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One-Shots rund um Hogwarts

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Purzelbäume

Das Gedränge auf Gleis Neundreiviertel war kaum auszuhalten. Der elfjährige Albus Severus Potter versuchte verzweifelt, sich an den Unmengen älterer, grösserer Schüler vorbeizuquetschen, um noch einen guten Platz im Zug zu ergattern.

Die Lokomotive liess einen gellenden Pfiff ertönen und Albus verfluchte sich im Stillen. Wieso war er nicht einfach schon zuvor eingestiegen?

Als er endlich in einem der engen Gänge des Hogwarts-Express’ stand fühlte er sich mit einem Mal unglaublich einsam und verlassen. Links und rechts von ihm drängten sich schnatternd Schüler vorbei, von denen er niemanden kannte. Wo war Rose?
 

„Vorsicht, du Zwerg!“
 

Ein grosser, blonder Junge rempelte ihn brutal an, als er an einem der Abteile halt gemacht hatte. Erschrocken trat er einen Schritt zurück und machte sich in Richtung Lokomotive auf.

Immer noch keine Spur von Rose. Sie hatte ihm doch versprochen, sich zu ihm zu setzen. Er spürte wie ihm Tränen in die Augen stiegen, doch er blinzelte sie entschlossen weg. Er war doch kein Weichei!

In einem Abteil, an dem er vorbeikam, entdeckte er seinen Bruder James, umgeben von seinen Freunden, lachend. Dieses Bild versetzte dem Jungen einen kleinen Stich, denn er beneidete seinen Bruder um dessen Fähigkeit Freunde zu finden.

Raschen Schrittes ging er weiter. Er hatte es aufgegeben, nach Rose zu suchen und wollte sich mittlerweile einfach irgendwo hinsetzen, wo er seine Ruhe hatte.

Fast ganz vorne entdeckte er ein Abteil, das leer schien. Er trat ein und schloss behutsam die Tür hinter sich. Albus atmete tief durch. Endlich Ruhe von dem Geschrei der anderen Schüler, dem Gekreische der Eulen, dem...
 

„Hallo Albus.“
 

Der Angesprochene hätte vor Schreck fast einen Luftsprung gemacht. Ganz in der Ecke sass ein brünettes Mädchen, das er als Alice Longbottom erkannte. Sie lächelte ihn freundlich an.
 

„Willst du dich gerne setzen? Rose war vorhin hier, ich glaube aber, sie wollte noch jemanden suchen...“

Dankbar setzte er sich und starrte auf die vorbei fliegenden Bäume. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon fuhren. Es war ein milder Tag, doch am Horizont zogen dunkle Wolken auf.

Alice blickte ebenfalls zum Fenster hinaus. Natürlich kannte Albus sie, ihre Eltern waren ja seit ihrer eigenen Schulzeit eng miteinander befreundet. Doch ihm fiel auf, dass er noch nie wirklich mit ihr allein gewesen war. Er war sowieso am liebsten für sich allein, selbst wenn er mit ihr hätte reden wollen, hätte ihm der Mut gefehlt, sie anzusprechen. Nervös spielte er am Saum seines T-Shirts herum und ärgerte sich über sich selbst.

„Bist du auch ein wenig nervös?“, fragte Alice behutsam.

Erleichtert, dass sie das Gespräch begonnen hatte, antwortete er.

„Und wie. Mein Vater hat mich zwar auf dem Bahnsteig ein wenig beruhigt, aber jetzt schlägt mein Magen wieder Purzelbäume...“

Sie lächelte erneut.

„Ich auch, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Ich fühle mich irgendwie...“

Doch sie wusste nicht recht, wie sie ihren Satz beenden sollte und schwieg. Albus, der für seinen Geschmack vorher zu viel von sich preisgegeben hatte, schwieg ebenfalls.

Die Landschaft draussen zog weiter an ihnen vorbei. Der Himmel verdunkelte sich zusehends. Albus mochte gar nicht an die Überquerung des Sees im Regen denken. Alice schien seine Gedanken zu lesen, denn auch sie musterte die dicken Regenwolken mit Sorgenfalten auf der Stirn.

Albus fasste sich ein Herz und fing ein neues Gespräch an, hauptsächlich um sie beide abzulenken.

„Ist es nicht cool einen Lehrer von Hogwarts als Vater zu haben? Ich weiss, ich werde meine Eltern unheimlich vermissen, du hast wenigstens jemanden in der Nähe.“

„Stimmt, dass heitert mich schon auf. Aber es ist doch irgendwie total peinlich, zu einem Lehrer zu rennen, wenn man traurig ist, selbst wenn es Papa ist, meinst du nicht? Die anderen werden mich bestimmt hänseln...“

Albus, der ihr Dilemma verstand, beugte sich vor.

„Du musst dir keine Sorgen machen, wenn dir jemand blöd kommt, brauchst du mich bloss zu rufen und ich werde dir helfen!“

Er kam sich gerade unglaublich tapfer vor und lächelte Alice aufmunternd zu. Überrascht erwiderte sie sein Lächeln.

„Danke. Es hilft mir zu wissen, dass es ausser Rose und Frank noch jemanden gibt, mit dem ich reden kann.“

Albus hatte erst bei diesen Worten bemerkt, dass Alice’ Zwillingsbruder gar nicht mit ihr im Abteil sass.

„Wo ist Frank eigentlich?“

„Ach weißt du, unser Nachbarsjunge, Oliver, kommt dieses Jahr auch nach Hogwarts und kennt schon ein paar Leute. Frank hat sich zu ihnen gesetzt, aber ich wäre mir dort irgendwie fehl am Platz vorgekommen...“

Sie lächelte versonnen.

„Ist bei mir etwa gleich. Ich habe James vorher auch gesehen, aber ich wollte mich ehrlich gesagt nicht zu ihm setzen. Immer, wenn er mit seinen Freunden zusammen ist, ist er ziemlich eklig zu mir.“

Grimmig starrte er wieder zum Fenster hinaus und schwieg. Eigentlich sollte niemand von seinem gespannten Verhältnis zu seinem Bruder erfahren. James, der im Gegensatz zu ihm kein bisschen schmächtig war und sein Haar meistens tatsächlich dazu brachte zu tun, was er wollte, hatte Albus’ Nervosität vor seinem ersten Schultag den ganzen Sommer über brutal ausgenutzt. Es hatte nie einen Zweifel daran gegeben, wer in Hogwarts mehr Spuren hinterlassen würde.

Alice hatte ebenfalls eine Weile geschwiegen.

„Du willst wohl nicht dauernd mit ihm verglichen werden, sobald du in Hogwarts bist, hm?“

Diese genaue Analyse schreckte Albus auf. Als er ihren verständnisvollen Blick sah, fühlte er sich bestärkt weiterzureden.

„Genau. Weißt du, ich habe Angst, dass ich in Hogwarts bloss der Sohn von Harry Potter, der Voldemort zweimal besiegt hat, sein werde, oder der von Ginny Potter, der ehemals berühmten Quidditchspielerin. Oder einfach nur James Sirius Potters schüchterner Bruder. Ich will gerne einen eigenen Eindruck hinterlassen, die Leute sollen sich an Albus als Albus erinnern und nicht als der Sohn oder Bruder von irgendwem.

„Verständlich. Ich will auch nicht bloss die Tochter des Kräuterkundeprofessors sein. Obwohl, du hast schon mit mehr Vorurteilen zu kämpfen als ich.“

„Und weißt du was das Schlimmste ist?“ Albus tat es richtig gut, mit jemandem über alles zu reden, darum wollte er seine Geschichte nun auch zu Ende bringe.

„Ich habe nicht wirklich den Mut, mich von ihnen abzugrenzen. Ich habe Angst, dass ich nicht nach Gryffindor komme wie Dad oder James. Dad hat zwar gesagt, dass es keinen Unterschied macht, aber ich bin trotzdem total panisch, dass ich...“

Er brach plötzlich ab. Er musste sich erst einmal ein wenig sammeln.

„...dass du nach Slytherin kommst?“, beendete Alice seinen Satz.

Er sah sie verzweifelt an.

„Genau.“, antwortete er schliesslich mit einem Seufzer.

Alice suchte nach den richtigen Worten um ihn zu ermutigen. Sie verstand seine Situation, doch sie war sich sicher, dass sich alles irgendwie zum Guten wenden würde. Tat es das den nicht immer? Sie atmete tief durch.

„Hör mal. Ich verstehe deine Angst sehr gut, aber du brauchst dir wirklich nicht solche Sorgen zu machen. Ich weiss, dass du dich als sehr begabter Magier herausstellen wirst. Und selbst wenn nicht, bist du immer noch ein toller Junge. Du bist immer noch du. Du bist immer noch Albus Severus Potter, ob du nun in Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff oder sogar Slytherin landest. Ich denke, jeder, der dich zu seinen Freunden zählen kann, sich sehr glücklich schätzen sollte.“

Sie war unmerklich rot geworden und wandte ihren Kopf wieder zum Fenster. So viel redete sie normalerweise nicht. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen.

Albus dachte über ihre Worte nach. Sein Magen hatte sich beruhigt und er fühlte sich fast schon ein wenig glücklich.

„Danke.“, sagte er und sie wandte ihr Gesicht wieder seinem zu.

„Und weißt du was?“, fuhr er fort „Es ist mir jetzt fast egal, in welches Haus ich komme. Ich hoffe nur, du bist auch...“

In diesem stiess ein rothaariges Mädchen in ihrem Alter die Tür auf.

„Ach da bist du! Ich hab dich die letzten zwanzig Minuten wie verrückt gesucht!“

Sie liess sich neben Albus auf den Sitz fallen.

„Alles okay bei euch?“, fragte sie.

Albus schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Ja“, antwortete er dann „jetzt wo mein Magen keine Purzelbäume mehr schlägt schon.“

Er grinste zu Alice hinüber, die kaum merklich zurückgrinste.



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