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Tales of the Firefly

- Burning
von

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Verlass mich nicht

It couldn’t have happened anywhere but in little old New York.

(O. Henry)
 

Flackernde Leuchtreklame flimmerte über die rauchenden Anzeigetafeln, die mit langen Rissen überzogen waren und beunruhigend über seinem Kopf brutzelten. Einige der Bildschirme hatten sich durch die Hitze zu grässlich deformierten Gebilden zusammengekrümmt. Das Gezeter einer Alarmanlage riss in aus den Gedanken. Nur einige Meter von ihm entfernt, strömten dichte Rauchschwaden aus der Motorhaube eines gelben Taxis. Die Wahnlichter blinkten unheilvoll auf, während sich der Fahrer aus dem Autowrack rettete, rasch drängten sich die anderen Autos an dem brennenden Taxi vorbei, und der beißende Geruch von Benzin sich über der mehrspurigen Straße ausbreitete.

In der Ferne warf das Blaulicht eines Rettungswagens seine neonfarbenen Schatten an die Wände, während kreischendes Sirenengeheul über die 7th Avenue heulte und er das ängstliche Wummern unter seinen Fußsohlen spüren konnte. Ein bedrohliches Grollen rollte über die Stadt, während Menschen sich an ihm vorbei drängten, mit Rußflecken im Gesicht und gehetzten Blicken.

Der Times Square war kaum wieder zu erkennen.

Wo man auch hinsah, an jeder Ecke waren kleine und große Blessuren zu erkennen, rauchende Krater und bröckelnde Mauern, Autoteile lagen auf den Gehwegen; und die Menschen, die sonst immer auf die riesigen Wolkenkratzer zuströmten, die Theaterplakate bewunderten und ihre Fotoapparate zückten, eilten in die U-Bahn-Schächte, ignorierten das abgerissene Plakat des Phantoms der Oper, welches sich unter den Füßen der Masse in Konfetti verwandelte.

Alles deutete auf einen Kampf hin, eine Invasion. Der bedrohliche Schatten, dem er bereits in Tokio begegnet war, hatte auch Manhattan heimgesucht. Nichts war mehr von dem geschäftigen Treiben am Broadway zu erkennen, keine Straßenkünstler, die die Menschenmassen verzaubern wollte, keine bunten Werbeclips und Lichtshows, die die Nacht erhellten.

Der Eingang zum Hard Rock Café wurde von dem heruntergefallenen LED-Eingangschild bedeckt. Funken spritzten zwischen den gerissenen Kabeln und Drähten und die leuchtenden Letter des Logos zitterten und wackelten, während aus dem Inneren die verzerrte Melodie eines alten Rock-Klassikers dröhnte.

„Was ist nur passiert“, hörte er eine leise Stimme. Lous Blick wanderte über den Times Square die Wolkenkratzer, auf deren Dächern Flammen ihre Tänze vorführten.. „Was ist nur passiert?“

Er schloss die Augen, in der Hoffnung, all das wäre nur ein Albtraum gewesen. Dass der Times Square in geschäftiger Fröhlichkeit vor ihm lag, dass die Theaterkassen öffneten und zur nächsten Vorstellung einluden. So oft war er hier gewesen, hatte die Vorstellungen seines Vaters besucht, mit ihm Planet Hollywood unsicher gemacht und den Straßenkünstlern Ein-Dollar-Scheine in die Gitarrenkoffer oder Hüte gelegt.

Doch dann schob sich ein anderes Bild vor die glücklichen Erinnerungen. Ein Bild von nachtblauen Augen und einer einzelnen Träne.

Und so sehr er es sich auch wünschte, es war kein Albtraum, sie hatten verloren und Seadramon…

Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, einer Wunde gleichend, die sich erst nach dem Schockmoment als Wunde herausstellte, und die nun biss und um sich trat, wie ein wildes Tier.

Seadramon… Betamon…

„Ich muss zurück.“ Wie von selbst formten sich die Worte und seine Hand glitt ihn die Hosentasche, wo das Digivice auf ihn wartete. Er würde Betamon nicht zurück lassen.

„Michael.“ Jemand hatte ihn am Ärmel zu fassen bekommen. Steves Brillengläser waren von kleinen feinen Rissen durchzogen, während sich seine Hände um seinen Arm schlangen.

„Du kannst nicht zurück, Michael…“ er versuchte sich aus dem Griff des Jungen mit den lehmbraunen Haaren zu befreien. Wut brodelte in ihm und Hass. Steve würde ihm nicht sagen, was er zu tun hatte.

„Wir müssen hier verschwinden. Sie haben uns gesehen, wie wir durch das Tor gegangen sind und sie werden uns sicherlich nicht so einfach von dannen ziehen lassen. Spätestens wenn Seadramon… spätestens dann, werden sie kommen und nach uns suchen.“ Steve ließ nicht locker und schaute ihn über die Brillengläser hinweg eindringlich an. „Glaub mir, von denen willst du nicht gefunden werden…“

Wütend wand er sich aus Steves Umklammerung, doch ein kleiner Teil in ihm, gab dem Jungen, der zu viele Witze kannte, recht, dieser kleine Teil hatte die Meramon und ihre feurigen Fäuste, hatte die Gazimon und ihre scharf gewetzten Krallen nicht vergessen.

Und dennoch, der Teil, der sich nach dem Digimon sehnte, das ihn all die Jahre begleitet hatte und nun von eben diesen Gegnern angegriffen wurde, überwog. Seine Füße setzten sich in Bewegung, das Tor hatte sich noch nicht geschlossen. Der blaue Schimmer lag noch immer in der Luft und der bekannte Sog erfasste ihn.

„Lass es nicht umsonst gestorben sein!“ Mit einem Schrei war Steve ihm hinterher gehechtet.

Mit einer raschen Handbewegung wich er den Händen des Jungen aus und versetzte ihm einen Stoß, so dass Steve mit einem Schmerzschrei zu Boden ging.

„Ich werde es überhaupt nicht sterben lassen“, zischte er und streckte sein Vice aus. Noch war das Tor nicht ganz geschlossen, noch konnte er zurückkehren, um seinen Partner zu retten.

Das Digivice in seiner Hand pulsierte müde. Wütend schüttelte er es, doch nur ein matter Lichtstrahl ließ das Display aufleuchten.

No me dejes...“ Eine kleine Hand umfasste die seine. „No me dejes, por favor...

Chichos hatte sich auf Zehenspitzen gestellt und verdeckte das Display des Vices mit den kleinen schmalen Fingerchen. Ihre fuchsbraunen Augen fingen seinen Blick auf. Ihre Stupsnase war dreckverschmiert und Tränen kullerten über die rosigen Wangen. „No me dejes“, wiederholte sie schluchzend.

Das klopfende Vice in seiner Hand schien nur noch ein fernes Echo, während er auf die Knie ging und ihr mit dem Zeigefinger über das tränenbedeckte Gesicht strich. Aus den beiden Mädchenzöpfen hatten sich einige der kohlefarbenen Haarsträhnen gelöst, während sie versuchte die Tränen herunterzuschlucken und betreten auf ihre Füße starrte. Sie trug noch immer die weißen Sandalen, doch an einigen Stellen löste sich die Sohle bereits vom Schuh.

Por favor, quédate“, flüsterte sie und schluchzte so sehr, dass ihre schmalen Schultern zitterten. Er hatte damals ihre Hand genommen, in all dem Chaos hatte er die Verantwortung für sie übernommen, es war seine Schuld, dass sie nun hier war. Das Display des Digivices verdunkelte sich und aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, dass auch der letzte Spalt des Digitores nun verschlossen war und das Licht abebbte, während er das weinende Mädchen in die Arme schloss.

Die Stadt verschwand hinter einem Schleier aus Tränen, die brennende Spuren auf seinem Gesicht hinterließen, während sein Vice einen letzten Pulsschlag tat und das Display sich schwarz färbte.

Er kniff die Augen zusammen, versuchte zu atmen, während ihre Haare seine Nase kitzelten.

„Es tut mit Leid...“, flüsterte er leise und nahm Abschied.
 

„Steve hat recht, hier können wir nicht bleiben.“ Er richtete sich auf und betrachtete die anderen, die so verloren in dieser Stadt aussahen. Mina stützte sich noch immer auf Sams Schultern. Ihr Knöchel war angeschwollen und sie würde damit keine lange Reise zurücklegen können. Steve hatte Penmon auf seine Schultern gesetzt, wo dem Digimon immer wieder die Augen zufielen, während Steve sich mit gerunzelter Stirn umsah. „Wir sollten uns an die Regierung wenden. Das Pentagon wird doch auf so etwas vorbereitet sein. Ich für meinen Teil wüsste nicht, wie wir den Karren noch aus dem Dreck ziehen können.“ Ein eisiger Wind fegte über den Times Square und ließ die heruntergerissenen Theaterplakate über die Pflastersteine tanzen. Servierten von einem Hotdog-Stand befreiten sich aus ihrer Schachtel und flatterten über die Straße. Einige zog es umgehend zu den dampfenden Motoren der Autowracks, wie Motten zum Licht, und sie gingen sofort in Flammen auf.

Er beobachtete, wie sich Dingo gerade noch unter einem Aktenkoffer hinweg ducken konnte, während der Träger an ihm vorbeirauschte und stur geradeaus blickte.

Es benötigte richtige Erwachsene, dachte er bei sich, die sich nicht aus der Verantwortung stahlen und egoistisch waren. Das Jackett des Aktentaschenträgers flatterte im Wind, während er sich an den anderen Menschen vorbei drängte.

Lou schüttelte kaum merklich den Kopf. Der Junge mit der Mokkahaut und den mamorfarbenen Augen wandte den Blick von dem Mann ab, der in der Masse verschwand. „Solche Erwachsene werden uns nicht helfen können“, murmelte er leise und er stimmte ihm still zu. Er war es Leid, den Egoisten zu helfen, sich selbst als Erwachsener aufzuspielen und Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen.

„Nicht weit von hier hat mein Vater ein Appartement“, erklärte er schließlich. „Dort dürften wir erst einmal in Sicherheit sein. Und dann haben wir auch die Möglichkeit, uns an Erwachsene zu wenden – Leute die wissen, was sie tun und die über die nötigen Mittel verfügen... Vielleicht ist es auch möglich, unsere Eltern zu kontaktieren und vielleicht können wir schon bald nach Hause.“

„Zuhause…“ Dingo seufzte und schloss für einen Augenblick träumerisch die Augen und streckte die Hände aus, als wäre die warme Meeresbrise direkt spürbar. Und während er dem Lockenkopf beim Träumen zusah, schien es ihm, als könne auch er das Rauschen des Meeres hören.

„Es ist Zeit heimzukehren…“
 

Author’s Note:

So mit dem ersten Kapitel landen wir also in Manhattan; New York. Direkt am Times Square. Ich dachte mir, wenn wir schon mal hier sind, dann sollten wir auch ein paar Sehenswürdigkeiten zu sehen bekommen…

Ich habe mir mehrer Videos angeschaut, um ein Gefühl für den Platz und die Geräusche zu bekommen, die ich dann so langsam zerstöre. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es mir gelungen ist…

Was ich auch noch mal hervorheben sollte: Die Digivice haben für mich etwas Herzgleiches. Sie verbinden den Digiritter mit seinem Digimon und bringen beide in einen Einklang.

Den Rest dazu überlasse ich eurer Interpretation.

Michael ist nach wie vor noch kein absoluter Anführer. Im Vergleich zu Taichi dürften seine Entscheidungen von der Gruppe nicht allzu schnell akzeptiert werden. Nachdem Seadramon Michael quasi durch das Tor gestoßen hat, war klar, dass er das nicht hinnehmen kann. Und an dieser Stelle wird eben auch deutlich, warum Chichos so wichtig ist bzw. sie zeigt ihm, welche Verantwortung er trägt, seit er ihr die die Augen zugehalten hat, sie bei der Hand nahm und all das.

Gleichzeitig geht es auch darum, dass wir hier eine Gruppe von Kindern haben, die die Geschehnisse noch nicht ganz verarbeitet oder verstanden haben – da ist der Instinkt, sich an Erwachsene zu wenden nichts ungewöhnliches. Erwachsene werden in diesem Teil allgemein mehr zum Tragen kommen, als in Searching oder auch in Funeral of Dreams.

Ansonsten viel Spaß beim Lesen, und ich werde mich hurtig ans nächste Kapitel wagen. Wohin es mich wohl verschlägt…

Bis dahin

PenAmour



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