geht in Ordnung. Und tut mir Leid wegen der Störung“, entschuldige ich mich. Telefonate bei der Arbeit sind immer eine ganz blöde Idee. Das kenne ich ja zu Genüge. Cody, dieser Klotz.

Was arbeitet Key eigentlich? Irgendwie interessiert mich das jetzt. Aber das kann warten.
 

„Macht nichts, ich hab mich gefreut“, wehrt er ab und ich fühle mich etwas erleichtert. Er hat sich also gefreut... Völlig automatisch fange ich an blöd zu grinsen. „Also, bis später dann.“

„Ja, bis später!“, verabschiede ich mich und lege auf.

Und auf einmal, habe ich vergessen was Scheiße eigentlich bedeutet.

Im Ernst was ist das überhaupt?
 

Mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht, mache ich mich auf den Weg in mein Badezimmer. Als ich mich ausziehe, werfe ich einen Blick in den Spiegel. Vorsichtig streiche ich mit meinen Fingerspitzen über die hellen, dünnen Narben an meinem Oberkörper. Man kann sie zu meinem Glück kaum erkennen. Nur ich weiß ganz genau wo sie sind. Wie sie zustande gekommen sind. Welcher Gegenstand es gewesen ist und, sowieso, wer ihn geworfen hat.
 

Wann war das letzte Mal, an dem ich mich wirklich angesehen habe? Ich beuge mich etwas vor, betrachte mein Gesicht ganz genau. Die dunklen, braunen Augen meines Vaters, starren zurück. Der Übergang von dem Braun zur Pupille ist so fließend, dass sie auf Fotos, bei denen ich nicht unbedingt genau vor der Kamera stehe, meistens schwarz erscheinen. Wenn ich alt bin, werde ich richtige Schlupflider haben. Schon jetzt fällt etwas Haut über mein rechtes Auge. Zum Glück nicht viel, man merkt es kaum.
 

Meine Augenbrauen sind dicht und gebogen, machen den Ausdruck in meinem Gesicht gefährlich. Kleine Wutfalten bilden sich zwischen ihnen. Oh, man. Ich sehe verdammt ernst aus. Zaghaft fahre ich die geschwungene Linie meiner rechten Braue nach, streiche über die Wutfalten, um sie vergebens zu glätten. Selbst Schuld, würde ich mal sagen. Dass ich so aussehe habe ich mir wohl selbst zuzuschreiben.
 

Sanft berühre ich mit meinen Fingerkuppen meine Lippen. Sie sahen schon immer ziemlich weiblich aus. Etwas voller, als ein Mann sie haben sollte, leicht geschwungen...

Meine Lippen sind ein ziemlicher Kontrast zu meinem männlichen Kiefer.
 

Das was ich noch nie in meinem Gesicht mochte, war meine Nase. Ich hatte schon immer einen leichten Hocker auf ihr. Früher sah es noch nicht so aus wie jetzt. Trotzdem finden mich die meisten Leute attraktiv, egal ob Mann oder Frau. Felix meint, ich hätte eine sehr intensive Ausstrahlung. Was soll das für eine Ausstrahlung sein? Wenn ich mich so ansehe, würde eher vor mir selbst wegrennen. Kein Wunder, dass Frau Schnell manchmal so ängstlich wirkt.

Wenn das hier meine neutrale Miene ist, wie schaue ich erst, wenn ich wütend bin?
 

Zaghaft versuche ich meinen Gesichtsausdruck zu lockern. Etwas anders sehe ich schon aus. Weniger... angespannt. Doch irgendwie erinnert mich das ziemlich an mein früheres Aussehen. Für einen Moment schließe ich die Augen. Ich kann es direkt vor mir sehen. Dieser schüchterne, ängstliche Blick, die weichen Gesichtszüge eines Jugendlichen, der rosige Mädchenmund und die halblangen, braunen Haare, die sich an den Spitzen etwas lockten...
 

Damals war ich so schwach und mager. Ein ziemlich langer Stecken mit langweiligen, gebügelten Klamotten von den teuersten und besten Marken. Aber immer nur die schlichten, eintönigen Sachen. Nie die mit den bunten Farben und dem Aufdruck. Wie ich die anderen Jungen beneidet habe, die immer diese völlig chaotisch gemischten Sachen getragen haben...
 

Wenn ich mich geweigert hätte, die Kleidung absichtlich zerknittert hätte, irgendwas getan hätte... Hätte meine Mutter es irgendwann aufgegeben, mich wie eine Puppe anzuziehen und darüber zu bestimmen was ich tragen darf und was nicht? Ich weiß es nicht. Dafür habe ich nie den Mut besessen. Immer bin ich nach ihrer Pfeife getanzt, um ihr zu gefallen. Schnaubend erinnere mich an meine dummen Gedanken und Wunschvorstellungen. An den Traum, dass sie mich einmal ansehen würde. Nur ein einziges Mal mich und nicht meinen Vater in mir sehen würde.
 

Schwachsinn. Egal was ich gemacht hätte, sie hätte mich nie so angesehen oder wäre gar stolz auf mich gewesen. Selbst dann nicht, wenn ich die ganze Welt auf den Kopf gestellt hätte. Nie.
 

Seufzend fahre ich durch meine dunklen Haare. In letzter Zeit denke ich viel zu oft an früher. Dafür, dass ich es mehrere Jahre erfolgreich zu verdrängen gewusst habe. Nur passieren momentan zu viele Dinge, die mir nicht gefallen. Cody hatte Recht, mit dem was er mir mal gesagt hatte. Ich würde es nicht zeigen, aber ich wäre viel zu sensibel und würde zu viel nachdenken.

Denken tue ich wirklich zu viel. Und zwar genau jetzt. Schluss damit!
 

Bestimmt stoße ich mich vom Waschbecken ab, werfe einen letzten Blick in den ziemlich großen Spiegel und steige unter die Dusche. Kein Wunder, dass ich mich nie so intensiv ansehe. Da komme ich nur auf dumme Gedanken. Zu viele Erinnerungen haben sich in jeden meiner Gesichtszüge eingebrannt. Mein Vater hat Recht. Irgendwo bin ich wohl wirklich verbittert.
 

Das warme Wasser prallt auf meine Haut und ich lehne meine Stirn gegen die feuchte, kühle Duschwand. Wie schön das wäre, wenn es wirklich wie in Büchern oder Filmen wirken könnte. Wo man sich wirklich nur unter die Dusche zu stellen braucht, damit alle dummen Gedanken sich einfach von einem lösen...
 

Blöd nur, dass es in Wirklichkeit eben nicht funktioniert. Tja, das nenne ich Pech.

Seufzend erledige ich, was man unter einer Dusche ja eigentlich machen sollte, schnappe mir danach ein Handtuch und trockne mich schnell ab.

Ich streiche über meinen Kiefer und spüre die Stoppeln darunter. Normalerweise würde ich mich jetzt rasieren, aber gerade bin ich zu faul dafür.
 

Moment.... Tristan Stevenson? Zu faul zum rasieren? Seit wann das denn bitte?

Doch leider Gottes ist es so. Gestern hatte ich auch keine Lust darauf, aber da hatte ich es ja auch noch nicht so nötig. Kurz werfe ich noch einen Blick in den Spiegel. Naja... sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus. Es hat durchaus etwas.
 

Schulterzuckend lasse ich meinen Drei-Tage-Bart also am Leben und ziehe mir eine schwarze Pants und ein T-Shirt an. Es ist jetzt 11:39 Uhr. Was kann ich bis 16 Uhr so Schönes machen?

Gar nichts. Außer vielleicht auf der Couch gammeln und fernsehen.

Ein Sonntag ohne Cody... Das fühlt sich echt schräg und vor allem völlig sinnlos an.

Was soll ich schon mit diesem Sonntag anfangen?
 

Letzten Endes entscheide ich mich doch fürs Gammeln. Wenn Cody sich nicht meldet, will er mich nicht sehen und ich werde den Teufel tun und bei ihm an gekrochen kommen, weil mir langweilig ist. Also zippe ich ziemlich begeistert durch all diese wunderbaren und belehrenden Fernsehsender... die mein Hirn schon nach sechs Minuten verblöden lassen.
 

Was zur Hölle... Wer kauft schon solche hässlichen Porzellanpuppen? Ist ja ätzend. Wie die einen anstarren! Das ist so gruselig! Die sind wirklich hässlich. Vor allem dieser kleine Junge mit dem Koffer und den großen blauen Augen... Einfach nur schrecklich, einfach nur...

„Ihre Bestellung wurde angenommen!“
 

Ich glaub es nicht. Habe ich gerade allen Ernstes eine Porzellanpuppe gekauft?!
 

12:27 Uhr. „Es gab drei Dinge deren ich mir absolut sicher war. Erstens: Edward war ein Vampir. Zweitens: Ein Teil von ihm, und ich wusste nicht wie mächtig dieser Teil war, dürstete nach meinem Blut. Und Drittens: Ich war bedingungslos und unwiderruflich in ihn verliebt.

Laut gähnend, schlage ich das Buch wieder zu und schiebe es zur Seite. Seit wann besitze ich so einen Mist?
 

12:54 Uhr. „Aber warum jetzt? Warum hier?“, fragt sie, sieht zu ihm hoch und blickt ihm tief in die Augen. „Warum nicht jetzt?“, antwortet er. „Warum nicht hier? In Paris, der Stadt der Liebe?

Augenblicklich verziehe ich das Gesicht und starre auf den Bildschirm. Wegschalten. Aber schnell.
 

13:34 Uhr. „Screamin' NO, we're never gonna quit! Ain't nothing wrong with it! Just acting like we're animals!“*

Knarr, Knarchtz, Knall... Autsch... Auf dem Bett hüpfen und singen ist keine so gute Idee...
 

14:08 Uhr. „Nein... Nein... Ach, komm schon! Schieß endlich, SCHIESS!“, brülle ich den Fernseher an, balle meine Hände zu Fäusten. „ Verdammt! Was für eine Lusche! Drei Meter daneben!“

… Schaue ich gerade allen Ernstes Fußball?
 

14:17 Uhr. „3, 4, 5...“, murmele ich und kann spüren, wie sich meine Stirn konzentriert in Falten legt. „Ich habe echt 8 Paar Schuhe?“
 

14:29 Uhr. „I hate feeling like this...“ Ohja, das tue ich tatsächlich. Langeweile ist wirklich eine schreckliche Sache.

Comatose... I never wake up without an Overdose...!
 

14:47 Uhr. Die Skillet-CD ist bei ihrem letzten Lied angekommen, mein Magen knurrt, ich gammle ziemlich sinnfrei auf meinem Bett herum und Ideen um mir die Zeit zu vertreiben, habe ich auch keine mehr.
 

Was mache ich jetzt? Wäre heute ein ganz normaler Sonntag, hätte ich schon vor einer Stunde bei Cody auf der Matte gestanden und würde ein selbst gekochtes, einfach nur köstliches Mittagessen genießen dürfen. Doch da Cody heute keinen Tristan-Bedarf hat, muss ich mir anders helfen.

Ich gehe zum Kleiderschrank und ziehe mir eine schwarze Jeans an. Dazu ein weinrotes, samtenes Hemd und eine etwas längere Silberkette, an dem ein Ring hängt.
 

Mein Haar ist etwas länger geworden und hängt mir in die Stirn. Zu dem Drei-Tage-Bart sieht das aber gar nicht mal so übel aus. Nur ist das alles andere als Tristan-like.

So eine Out-of-bed-Frisur hatte ich eigentlich noch nie. Zumindest hatte ich nie vor, damit das Haus zu verlassen. Erst recht nicht mit meinem neuen, aufpolierten Tristan.
 

Mein Magen, der sich gerade akustisch bemerkbar macht, erinnert mich wieder daran, was ich eigentlich vorhatte. Also streife ich mir meine eleganten, schwarzen Schuhe und den langen Mantel über. Der Winter neigt sich zum Glück dem Ende zu und es sollte bald wieder warm werden...
 

Es ist dennoch ziemlich kalt und ich erschaudere kurz, als ich ins Freie trete. Fröstelnd schließe ich die Tür hinter mir und gehe zu meinem Wagen. Es liegt zwar ziemlich wenig Schnee herum, aber mein Atem ist noch immer sichtbar.

Ich steige in meinen Wagen und fahre zu einem chinesischen Imbiss. Das Auto parke ich etwas weiter weg.
 

Im Imbiss ist es schön warm und ich streife mir etwas fröstelnd den Mantel von den Schultern. Kurz überfliege ich die Speisekarte, die über der Theke hängt. Als ich jedoch spüre, dass mich Jemand ansieht, drehe ich meinen Kopf etwas zur Seite. Eine junge Frau, die etwas weiter weg steht, mustert mich ziemlich offensichtlich. Sie scheint meinen Blick bemerkt zu haben und dreht ihren Kopf errötet zur Seite, als ich fragend eine Augenbraue hebe. Weiber, versteh die einer.
 

„Tris?“, ertönt es plötzlich hinter mir. Oh, nein. Mein Vater. Wieso müssen wir auch immer in die gleichen Lokale gehen? Grummelnd drehe ich mich um und tatsächlich steht Herr David Stevenson da und grinst mich blöd an. „Mein Gott, wie siehst du denn heute aus?“

Er lässt seinen Blick kritisch über meinen Körper schweifen und ich rolle mit den Augen.
 

Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, bestelle ich gebratene Ente auf Reis und Pekingsuppe, während mein Vater seine Musterung fortsetzt. „Was denn? Kein Spruch?“, neckt er mich und ich zucke mit einem Auge. Stimmt... ich habe geschwiegen? Das fällt mir erst jetzt auf. Normalerweise hätte ich ihm sofort einen dummen Kommentar entgegen geschleudert. Heute ist wohl der Tag, der Ausnahmen.
 

„Selbst solche Meister der Wortgewandtheit wie ich brauchen mal einen Tag Urlaub“, meine ich deswegen nur und suche mir einen Platz irgendwo in einer Ecke. Leider Gottes, lässt sich mein Vater nicht so einfach abspeisen und setzt sich gleich zu mir. „Was machst du eigentlich wieder in München? Ich dachte, du wärst in Leipzig und bereitest die Hochzeit vor.“
 

Ein breites Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit und er streicht mit einer eleganten Bewegung seine Haare zurück. „Nun“, fängt er an und ich hebe eine Braue. „Ich habe dort nur Jemanden beauftragt mit Susanne die Hochzeit zu planen. Du hast doch nicht allen Ernstes geglaubt, dass ich das mache? Bei dieser Frau, habe ich sowieso kein Mitspracherecht.“
 

„Woher soll ich das auch wissen? Ist ja nicht so, als ob ich jemals heiraten würde“, verteidige ich mein Unwissen und er schmunzelt zufrieden vor sich hin. Ja, ja. War klar, dass er sich daran erfreut, wenn der stolze Tristan mal in ein Fettnäpfchen tritt. Aber mal im Ernst? Wie viel sollte ich als schwuler und überzeugter Single denn über Hochzeiten und deren Vorbereitungen wissen?
 

Als ich daraufhin nur schweige und jegliche Versuche meines Vaters mit mir zu kommunizieren ignoriere, seufzt er auf. „Tris, du bist heute wirklich eine wahnsinnige Konversationsgranate“, witzelt er und ich werfe ihm einen genervten Blick zu. Zu meinem Glück kommt genau in diesem Moment das Essen und ich habe eine gute Ausrede für meine nicht vorhandene Lust an Smalltalk.
 

Zumindest nicht mit meinem Vater. Viel lieber würde ich jetzt im Café sitzen und mich mit Key... Augenblick. Ich freue mich tatsächlich auf das Treffen mit Key? Jetzt im Ernst?

Ja. Ja, das tue ich. Allem Anschein nach, bin ich so genervt, weil es gerade mal – Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr – 15:34 Uhr ist?! Scheiße!
 

„Tristan? Du hörst mir ja gar nicht zu!“, motzt mein Vater und ich zucke ertappt zusammen. Oh, äh, hat er was gesagt?

Seine dunklen Augen sind zu Schlitzen verengt und er sieht mich ziemlich gruselig an... „Ich hab gefragt, ob du irgendwie verabredet bist“, erinnert er mich und spricht dabei so langsam, als wäre ich geistig behindert.
 

Ebenso langsam antworte ich: „Ähm, ja... Woher weißt du das?“

„Weil du schon seit drei Minuten auf deine Uhr starrst“, erklärt er und hebt eine Braue. Gott, ist das gruselig, wenn er das macht... Dabei sieht er ja genauso aus wie ich. Kein Wunder, dass meine Mutter ständig an ihn denken musste, wenn sie mich sah. Er könnte mein gealterter Zwillingsbruder sein.
 

„Oh“, gebe ich wirklich wahnsinnig intelligent von mir und er sieht mich auffordernd an. Ich weiß schon was er wissen will. Diesen Blick kenne ich ja inzwischen. „Um 16 Uhr treffe ich mich mit einem Typen.“

Überrascht hebt er jetzt beide Brauen und legt den Kopf etwas schief. „Im Ernst? Ein Date?“, fragt er dann auch noch und ich verschlucke mich augenblicklich an meiner gebratenen Ente.
 

Hustend klopfe ich mir auf die Brust und spüre einige ziemlich unangenehme Blicke auf mir. Wahrscheinlich sehe ich gerade aus wie King Kong.

Mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen mustert er mich zufrieden und lehnt sich vor. „Das wird auch langsam mal Zeit, Tris!“, meint er und klopft mir leicht auf die Schulter. „Ich habe dir ja gesagt, dass du dich nicht ewig vor der Liebe drücken kannst!“
 

Der Blick, den ich ihm zuwerfe, lässt ihn sofort seine Hand zurück ziehen.

Etwas unruhig leckt er sich kurz über seine Unterlippe und sieht nach einer Weile sogar auf seinen Teller. „Dad“, sage ich schließlich und gebe meiner Stimme einen gefährlichen Unterton. „Ich habe kein Date und werde auch nie eines haben. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du das endlich akzeptieren würdest. Der Typ, den ich treffe, ist nur ein guter Freund. Basta.“
 

„Sicher doch“, murmelt er und isst mit gesenktem Blick weiter. Jetzt ist er derjenige, der herum druckst. Das ist wohl eine Art Konkurrenz-Kampf bei uns. Wer ist der furcheinflösendste Stevenson? Wessen Stimme klingt unheimlicher? Wie lange muss man sein Gegenüber böse anschauen, bis er wegsieht?
 

Eilig verschlinge ich mein Essen, verabschiede mich und sprinte zu meinem Auto. Ich habe gerade mal 4 Minuten Zeit, bis es 16 Uhr ist!

Keine Chance, dass ich es ohne Verspätung schaffe. Wie ich das hasse!
 

Wenn ich sogar unfähig dazu bin, pünktlich zu kommen... Ich halte für einen Moment inne. Meine Hand krallt sich beinahe schmerzhaft in die offene Autotür.

Immer noch. Sie ist seit Jahren tot und trotzdem tanze ich nach ihrer Pfeife.

Ihr Tod war kein Freifahrtschein in die grüne Prärie der Freiheit. Sie ist immer noch hier.

Auf ihre ganz eigene Art und Weise.
 

Keuchend rannte ich die Treppen hoch. Meine Hand streifte das Treppengeländer, immer darauf vorbereitet mich festzuhalten, wenn ich stolperte. Hitze war schon lange in meinem Gesicht aufgestiegen von der Anstrengung, vom Rennen. Meine Beine schmerzten und ich hatte das Gefühl jeden Moment umzufallen. Ich kam zu spät. Und das war verboten.
 

Der Anzug war zerknittert und roch bestimmt schon schrecklich. Wieso hatte ich auch so lange getrödelt? Locker hätte ich es schaffen können, aber das war das erste Mal seit Langem, dass die Jungs mich mitspielen lassen haben! Ich habe sogar die meisten Körbe geworfen!

Zum duschen war auch keine Zeit mehr gewesen.
 

Ausgerechnet heute musste der Tag sein, an dem meine Mutter mich zu dieser Cocktailparty ihrer Firma mitnehmen wollte! Sie hatte mir so viel Vertrauen entgegengebracht und ich kam zu spät! Schwer atmend kam ich endlich an, spürte meine Beine etwas zittern. Ein Blick auf die teure Uhr, die mir meine Mutter zu dem Anzug gelegt hatte, verriet mir, dass ich schon siebzehn Minuten zu spät war. Das war verdammt viel Zeit.
 

Als mein Atem sich etwas beruhigt hatte, öffnete ich die Tür und betrat langsam den großen Saal. Das Problem: Die Tür knarrte unheimlich laut. Und sofort waren die meisten Blicke auf mich gerichtet. Musste auch genau in diesem Moment jemand eine kleine Rede halten? Der Redner, sah mich verblüfft an, das Glas hoch erhoben. Hatte ich wirklich gedacht, dass mein Atem ruhiger geworden wäre? Auf einmal kam er mir so laut und störend vor.

Ich störte. Ich war laut. Und jeder sah mich an.
 

„Nanu?“, meinte plötzlich eine ältere Dame und ging auf mich zu. Ihr Kleid, das eher nach einer übergroßen Gardine aussah, raschelte und sie drückte einem Mann ihr Glas in die Hand. „Bist du nicht der kleine Stevenson?“
 

Ich brachte aus lauter Scham kein Wort heraus. Stocksteif stand ich da, in dem zerknitterten Anzug und den feuchten Haaren vom Schweiß. Zu spät. Ich war zu spät und ich hatte auch noch eine Rede unterbrochen. „Tut mir Leid“, presste ich leise heraus. Mehr ging nicht. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ganz sicher, ob überhaupt Jemand es gehört hatte, war ich mir auch nicht.
 

Klack-Klack... Ihre Stöckelschuhe machten auf dem Weg zu mir dieses schreckliche, störende Geräusch, bei dem sich meine Nackenhaare aufstellten.
 

Endlich, endlich kam sie nach einer gefühlten Ewigkeit bei mir an und ein gutmütiges Lächeln zierte ihr knittriges Gesicht. „Na, was sage ich da!“, lachte sie plötzlich. „Klein bist du nun wirklich nicht! Wie alt bist du denn?“

Anscheinend erwartete sie eine Antwort. Mühsam schluckte ich den Kloß in meinem Hals herunter, spürte alle Blicke auf mir, hörte ein paar Leute tuscheln.
 

„Zwölf“, brachte ich gerade noch so hervor. Und sofort sah sie mich verblüfft an.

„Zwölf?“, wiederholte sie, anscheinend sehr überrascht. „Du bist aber groß für 12!“

Das war ich tatsächlich. In Wahrheit sah ich aus wie fünfzehn und war auch der Größte der Klasse. Ein hagerer Stecken eben. Deswegen haben mich die Jungs mitspielen lassen. Je größer die Mitspieler waren desto besser. Wenn sie dann auch noch die Körbe trafen, perfekt.
 

Mein Blick huschte unruhig durch den Saal, kehrte immer wieder zu dem Gesicht der alten Dame zurück. Ihre grau-grünen Augen sahen mich weiterhin an. Aber ich konnte nichts mehr sagen. Wirklich nicht. Sie streckte ihre Hand nach mir aus und mein Blick klebte sofort an ihren langen, roten Fingernägel, die mich an blutige Katzenkrallen erinnerten. Lächelnd kniff sie in meine Wange und sagte: „Du bist wirklich ein hübsches Bürschchen!“
 

Dann ließ sie meine Wange wieder los, legte ihre Hand in meinen Nacken und schob mich sanft in den Raum. Da stand sie. Meine Mutter. Ihr schwarzes Haar war streng zusammengebunden und am Hinterkopf zu einer Kugel gedreht. Das Wort dafür hatte ich vergessen.

Das Glas in ihrer Hand zitterte vor Wut, während ihr Gesicht völlig ruhig und teilnahmslos blieb.
 

Meine Knie wollten jeden Moment nachgeben, doch diese brennend warme Hand in meinem Nacken, ließ mich weitergehen. Mit viel Mühe schaffte ich es meinem Gesicht einen neutralen Ausdruck zu geben, meine Haltung gerade zu halten. Wenn ich auch noch Schwäche zeigen würde, wäre ich endgültig verloren. Sie würde mir das nicht so leicht verzeihen.
 

„Tristan!“, rief sie und ihre knallroten, herzförmigen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Da bist du ja, mein Kleiner!“

Ihre schmale, weibliche Hand löste die der alten Dame ab, schob sich in meinen Nacken. Falls ich die Hand der Frau als unangenehm empfunden habe, so spürte ich jetzt wie der Drang in mir aufstieg ganz weit wegzurennen.
 

Wenn diese Party vorbei war, würde ich diese Hand viel schmerzhafter auf meiner Haut spüren. Das verrieten mir ihre langen Fingernägel, die sich unauffällig in meine Haut bohrten. Mein Haar war lang genug, um es wie ein sanftes Kraulen aussehen zu lassen. Ab morgen würden sie aber wieder ganz kurz sein. Nur weil meine Mutter für eine Weile auf Geschäftsreise gewesen war und nach ihrer Rückkehr keine Zeit hatte, durfte ich sie so lang tragen.
 

Jede Minute, die verstrich, ließ mich intensiver spüren wie die Panik in mir wuchs. Und als wir schließlich im Auto saßen, fragte sie mich mit ihrer kalten, schneidenden Stimme: „Wo bist du gewesen?“

Meine Hände waren zu Fäusten geballt und mein Kiefer war angespannt. „Ich habe mit ein paar Jungen aus der Klasse über mir Basketball gespielt...“
 

Sie riss das Lenkrad herum, parkte in der Garage. Ihre Hände krallten sich so fest ins Lenkrad, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. „Du hast was?“, hauchte sie und ich schluckte hart. Ruckartig drehte sie sich zu mir um und ich spürte einen Blitz, der durch meinen Körper zog. Das klatschende Geräusch, hallte in der Garage für einen Moment wieder und augenblicklich folgte ein weiteres Klatschen. „Wegen so etwas kommst du zu spät?!“
 

Ohne zu zeigen, wie sehr meine Wange schmerzte, nickte ich. Schwäche durfte ich nicht zeigen. Hielt ich es einfach aus, war es schneller vorbei. Sie schnallte sich ab, stieg aus und knallte die Tür zu. Schweigend und innerlich zitternd, folgte ich ihr ins Haus.

Kalte Gänsehaut legte sich über mich, während mein Körper sich bei jedem Klack-Klack ihrer Stöckelschuhe auf dem Laminatboden mehr anspannte.
 

Plötzlich blieb sie stehen, drehte sich zu mir um. „Genauso wie dein Vater!“, keifte sie, so wie ich es erwartet habe. „Nicht mal zu der Hochzeit kam dieses Drecksschwein pünktlich! Und warum? Weil er das Endspiel seiner Lieblingsmannschaft noch zu Ende sehen musste, das Johann für ihn auf Video aufgenommen hat!“
 

Schweigend sah ich sie einfach an. Sie fletschte die Zähne, ihre Fäuste zitterten. Innerlich wollte ich sterben, äußerlich war ich ganz ruhig.

Denn es war noch lange nicht vorbei und ich wusste nur zu genau was kommen würde.
 

Zu spät kommen... So etwas verzieh sie seit Jahren nicht mehr.
 

Vor allem, wenn ich es tat.
 


 

* „Animals“ von Nickelback

Chapter 9 - Cold coffee, hot snow

„Also, äh, und deshalb bin ich zu spät“, beende ich meine Erzählung und sehe zum ersten Mal auf, seit ich mich an diesen Tisch gesetzt habe. Nein, ich habe ihm nicht weiß gemacht, dass der Aufzug stehen geblieben ist, ich im Stau gestanden habe oder von brutalen Gangstern angegriffen wurde. Obwohl ich wirklich nahe dran war...
 

Doch leider bin ich – natürlich gibt es Notfallsituationen... Und nein, die kleinen Lügen auf der Arbeit zählen nicht, das nennt man schleimen – ein sehr ehrlicher Mensch. Und solange die Person vor mir nicht mein Auftraggeber ist, stelle ich immer direkt und mehr oder weniger unzensiert klar, was ich von wem halte und wieso.

Nun, es gibt Menschen, die nennen so ein Verhalten dreist, ich bezeichne das eher als gelegentliche

Nutzung der Meinungsfreiheit. Leider teilen nicht viele Leute diese Ansicht mit mir.
 

Schmunzelnd sieht mich Key an und legt den Kopf etwas schief. „Schon okay“, sagt er nur und... schiebt mir einen Kaffee rüber? „Er ist nicht mehr ganz so warm, aber na ja...“

Überrascht starre ich auf den Kaffee. Huch? Er hat mir einen Kaffee bestellt?

Lächelnd greife ich nach der Tasse und trinke einen Schluck. Obwohl der Kaffee schon kalt ist, schmeckt er überraschend gut. Und das liegt bestimmt nicht an der Qualität der Kaffeemaschine.
 

„Danke“, lächle ich und stelle die Tasse wieder ab. Etwas abwesend dreht er den Strohhalm seines Shakes zwischen den Fingern. Und ich kann nicht anders, als auf seine schlanken, langen Finger zu sehen, die sich damals so kalt auf meiner Haut angefühlt haben. An seinem Daumen steckt ein recht breiter, schmuckloser Ring. Ob er den auch schon beim letzten Treffen getragen hat? Bei meinem Überfall in seiner Wohnung? Oder vielleicht sogar schon bei unserer ersten Nacht... Ich stocke. Sagte ich eben „unserer“? Naja, schon klar, er war ja auch beteiligt, aber das klingt seltsam... intim.
 

„Wo arbeitest du eigentlich?“, eröffne ich ein Gespräch und sehe wieder in sein Gesicht. Seine blauen Augen blicken in meine, während meine Tasse irgendwie sinnlos in meinem Sichtfeld herum schwebt. Äh, schwebt? Achja, ich wollte ja trinken! Verlegen nippe ich an meiner Tasse und warte auf eine Antwort.
 

„Ich bin Assistent bei einem Fotograf“, klärt er mich schließlich auf. „Vielleicht kennst du ja Richard Martin?“

Der Name sagt mir etwas, auch wenn ich mich gerade nicht wirklich erinnere. Richard Martin... „Sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube, er hat meine Schwester für eine Zeitschrift fotografiert“, antworte ich zögernd.

Leider erinnere ich mich sehr genau wie sie mich damals völlig aufgeregt angerufen hat und mir unbedingt die Fotos zeigen wollte, die der angeblich total talentierte und überaus berühmte Fotograf von ihr geschossen hat. Mit sehr viel Beherrschung und guter Schauspielerei konnte ich verhindern, dass sie merkt wie beschäftigt ich dabei war. Vor allem mit was. Und mit wem.
 

Tja, das „wem“ ist immer noch so eine Sache, die mich bis heute nicht loslässt. Man sollte sich echt nicht vom Bruder des Freundes der Schwester einen blasen lassen. Nur hätte ich damals ja nicht damit rechnet, dass die gute Janina diesen Kerl sogar heiratet und das liebe Brüderchen des Bräutigams zu wirklich jedem Fest kommt. Und wenn man dem Kerl sogar nach dem Blowjob noch an den Kopf wirft, dass man kein Interesse daran hat, einen kleinen Jungen zu vögeln, der aussieht wie ein flachbrüstiges Weib, hat man erst recht die Arschkarte gezogen. Denn ich sehe ihn zu jedem Weihnachten, Familiengeburtstag, kleinen Feten meiner Schwester und leider Gottes sogar bei ganz normalen Besuchen. Das ist wohl der kleine Nachtteil, wenn man ein Arschloch ist. Janina und ihr lieber Mann verstehen bis heute nicht warum wir uns hassen. Haleluja.
 

„Hm“, macht Key nur und ich sehe ihn wieder an. Nickend schließt er seine schmalen, weichen Lippen um den Strohhalm. Und auf einmal kann ich meinen Blick nicht mehr abwenden. Ich weiß noch ganz genau wie es war diese Lippen zu küssen, wie sie geschmeckt haben... „Dann war es sicher eine Brautmodenzeitschrift“, sagt er plötzlich und reißt mich aus meiner Trance. „Er ist von Hochzeiten besessen.“
 

„Besessen?“, frage ich blinzelnd nach. Okay, ich gebe es ja zu. Ich hab eben nur die Hälfte mitbekommen, wenn überhaupt. Dafür könnte ich mir jetzt selbst eine knallen. Schließlich – und dafür gibt es genug Beweise – ist Key niemand der sonderlich viel redet und wenn, dann nur so kurz wie möglich. Mit mir redet er. Er hält mich für etwas Besonderes. Für Jemand, der seiner Worte wert ist. Zumindest wirkt es so auf mich. Und was tue ich? Ich starre auf seine Lippen und höre ihm nicht zu!
 

„Er fotografiert nichts anderes“, fährt er fort. Puh! Key hat es nicht gemerkt! „Immer nur Frauen in Hochzeitskleidern, ab und zu sogar mit einem Mann im Anzug daneben. Aber das Thema ist immer dasselbe.“

Seufzend schiebt er seinen Shake zur Seite. Die Unzufriedenheit kann man ihm vom Gesicht ablesen.
 

„Scheinst es nicht sonderlich toll zu finden“, stelle ich fest, beuge mich ein kleines Stück vor. Seufzend nickt er nur leicht und überschlägt seine langen, schlanken Beine.

„Warum bist du dann bei ihm?“ Er lehnt sich auch etwas nach vorne, stützt das Kinn auf seiner rechten Hand ab. Sein Blick durchdringt mich und ich schlucke unauffällig. „Weil“, setzt er an und malt mit einem Finger unsichtbare Muster auf den Tisch, „mich kein anderer angenommen hat. Entweder wollten sie einfach keine Praktikanten, hatten schon einen oder sie wollten mich nur photographieren. Ein anderer hätte mich zu seinem Assistenten gemacht, wenn er mich regelmäßig ficken dürfte.“
 

Verächtlich schnaubt er und lehnt sich wieder zurück. Wow. So viel hat er noch nie gesagt. Vor allem nicht hintereinander. „Du wärst sicher ein geiles Model“, rutscht es mir plötzlich heraus und ich muss mich stark beherrschen, um mir jetzt nicht auch noch den Mund mit der Hand zu verdecken. Gott, ist das peinlich! Wie klingt das denn? Hätte ich nicht ein besseres Wort als „geil“ verwenden können? Aber es ist einfach so. Egal wie das Foto wäre, ich bin mir sicher, dass es wirklich geil aussehen würde. Allein schon bei der Vorstellung... Key, nackt, auf einem großen schwarzen Bett liegend... Der kalte Blick direkt auf die Kamera gerichtet, die Haare verwuschelt, als hätte er eben noch Sex gehabt und seine schmalen, weichen Lippen einen Spalt breit geöffnet...
 

Ich spüre wie mein Blut sich auf den Weg gen Süden macht und verwerfe diesen Gedanken schnell wieder. Wenn ich nicht aufpasse sitze ich noch mit einer dicken Latte vor ihm! Langsam hebe ich meinen Blick wieder und sehe Key an.

Er blinzelt erst überrascht, öffnet kurz den Mund und schließt ihn gleich wieder. Anscheinend weiß er auch nicht was er dazu sagen soll. Doch dann grinst er plötzlich, streckt seine Hand nach mir aus. Verwirrt sehe ich ihn einfach an, lasse zu, dass er mich am Kragen etwas über den Tisch zieht und mit seinem Blick in mich dringt. Für einen Moment bleibt mein Herz einfach stehen, nur um im nächsten gleich doppelt so schnell gegen meine Brust zu hämmern. Scheiße... was soll dieser Blick? Was soll diese Nähe? Als ich einatme, kann ich es wieder riechen. Dieser merkwürdige Duft...
 

„Findest du?“, raunt er sexy und ich spüre es verdächtig in meinen Lenden ziehen. Verdammt, dieser Kerl weiß genau was er für eine Wirkung auf Männer wie mich hat!

Langsam schiebe ich meinen Unterkiefer vor, mustere ihn ganz genau. Sein herausfordernder, frecher Blick verrät mir seine vollen Absichten. Er will mit mir spielen? Tse, als ob ich dieses Spiel nicht beherrschen würde! Soll er doch einen anderen Mann mit diesen Blicken, diesen Lippen und seinem schlanken, attraktiven Körper betören. Einem anderen Typen mit diesem seltsamen Duft den Kopf verdrehen. Nicht mit mir, Freundchen. Mal sehen wer zuerst die Regeln bricht.
 

Ich sehe ihm in die Augen, grinse ihn spöttisch an. „Nackt und in schwarzer Seide räkelnd? Sicher doch“, hauche ich und streiche mit meiner Zungenspitze betont langsam über meine Unterlippe. Gerade habe ich teilweise meine dreckige Fantasie von vorhin preisgegeben. Aber das kann er ja nicht wissen. Hoffe ich.

Erst regt er sich nicht, sitzt anscheinend bewegungslos da. Nur seine Brust hebt und senkt sich etwas schneller, als normal. Seine kalten, blauen Augen starren auf meinen Mund. Heiße Schauer laufen über meinen Rücken und ich kann das bettelnde Ziehen in meinen Lenden nur schwer ignorieren. 1:0. Doch dann blinzelt er und reißt seinen Blick von meinen Lippen los, bevor er sich wieder etwas zurück lehnt. Anstalten mich los zulassen, macht er dennoch nicht.
 

„Das würdest du gerne sehen, was?“, schmunzelt er und ich spüre einen kleinen Blitz, der durch meinen Körper fährt, als er für eine winzige Sekunde meine Haut berührt. Mist. Gleichstand. Aber ich wäre nicht Tristan Stevenson, hätte ich darauf keine passende Antwort.

Mein Grinsen wird gleich breiter und ich beuge mich noch ein Stück vor.

„Oh, ich erinnere mich noch sehr gut, wie du unter mir aussahst...“, raune ich und ich kann sehen wie er leicht schluckt. Diese kleine Bewegung an seinem Adamsapfel... „Das Shirt und deine Boxershort sahen mindestens genauso heiß aus.“
 

Wieder regt er sich für einen Moment nicht. 2:1 für mich.

Langsam schleicht sich ein Grinsen auf sein Gesicht und da sind sie wieder. Diese verdammt geilen Grübchen. Ich kann spüren wie es in meinen Fingern juckt, wie gern ich jetzt die Hand ausstrecken und mit dem Daumen über diese Falte an seinem Mundwinkel streichen würde, über seine Wange und über diese leichten, kaum bemerkbaren Grübchen. Aber wie würde das denn bitte rüber kommen? Er würde mich sicher für einen Irren halten... Äh, hallo? Gedanklich schüttle ich den Kopf über mich. Woran denke ich da bitte? An zärtliche Berührungen? He, wach auf, Steviejunior! Das bist nicht du! Tristan Stevenson tauscht keine zarten Berührungen mit irgendwelchen Kerlen aus. Konzentriere dich!
 

„Ich erinnere mich auch“, fängt er diabolisch grinsend an und beugt sich so weit vor, dass ich beinahe seinen Atem auf meinem Gesicht spüren kann. „Wie du unter mir lagst und vor Lust fast vergangen bist...“

Mir wird heiß und kalt gleichzeitig. Oh, ja. Daran erinnere ich mich auch. In dieser Nacht habe ich mich wirklich gehen lassen. 2:2. Mein Blick huscht von seinen Lippen zu seinen Augen, als ob ich dadurch die richtigen Worte finden könnte. „Du warst eben was Besonderes“, versuche ich es schließlich mit der Wahrheit und sein Grinsen verschwindet langsam. „Der Erste nach weiß-Gott-wie-vielen bedeutungslosen Ficks, bei dem es wirklich gut war. Es war einfach anders.“
 

Game over. Diesmal weiß er wohl wirklich nicht was er sagen soll. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, in der wir uns nur ansehen und nichts sagen. Keiner von uns macht Anstalten irgendwie Abstand zwischen unsere Gesichter zu bringen. Sein warmer Atem streift meine Lippen und seine kalten, blauen Augen sehen unentwegt in meine. Auf einmal kommt mir ein seltsamer Gedanke. Wie fühlt es sich für ihn an, wenn ich ihn so ansehe? Welche Wirkung haben meine dunklen Augen auf ihn? Kurze, hauchzarte Berührungen?
 

„Was ist denn mit denen los?“, flüstert irgendwer hinter mir und holt mich zurück in die Gegenwart. „Sind die schwul oder was?“

Auch Key scheint wieder unter den Lebenden zu sein, lässt mich langsam los und setzt sich wieder richtig hin. Sein Blick hat sich von meinem gelöst und er sieht auf seine Hände. Heiße Wut steigt in mir auf. Arschloch... Ruckartig drehe ich mich um, werfe diesem Typen den tödlichsten Blick zu, den ich drauf habe. Sofort verstummt er, sieht mich kurz an und erstarrt völlig. „Solange“, zische ich mit tiefer, rauer Stimme, bei der dieser Typ etwas in sich zusammensackt. „Ich ihn nicht vor euren Augen auf der Theke ficke, geht euch das einen feuchten Dreck an. Ist das klar?“
 

„K-klar“, stammelt er und wirft seinen zwei Kumpels flehende Blicke zu, als ob sie ihn vor mir beschützen müssten. Doch die Beiden sind zu sehr damit beschäftigt mich wie verschreckte Kaninchen an zu starren. Mein Blick bleibt kalt, als ich sie dann breit anlächle und übertrieben fröhlich säusele: „Na, dann muss ich euch doch nicht alle Knochen brechen und eure Innereien zu Haggis verarbeiten!“

Mit diesen Worten, drehe ich mich wieder zu Key um und überschlage mit einem triumphierenden Blick meine Beine. Dieser sieht mich kurz sprachlos an, bevor er dann breit grinst und sich wieder diese leichten Grübchen an seinen Wangen bilden.
 

Kurz darauf flüchten die drei Vollidioten aus dem Café und ich trinke betont lässig von meinem Kaffee. Dieser kleine Sieg lässt die kalte Brühe etwas süßer erscheinen.

„Wie“, murmelt Key plötzlich und ich sehe ihn fragend an. Er dreht den Ring an seinem Daumen etwas, sieht mich nicht an. „Wie hast du das gemeint?“

„Wie habe ich was gemeint?“, frage ich gleich etwas verwirrt nach. Er hebt den Blick, sieht mich kurz an und schüttelt dann den Kopf.
 

„Vergiss es“, meint er nur und macht eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Du siehst heute übrigens echt gut aus.“

Ein bisschen verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel, trinke ich den Rest meines Kaffees aus. Ich sehe heute gut aus? Mit dem Drei-Tage-Bart und dieser Out-of-Bed-Frisur? Mein Outfit ist sowieso fantastisch, das weiß ich selbst. Aber jetzt ganz im Ernst? Ihm gefällt dieses Styling, das ja wohl gar nicht Tristan-like ist?
 

„Meinst du?“, frage ich verwundert nach und streiche mir etwas unsicher über die chaotischen Haare. Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen und er nickt langsam. Mir wird warm, als ob man in meiner Brust eine kleine Kerze angezündet hätte. „Es ist anders als sonst“, fängt er an und ich schlucke leicht. „Siehst aber mit beiden Looks gut aus.“

Mehr sagt er nicht. Er sieht mich nur mit diesem ungewohnt sanften Lächeln im Gesicht an. Etwas verlegen, lehne ich mich zurück und beiße mir leicht auf die Unterlippe.
 

Lange Zeit sagen wir überhaupt nichts. Wir sehen uns einfach an. Normalerweise hätte mich das wahnsinnig gemacht. Doch aus irgendeinem Grund stört es mich diesmal nicht. Im Gegenteil. Diese Stille ist angenehm. Sein Blick, der auf mir ruht ist angenehm. Irgendwie einfach alles.

Meinen Kaffee habe schon lange ausgetrunken und Keys Shake scheint sich auch verdünnisiert zu haben. Wir hätten sicher noch Stunden hier sitzen können, aber der Angestellte, der an der Theke steht, glotzt uns schon länger merkwürdig an.
 

„Gehen wir raus?“, frage ich schließlich und er nickt leicht. Wir stehen auf und er zieht seine schwarze Jacke an. Möglichst unauffällig mustere ich ihn. Sein Hintern sieht in dieser dunklen Jeans wirklich sehr gut aus. Zusammen mit dem schwarzen Longsleeveshirt wirkt es beinahe elegant. Er lässt die Jacke noch offen, richtet den Rollkragen seines Hemdes etwas. Langsam streife ich mir meinen Mantel über, beobachte ihn weiter. Dieser schlanke, athletische Körper...

Er schließt mit einer schnellen Bewegung den Reißverschluss der Jacke und vergräbt sofort seine Hände in den Taschen. Ein Blick, ein kurzes Nicken und wir verlassen das Café.
 

Draußen laufen wir schweigend nebeneinander her. Plötzlich schüttelt er leicht den Kopf, macht eine wegwerfende Geste und ich frage mich was er damit bezwecken will. Irritiert hebe ich eine Braue, sehe ihn schief an. Als er dann aber anfängt zu pusten, geht mir ein Licht auf. Ich muss leise lachen, als ihm seine Haarspitzen trotzdem immer wieder in die Augen fallen. Und bevor ich es überhaupt realisiert habe, habe ich die Hand schon nach ihm ausgestreckt, streiche ihm langsam die Haare aus dem Gesicht. Augenblicklich bleibt er stehen, sieht mich an. Weich und sanft fühlen sich seine Haare unter meinen Fingern an. Dieses dunkle blond... Oder ist das eher ein hellbraun?
 

Nebliger, weißer Dampf steigt jedes Mal in die Luft, wenn wir ausatmen. Ein sanfter, rosafarbener Schimmer hat sich auf seine Wangen gelegt. Wegen mir? Natürlich nicht, aber... der Gedanke ist schön. Wir stehen dicht aneinander, seine Nasenspitze berührt beinahe meine. Seine eisblauen Augen sehen mich erwartungsvoll an, fast als ob er... einen Kuss wollte? Schnell und hart schlägt mein Herz in meiner Brust, lässt das Blut durch meinen Körper rauschen. Sein seltsamer Duft umhüllt mich, sein Blick hält mich gefangen. Die Passanten, die uns schiefe Blicke zu werfen, nehme ich gar nicht mehr wahr. Noch immer streiche ich abwesend durch seine Haare, spüre die weichen Strähnen zwischen meinen Fingern.
 

Seine Unterlippe bebt etwas, er beugt sich ein kleines Stückchen vor. Langsam komme ich ihm entgegen, spüre seinen warmen Atem an meiner Haut. Seine Hand legt sich sanft auf meinen Oberarm, lässt mich leicht erschauern. Flüchtig berühren sich unsere Lippen, senden mir heiße Schauer über den Rücken. Mein Herz flattert in meiner Brust, eine sanfte Wärme steigt in mir auf. Was tue ich hier...?

Etwas kleines, nasses berührt mein Gesicht und meine Hände. Ich blinzle, sehe Schneeflocken, die sich in Keys Haaren verfangen. Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen, als er seine Hand hebt und sie nun seinerseits durch meine Haare streichen lässt.

Es ist eine merkwürdig vertraute, zärtliche Geste. Wieder beuge ich mich vor, hauche ihm einen Kuss auf die kalten Lippen...
 

„Also doch ein Date!“

Erschrocken fahre ich zusammen, drehe mich ruckartig um. Breit grinsend steht mein Vater da und hebt zwei Tüten hoch, die er in seinen Händen hält. Mein Herz, das mir eben in die Hose gerutscht ist, wandert noch ein paar Etagen tiefer und leistet meinen schönen, schwarzen Schuhen Gesellschaft. Hey, wie ist die Luft da unten?

Leise kichernd meldet sich Paul auch mal zu Wort und räkelt sich in der Spott- und Faulenzerecke meines Gehirns. „Lalala“, trällert er kindisch und ich versuche gedanklich nach seinem Hals zu schnappen und mal ganz fest zuzudrücken. Am Besten solange, bis sein imaginäres Gesicht blau wird. „Inflagranti erwischt!“
 

Mein Pokerface leistet mal wieder grandiose Arbeit und ich tue nichts weiter als genervt eine Braue zu heben. „Was machst du denn hier?“, frage ich augenscheinlich unberührt und lasse langsam meine Hand sinken. Kalt und leer fühlt es sich zwischen meinen Fingern an und ich habe das Bedürfnis sofort wieder durch Keys Haare zu fahren. So schön weich...

„Na, was wohl? Einkaufen natürlich! Madeleine hat doch nächste Woche Geburtstag“, erinnert er mich und ich könnte mir sofort auf die Stirn klatschen. Das hatte ich ja total vergessen! „Wie ich sehe, bist du aber anderweitig beschäftigt...“
 

Ein heißes, unangenehmes Prickeln kriecht meinen Hals hoch und legt sich in einer peinlichen Röte über mein Gesicht. Hallo? Erde an Tristan! Du wirst in zwei Jahren 30, da wird man nicht mehr rot! Vor allem als Vorzeigearschloch nicht!

Ein Glück, dass es so kalt ist. Da kann ich es zumindest auf die Kälte schieben. „Das. Ist. Kein. Date“, verneine ich mit einem Ton, der keine Widerrede duldet. „Er ist ein Kumpel. Mehr nicht.“

Im selben Moment, als diese Worte meinen Mund verlassen haben, könnte ich mich vor einen Zug schmeißen. Kumpel? Mehr nicht? Welcher Idiot würde denn seinen Kumpel küssen? Vorsichtig sehe ich zu Key und muss gleich schlucken. Sein Blick ist kalt. Nicht so wie sonst eher „Kühlschrank“-kalt, nein, „Tiefkühlfach“-kalt. Oder „Nordpol“-kalt. Oder... Verdammt!
 

Doch im nächsten Moment lächelt er, sieht zu meinem Vater, wobei er geschickt von mir wegrückt. „Er hat Recht. Das ist kein Date“, meint er plötzlich und sein Lächeln wird so breit, dass es gar nicht mehr echt sein kann. „Ich küsse meine Kumpels immer so.“

Der stechende Sarkasmus in seiner Stimme verpasst mir einen harten Schlag ins Gesicht. Und in mein Herz.

Sein Lächeln erlöscht, er wirft mir noch einen Tiefkühl-Blick zu und rauscht wortlos ab.
 

Pfeifend sieht mein Vater ihm hinterher und deutet ein Klatschen an. „Der kann das ja besser als du!“, meint er und ich knurre ihn an. Ja, diese Taktik benutze ich auch oft. Falsch lächeln, etwas Nettes mit triefendem Sarkasmus sagen und abrauschen. Das hat Key bei mir ja auch schon erlebt.

Ich sehe ihm nach, würde ihm am liebsten hinterherrennen und... ja, was? Habe ich gerade wirklich mit dem Gedanken gespielt ihn so lange zu küssen, bis... Scheiße. Tristan komm zu dir! Du bist ein glückliches Single-Arschloch, du bist ein glückliches Single-Arschloch, du bist...

„Anscheinend bin ich nicht der einzige, der dieses Treffen auf ein Date geschätzt hat!“, plappert mein Vater munter weiter.
 

Mein Kopf ist wie leer gefegt, als er endgültig aus meinem Sichtfeld verschwunden ist und ich höre meinem Vater längst nicht mehr zu. Ich habe Scheiße gebaut. Und was für Scheiße. Wenn ich hier nicht mitten in der Öffentlichkeit stehen würde, würde ich anfangen mit meiner Stirn gegen die nächste Hauswand einzuschlagen. Ich Vollidiot!

Moment. Wieso eigentlich Vollidiot? Ist doch gut, dass das passiert ist. Wenn das ein Date gewesen wäre, hätte es ja heißen müssen, dass ich auf so etwas Lächerliches wie einer Beziehung aus bin! Ha, Schwachsinn! Beziehung, pf! Als ob ich jemals wieder den liebenden Freund spielen würde. Tja, lieber Key, tut mir ja Leid, aber ich bin nicht so. Schon lange nicht mehr.

„Ich geh heim“, murmle ich ungewohnt leise und lasse meinen Vater da stehen.
 

Aber egal wie lange ich mir das auch einrede.
 

Dieses Gefühl einen Fehler begangen zu haben, lässt nicht los.
 


 

Hey, Leute!

Eigentlich mag ich solche Messanges in einem Kapitel gar nicht, aber die hier ist wichtig.

Es tut mir echt Leid, dass ich immer so lange brauche, um ein Kapitel zu schreiben. Und umso mehr tut es mir Leid, zu sagen, dass Comatose erst mal pausieren wird. Ich werde nämlich an einem Sommerprojekt arbeiten. Es heißt "Hate and Fate". Ich will es noch diesen Sommer (Kann man dieses Wetter als Sommer beschreiben?) fertig bekommen und werde es erst dann in FF und in anderen Seiten veröffentlichen. Damit man nicht so lange warten muss wie hier. Ich hoffe, dass ich dadurch keine meiner lieben Leser verliere...
 

Vielleicht schnuppert ihr ja in "Hate und Fate" rein und ich sehe euch bald wieder!
 

Eure Belle Audrey, die lahme Schnecke.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von: abgemeldet
2013-12-01T14:07:04+00:00 01.12.2013 15:07
omg. ich bekomme gerade einen lachflash, denn beide film, die sie sich angucken kenne ich und stehen in meinem DVD regal xD
sollte ich auch mal wieder gucken
Von:  Mayari
2011-08-17T19:29:31+00:00 17.08.2011 21:29
Ich hoffe du lässt und nicht zu lange warten! ^^

Ist echt eine tolle FF die du da schreibst... ;)
Bin auch echt gespannt darauf wie Tristan das wieder hinbiegt mit Key...!^^

Na dann
bis hoffentlich bald! =))

LG
Von:  Inan
2011-06-22T10:44:14+00:00 22.06.2011 12:44
Tjaja, Tristan wirkt halt Wunder, wenn er denn mal will, ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie Felix vollkommen verwirrt in der auf einmal aufgeräumten Wohnung steht und sich fragt, welches Alien den echten Tristan gefressen hat xD
Aber dafür, dass er erstaunlich fürsorglich sein kann, steht Tris manchmal wirklich auf dem Schlauch...so Cody-technisch...oder er hat einen guten Verdrängungsmechanismus xD
Nya, tolles Kapitel , es ist toll, wie direkt man seine Gedanken mitverfolgen kann =)
Von:  Inan
2011-05-15T21:22:59+00:00 15.05.2011 23:22
Ohne Cody wäre Tristan wohl ein Wrack...oder tot, schließlich wäre er so auch nie von Jan losgekommen~
Wie er wohl darauf gekommen ist, seine innere Stimme Paul zu nennen?
However, tolles Kapitel^^
Von:  -wolfsmoon-
2011-04-19T23:57:28+00:00 20.04.2011 01:57
Hui, interessante Geschichte :D
Die Charaktere gefallen mir sehr gut. Da steckt einfach noch so viel Hintergrund hinter, dass man richtig neugierig wird ^^
Und der Spruch, dass Tristan verliebt geguckt hat, musste einfach kommen. Da bin ich dir sehr dankbar für :D Eine Hochzeit...hm...bin ich mal gespannt^^
Freue mich schon auf das nächste Kapitel ;)
Von:  saspi
2011-04-15T20:58:45+00:00 15.04.2011 22:58
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  Inan
2011-04-14T15:30:16+00:00 14.04.2011 17:30
Tja, Sarkasmus hat wirklich was, da kann man unterschwellige Dramatik in Texte einbauen und das dann als Stilmittel verkaufen...oder eben Gefühle so verpacken, dass man schon nach ihnen suchen muss, um sie zu sehen, wenn man es richtig macht~
Hoffentlich nimmt Tristan es nicht zu schwer, dass sein Vater jetzt heiratet, er bezeichnet das dann wohl als ekehaften Kitsch oder sowas xD
Tolles Kapitel~
Von:  Inan
2011-03-18T16:25:25+00:00 18.03.2011 17:25
Cody ist knuffig, der muss ja echt ne extrem vetrauenswürdige Ausstrahlung und gute Menschenkenntnis haben, wenn er sich einfach mal zu nem Kerl im Café hocken und ihm seine wahren Gefühle entlocken kann xD
Tolles Kapitel~ <3
Von:  Inan
2011-02-23T23:01:55+00:00 24.02.2011 00:01
So wenig Kommentare Oo
Fands bisher echt fesselnd, echt gut geworden =)
Von:  ReinaDoreen
2011-02-08T20:50:24+00:00 08.02.2011 21:50
Toller Anfang.
Reni


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