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Damage Control

Ace/Nojiko
von

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I. Die Waffe. Der tote Mann. Ein Anruf.

Ein Beben erschütterte Nojikos Körper. Die Glock 17 rutschte aus ihren Händen und landete mit einem dumpfen Knall auf dem Holzboden.

Jegliche Gedanken und Motive, die sie vielleicht einmal gehabt hatte, waren aus ihrem Kopf gewaschen, in einer Flutwelle mitgerissen und ertränkt worden. Alles was übrig geblieben war, war Leere. Gähnende Leere, die so tief war, dass hätte man einen Stein hinabgeworfen, man niemals den Aufprall gehört hätte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Treppengeländer, bewegungslos, starr.

Inzwischen schwoll der Klumpen in Nojikos Hals unerträglich an. Er drückte ihr die Luft ab; es wurde immer schwieriger und schwieriger Sauerstoff in ihre Lungen zu saugen. Doch da war keine Panik, sondern nur Leere. Tränen sprangen in ihre Augen, bereit ohne Fallschirm von der Klippe zu springen und sich in die Tiefe, in die plötzliche Leere zu stürzen. Denn vielleicht würde der Moment des Fliegens, des Fallens, sie wachrütteln und den Schleier entzweireißen, Klarheit über die letzten Sekunden bringen. Was – zum Teufel – war hier geschehen? Wie konnte das nur passieren?
 

Auf die Knie sinkend, starrte Nojiko noch immer zum Treppengeländer, bevor sie zu ihm herüberkroch. Am Absatz der Stufen hielt sie inne, ihre zitternden Hände umfassten die Holzstäbe des Geländers, dass ihre Knöchel weiß herausstanden. Sie presste ihr Gesicht dagegen bei dem Anblick des Mannes, der im Erdgeschoss auf dem Fußboden lag. Seine Augen starrten geschockt zu ihr hinauf. Auch er schien nicht begreifen zu können, wie es dazu hatte kommen können. Aber wer konnte ihm das zum Vorwurf machen? Nojiko sicherlich nicht. Es hätte hierzu nicht kommen sollen, denn das hier ging gegen alle Pläne und Szenarien, die ihr durch den Kopf gegangen waren, bevor sie das Haus betreten hatte. Ein Schluchzen ertönte und Nojiko zuckte bei dem Geräusch zusammen, konnte nicht glauben, dass es aus ihrer eigenen Kehle gekommen war. Sich eine Hand auf den Mund pressend, schaute sie abermals zu dem Blonden herunter. Dieser starrte noch immer zu ihr hinauf. Eines seiner Beine war verdreht. Ansonsten sah er vollkommen in Ordnung aus, nicht viel anders als sonst auch. Womöglich war er gar nicht tot, sondern spielte ihr nur diesen makaberen Streich, um sich an ihr zu rächen. Bei diesem Gedanken entrann ihr ein freudloses Lachen, das in dem Haus wiederhallte, ein grausiges Echo wiedergab, das Nojiko niemals vergessen würde. Genauso wenig wie der Anblick des Mannes im Eingangsbereich unter ihr, brannte sich dieser Klang in ihr Gedächtnis ein.
 

Langsam und leise, als befand sich jemand im Haus, der sie hätte hören können, rappelte sie sich auf, um die Treppen herunterzusteigen. Derweil klebten ihre Augen weiterhin auf dem Mann. Auf dem Kerl, den Nojiko zu einem Mann degradiert hatte, weil alles andere diese Situation viel zu persönlich gemacht hätte. Denn Namen waren mit Erinnerungen verbunden und Nojiko war sich nicht sicher, ob sie sich an ihn erinnern konnte ohne schreiend aus dem Haus und die Straße herunterzurennen. Das alles war wahnsinnig und... nicht richtig. Doch ihre Welt hatte aufgehört sich richtig zu drehen, als sie den Anruf vom Krankenhaus bekommen hatte. Sie begann sich in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, als die Schwester ihr mitgeteilt hatte, dass Nami mit blauem Auge, Kratzern und Blessuren in einem ihrer Betten lag. Als man ihr sagte, dass es aussieht, als sei sie verprügelt worden, sie sich aber dazu nicht hatte äußern wollen. Als sie erfahren hatte, dass dieser Arsch Hand gegen ihre kleine Schwester angelegt hatte. In diesem Augenblick wusste Nojiko nur noch eines: Dieser Kerl wird Nami nicht mehr anfassen. Nie mehr.

Immerhin war Nojiko Namis große Schwester. Wenn sie nicht auf Nami aufpasste, wer denn dann? Irgendjemand musste doch etwas unternehmen, wenn Nami es nicht selbst tat.
 

Ausdruckslos stand Nojiko vor Namis Freund, der tot zu ihren Füßen lag und mit geschocktem Blick an die sonnengeflutete Decke sah, die das Himmelstor selbst hätte darstellen können. Nur, dass er niemals in den Himmel kommen würde, denn Männer, die Frauen unterdrückten, konnten nicht in den Himmel kommen. Sie konnten einfach nicht. Männer, die Frauen ihre Liebe gestanden, um sie dann in die nächste Wand zu prügeln, sollten in der Hölle schmoren, denn die Frauen taten es auch. Sie waren in ihrer persönlichen Hölle gefangen. Aber nicht Nami, denn Nami hatte Nojiko, die sie herausholte, weil es niemand anderes tat. Niemand verstand was vor sich ging, weil Menschen zu oft die Augen vor der Wahrheit verschlossen. Dabei war Wahrheit das, was diese Welt brauchte. Es war schließlich das einzige, auf das man vertrauen konnte - egal wie grässlich sie sein mochte.

Noch immer erbebte ihr Körper, erzitterte unter etwas, was weder Kälte noch Angst war. Es war etwas, was Nojiko keinen Namen geben konnte. Aber namenlos war gut, denn namenlos machte alles etwas mehr distanziert und unpersönlich. Mit der Sandalette kickte sie dem Mann vor sich in die Seite. Er rührte sich nicht, woraufhin sich Nojiko hinkniete und nach dem Puls an seinem Hals fühlte. Seine Haut war warm, genauso wie die von Ace, wenn Nojiko ihre Lippen lasziv über sie hatte wandern lassen und sich eine Gänsehaut auf ihr ausgebreitet hatte. Warme Haut fühlte sich lebendig an. Bloß dass dieser Kerl es nicht war, denn da war kein Puls, da war gar nichts.

Ihre Hand zurückziehend, stand sie auf und sah sich unschlüssig um. Da war noch immer diese Leere, die in ihrem Kopf herrschte. Er war tot, weil sie ihn umgebracht hatte. Und jetzt stand sie hier in seinem Haus und... wusste nicht weiter. Was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Sie hatte ihn umgebracht. Sie sollte zur Polizei gehen. Nein, sie sollte Genzo anrufen. Genzo wusste, was zu tun war. Was zu tun war...? Gefängnis, das war, was zu tun war. Man würde sie in eine dieser kleinen, dreckigen Zellen der Stadt stecken und den Schlüssel wegwerfen. Sie hatte nichts anderes verdient. Das wusste sie, trotzdem stand sie auch weiterhin in der Mitte der Eingangshalle. Ihr Blick wanderte ziellos durch den Flur, wanderte über Schuhe, einem Jackenharken und einem kleinen Schrank mit Büchern und einem Telefon. An jenem blieben ihre Augen hängen, als ihr plötzlich eine Idee in den Kopf geschossen kam. Vielleicht sollte sie den Krankenwagen rufen und sagen, sie hätte ihn so aufgefunden. Und dann würde man ihr mitteilte, dass Mr. Smith leider bei seinem Sturz die Treppe herunter sein Genick gebrochen hatte. Da waren nur die Tatsachen, dass Nojiko nichts in seinem riesigen Haus (das dieser Mistkerl von seinen stinkreichen Eltern in den Arsch geschoben bekam, die er vermutlich noch selbst auf dem Gewissen hatte, um sein Erbe endlich einzuheimsen zu können) zu suchen hatte und die Glock 17 (die Nojiko aus der hintersten Ecke von Genzos Kleiderschrank genommen hatte, die er dort in einem Schuhkarton aufbewahrte) oben am Treppenabsatz herumlag. Was würde Genzo sagen, wenn er hier auftauchen würde? Er wäre sicher enttäuscht, außer sich, am Boden zerstört sein zu erfahren, dass eine seiner Stieftöchter sich zu einer Mörderin entpuppt hatte. Und das war doch, was sie war, nicht? Eine Mörderin. Und Genzo hatte immer gedacht, dass Ace einen schlechten Einfluss auf sie hatte. Das sie nicht lachte. Ace wäre niemals so aus der Haut gefahren und mit einer Waffe in dieses Haus eingedrungen, um seinen Besitzer ordentlich in die Schranken zu weisen und aus dem Leben der Schwester ein für alle Male zu vertreiben. Nein, nicht Ace. Nicht so.
 

„Ace...“, entwich es ihr in einem Wispern. Genau, Ace. Was würde Ace tun? Ace hatte für alles eine Lösung, zumindest für fast alles. Sich ein paar violettfarbene Haarsträhnen nach hinten streichend, griff sie in ihre Hosentasche und zog ihr Mobiltelefon heraus. Sie dachte nicht nach, denn diese Leere in ihrem Kopf machte es schwer klare Gedanken zu fassen. Und bevor sie sich versah, lauschte sie schon dem monotonen Tuten, wartete auf die bekannte Stimme am anderen Ende der Leitung, die sie stets mit neckischem „Na, Sehnsucht?“ begrüßte und sie den eigentlich Grund ihres Anrufes vergessen ließ.

„Nojiko“, meldete Ace sich aber doch nur. Da war kein Amüsement in seiner Stimme, sondern Verwirrung und Überraschung, die andere vielleicht nicht heraushören konnte, sie aber fast schon körperlich spüren konnte. Aber was hatte sie auch erwartet? Immerhin waren sie nicht mehr zusammen. Immerhin hatte Nojiko ihn mit groben Worten verlassen und war ihm seitdem aus dem Weg gegangen. Und nun rief sie an, um... was eigentlich?

Schweigen.

„Nojiko? Hey, komm’ schon, erst anrufen und dann nicht mit mir reden wollen?“

Und es tat so gut seine Stimme zu hören. Es ließ sie fühlen und die Leere vergehen. Sie zog sich zurück, langsam und stetig wie das Wasser der riesigen Ozeane bei Ebbe.

„Ich... hab’ Mist gebaut, Ace“, sagte sie irgendwann. Ihre Stimme war überraschend fest, beinahe emotionslos.

„Was ist passiert?“

„Mist“, erwiderte sie. „Und, Ace,... ich weiß nicht, was ich tun soll.“
 

Noch in demselben Augenblick als diese Worte ihren Mund verließen, wurde ihr bewusst, dass es eine glatte Lüge war. Sie würde seine Leiche einfach verschwinden lassen. Genauso taten sie es doch in Filmen oder in all den Krimibüchern, die Nojiko gelesen hatte. Sie könnte einen Stein an seinen Knöchel binden und ihn in den nächsten See werfen. Oder sie zündete das Haus an und es würde als Brandstiftung in die Geschichte eingehen. Wer würde sie schon hinter einer hässlichen Tat wie dieser vermuten? Anderseits lag es vielleicht doch nicht so fern, wie es im ersten Moment den Anschein haben mochte. Immerhin war sie Namis große Schwester. Nami, die zufällig seine Freundin war, die er krankenhausreif geprügelt hatte. Nami hatte ein Alibi. Genzo hatte Kontakte und vermutlich ebenfalls eines. Nojiko hatte gar nichts. Nichts, außer einen toten Mann vor ihren Füßen und eine Waffe auf dem Treppenabsatz.

„Hey, sag’ erst mal, wo du bist?“, meldete sich Ace’ Stimme unterdessen wieder und Nojiko, die das Handy sinken gelassen hatte, hob es wieder an ihr Ohr. „Wo bist du?“

„In... Bellamys Haus.“
 

Tbc.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2010-11-01T20:40:27+00:00 01.11.2010 21:40
Oh mein Gott eine Ace/Noji fanfiction. Und dann auch nich eine so gute! Ich Frage mich gerade wieso ich sie nicht bohre entdeckt habe. Dein schreibstil ist fantastisch, für mich fast gar nicht in Worte zu fassen.
Jedefalls, für mich bist du eine der besten OP Fanfic Autoren hier auf mexx.
Von:  Wintersoldier
2010-10-31T12:06:23+00:00 31.10.2010 13:06
So, aufgrund der Tatsache, dass ich weiß, dass ich hier keinen Kommentar mehr hinterlassen werde, wenn ich erst einmal das zweite Kapitel angefangen habe zu lesen, mach ich das lieber jetzt eben schnell noch, obwohl ich sagen muss, dass es einen doch schon in den Fingern juckt und man unbedingt weiterlesen möchte. Oder zumindest ich. :D

Also, was kann ich sagen? Ich finde deinen Schreibstil umwerfend mit den Vergleichen und Metaphern. Und... viel mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen, weil es einfach die Art Schreibstil ist, die mir wirklich einfach nur gut gefällt, bei der ich lesen und lesen und lesen kann und gar nicht merke, wie die Zeit vergeht. Neben dem Schreibstil finde ich aber auch die Thematik sehr interessant. Und das obwohl ich AU normalerweise gar nicht unbedingt mag, aber bei dir stört es mich nicht, weil es kein 08/15-AU ist, wie es jeder schreibt mit dem Szenario, das schon ein dutzend Mal verwendet wurde und die Umsetzung einfach stimmt. An dieser Stelle sollte ich vllt sagen, dass ich in letzter Zeit kaum noch FFs lese, OP-FFs sowieso kaum und entsprechend keinen wirklichen Überblick habe, was sozusagen "Standardszenarioen" wären, aber mir erscheint dieses einfach nicht wie eines - was zum einen an der Umsetzung & deinem Schreibstil liegt, da die Geschichte alleine deshalb schon nicht 08/15 wirken kann, zum anderen aber auch an dem Szenario selbst. Wenn man überhaupt noch versteht, was ich meine...

So, viel geschrieben und doch kaum etwas gesagt, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich auch nur sagen, dass mir die Geschichte wirklich gut gefällt bisher. Schreibstil, Charakterdarstellung, Szenario und Cliffhanger. Mir fällt einfach nichts ein, was ich bemäkeln könnte. ^^-

LG
Aya
Von:  PurplePassion
2010-10-23T13:30:36+00:00 23.10.2010 15:30
waaaah!!! ich freu mich schon so wenn es weitergeht!!
omg du schriebst so toll und ich liebe dieses paar! liebe liebe liebe liebe es! und in letzter zeit kommt sowieso nix mehr von denen, also doppelte freude!:P
naja.. also ich bitte bitte biiitteee dich weiter zu schrieben! ;)

bis danne!

pp
Von:  Miss_Black
2010-10-23T12:23:37+00:00 23.10.2010 14:23
WOW!

Sprachlos, das is echt gut geschrieben. Und Nami und Bellamy??? Auf die Idee wär ich nie gekommen! Aber gut .. verdammt gut! Würd mich freuen wenns weiter gehen würde ^^!

Genau was is Glocke 17??? O.o Das hab ich auch nich verstanden! Aber was solls ...

Das is echt gut!

Lg
Von: abgemeldet
2010-10-21T13:23:41+00:00 21.10.2010 15:23
Hui, hallo, hallo, meine Liebe hier kommt mein Kommentar und ich darf mich glücklich schätzen die erste zu sein! :)

Das, was ich so unglaublich an deinen Geschichten mag ist, dass du so unglaublich originelle Ideen hast. Ich hab' schon viele FFs gelesen und kann ehrlich behaupten - diese Idee, dieses Szenario, ist mir noch nicht untergekommen. Ich muss nur sagen, vielleicht hab' ich's auch überlesen oder irgendwas, aber ich hab' nicht verstanden was Glock 17 war Oo

Mir hat besonders die Darstellung von Ace gefallen. :) Die von Nojiko natürlich auch, sie ist so eine heißblütige, liebende Schwester, gleichwohl sie auch sehr kühl mitunter sein kann, aber dein Ace war einfach wunderbar erfrischend, genau, wie er auch sonst ist. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin schon ein klitzekleines bisschen sprachlos. Du lässt einen hier schon so ein bisschen im Cliffhanger hängen, was ich zuerst als sehr unangenehm empfunden habe, aber jetzt, wo der erste Schock überwunden ist, finde ich es gut. By the way, interessante Wahl für Namis Freund, Bellamy :D Das hat mich auch dezent amüsiert. Aber Bellamy traue ich auch Gewalttaten seiner Freundin gegenüber zu, keine Frage.

Was kann ich dazu noch sagen, außer "Good work and job well done"?
Ich bin stolz auf dich! :)

Liebe Grüße,
zuckerwuerfelchen


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