Die Heimfahrt
Joey lenkte den Wagen über die Sohnreystraße, während Lizz bewusstlos auf der Rückbank lag. „Warum bist du denn so still?“ fragte er seinen Freund.
Dante blickte von Lizz´ Kopfwunde auf und sah wütend über den Rückspiegel in Joey´s Augen. „Musstest du gleich so hart zuschlagen?“ zischte er zwischen zusammengebissen Zähnen hervor. „Du wolltest ja nicht, also beschwer dich nicht!“ konterte er.
„Ich wollte nicht?! Du Spinner! Wir hätten Chloroform benutzen können, aber das wolltest du ja nicht!“
„Als ob du dich damit auskennst!“
„Ja so schwierig ist das nicht, ein bisschen auf ein Tuch und dann auf Mund und Nase drücken. Mann Joey, sie blutet stark, wir sollten sie in ein Krankenhaus bringen, das sieht nicht gut aus.“, sagte er besorgt und wechselte den notdürftigen Verband.
Nachdem Joey einen kurzen Blick auf den Verband geworfen hatte, widmete er sich wieder der Straße zu und überlegte.
„Weißt du, ich denke nicht das wir in ein Krankenhaus fahren müssen. Bis sie verblutet dauert es noch eine Weile und außerdem habe ich den ersten Hilfekurs erfolgreich abgeschlossen, du kannst also ganz beruhigt sein.“
„Das ist nicht witzig“, sagte Dante und nahm die Brille sowie den künstlichen Bart ab, verstaute es in der Innenverkleidung der Seitentüre und blickte wieder auf Lizz´ Kopf, der in seinem Schoß lag.
„Ich lache auch nicht“, entgegnete sein Freund grinsend.
„Halt doch endlich den Rand, du fängst wieder an nur Scheiße zu reden!“
„Musst du immer das letzte Wort haben?“
„War das ein Apell zum Schweigen?“ fragte Dante und blickte frustriert aus dem Fenster und verfolgte die vorbeiziehenden Bäume mit seinen Augen.
Vor wenigen Tagen waren sie noch in London gewesen und feierten in einem der größten Clubs weltweit, dem Ministry of Sound, eine rießen große Party. Joey war erst dagegen, für einen Tanzclub 15 Pfund Eintritt zu bezahlen, aber Dante bestand darauf und hatte ihn schlussendlich überredet und so tanzten sie bis in die Nacht, von den Kurzen, den vielen Cocktails und den paar Bier (sie hatten zusammen 2 Meter weg getrunken) mal abgesehen. Sie waren geschäftlich viel unterwegs und hatten kurz davor einen schwierigen Auftrag mit Bravour gemeistert und wollten ihr Junggesellendasein, ausgiebig auskosten bis sie am nächsten Mittag mit einer neuen Sache beauftragt worden waren.
Joey erinnerte sich, wie sehr sich Dante auf diesen Abend gefreut hatte und verstand nicht, das er die scharfen Mädchen, in ihren kurzen Röcken und den weißen, Wasser durchdrängten Shirts links liegen lassen konnte.
Zugegeben, sie waren beide in das gleich Mädchen verliebt, aber deswegen musste man nicht gegenüber jeder Frau Keusch eingestellt sein, dachte sich Joey und sah wieder in den Rückspiegel zu Dante.
„Tja und dann...“, seufzte Joey auf.
„Hast du etwas gesagt, Blondschopf?“ ertönte es hinter ihm.
„Nein, nein.“
Und dann, kam der neue Auftrag der ihnen beiden nicht in den Kram passte und obendrein, seinem Freund Dante das Herz brach.
Sie beide wurden aus ihren Gedanken gerissen, als es im Wagen über alle Boxen klingelte.
„Der Boss“ sagte Joey und drückte auf die Abnahmetaste.
„Hier Joey und Dante.“
„Hallo“, sagte eine tiefe, verzerrte Stimme. „Habt ihr sie?“
„Ja wir haben sie. Es lief alles nach Plan.“
„Gut. Ist sie wach?“
„Nein sie ist bewusstlos und hat eine Kopfwunde. Sobald wir Lizz zu dir gebracht haben, nähen wir die Wunde“, antworte Joey.
Am anderen Ende der Leitung war der Fernseher aufgedreht, dessen Geräuschkulisse ebenfalls verzerrt durchkam, worauf Dante sein Gesicht verzog.
„Sie bleibt bei euch, bis ihr von mir weitere Instruktionen bekommt. Verstanden?“
„Was?“, fragte Joey unglaubwürdig und drehte seinen Kopf zu Dante, der ihn mit großen Augen ansah.
Ihr Auftraggeber musste lachen und wiederholte nochmal, das Lizz bei ihnen bleiben solle, bis er ihnen die nächsten Anweisungen gab.
Der blonde Junge verstand nicht, welchen Sinn das ergeben sollte und parkte den Wagen, um in Ruhe das Gespräch weiterzuführen.
„So, Boss. Mach mal langsam. Warum sollen wir sie bei uns behalten, das war so nicht abgesprochen.“
„Nach meinem Wissen, sage ich euch was zu tun ist. Oder soll ich etwa ernste Maßnahmen ergreifen?“
Sie beide wussten genau, was damit gemeint war und versicherten, sich gut um sie zu kümmern, bis sie die nächsten Anweisungen erhalten würden.
Nachdem das Gespräch beendet war, griff Joey in das Handschuhfach, holte dort zwei Flaschen heraus, gab Dante eine und trank seine in einem Zug aus. Er fuhr sich durch seine weißblonden Haare und drückte seinen Kopf gegen die Kopfstütze.
„Ich find das scheiße!“, schrie er plötzlich und schlug mit der Faust gegen die schwarze Seitenverkleidung.
„Was will er mit dieser Aktion bezwecken, kannst du mir das mal sagen?“
„Ich weiß es nicht. Ich versteh es auch nicht. Aber so ist es vielleicht besser.“
„Wieso denn besser?“, fragte Joey genervt und ballte die Faust erneut.
„Weil, ach das ist eigentlich egal. Wir sollten zum Baumarkt fahren.“
Die Wohnung der beiden befand sich in einem Hochhaus, wenige Kilometer von der Innenstadt entfernt. Das große Apartment im 9. Stockwerk war gegen jegliche Art von Einbrechern gesichert, aber nicht gegen das Herauskommen was Joey wütend machte. Mit genügend Zeit, wäre das alles kein Problem gewesen. Doch nun mussten sie auf die schnelle ihre Wohnung umbauen und das, mit einer verletzten, bewusstlosen Person im Gepäck.
Ein ungutes Gefühl beschlich die Beiden, was sie von einander wussten, denn sie brauchten keine Worte um zu wissen, was der andere denkt. Eine gute Eigenschaft, die sie schon aus so mancher Situation gerettet hatte.
Dante hielt ihm ein Blatt Papier und einen Stift entgegen.
„Lass uns schnell einen Plan machen, was wir brauchen und dann gehts los.“
„Hör zu, ich fahre erst nach Hause und nehme sie mit hoch. Du kannst dann in den Baumarkt fahren und alles holen, ich brauche erstmal einen Kaffee.“
„Wieso ich?“, fragte Dante mürrisch.
„Als ich das letzte Mal ein Regal zusammen gebaut habe, hast du mich über 8 Wochen damit aufgezogen, das es schief ist! Jetzt bist du dran mir zu zeigen, das du der Heimwerkerkönig bist!“
Dante strich sich eine blaue Strähne aus dem Gesicht und rümpfte die Nase.
„Das mache ich doch liebend gerne, einer muss dir ja mal zeigen wo es lang geht.“
Sein Freund lachte auf, startete den Motor, drückte das Gaspedal ganz durch und sie fuhren mit quietschenden Reifen los.