Ein haariges Desaster
Ein haariges Desaster
„Key, komm schon raus! So schlimm kann es doch nicht sein!”
„Geht doch einfach alle weg“, war nur die gedämpfte Stimme des Angesprochenen durch die Badezimmertür zu hören und Jonghyun seufzte beinahe resignierend, lehnte sich an die Wand neben der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. Also wirklich, war Key denn noch so ein Baby, dass er nicht mal damit umgehen konnte, wie ein Mann? Ach nein, er vergaß… so etwas konnte man von ihrer Diva wohl nicht erwarten. Und wieso zur Hölle leistete er hier jetzt eigentlich Trauerhilfe, er hatte weiß Gott besseres zu tun.
„Key!“ Ein letzter Versuch.
„Verpiss dich!“ Ein letztes Fauchen.
Jonghyun stieß sich mit einem Schnauben sowie einem entnervten Schulterzucken, mit dem er wohl versuchte, die Verantwortung abzuschütteln, von der Wand ab, um den Flur hinunter zu marschieren. Wütende Worte murmelnd stapfte er auf Socken über den Holzboden, die Arme immer noch energisch vor der Brust verschränkt, als ihn Taemins vorsichtige Stimme aus seinen wütenden Gedanken über Key riss. „Jonghyun?“
Er blickte auf, direkt in die großen, braunen Bambiaugen des Jüngeren und spürte augenblicklich wie sein Zorn verpuffte, seine Arme allmählich auseinander rutschten und seine Muskeln, sowie sein Gesichtsausdruck sich entspannten. Ihr Küken hatte irgendwie auf sie alle diese Wirkung.
Auch auf Taemins Gesicht legte sich ein Lächeln – wie so oft – während er dennoch weiterhin mit seinen Fingerspitzen spielte, wohl ein wenig nervös. Jonghyun legte den Kopf schief, eine Augenbraue wanderte nach oben. Nervös? Doch Taemin machte keinerlei Anstalten irgendetwas zu sagen, er sah ihn einfach nur an. Und nun doch noch ein klein wenig entnervt von Key – das durfte man auch mal, ja? – und in Gedanken immer noch bei seinem Videospiel, das er eigentlich gerade hatte spielen wollen, spannte sich sein Geduldsfaden allmählich wieder. Doch da kam ihm auch schon ein Gedanke wie er hier gleich zwei Fliegen mit einer Klappe würde schlagen können. Er grinste den anderen an, packte ihn dann auch schon bei den Oberarmen, was ihm einen doch sehr irritierten Blick einbrachte und manövrierte Taemin – rückwärts, sodass der Jüngere aufpassen musste, dass er nicht stolperte – in Richtung Badezimmer. „Weißt du was, Taemin-ah? Kümmere dich doch mal um Key… es geht ihm irgendwie nicht so gut, seit er vom Stylisten wieder da ist. Ich weiß nicht, was los ist, aber vielleicht erzählt er es dir ja, mit mir will er nicht reden.“
Die großen Bambiaugen blickten ihn irritiert an, dann sah Taemin über seine Schulter zu der Tür, vor der er in der Zwischenzeit stand und hinter der sich immer noch – das wusste Jonghyun – Key verbarg. Sanft drückte der Ältere noch einmal die Oberarme seines Kollegen, lächelte ihn an, nickte ihm zu. Und seine Psychologie schlug an, Taemin nickte artig mit. Er wusste doch einfach, dass auf das Friedens-Stifungs-Gen ihres Babys Verlass war! Und er könnte sich nun endlich seinem Spiel zuwenden…
Taemin hockte nun schon seit einer Stunde vor der Tür, hörte von drinnen immer wieder nur leises Geschniefe, doch mehr als das oder ein Gelegentliches „Hau ab!“ hatte er nicht aus Key herausbekommen. Also war er dazu übergegangen, einfach auf den Älteren einzureden, ihm sonstiges zu erzählen, alles, was ihm eben gerade so in den Sinn kam. Und seit einer geraumen Zeit war es einfach nur still im Bad. Dann… leise drehte sich der Schlüssel im Schloss herum, Taemin hielt den Atem an. Doch es regte sich nichts weiter, kein Key kam heraus und es schien so, als wartete der andere schlicht darauf, dass Taemin zu ihm herein käme… oder es eben ließe.
Taemin entschied sich für die erste Variante, rappelte sich vorsichtig auf die Beine hoch, wobei er sich an der Wand abstützen musste, da seine Füße eingeschlafen waren. Vorsichtig drückte er die Klinke herunter, schob zunächst den Kopf in das geräumige Badezimmer und lächelte vorsichtig in den leer scheinenden Raum hinein. Dann jedoch entdeckte er Key neben der Tür hockend und sein Lächeln verschwand. Rasch stolperte er herein – seine eingeschlafenen Füße hatte er schon wieder vollkommen vergessen – und hockte sich vor Key auf den gefliesten Boden, purzelte ihm beinahe zu Füßen und fing sich gerade so noch auf den angezogenen Knien des anderen ab, wo er sich dann auch weiterhin abstützte, den anderen bestürzt betrachtend.
„Key! Key, was ist denn los? Wieso weinst du denn? Key?“
Vollkommen überfordert legten sich seine Finger sachte an die Wange des anderen, streichelten über die geröteten Stellen, während Key einfach nur da saß, hin und wieder leicht zuckte und die Nase hoch zog. Er sah einfach aus, wie ein Häuflein Ehlend und genau so schien er sich auch zu fühlen.
„Key komm schon, mir kannst du doch erzählen, was los ist, hm?“ Er hockte immer noch vor seinem Freund und Kollegen auf dem Boden, streichelte liebevoll über seine Wangen, ein aufmunterndes Lächeln auf den Lippen. Zärtlich strich er die dunklen Haarsträhnen aus Keys Gesichtfeld, sodass der Ältere wohl hoffentlich zumindest sehen könnte, doch er reagierte weiterhin nicht wirklich, sah nicht auf und schien sich seinen Tränen vollkommen hingeben zu wollen. Taemin wusste sich nun, da er dem anderen tatsächlich gegenüber saß, sich mit dessen Tränen konfrontiert sah, nicht wirklich zu helfen und hatte beinahe Angst, selbst noch loszuweinen, doch er riss sich zusammen, tippte Key schlussendlich aus lauter Verzweiflung auf die Nasenspitze und machte dabei ein seltsames Geräusch. Pure Verzweiflung…
Doch es schien tatsächlich zu wirken!
Der andere gab ein – zwar jämmerlich klingendes, aber immerhin! – Lachen von sich, schniefte dann wieder. „Key, Key, Key, was ist denn bloß los?“, fragte Taemin sorgenvoll, streichelte über die weichen Haare des anderen, ehe er sich umdrehte, kurz von ihm weg robbte und schließlich mit einem Haufen Kosmetiktücher wieder zurück kam. Mit einem schiefen Lächeln hielt er sie dem anderen hin, tupfte ihm sanft die Tränen weg, während Key sich die Nase putzte.
„Na sieh mich doch an!“, klagte er dann, als er fertig war, fuhr sich mit dem Handrücken über das rotgeweinte Gesicht. Taemin musterte ihn.
„Tu ich, und?“
„Na komm schon, fällt dir nichts auf?!“
„Ahm… du hast… eine sehr gesunde Gesichtsfarbe?“, versuchte der Jüngere es stockend.
Key schnaubte. „Idiot!“
„Was?!“
„Meine Haare!“, rief er schlussendlich klagend aus, warf dabei seine Hände durch die Luft und erwischte beinahe Taemin, der ihn verwirrt und schlicht überfordert anblinzelte.
„Was?!“
„Schau dir das doch nur an!“ Damit warf Key all seine Haare, die zuvor noch auf der rechten Seite gelegen hatten auf die linke und entblößte eine abrasierte Seite mit blonden, kurzen Stoppeln. „Wie sieht das denn aus?“, heulte er auf, vergrub sein Gesicht in den Händen und schien drauf und dran, wieder los zu heulen.
Taemin starrte ihn einfach nur an, streckte dann ungläubig seine Hand aus und fuhr vorsichtig über die abrasierten Haare. Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem zuvor noch so verwirrten, jungen Gesicht aus und seine Fingerkuppen fuhren immer wieder über die blonden Haare. Key hielt inne in seinem Geheule, blickte den Jüngeren durch seine Finger hindurch ein wenig perplex an, wie dieser da so vor ihm hockte und immer wieder vergnügt über die kurzen Haare fuhr, während seine braunen Augen immer mehr zu leuchten schienen.
„W-was?!“, fragte Key schließlich perplex, umfing das Handgelenk des Jüngeren mit seinen eigenen Fingern, zog schniefend die Nase hoch. „Was ist? Fallen sie nun auch noch aus?“, wollte er dann mit weinerlicher Stimme wissen und Taemin lachte, was den Gesichtsausdruck des anderen nur noch düsterer werden ließ.
„Nein! Gott, die sind so weich!“ Taemin kraulte selbst jetzt noch, wo der andere seine Hand festhielt immer wieder durch die weichen, blonden Haare. Key starrte ihn einfach nur an, blinzelte.
„…was?!“
„Weich! Die sind so flauschig! Fühl mal meine“, damit packte er Keys Hand, patschte sich diese selbst auf den Kopf, in seine, zu einem schlampigen Pferdeschwanz zusammengebundenen, Haare. „Die sind dagegen total… strohig. Vielleicht sollte ich mir meine auch wieder abschneiden lassen“, seufzte er sogleich, kraulte beinahe schon gedankenverloren immer weiter Keys rasierte Kopfseite.
„Nein!“, fuhr dieser sogleich auf, vergrub nun seinerseits seine Finger in Taemins rötlichen Haaren, als wolle er sie festhalten. Leicht verdutzt sah der Jüngere ihn an, schmunzelte jedoch.
„Aber vielleicht werden sie dann auch wieder so weich…“
„Deine Haare sind weich, Taemin-ah!“ Key zog das Haargummi aus den Haaren des anderen, löste nun auch seine andere Hand von Taemins Handgelenk, nur um diese ebenfalls in besagten, weichen Haaren zu versenken. Taemin grinste leicht verlegen jedoch deutlich glücklich.
„Meinst du? So weich wie deine?“ Damit packte er doch wieder nach einer Hand Keys, sodass er ihn fühlen lassen konnte, wie weich die abrasierten Haare waren.
„Hm… vielleicht nicht ganz so weich“, gestand Key breit grinsend, was den Jüngeren sogleich dazu brachte leicht zu schmollen.
„Aber weich genug, dass ich sie immer anfassen möchte auf jeden Fall! Und das muss doch reichen, oder?“ Key schob wieder beide seine Hände in Taemins Haare, wuschelte leicht hindurch, sodass der Jüngere seine Augen zusammenkniff, jedoch breit strahlte.
„Vielleicht…“
„Kein vielleicht! Das reicht!“, gab Key sogleich zurück, zog Taemin mit einem Ruck an sich, sodass dieser das Gleichgewicht verlor, vorn über kippte und halb auf Key landete, der seinen jüngeren Freund sogleich in eine enge Umarmung schloss.
„Ich hätte so gerne so lange, schöne Haare, wie du“, murmelte er in eben jene Haare, seine Nase in ihnen vergraben, was Taemin zum Kichern brachte, während er seine Finger leicht in Keys Shirt vergrub.
„Ach du“, nuschelte er. „Ich finde deine kurzen, weichen Haare viiiiieeel schöner! Ich würde mir meine manchmal gerne einfach abschneiden lassen.“
„Hm.“
„Key?“
„Ja?“
„Ich liebe deine neue Frisur! Die ist toll, genau wie du!“
Key drückte den Jüngeren glücklich lächelnd an sich, einen Arm um seinen schmalen Rücken geschlungen, die andere Hand immer noch in Taemins Haaren versenkt.
„Wenn du das sagst… dann glaub’ ich dir das…“, murmelte er und drückte dem anderen einen liebevollen Kuss auf die Haare.
Ende Ein haariges Desaster.
