Arbeitsteilung
Zehntes Türchen:
Arbeitsteilung
Roderich saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem Stuhl und musterte sie über seine Brille hinweg. „Elizaveta“, sagte er in einem Ton, den sie nicht einordnen konnte.
„Keine Zeit, zu reden, Roderich. Komm hier raus.“
„Du hättest mich nicht zu retten brauchen.“
„Doch, und das weißt du ganz genau. Also hör auf, dich zu zieren, und komm endlich.“
Betont gelassen stand Roderich auf, zupfte die Spitze an seinem Kragen zurecht und strich über seine Haare. Sie waren hoffnungslos verstrubbelt.
„Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“
„Keine Kommentare bitte“, sagte Roderich in einem leidenden Tonfall und ging an ihr vorbei.
„Warte“, sagte Elizaveta und drückte ihm ein Schwert in die Hand. „Nimm das.“
Er zierte sich kurz, bevor er den Griff des Schwertes fest packte. „Danke.“
Neben einander liefen sie hinaus, über den Flur und auf die Treppe nach unten zu. Sie rannten nicht, liefen aber schnell. „Eigentlich“, begann Roderich, als sie das Haus schon verlassen hatten und auf einen Vorhof traten, „hättest du mich nicht zu retten brauchen.“
„Ich habe es aber getan“, stellte Elizaveta klar und lächelte ihm zu. „Diese Gelegenheit, Gilbert eins auszuwischen, konnte ich mir nicht entgehen lassen.“
„Wo ist Gilbert jetzt?“
„Irgendwo, wo er hoffentlich darüber nachdenkt, wann er das nächste Mal versucht, dich anzugreifen. Oder eine Dame unterschätzt.“
Roderich verzog die Lippen zu einer Art Lächeln, aber es wirkte alles andere als fröhlich.
„Was ist denn los, Roderich?“, fragte Elizaveta aufgeräumt und schob das Schwert in ihren Gürtel. Sie hatten das Haus weit hinter sich gelassen. „Was hast du auf dem Herzen?“
„Nichts“, erwiderte Roderich unwillig und winkte ab. „Es ist nur so, dass ich dich hätte retten sollen.“
„Wieso denn das? Wegen der alten Vorstellung von dem tapferen Ritter und der Jungfrau in Nöten?“
„Aus Prinzip.“
„Nun, Roderich“, sagte Elizaveta mitfühlend, „prinzipiell neigt Gilbert aber dazu, dich zu entführen und nicht mich.“
„Ich frage mich, wieso.“
„Wahrscheinlich bin ich ihm zu anstrengend.“
„Er ist ein Mistkerl“, sagte Roderich trocken. „Depperter Saupreiß.“
„Wem sagst du das“, seufzte Elizaveta, lachte und hakte sich bei ihm unter. „So, jetzt werden wir nach Hause gehen. Machst du uns Abendessen? Ich muss mein Schwert ausbessern, es hat etwas abbekommen...“
„Irgendwann müssen wir dringend einmal über unsere Arbeitsteilung im Haushalt reden“, sagte Roderich düster.
„Was meinst du damit? Machst du es?“
„Ja, ja, natürlich.“