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Comatose

Und je mehr ich mich verstecke, merke ich, dass ich dich langsam verliere
von

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Chapter 5 - Welcome back!

„Warum genau, bin ich eigentlich hier?“, frage ich genervt, lasse mich von wildfremden Menschen anrempeln und bekomme allgemein wenig Luft, während ich hier total nutzlos herumstehe und warte.
 

„Weil Felix einer deiner besten Freunde ist?“, versucht es Cody zaghaft und zuckt hilflos mit den Schultern, während meine Schwester Janina ihren Blick durch die Menge schweifen lässt. Anscheinend versucht sie Felix unter den Hunderten von Menschen auszumachen. Was natürlich nicht funktioniert.
 

Man kann nicht behaupten, dass Felix mir egal wäre. Aber ich wäre viel lieber zu Hause geblieben und hätte gemütlich vor dem Fernseher gesessen, anstatt hier dumm herumzustehen und auf ihn zu warten.
 

Doch da gibt es ja noch meine liebe Halbschwester, die es für nötig hält ihn direkt am Flughafen abzuholen und gleich eine riesige Willkommensparty zu schmeißen.

Was natürlich völliger Blödsinn ist. Wer will bitte nach einem langen, erschöpfenden Flug noch Party machen?
 

Jedoch ist die gute Janina nicht gerade eine einfühlsame oder sensible Person, weswegen es ihr reichlich egal ist, ob er nun schlafen möchte oder nicht.
 

Und da Felix es sowieso nie schafft sich irgendwie bei ihr durchzusetzen, wird er mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder nachgeben und total übermüdet und gereizt in seinem Sessel hocken, während diese Verrückte in seiner Wohnung feiert was das Zeug hält.
 

Das war letztes Jahr auch so. Vorletztes Jahr auch. Sogar vorvorletztes Jahr ist es genauso abgelaufen. Eigentlich seit Janina ihn kennt. Was leider meine Schuld ist, schließlich ist sie meine Schwester und sie muss immer jeden kennen, den ich auch kenne.
 

Genauso wie Cody jeden Film gesehen haben muss, den ich mir aus Langeweile reingezogen habe. Und wie Felix jeden im Bett gehabt haben muss, den ich auch hatte. Wenn ich ehrlich bin habe ich manchmal das Gefühl von vollkommen gestörten Irren umzingelt zu sein, die mir irgendwie alles nachmachen und mir rund um die Uhr nachspionieren.
 

Da ich so vom Leben gestraft bin und es partout nicht schaffe mich meiner endlosen Pechsträhne zu entziehen, muss ich mich wieder einmal meinem Schicksal ergeben und warten. Und zwar bis Felix seinen Arsch herschiebt, damit ich mich wieder aus dem Staub machen kann. Am besten bevor mich Janina dazu zwingt mit ihr Party machen.
 

„Da ist er!“, kreischt Janina lautstark, fuchtelt mit ihrem Zeigefinger in der Luft herum und hüpft wie ein Flummi auf und ab. Weswegen sich auch einige Köpfe nach uns umdrehen. „FELIX!“
 

Tatsächlich stolpert ein total übermüdeter, braungebrannter Felix auf uns zu, der hechelnd seine Koffer und Taschen durch den Flughafen schleppt. Ohje, der Arme. Und da will Janina noch feiern?
 

„Hört auf zu glotzen und helft mir mit den beschissenen Koffern!“, motzt er auch gleich und drückt mir und Cody sämtliches Gepäck in die Hand.
 

„Ich freue mich auch dich wieder zu sehen, mein Schatz!“, trällere ich und werfe die schwere Tasche über meine Schulter. Anscheinend hat Felix aber keine Lust sich zu freuen, denn er schaut mich nur finster an und schnaubt genervt.
 

„Lass deinen blöden Sarkasmus und bewege deinen Arsch hier raus!“, zischt er genervt und stampft Richtung Ausgang. Fragend sehe ich zu Cody, der nur mit den Schultern zuckt und ihm folgt.
 

Janina stellt sich neben mich und meint: „Ich glaub der hat seine Tage.“

Meine Laune liegt bereits am Tiefpunkt, als wir hinaus gehen und zu meinem Auto trotten.
 

Als ich heute früh aufgewacht bin und gesehen habe, dass mein Kaffee alle ist, habe ich bereits geahnt, dass der heutige Tag absolut beschissen werden würde.
 

Und tatsächlich hat meine Kaffeetheorie gestimmt. Sonst wäre ich ja nicht hier und würde versuchen Felix´ viel zu schwere, bekloppte Koffer in mein Auto zu quetschen.

Warum hat er auch verdammte zwei Koffer mit nach Spanien nehmen müssen? Reicht einer nicht?!
 

Dann ist dieser Idiot nicht mal dankbar für die schwere Arbeit, die ich hier leiste und wagt es auch noch sich über meine Musik zu beschweren, während ich versuche mich auf die Straße zu konzentrieren.
 

„Was findest du eigentlich an diesem Sänger?“, nörgelt er herum, während er missbilligend auf meine Skillet-CD starrt. „Der hat doch ein total hässliches Gesicht und kaum Haare auf dem Kopf! Muskeln und lange Beine hin oder her, aber der Typ ist potthässlich und singen kann er auch nicht! Und dann auch noch…“
 

Stur zwinge ich mich ruhig zu bleiben und weiter auf den Verkehr zu achten, während er einfach weiter plappert und mir irgendwas von Haarkoffein erzählt, das meinem überaus attraktiven Lieblingssänger wieder Haare beschaffen soll.
 

Na, gut. Ich gebe zu, dass John Cooper, der Sänger der Band, kein sonderlich hübsches Gesicht hat. Und eine wallende Prachtmähne auch nicht. Aber es ist nun mal Tatsache, dass sein Body wirklich mehr als nur ein bisschen sexy ist. Vorallem beim Musikvideo von Hero.
 

Bei ihm würde ich mich sogar freiwillig flachlegen lassen. Und das muss etwas heißen, denn ich liege selten unten. Es gab wirklich nur ein paar Male bei denen das passiert ist.

Doch die kann ich an einer Hand abzählen.
 

Ich habe auch keine Probleme damit zuzugeben, dass ich eben nicht immer oben liege, aber einer von den „Unfällen“ bereitet mir noch heute Magenschmerzen.

Es ist nach einer von Janinas Partys gewesen. Ich war gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt und stockbesoffen.
 

Wenn ich ehrlich bin, habe ich keinen Plan was genau passiert ist, aber ich kann mich nur zu gut daran erinnern, dass ich mit schrecklichen Arsch- und Kopfschmerzen aufgewacht bin und ein vollkommen nackter Cody neben mir lag.
 

Ja, Cody hat mich gefickt. Und ich bin nicht stolz darauf. Wir haben nie wirklich darüber geredet und vermeiden das Thema sogar noch heute. Nach sechs vollen Jahren.
 

„Vielen Dank, dass Sie Tristans Speedtaxiservice gewählt haben“, witzele ich, als wir da sind und lächele Felix so fröhlich wie möglich an. „Beehren Sie uns am besten nie wieder!“
 

Sein Blick spricht Bände und ich ziehe es vor ab jetzt meine Klappe zu halten, wenn ich mein überaus hübsches Köpfchen noch am rechten Platz behalten möchte.
 

Schweigend steigt er aus und stampft zu seiner Wohnung. „Und was ist mit deinen Koffern?“, rufe ich noch hinter her und stelle missbilligend fest, dass er die Tür offen gelassen hat.

Das heißt: Bring sie mir rein, Sklave!
 

Schnaubend steige ich aus und schleppe mit Cody doch tatsächlich seine bescheuerten zwei Koffer und drei Reisetaschen die Treppen hinauf in seine Wohnung.

Und da nennt man mich eingebildeter Egoist? Meine Gutmütigkeit wird sogar schamlos ausgenutzt!
 

„Der kann froh sein, dass ich so nett, freundlich und warmherzig bin…“, murmle ich gereizt und stelle die letzten Taschen in das vollkommen demolierte Schlafzimmer vom überaus reizenden Felix ab.
 

Hinter mir kichert Cody bekloppt. Ich drehe mich genervt zu ihm um. „Was ist denn so lustig?“, zische ich und er grinst mich breit an.
 

„Du solltest dich mal selbst fluchen hören“, schmunzelt er, hält sein Lachen anscheinend mühevoll zurück. „Einfach zu komisch!“
 

Aha. Er findet es also witzig, wenn sein bester Freund sich für einen guten Zweck die Arme ausrenkt. Und das alles nur, weil irgendwo ganz tief in ihm drin noch der armselige, aufopferungsvolle Tristan schlummert, der von Jan in einen doppelwandigen, mit hochsicherem Doppelbart Schloss ausgestatteten Panzertresor eingeschlossen wurde und nur in seltenen Momenten wie diesem wieder zum Vorschein kommt.
 

Wirklich, sehr komisch. Ich lache mich kaputt. Haha.
 

„NEIN!“, kreischt Felix und ich höre irgendetwas poltern. Was... war das denn?!

Vorsichtig schleichen ich und Cody in die Küche und entdecken Janina und den Schreihals darin.
 

„Du kannst dir deine verfickte Party in den Arsch schieben und jetzt lass mich in Ruhe!“, brüllt Felix und wirft die Plastikbecher für die Erdbeerbowle nach Janina, die sich duckend hinter einem Stuhl versteckt.
 

Irgendwas an diesem Bild stimmt nicht. Ich habe Felix nämlich noch nie so schreien hören und das Janina sich, wegen einer mit Plastikbechern werfenden Schwuchtel, hinter Stühlen versteckt ist mir auch neu.
 

„Felix!“, keucht Cody überrascht auf und hechtet zu der schreienden Furie.

Mit einem festen Griff packt er ihn und setzt ihn auf einen Stuhl. „Was ist hier bitte los?!“
 

Tränen laufen über seine Wangen und Cody ist für einen Moment total verwirrt. Ich auch. Felix weint? Herrje, was ist denn passiert?
 

Langsam komme ich auch näher, schiebe Cody zur Seite und lege meine Hände auf die Schultern von dem weinenden Elend hier. „Hey, was ist passiert?“, frage ich leise und nehme ihn kurz in den Arm, als er dann nur schluchzt und sein Gesicht in seinen Händen vergräbt. „Pst…Ruhig.“
 

Sachte wippe ich hin und her und versuche ihn irgendwie zu beruhigen. Wenn mein Kaffee das nächste Mal alle ist, bin ich vorgewarnt und gehe am besten gar nicht erst raus.

Man lernt ja bekanntlich immer dazu.
 

Tatsächlich funktioniert mein eher schlechter Versuch ihn wieder zu beruhigen. Langsam löst er sich von mir, schnieft und murmelt dann irgendetwas, das ich nicht verstehe.
 

Als ich ihn dementsprechend verwirrt ansehe, versucht er es noch einmal deutlicher: „I-ich… Fernando ist… Also ich... Ich vermisse ihn.“
 

Es dauert etwas länger bis mein Gehirn diese Worte so weit verarbeitet hat, dass ich daraus irgendetwas Sinnvolles schlussfolgern kann. Das Ergebnis heißt: Felix hat sich höchstwahrscheinlich in einen spanischen Typen namens Fernando verliebt und trauert ihm gerade hinterher.
 

„Oh“, bringe ich nur hervor und Felix fängt wieder an zu weinen.

Toll gemacht, Tristan, du bist echt klasse!
 

Nur leider, habe ich tatsächlich keine Ahnung was ich jetzt sagen soll. Vom Liebeskummer kann ich Lieder singen, aber was macht man beim Trösten?

Mir fällt da nur eine Sache ein, die vielleicht – ich betone das vielleicht – funktionieren könnte.
 

Zaghaft schiebe ich eine Hand unter seine Beine und hebe ihn hoch. Beinahe wäre er mir wieder herunter gefallen, denn mit so einem Gewicht habe ich nicht gerechnet.

Verdammt, ist der Typ schwer! Dabei ist er nicht mal so groß wie meine Schwester!
 

Felix klammert sich an meinen Hals und sieht mich aus großen, blauen Augen an.

Langsam aber sicher, macht mir der Junge Angst...
 

Cody und Janina schauen mir bloß belustigt dabei zu, wie ich versuche dieses Ding auf meinen Armen ins Schlafzimmer zu tragen. „Glotzt nicht so blöd!“, presse ich zwischen den Zähnen hervor und schleppe mich mit zitternden Armen in besagten Raum.
 

Dass sein Zimmer vollkommen verdreckt ist und jede Menge Müll auf dem Boden liegt, macht es mir ehrlich gesagt nicht leichter.

Als ich endlich an seinem Bett ankomme und ihn so vorsichtig wie möglich hineinlege, muss ich kurz erleichtert auf seufzen. Gott, war das schwer!
 

Wie ein kleines Kind liegt er da, sieht mich aus feuchten Augen an. Ohje. Ich weiß verdammt genau wie er sich jetzt fühlt. Leer und kalt.

Langsam nehme ich alle Kissen, die ich finden kann und schüttele sie auf.
 

Als ich mich von Jan getrennt habe, hat mein Vater das auch gemacht. Er hat sie mir unter den Nacken, den Rücken, die Knie und die Füße gelegt und das mache ich jetzt bei Felix, der mir nur stumm dabei zusieht.

Vorsichtig decke ich ihn zu, bedacht darauf keine unnötigen Geräusche zu machen und streiche ihm eine hellbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
 

Es ist recht kalt im Zimmer und ich drehe auch die Heizung etwas auf. In sich drin ist einem in so einer Situation schon kalt genug, da sollte zumindest der Körper nicht frieren.

Die schwarzen Gardinen ziehe ich auch zu.

„Tristan?“, nuschelt er leise und ich setze mich zu ihm ans Bett. „Danke.“
 

Ich lächle ihn nur an, weiß gar nicht was ich jetzt sagen soll. Herrje, ich fühle mich langsam wirklich wie früher. Wo hat sich denn bitte der neue, stärkere Tristan versteckt, den ich mir an gearbeitet habe? Was macht denn der Alte hier?
 

„Ruh dich aus, du hast einen langen Flug hinter dir“, sage ich nur leise und stehe auf.

Und eine harte Zeit vor dir, ergänze ich in Gedanken, knipse das Licht aus und verlasse das Zimmer. Als ich mich umdrehe blicke ich in Codys und Janinas grinsende Gesichter.
 

Schlagartig ist mein neuer, wunderbarer Tristan wieder da und meine Laune legt sich umso gemütlicher und schwerer auf den Tiefpunkt der Gereiztheit.
 

„Wie schön, dass ich zu eurer Erheiterung beitragen konnte!“, trällere ich und lächele die beiden gespielt fröhlich an. „Würdet ihr jetzt eure hübschen Popöchen aus Felix´ Wohnung bewegen? Er braucht nämlich Ruhe!“
 

„Versteh das nicht falsch, Tristan“, flüstert Janina, während wir das Treppenhaus herunter laufen. „Aber du hättest dich mal selbst sehen sollen. Das sah echt noch kitschiger aus, als Mike und Dannys rosarote Hochzeit in Codys Lieblingsschnulze!“
 

Cody nickt zustimmend und meint dann auch noch: „Ich habe schon vergessen, dass du auch total zärtlich sein kannst. Da war einfach irgendwie... ungewohnt, weißt du? Sonst bist du immer... naja... anders halt.“
 

Ich ziehe es vor zu schweigen, verlasse das Gebäude und steige wortlos in mein Auto. „Hey, nimmst du uns nicht mit?!“, kreischt Janina hinterher, als ich den Motor anschalte.

Das Letzte was die Beiden von mir zu Gesicht bekommen ist mein Mittelfinger, bevor ich davon düse und sie alleine da stehen lasse.
 

Cody wohnt sowieso nur zwei Blocks weiter und Janina kann auch einfach ihren wundervollen Ehegatten anrufen und sich holen lassen. Ich habe heute schon genug einen auf Wohltäter gemacht und das reicht auch für die gesamte Session. Wenn es geht für immer.
 

Leider passiert es immer wieder, dass ich ab und zu in mein altes Muster verfalle. In diesen Momenten sollte man meinen, ich wäre... nett...
 

Allein daran zu denken, ist schrecklich! Ich will nicht mehr nett sein! Das war ich lange genug und was hat es mir gebracht? Jede Menge Ärger und Schmerzen. Nein, danke, nicht nochmal! Achtzehn Jahre sind, meiner Meinung nach, genug.
 

Ich komme zu Hause an, parke in der Garage und steige aus dem Auto. Heute werde ich nichts weiter machen, als auf meiner Couch zu gammeln und durch die Sender zu zappen. Tristan, der Gammler, schlägt wieder zu!
 

Doch leider, bleibt das nur ein schöner, weit entfernter Traum, denn sobald ich mich in Jogginghose und T-Shirt auf die Couch werfe, klingelt es schon an meiner Tür.
 

Genervt stöhne ich auf und schlurfe völlig unmotiviert zum Störfaktor. Da will man einmal vor sich hin gammeln und dann so was! Vorsichtig öffne ich die Tür und strecke meinen Kopf heraus. Falls das jemand Wichtiges ist, kann ich ihn wohl kaum in dem Aufzug entgegentreten.
 

Ich höre ein raues Ein- und Ausatmen. Was...?
 

Da steht so ein Typ mit einer billigen Clownmaske. Hä? Was soll das denn werden?

„Ich bin dein Vater...!“, keucht dieser Irre schließlich und macht nochmal einen auf Ich-bin-zu-dumm-zum-atmen.
 

Okay, das wird mir echt zu blöd.
 

„Klar, und ich bin Madonna! Wer zum Henker bist du denn?“, zische und hebe genervt eine Braue. Soll das ein schlechter Scherz sein? Wer macht so was denn noch?

Dabei wollte ich doch nur einen gemütlichen Abend auf meiner Couch verbringen!
 

Und dann höre ich ein Lachen – sein Lachen um genau zu sein. Oh, mein Gott. „Jetzt im Ernst, ich bin wirklich dein Vater!“, grunzt mein überaus geliebter Erzeuger und reißt sich die Maske vom Kopf. Natürlich, wer hätte es denn sonst sein können?
 

„Ich bin seit vorgestern wieder in der Stadt und habe mir gedacht, wir machen mal so einen richtigen Männerabend! Du weißt schon, so ein Vater- und Sohnzeugs!“, plappert er und schiebt sich völlig unaufgefordert an mir vorbei in die Wohnung. Hipp, Hipp, Hurra...!
 

Noch etwas perplex schließe ich endlich die Tür und wanke meinem Vater hinterher in mein Wohnzimmer. Dieser pellt sich aus seinem Mantel wirft ihn mitsamt der Maske über die Lehne meiner schwarzen, teuren Ledercouch.
 

„Was sollte das eben werden?“, frage ich ihn, leicht genervt mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme. Ich wusste ja schon immer, dass er verrückt ist, aber solche Aktionen sind mir neu.
 

Er rollt mit den Augen und seufzt: „Ach, Tris! Du bist so steif, weißt du das? Verstehst nicht mal mehr Spaß!“
 

Oh, ja! Steif bin ich wirklich sehr oft, bin ich versucht zu sagen, halte aber lieber meine Klappe. Wenn mein Dad schon mal nach München kommt, um mich zu besuchen, sollte ich ihn auch nicht gleich wieder vergraulen. Denn nichts desto trotz, ist er mein Vater. Übrigens ist er wirklich der Einzige, dem ich es erlaube mich „Tris“ zu nennen.
 

„Also gut! Willst du was trinken, Dad?“, lächle ich und er lässt sich auf die Couch fallen.

Er hat sich die Jahre über ziemlich gut gehalten. Noch immer ist er recht schlank, groß und allzu faltig ist er auch noch nicht. Kann vielleicht auch daran liegen, dass er viel zu jung Kinder bekommen hat. Mit Einundzwanzig Jahren heiraten und auch noch mit dreiundzwanzig ein Kind kriegen, ist doch etwas heftig.
 

Aber das ist keine Entschuldigung dafür, dass er mich vierzehn Jahre meines Lebens allein mit meiner Mutter gelassen hat. Er hätte sie gar nicht erst heiraten sollen, wenn er sich doch sowieso nicht binden wollte. Und das ich genauso aussehe wie er, hat diese Zeit auch nicht erträglicher gemacht. Im Gegenteil.
 

Meine Mutter hat ihren Frust und ihren Hass an mir ausgelassen. „Du bist doch genauso wie er!“, hat sie immer gesagt. Kunststück, ich bin schließlich sein Sohn. Was kann ich denn dafür, dass ich wie sein kleiner Bruder aussehe?
 

„Hast du Bier da?“, fragt er und ich sehe ihn kurz verwundert an. „Was denn?“

Ich zucke mit den Schultern und sage: „Naja, du trinkst doch sonst immer Champagner, Wein... So ein teures Zeug halt.“
 

Auch er zuckt mit den Schultern. „Glaub mir, jeder braucht mal eine Pause von Wein“, seufzt er und fährt sich durch sein leicht ergrautes Haar. „Nur weil wir beide viel Geld haben, heißt das nicht, dass wir nicht auch mal ein einfaches Bier trinken können, oder?“
 

„Ich geh mal nachschauen, ob ich so was überhaupt im Haus habe“, meine ich nur und gehe runter in den Keller. Eigentlich trinke nur selten. Mir schmeckt Alkohol eben nicht sonderlich. Außerdem mache ich nur Blödsinn, wenn ich trinke und darauf kann ich sehr wohl verzichten.

Nur im Sky9 trinke ich ab und an ein paar von Codys Drinks, aber von denen werde ich ja auch nicht so schnell betrunken.
 

Mein Gott, ich habe ja tatsächlich Bier hier unten! Ah, stimmt. Das war ja wegen Janinas Geburtstag. Wir haben in meinem Haus Party gemacht und Cody hat so viel Bier angeschleppt, dass ich immer noch ein paar hier rumstehen hab. Ist ja nicht so lange her, gerade mal zwei Wochen. Da war Felix noch in Spanien. Der Glückliche.
 

Ich schnappe mir zwei Flaschen und gehe wieder zu meinem Vater. Der nimmt sein Bier dankend entgegen und starrt weiter auf den Fernseher, den ich wohl vorhin angelassen habe. Langsam lasse ich mich neben ihm fallen und öffne meine Flasche.
 

„Und? Wie läuft es bei der Arbeit?“, fragt er dann und nippt an seinem Bier.

In dem komischen Film verprügeln sich gerade zwei Typen, während so eine Tussi daneben steht und heult. Langweilig. Wegschalten.
 

„Bei Stevie Junior läuft alles bestens, und bei Senior?“, fahre ich den Smalltalk fort und überlege gerade, ob ich mir kämpfende und hysterisch kreischende Ninjas antun soll oder nicht. Hm... Ne, lieber nicht! Wegschalten.
 

Grinsend sieht er mich kurz an und antwortet schließlich: „Ja, bei dem alten Sack läuft es momentan auch nicht schlecht.“

Danach wird es wieder ruhig. Aber das ist eigentlich normal bei uns. Allzu viele Gesprächsthemen haben wir ja sowieso nicht. Von seinen Affären will ich nichts wissen und mein Liebesleben existiert ja schon lange nicht mehr.
 

Und von der Arbeit reden wir auch nicht viel. Er weiß ja, dass ich eigentlich nie Architekt werden wollte. Außerdem ist er hier, weil er eben eine Pause von der Arbeit braucht. Gibt es noch andere Themen? Naja, zumindest welche, bei denen wir nicht auf unsere reichlich missglückte Vergangenheit kommen?
 

Wir könnten uns natürlich auch über Fußball unterhalten, nur leider schaue ich diesen Schwachsinn nicht. Ich habe es sehr oft versucht, weil Cody ja so ein großer Fan ist, aber ich bin beinahe jedes Mal dabei eingeschlafen. Es langweilt mich eben, da passiert ja nicht wirklich etwas. Da rennen nur zwanzig Idioten einem blöden Ball hinterher, während die restlichen zwei dumm herum stehen.
 

Schweigend starren wir noch eine Weile auf den Fernseher, als dann mein Geschäftshandy klingelt. So ein total langweiliger Piepton. Seufzend stehe ich auf und hebe ab. „Guten Abend, Stevenson hier. Wer ist dran?“, sage ich in einem freundlichen Ton und staune nicht schlecht, als ich die Stimme meines Anrufers höre.
 

„Hier ist Key, du erinnerst dich noch?“, fragt er und ich fange sofort dämlich zu grinsen an. Nach zwei Wochen Funkstille seinerseits ruft er wirklich an! Er kam nämlich zu keinen weiteren Terminen mehr und sein Bruder meinte, er hätte Stress bei der Arbeit.

Ich dachte, dass er einfach keinen Bock mehr auf mich hätte.
 

Doch jetzt ruft er an. „Klar erinnere ich mich!“, lache ich ins Telefon und lehne mich gegen den Türrahmen des Wohnzimmers. „Wie komme ich zu der Ehre?“

Neugierig dreht sich Dad zu mir um und hebt eine seiner dunklen, dicken Brauen.
 

Ich lächle nur und warte auf Keys Antwort. „Naja, falls dein Angebot noch steht, können wir ja mal was zusammen machen“, meint er schließlich und ich grinse noch einen Tick breiter. „Aber nicht in dem Café, wie wäre es mit einem Abend im Sky9?“
 

„Klar, steht das Angebot noch! Sagen wir, Samstag um 22 Uhr?“

„Abgemacht! Treffen wir uns dann an der Bar?“

„Ähm... Ja, in Ordnung. Also bis Samstag!“
 

Er verabschiedet sich und legt auf. Yeah! Das schreit ja nach einer heißen Nacht!

Dümmlich grinsend setze ich mich wieder neben meinen Vater, nehme mein unangerührtes Bier und nippe mal kurz dran.
 

Mein Vater sieht mich leicht verwirrt an und fragt dann doch tatsächlich: „Sag bloß, du hast einen Freund?“

Beinahe hätte ich mein Bier wieder ausgespuckt. Was? Einen Freund? Ich? Was denkt er bitte von mir?! Dementsprechend geschockt blicke ich ihn auch an.
 

„Sag mal, spinnst du? Wie kommst du auf diesen Schwachsinn?“, gebe ich völlig entgeistert von mir. Glaubt er allen Ernstes, dass ich nach der Sache mit Jan einfach so wieder einen Freund habe? Und ihm nicht mal was gesagt hätte?
 

Unsicher zuckt er mit den Schultern. „Naja, du klangst so fröhlich wie schon lange nicht mehr und dein Grinsen sah eindeutig verliebt aus“, erklärt er und ich weiß einen Moment nicht was ich sagen soll. Habe ich wirklich so verliebt gewirkt? „Außerdem kannst du nicht ewig so weiter machen, Tris. Irgendwann wirst du dich wieder verlieben, ob du nun willst oder nicht.“
 

Irgendwie fühle ich mich gerade ziemlich überfahren. „Das sagt der Richtige“, schnaube ich und setze wieder meine Maske auf. Er soll nicht merken, was für eine verfluchte Angst ich wirklich davor habe.
 

„Was das betrifft...“, murmelt er und senkt den Blick. Moment... Was... „Der Grund warum ich hier bin ist eigentlich... Ich werde wieder heiraten, Tristan.“
 

Okay. Das reicht. Das nächste Mal, wenn mein Kaffee alle ist, werde ich das Haus nicht verlassen und erst recht niemanden rein lassen.
 

Sicher ist Sicher.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  -wolfsmoon-
2011-04-19T23:57:28+00:00 20.04.2011 01:57
Hui, interessante Geschichte :D
Die Charaktere gefallen mir sehr gut. Da steckt einfach noch so viel Hintergrund hinter, dass man richtig neugierig wird ^^
Und der Spruch, dass Tristan verliebt geguckt hat, musste einfach kommen. Da bin ich dir sehr dankbar für :D Eine Hochzeit...hm...bin ich mal gespannt^^
Freue mich schon auf das nächste Kapitel ;)
Von:  saspi
2011-04-15T20:58:45+00:00 15.04.2011 22:58
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye

Von:  Inan
2011-04-14T15:30:16+00:00 14.04.2011 17:30
Tja, Sarkasmus hat wirklich was, da kann man unterschwellige Dramatik in Texte einbauen und das dann als Stilmittel verkaufen...oder eben Gefühle so verpacken, dass man schon nach ihnen suchen muss, um sie zu sehen, wenn man es richtig macht~
Hoffentlich nimmt Tristan es nicht zu schwer, dass sein Vater jetzt heiratet, er bezeichnet das dann wohl als ekehaften Kitsch oder sowas xD
Tolles Kapitel~


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