Geschenke
Der Radiowecker klingelte und die nervenzerreißende Stimme des neuen Hollywoodsternchens Ke$ha wurde dankenswerter weise vom dumpfen Geschwafel eines Moderators abgelöst.
Rin streckte sich und gähnte lange und ausgiebig, bevor sie mit Schwung ihr Bett verließ und ins Badezimmer stolperte.
Nachdem sie die Zähne geputzt und sich umgezogen hatte ging sie nach unten in die Küche, schnappte sich ein Bento und ihre Tasche, gab ihrer Mutter einen Abschiedskuss auf die Wange und ging nach draußen.
Da sie kein Fahrrad hatte musste sie sich heute beeilen, also atmete sie tief durch und ging zügig los.
Als sie am Fluss entlangging erinnerte sie sich an den gestrigen Tag und lächelte.
Sie hatte riesigen Spaß gehabt, so viel wie schon lange nicht mehr.
’Er war richtig nett, wenn auch ein wenig merkwürdig’ dachte sie.
Len Kagami. Irgendwie kam es ihr vor als kannte sie ihn schon lange.
’Und schlecht Aussehen tut er auch nicht, nur die langen Haare stören etwas.’
Als sie merkte was sie gerade gedacht hatte wurde sie rot.
’Und was ist mit Kaito? Eigentlich war ich doch in ihn verliebt, oder? Wer von beiden ist wohl netter?’
Kopfschüttelnd vertrieb sie die Gedanken. Was zu viel war war zu viel.
Miku hatte sie gestern schon bedrängt was Kaito gestern von ihr gewollt hatte, doch sie hatte keine Lust gehabt ihr davon zu erzählen.
Das bedeutete das sie sich etwas einfallen musste, denn ihre Freundin war nicht einfach zufrieden zu stellen.
Sie kam bei ihrem Fahrrad an, öffnete seufzend das Schloss und schwang sich in den Sattel.
Grübelnd fuhr sie los und parkte, kaum auf dem Schulhof angekommen ihr Fahrrad an der dem Ausgang am nächsten Stelle.
Sie schulterte ihre Tasche und betrat das Schulhaus.
Gespannt sah sie sich um.
Aber was wollte sie eigentlich sehen?
Erneut versuchte sie durch ein Kopfschütteln die Gedanken zu vertreiben.
Sie bog um die Ecke und stieß prompt mit jemanden zusammen.
Sie prallte zurück und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand.
„Autsch!“
Sie öffnete die reflexartig zusammengekniffenen Augen und stockte.
Vor ihr saß Len am Boden.
Anscheinend war er ebenfalls zurückgeworfen worden und der gesamte Inhalt seiner Tasche lag auf dem Boden verstreut herum.
„Tut mir echt Leid!“
Sie hob ein paar der verstreuten Dinge hoch und hielt sie ihm mit einer entschuldigenden Miene hin.
Überrascht schaute er auf.
„Hey! Du bists!“ Er lachte leise. „Alles in Ordnung?“
Er nahm ihr die Sachen ab und begann hastig die verbliebenen Gegenstände ohne sie eines Blickes zu würdigen in seine Tasche zu schieben.
„Ja, alles klar, nichts passiert!“
Sie überlegte warum er sich so sonderbar benahm.
Gestern war er doch noch ganz unbefangen gewesen?
Während sie nachdachte, hielt ihr Gegenüber plötzlich mitten in der Bewegung inne und zog zögerlich ein kleines, in ein mit gelben Schmetterlingen bedrucktes Geschenkpapier eingeschlagenes Päckchen, das mit pompöser gelber Schleife verziert war hervor.
Sie sah ihn überrascht an.
Zu ihrer Verwunderung lief er rot an und schaute verlegen zu Seite.
Er räusperte sich nervös.
„Das ist für dich! Ist zwar nicht dein richtiger Geburtstag, aber ohne Geschenke ist es ja blöd oder?! Und ich habs auch nicht selber eingepackt, so was kann ich gar nicht!“ Er räusperte sich und strich sich eindeutig verlegen die Haare hinter die Ohren.
„D-Danke“, zögerlich nahm sie das Geschenk entgegen und berührte dabei wie zufällig seine Hand.
Obwohl, oder gerade weil es Absicht gewesen war wurde sie leicht rot und biss sich kurz auf die Lippe.
‚Mist! Aber….sie sind so schön warm…genau wie ich es in Erinnerung hatte.’
Um ihn nicht auf die Berührung aufmerksam zu machen wandte sie ihren Blick dem Päckchen zu, das immer noch ungeöffnet in ihren Händen lag.
„Wow, das hab ich echt nicht erwartet!“
Sie schaute lächelnd auf, während sie vorsichtig an der Schleife zupfte.
Die sich kein Stück bewegte.
Sie zog fester.
Als sie aufschaute konnte sie sehen, wie sich ein breites Grinsen über sein Gesicht gelegt hatte.
„Hör auf zu lachen!“
„Tu ich gar nicht!“
Als sie ihn spielerisch gegens Schienbein schlug prustete er doch los.
„Okay, okay, ich helf dir. Wir ziehen jeweils an einer Seite des Papiers.“
Sie nickte zustimmend und nahm ihr Ende fest in beide Hände.
„Auf Drei! Eins…Zwei...Drei!“
Sie zogen und als sich die Schleife mit einem Ruck öffnete fielen sie beide nach hinten.
Rin lachte laut los.
„Alles ok?“
Er richtete sich auf und nickte, während er sich den Hinterkopf rieb.
„Mach schon auf!“
„Immer mit der Ruhe!“ Sie grinste breit und riss das Papier in einem Stück ab.
In ihrem Schoß lag ein Haarreif mit einer großen blütenweißen Schleife, sowie vier kleine, zierliche Haarspangen.
Vorsichtig nahm sie Schleife in die Hand.
„Gott, ist das süß, danke.“
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das er mit einem unsicheren Grinsen erwiderte.
„Gefällts dir?“
Anstatt zu antworten nahm sie den Haarreif und setzte ihn vorsichtig auf.
„Kommt ganz auf mein Spiegelbild an.“, scherzte sie und klippste sich mit den Spangen den Pony aus den Augen.
Sie nahm einen Handspiegel aus ihrer Tasche und quietschte begeistert auf als sie ihr Spiegelbild sah.
„Danke!“ Sie umarmte ihn schnell und stand danach auf.
„Ich muss etz dringend in den Unterricht, du sicher auch!“
Er sah sie ziemlich entgeistert an. „Äh, ja, genau, Unterricht.“
Sie lachte und drehte sich um.
„Also, bis dann.“
Innerlich jubilierte sie, während sie daran dachte, wie er ihr sicher den ganzen Weg hinterhersah.
