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Tabu

One Shots für Harry Potter RPGs
von

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Jae-song II - Der Anruf

Rauschendes Wasser erfüllte das kleine Badezimmer und der Wasserdunst, angereichert mit herbem Duschgel, vermischte sich mit dem Dämmerlicht der schimmernden Kerzen. Wärme ging von den Flammen aus, doch Hitze von den vorsichtigen Händen – einem lautlosen Tanz gleich schwebten sie über dem fremden Körper, berührten ihn kaum, während weiche Lippen nur die Nähe einzuatmen wagten, schaudernde Haut nicht berührten. Heißer Atem brandete gebrochen gegen bebende Schultern – sachte Töne, flüchtend und zärtlich verließen trockene Münder und schließlich verschmolzen Finger ineinander. Zaghafte Ungeduld nagte im Inneren, trat nur schüchtern auf ein rosiges Gesicht, das sich vorsichtig zu schwebenden Fingern und weichen Lippen umwandte. Dunkle Augen, die nach ihren verschleierten Gegenstücken suchten verwoben sich ineinander, während verschmolzene Finger gemeinsam auf Wanderschaft gingen. Ein fahriger Laut, geboren aus Unsicherheit, Scham und Aufregung, der sich im prasselnden Wasser verlor und dennoch Aufmerksamkeit auf sich zog. Schwindende Distanz – und steigende Nervosität – eine kaum noch auszuhaltende Anspannung, als lautlose Finger sich zärtlich auf brennende Wangen legten, die weiche Wölbung des Wangenknochens nachfuhren und ein Feuer im Inneren entfachten.

„Jae-song… Schau mich an.“

Und die Fingerspitzen wanderten weiter, um das schüchterne Kinn anzuheben – brennende Augen, lodernde Spiegel – und Jae-song lächelte unsicher, seine Hand noch immer mit der Sam-jungs verwoben.

„Ich … ich kann dich kaum ansehen, hyung“, wisperte er und das Wasser drohte seine flüchtende Stimme zu verschlucken. Aber tapfer hielt er dem Brennen stand, während es immer schwieriger wurde, überhaupt noch Luft zu bekommen. Bestimmende Hände leiteten an und Erleichterung durchströmte ihn, als er die Duschwand im Rücken spürte – endlich konnten seine wackligen Beine sich ausruhen, endlich wirkte der sengenden Hitze ein wenig Kälte entgegen. Sam-jungs Lippen bildeten dieses unendlich weiche Lächeln, das nur er zu sehen bekam und sein Herz machte einen unbeholfenen Hüpfer, animierte Jae-song dazu, ihn näher zu ziehen und er schmiegte sich in die flüchtenden Bewegungen der stummen Finger.

„Tut es sehr weh?“ Honigweicher Bassbariton schmeichelte seinem Inneren, wollte sich um den Schmerz legen und Jae-song lächelte zart. „Nein.“ Eine zitternde Hand griff nach dem Nacken des Älteren. Jae-song gab dem Brennen im Inneren nach und zog die so weichen Lippen auf die eigenen herab; nur eine flügelzarte Berührung, während lodernde Augen in ihre Spiegel blickten, und Jae-song verbrannte von innen heraus. „Du warst vorsichtig“, flüsterte er schamhaft gegen die weichen Lippen, mühsam jedes Wort formend und sich gewahr, dass seine Wangen zu brennen begonnen hatten. Dass ein Gespräch über Intimität nach eben jener für ihn schwerer war, als erwartet. Jae-song schluckte schwer, umarmte das prickelnde Wasser und lehnte sich Sam-jung noch etwas mehr entgegen, verschlang ihre Hände ineinander. Der Kuss endete und stattdessen drückte er ihre Stirnen sanft gegeneinander, genoss die Tropfen, die zwischen ihren Körpern herab rieselten. Sog den Geruch des Duschgels ein, der noch immer zwischen ihnen hing. Und ließ zu, dass das Feuer ihn innerlich immer weiter versengte, ihn gefangen hielt zwischen Sensation und endloser Scham.

„…Du…warst gut.“ Scheu schaute er auf und zeigte ein zutrauliches Lächeln, bewegte die Finger im kühlen Nacken seines Freundes, spürte das eigene Herz gegen seinen Rippenkäfig poltern – und als er das Funkeln in dunklen Augen sah, den Druck der stummen Finger auf seinem Handrücken spürte … als er die Wärme im Lächeln des Älteren bemerkte und wie sie ihn ansteckte … wusste Jae-song, dass es richtig gewesen war, die Scham zu überwinden und die Worte auszusprechen.

„Also wirst du wieder mit mir schlafen?“

Jae-song verschluckte sich beinahe an der Direktheit des Älteren und musste den Blick abwenden. Seine Hände flohen und Sam-jung gluckste, als er sie wieder einfing und an seine weichen Lippen führte, sie über und über mit kleinen Küssen benetzte, jeden Fingerknöchel einzeln liebkoste und dabei kein einziges Mal wegschaute – die Art und Weise, wie sein Freund ihn anschaute, hatte sich die letzten Stunden über nicht verändert. Jae-song fühlte sich geliebt … und wahrscheinlich war dieses Gefühl der Grund dafür, dass er ein unsicheres „mhm“ murmelte das viel mehr Zustimmung als Ablehnung war und keuchte erschrocken auf, als Sam-jung ihn umarmte und ihn fest an sich presste.

„Nicht jetzt, hyung!“

Sam-jung lachte leise, ließ ein wenig locker und küsste seine Schulter, hinauf bis zum Hals, ehe er seine Nase mit der eigenen anstupste. Jede Berührung ließ Jae-song schaudern und seinen Körper schreien vor Aufregung und Erschöpfung gleichermaßen. „Das weiß ich doch“, wisperte er auf die erhitzte Haut, „ich bin auch erschöpft. Ich will die Zeit mit dir nur genießen. Ist das in Ordnung für dich, Jae-song?“ Weiche Lippen – lodernde Augen – Zuneigung, die über jede bisherige Empfindung hinausging. „Dass ich dir so verfallen bin?“ Jae-song sog die Luft ein und sah sich hilflos der Unverblümtheit seines Freundes ausgeliefert und dennoch im Zugzwang zu antworten, aber ihm fehlten schlicht und ergreifend die Worte. Es war alles so neu für ihn, dass jeder Schritt in die eine Richtung zwei zurück in eine andere bedeutete – aber Sam-jung ging jeden Schritt mit ihm gemeinsam. Er ließ ihn sich sicher und geborgen fühlen – niemals hatte er ihm Vorwürfe gemacht, ihn nie unter Druck gesetzt – ihm alle Zeit gelassen und ihn gleichzeitig niemals zweifeln lassen, dass er ihn begehrte – wie sollte Jae-song da noch etwas anderes glauben, als dass er Hals über Kopf in ihn verliebt war? Dass jedes süße Wort, jedes atemlose Versprechen und jede gemeinsam verbrachte Minute ein Liebesbeweis war – ein Beweis, den er ganz heimlich und nur für sich bereit war, dem Älteren doppelt und dreifach zurückzuzahlen.

Dieser Gedanke ließ sein Herz springen und er lächelte, lehnte sich gegen die Fliesen und nahm die Hand Sam-jungs in seine, um sie sich auf die Brust zu legen. Verlegen ließ er den Älteren am donnernden Herzschlag teilhaben, setzte sich den lauernden dunklen Augen aus und konnte schließlich nicht anders, als schüchtern den Blick zu senken. „Wenn du … wenn du so etwas sagst, werde ich verlegen“, murmelte er und spürte die Nase Sam-jungs, wie sie sich in sein nasses Haar schlich und konnte den Atem an seinem Hals fühlen. Sanfte Finger tanzten über seinen Oberarm und Jae-song seufzte leise, ehe er hinzufügte: „Es ist in Ordnung. Ich mag es.“ Die letzten drei Worte verloren sich beinahe und Sam-jung hielt in seiner Liebkosung inne, den Blick neugierig in die lodernden dunklen Augen gelegt.

„Du magst es? Dass ich dir verfallen bin?“, wisperte er ihm schmunzelnd entgegen und Jae-song sah atemlos dabei zu, wie er ihm die Haare aus der Stirn strich, nur, um seinen Daumen gegen seine Unterlippe zu pressen. Erschrocken keuchte er – diese besitzergreifende Geste überforderte ihn und sofort wurden die Züge des Älteren weicher, ehe er den Daumen mit flatternden Lippen ersetzte. Der Kuss war weich und liebevoll, zärtlich wie verschwindend.

„Tut mir leid. Das hat mich aus dem Konzept gebracht. Wir brauchen beide ein wenig Ruhe.“
 

Vor einem Jahr…
 

Das Choi-ce hatte für zwei Wochen aufgrund von Renovierungsarbeiten schließen müssen und Jae-song hatte sich nicht in der Lage gesehen, den ungewöhnlichen Gast, den er so sehr ins Herz geschlossen hatte, irgendwo anders hin einzuladen, um dem Cocktail-Date zu entsprechen. Er hatte ihm lediglich eine Nachricht geschrieben, über welcher er drei Stunden gebrütet hatte, ehe er sie versendet hatte. Er wollte nicht, dass Sam-jung den weiten Weg ins Studentenviertel umsonst auf sich nahm. Obwohl der Medizinstudent nicht einmal wusste, ob es tatsächlich ein weiter Weg war … er vermutete es lediglich. So oder so wollte er dem Mann mit dem honigweichen Bassbariton keine Umstände bereiten und ihre Verabredung hatte warten müssen. Jae-song wusste nicht, ob er ihm seinen Arbeitsplan schicken sollte … oder ob das unangemessen wäre … und so war er eine ganze Weile gefangen in den eigenen Gedanken und Vorstellungen und je länger er darüber nachdachte, desto wahnwitziger kam es ihm vor.

Wieso sollte Sam-jung seinen eigenen Ablauf an den eigenen anpassen wollen?

Doch die Erinnerung an süße Versprechungen und zum Schmelzen schmerzhafte Abschiedsworte im Taxi waren ihm derart ins Gedächtnis gebrannt, dass der vorsichtige Optimist in ihm ihn dazu verleitete, schlussendlich doch auf senden zu drücken.
 

-𝐷𝑜𝑘𝑢𝑚𝑒𝑛𝑡 𝑔𝑒𝑠𝑒𝑛𝑑𝑒𝑡-

𝐻𝑦𝑢𝑛𝑔? 𝐼𝑐𝘩 𝘩𝑎𝑏𝑒 𝑑𝑖𝑒 𝑛𝑎̈𝑐𝘩𝑠𝑡𝑒𝑛 𝑧𝑤𝑒𝑖 𝑊𝑜𝑐𝘩𝑒𝑛 𝑑𝑖𝑒 𝑓𝑟𝑢̈𝘩𝑒 𝑆𝑐𝘩𝑖𝑐𝘩𝑡 𝑣𝑜𝑟 𝑑𝑒𝑟 𝑊𝑒𝑖𝘩𝑛𝑎𝑐𝘩𝑡𝑠𝑝𝑎𝑢𝑠𝑒 𝑢𝑛𝑑 𝑤𝑢̈𝑟𝑑𝑒 𝑑𝑖𝑐𝘩 𝑔𝑒𝑟𝑛𝑒 𝑛𝑜𝑐𝘩 𝑒𝑖𝑛𝑚𝑎𝑙 𝑠𝑒𝘩𝑒𝑛.
 

𝗗𝗮𝘀 𝗸𝗹𝗶𝗻𝗴𝘁 𝗴𝘂𝘁. 𝗜𝗰𝗵 𝘀𝗰𝗵𝗮𝗳𝗳𝗲 𝗲𝘀 𝘀𝗶𝗰𝗵𝗲𝗿𝗹𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗶𝗿𝗲𝗸𝘁 𝗵𝗲𝘂𝘁𝗲 𝗔𝗯𝗲𝗻𝗱. 𝗗𝗮𝗿𝗳 𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗮𝗻𝗮𝗰𝗵 𝗻𝗮𝗰𝗵 𝗛𝗮𝘂𝘀𝗲 𝗯𝗿𝗶𝗻𝗴𝗲𝗻? 𝗙𝗮𝗹𝗹𝘀 𝗱𝗶𝗿 𝗱𝗮𝘀 𝘇𝘂 𝘀𝗰𝗵𝗻𝗲𝗹𝗹 𝗴𝗲𝗵𝘁, 𝗯𝗲𝗴𝗻𝘂̈𝗴𝗲 𝗶𝗰𝗵 𝗺𝗶𝗰𝗵 𝗮𝘂𝗰𝗵 𝗱𝗮𝗺𝗶𝘁, 𝗱𝗮𝘀𝘀 𝗱𝘂 𝗺𝗶𝗰𝗵 𝗻𝗮𝗰𝗵 𝗛𝗮𝘂𝘀𝗲 𝗯𝗿𝗶𝗻𝗴𝘀𝘁. 𝗜𝗰𝗵 𝗵𝗮𝗯𝗲 𝗱𝗶𝗲 𝗧𝗮𝘅𝗶𝗳𝗮𝗵𝗿𝘁 𝗺𝗶𝘁 𝗱𝗶𝗿 𝘀𝗲𝗵𝗿 𝗴𝗲𝗻𝗼𝘀𝘀𝗲𝗻.
 

Es war Jae-song unbegreiflich wie ein derart charmanter Mann überhaupt existieren konnte. Alles um ihn herum – Bücher, Kommilitonen, Stimmgewirr, Durchsagen – wurde zu einer einzigen Nebensächlichkeit, während seine Welt auf sein Handydisplay zusammenschrumpfte.

Er wollte ihn direkt heute sehen. Es war Sam-jung so wichtig, die letzten zwei Wochen aufzuholen, dass er nicht einmal fünf Minuten für die Antwort gebraucht hatte – und für das Versprechen, heute Abend vorbeizukommen. Der Gedanke daran, von ihm nach Hause gebracht zu werden, ließ Jae-songs Wangen in Flammen stehen und mit einem abwesenden Lächeln dachte er daran, wie seltsam sie einmal mehr wirken mussten; er in seinem ausgefransten Mantel und mit dem viel zu voluminösen Schal … und Sam-jung in den edlen Schuhen und dem stylischen gefütterten Trenchcoat … oder was auch immer derart modebewusste Männer eben im kälter werdenden Seoul trugen. Ob Jae-song einen Blick auf den Anzug würde erhaschen können? Nie zuvor hatte er sich etwas aus Mode gemacht … aus teuren Schuhen, passenden Einstecktüchern oder Krawatten. Doch seitdem er Sam-jung das erste Mal gesehen hatte, wollte er mehr über Stoffe und Schnitte und Designs erfahren – nur, um sich dem Älteren näher zu fühlen.
 

𝐼𝑐𝘩 𝑤𝑢̈𝑟𝑑𝑒 𝑚𝑖𝑐𝘩 𝑓𝑟𝑒𝑢𝑒𝑛, 𝑤𝑒𝑛𝑛 𝑑𝑢 𝑚𝑖𝑐𝘩 𝑛𝑎𝑐𝘩 𝐻𝑎𝑢𝑠𝑒 𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑠𝑡. 𝐴𝑏𝑒𝑟 𝑒𝑟𝑠𝑡 𝑛𝑎𝑐𝘩 𝑑𝑒𝑚 𝐶𝑜𝑐𝑘𝑡𝑎𝑖𝑙.

𝐒𝐞𝐥𝐛𝐬𝐭𝐯𝐞𝐫𝐬𝐭𝐚̈𝐧𝐝𝐥𝐢𝐜𝐡 𝐞𝐫𝐬𝐭 𝐝𝐚𝐧𝐚𝐜𝐡! 𝐃𝐚𝐧𝐧 𝐞𝐫𝐟𝐚𝐡𝐫𝐞 𝐢𝐜𝐡 𝐯𝐢𝐞𝐥𝐥𝐞𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐞𝐧𝐝𝐥𝐢𝐜𝐡, 𝐦𝐢𝐭 𝐰𝐚𝐬 𝐠𝐞𝐧𝐚𝐮 𝐝𝐮 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐳𝐚𝐮𝐛𝐞𝐫𝐭 𝐡𝐚𝐬𝐭.

𝐷𝑎𝑠 𝑏𝑙𝑒𝑖𝑏𝑡 𝑛𝑜𝑐𝘩 𝑒𝑖𝑛𝑒 𝑊𝑒𝑖𝑙𝑒 𝑚𝑒𝑖𝑛 𝐺𝑒𝘩𝑒𝑖𝑚𝑛𝑖𝑠.

𝐃𝐮 𝐰𝐞𝐢ß𝐭, 𝐝𝐚𝐬𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐟𝐚𝐜𝐡 𝐝𝐢𝐞 𝐊𝐚𝐫𝐭𝐞 𝐥𝐞𝐬𝐞𝐧 𝐤𝐨̈𝐧𝐧𝐭𝐞?

𝐸𝑡𝑤𝑎𝑠 𝑠𝑎𝑔𝑡 𝑚𝑖𝑟, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑑𝑢 𝑑𝑎𝑠 𝑛𝑖𝑐𝘩𝑡 𝑡𝑢𝑛 𝑤𝑖𝑟𝑠𝑡.

𝐃𝐮 𝐡𝐚𝐬𝐭 𝐑𝐞𝐜𝐡𝐭. 𝐈𝐜𝐡 𝐥𝐢𝐞𝐛𝐞 𝐞𝐬, 𝐦𝐞𝐡𝐫 𝐮̈𝐛𝐞𝐫 𝐝𝐢𝐜𝐡 𝐳𝐮 𝐞𝐫𝐟𝐚𝐡𝐫𝐞𝐧, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐢𝐧 𝐝𝐞𝐢𝐧𝐞𝐫 𝐆𝐞𝐬𝐜𝐡𝐰𝐢𝐧𝐝𝐢𝐠𝐤𝐞𝐢𝐭. 𝐃𝐚𝐬 𝐦𝐚𝐜𝐡𝐭 𝐞𝐬 𝐮𝐦𝐬𝐨 𝐬𝐮̈ß𝐞𝐫, 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐝𝐮 𝐞𝐭𝐰𝐚𝐬 𝐯𝐨𝐧 𝐝𝐢𝐫 𝐚𝐮𝐬 𝐞𝐫𝐳𝐚̈𝐡𝐥𝐬𝐭. 𝐇𝐨𝐟𝐟𝐞𝐧𝐭𝐥𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐚𝐫 𝐝𝐚𝐬 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐳𝐮 𝐝𝐢𝐫𝐞𝐤𝐭? 𝐖𝐞𝐧𝐧 𝐝𝐨𝐜𝐡, 𝐦𝐚𝐜𝐡 𝐝𝐞𝐧 𝐂𝐨𝐜𝐤𝐭𝐚𝐢𝐥 𝐬𝐩𝐚̈𝐭𝐞𝐫 𝐛𝐞𝐬𝐨𝐧𝐝𝐞𝐫𝐬 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐤. 𝐃𝐚𝐧𝐧 𝐤𝐚𝐧𝐧 𝐢𝐜𝐡 𝐣𝐞𝐝𝐞𝐬 𝐰𝐞𝐢𝐭𝐞𝐫𝐞 𝐅𝐞𝐡𝐥𝐯𝐞𝐫𝐡𝐚𝐥𝐭𝐞𝐧 𝐚𝐮𝐟 𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐙𝐮𝐬𝐭𝐚𝐧𝐝 𝐬𝐜𝐡𝐢𝐞𝐛𝐞𝐧.

𝐸𝑠 𝑖𝑠𝑡 𝑎𝑙𝑙𝑒𝑠 𝑖𝑛 𝑂𝑟𝑑𝑛𝑢𝑛𝑔, 𝘩𝑦𝑢𝑛𝑔. 𝑈𝑛𝑑 𝑖𝑐𝘩 𝑏𝑖𝑛 𝑚𝑖𝑟 𝑠𝑖𝑐𝘩𝑒𝑟, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑒𝑠 𝑘𝑒𝑖𝑛 𝐹𝑒𝘩𝑙𝑣𝑒𝑟𝘩𝑎𝑙𝑡𝑒𝑛 𝑔𝑒𝑏𝑒𝑛 𝑤𝑖𝑟𝑑.

𝐃𝐞𝐢𝐧 𝐕𝐞𝐫𝐭𝐫𝐚𝐮𝐞𝐧 𝐢𝐧 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐬𝐜𝐡𝐦𝐞𝐢𝐜𝐡𝐞𝐥𝐭 𝐦𝐢𝐫. 𝐈𝐜𝐡 𝐟𝐫𝐞𝐮𝐞 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐬𝐞𝐡𝐫 𝐚𝐮𝐟 𝐬𝐩𝐚̈𝐭𝐞𝐫, 𝐉𝐚𝐞-𝐬𝐨𝐧𝐠, 𝐮𝐧𝐝 𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐮̈𝐫𝐝𝐞 𝐝𝐞𝐧 𝐬𝐞𝐥𝐭𝐞𝐧𝐞𝐧 𝐌𝐨𝐦𝐞𝐧𝐭 𝐝𝐞𝐬 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐧𝐬 𝐠𝐞𝐫𝐧𝐞 𝐚𝐮𝐬𝐤𝐨𝐬𝐭𝐞𝐧, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐢𝐜𝐡 𝐦𝐮𝐬𝐬 𝐰𝐞𝐢𝐭𝐞𝐫𝐚𝐫𝐛𝐞𝐢𝐭𝐞𝐧. 𝐖𝐢𝐞 𝐬𝐨𝐥𝐥 𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐢𝐞 𝐙𝐞𝐢𝐭 𝐛𝐢𝐬 𝐡𝐞𝐮𝐭𝐞 𝐀𝐛𝐞𝐧𝐝 𝐧𝐮𝐫 𝐮̈𝐛𝐞𝐫𝐥𝐞𝐛𝐞𝐧?

𝐴𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑒 𝘩𝑎𝑟𝑡, 𝘩𝑦𝑢𝑛𝑔!

𝐃𝐮 𝐚𝐮𝐜𝐡. 𝐋𝐞𝐫𝐧 𝐟𝐥𝐞𝐢ß𝐢𝐠. 𝐁𝐢𝐬 𝐡𝐞𝐮𝐭𝐞 𝐀𝐛𝐞𝐧𝐝.

𝐵𝑖𝑠 𝘩𝑒𝑢𝑡𝑒 𝐴𝑏𝑒𝑛𝑑.
 

Das ich freue mich auch schwebte in flirtenden Silben auf dem Handydisplay, doch Jae-song traute sich nicht und löschte die wenigen Worte wieder, noch ehe sie hätten versendet werden können.

Der Abend konnte nicht schnell genug kommen.
 

Das Kobaltblau des Designeranzugs strahlte im Dämmerlicht des Choi-ce und sofort lagen die Augen des schüchternen Barkeepers auf dem seltenen Gast. Sie registrierten, dass sein seltener Gast ein wenig anders lief als noch vor beinahe drei Wochen auf der Wissenschaftsmesse und ein wenig Besorgnis schlich sich in die Gedanken Jae-songs – aber wie viel wusste er schon? Es mochte gut und gerne sein, dass Sam-jung heute so lief wie immer und bei ihrem letzten Treffen beeinträchtigt gewesen war … und noch waren Medizineraugen nicht geschult genug, um Fehlstellungen oder Verletzungen zu erkennen. Und Jae-song bei weitem nicht selbstbewusst genug, um einfach zu fragen.

Stattdessen schlich sich trotz der konträren Gedanken ein sachtes Lächeln auf seine Lippen und Sam-jung erwiderte es mit einer Freude, die sein Herz zum Flattern brachte. Hektisch schlug er den Blick nieder und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie seine Lieblingskollegin sie lange beobachtete, ehe sie die nächsten Getränke unter die Gäste brachte.

„Ich bin auf persönliche Empfehlung eines Mannes hier, den ich sehr verehre“, begann Sam-jung ein Gespräch mit ihm und Jae-songs Gesicht brannte. Den er verehrte …

Jae-song hätte für den Rest seines Lebens nur dem Bassbariton lauschen können, wie er säuselte und schmeichelte, ihn mit Honig umgab und ihm die Welt versprach. Nie zuvor hatte er Versprechungen von Gästen oder Kunden angenommen – nie zuvor hatte er sich wirklich etwas aus Komplimenten gemacht – und nie zuvor hatte er derart intensiv für jemanden empfunden. Er hatte immer geglaubt, die große Liebe sei die Erfindung von romantischen Schwachköpfen oder der Medienlandschaft … und hier stand er, die Aufmerksamkeit eines Mannes in sich aufnehmend, der bereit zu sein schien ihm die Welt zu Füßen zu legen.

Routiniert zauberte Jae-song seinen Cosmopolitan und schwebte auf Wolken zum seltenen Gast herüber, das Getränk beinahe schwerelos vor ihm auf dem Tresen platzierend. Er wollte, dass Sam-jung verstand, dass er sich nur für ihn derart viel Mühe gab und dass er nur ihn bediente – ohne, dass er dafür Worte nutzen musste. Ihm flogen tausend Erwiderungen auf honigweiche Versprechungen durch den Kopf – Gesprächsfetzen – Zitate aus Filmen oder Büchern, die er irgendwann einmal gehört hatte – doch schlussendlich war das Flattern im Brustkorb derart präsent, dass er dem durchdringenden Blickkontakt ausweichen musste und stumm blieb. Er fühlte sich klein und unbedeutend und gleichzeitig begehrt – wie schaffte Sam-jung das nur?

Die letzte Stunde seiner Schicht zog ins Land und der elegante Mann genoss einen zweiten seiner Drinks, ehe Jae-song von seinem Kollegen abgelöst wurde. Die Distanz zum Medizinstudenten wahrend, nahm er ihm die Schürze ab und Jae-song dankte es ihm mit einem schmalen Lächeln, ehe er scheu in Sam-jungs Richtung schaute. Stand das Angebot noch? Würde er draußen auf ihn warten? Ah – wollte er selbst das? Die Blicke seiner Lieblingskollegin waren bereits erdrückend gewesen und jetzt wo es beinahe so weit war, dass Sam-jung ihn nach Hause bringen würde, verspürte er den Drang wegzulaufen.

War es doch zu viel gewesen? Zu glauben, dass er schon bereit war sich öffentlich mit einem Mann zu zeigen? Immer und immer wieder erinnerte Jae-song sich daran, dass sie in einer neuen Zeit lebten und auch seine Eltern mehr oder weniger einverstanden waren … doch schlussendlich kam er immer zum gleichen Schluss: mit jemandem in der Öffentlichkeit gesehen zu werden war ihm einfach unangenehm. Und da war es einerlei, ob es nun ein Mann oder eine Frau war – eigentlich. Uneigentlich stand für ihn nun einmal fest, dass er lediglich Männer attraktiv fand … … und je länger er sich an dem Gedanken des Unwohlseins festklammerte, desto länger brauchte er, um aus den Personalräumen zu kommen. Sam-jung musste nun bereits beinahe zwanzig Minuten auf ihn warten … und ein Teil von Jae-song war versucht ihm zu schreiben, dass er die lange Schicht übernehmen musste … oder eine andere Notlüge vorzuschieben, um nicht mit ihm nach Hause zu gehen.

Aber wieso? Weil es ihm unangenehm war?

Jae-song war überrascht vom Vorwurf der eigenen Gedanken und davon, dass es ihn keine zwei Minuten kostete, um schließlich neben Sam-jung zu stehen – für ihn schien er bereit zu sein sich dem Unwohlsein auszusetzen und diese Erkenntnis überforderte ihn beinahe noch mehr als die Tatsache, dass der gutaussehende Anzugträger rein gar nichts zu seiner Verspätung sagte. Im Gegenteil: vergnügt formten seine Augen Halbmonde und ein leises Lachen, schroff und rau, perlte von schmunzelnden Lippen.

„Der Drink war perfekt. Also war ich nicht zu direkt?“

Jae-song starrte und wurde sich dessen Sekunden zu spät bewusst. „E-Es tut mir leid! Du .. du musstest warten.“ Er sah sich der Aufrichtigkeit des Älteren vollkommen ausgeliefert, als dieser ihn mit honigweicher Stimme erinnerte: „Ich sagte doch: auf dich würde ich immer warten. Also? Darf ich dich nach Hause bringen?“ Jae-song konnte nicht anders als nicken. Schulter an Schulter, verborgen hinter Mänteln und Schals, eingefangen in den belebten Straßen der pulsierenden Großstadt, und dennoch vollkommen allein miteinander, brachte Sam-jung Jae-song den ganzen Weg vom Choi-ce bis zum Wohnheim. Sie schwiegen und doch war es keine unangenehme Stille – es war beiderseitiges Einvernehmen und je näher sie dem Wohnheim kamen, desto mehr drosselten sie ihre Schritte, kosteten das Schweigen des jeweils anderen aus und zögerten ihren Abschied hinaus.

„Sehe ich dich in deinen Ferien?“

„… auf jeden Fall …“

Und statt ihren Abschied mit unangenehmen Unklarheiten der Art und Weise wie sie sich verabschieden sollten zu ruinieren, platzierte Sam-jung vorsichtig eine Hand auf dem weichen Haar des Jüngeren; er zerschmolz innerlich, als er das Funkeln in dunklen Augen sah und ließ es sich nicht nehmen, ein paar der Strähnen sanft zu streicheln. Nicht zu lange, als dass es unangebracht aussehen konnte – doch nicht zu kurz, um einen falschen Eindruck zu erwecken.

„Ich warte auf deine Nachricht“, versprach Sam-jung dem Studenten, dessen weiche Züge von Kälte und Verlegenheit gezeichnet waren und dessen flüchtende Stimme kein weiteres Mal erklang. Stattdessen nickte er verhalten, den Blick auf scheue Rehaugen verbergend und das reichte Sam-jung als Versprechen.
 

„Musstest du lange warten?“

Gänsehaut rieselte über den Rücken Jae-songs, als der liebgewonnene Bariton in seiner Brust widerhallte und abrupt schaute er auf; seine Hände waren in Handschuhen in den Hosentaschen vergraben, sein Kiefer und seine Unterlippe verschwanden in dem großen Schal und die Ohrenspitzen wurden von der Wollmütze geschützt, die er bereits seit Jahren trug. Trotzdem hatte er bis eben gefroren in der kühlen Winterluft Seouls, doch als seine Augen die des Älteren streiften, verkrampfte sich sein Magen und eine wohltuende, aber ebenso beängstigende Hitze schoss durch sein Innerstes. Sofort wurde ihm warm und er schrumpfte einige Millimeter im Wintermantel, als er den Kopf einzog und sich im Schal versteckte. Sam-jung schien instinktiv zu wissen, dass er keine direkte Antwort bekommen würde und beinahe wirkte er schuldbewusst, wie er die Hände nach dem Studenten ausstreckte. Flehende Augen baten um Verzeihung, wie Jae-song unter Wimpern hervorschauend bemerkte und er lächelte heimlich in den Weiten des Schals. „Es tut mir leid, Jae-song. Die Arbeit hat mich länger aufgehalten als ich es wollte. Kannst du mir verzeihen, dass ich dich habe warten lassen?“ Honigweicher Bassbariton. Jae-song blinzelte.
 

Es war erst wenige Tage her, dass sie ihr zweites Date gehabt hatten und noch immer war er vollkommen überwältigt von der Intensität ihres Aufeinandertreffens. Sam-jung hatte ihn in ein Museum mitgenommen – die Schätze der Medizin – und immer wieder hatte er nach seiner Hand gegriffen, seinen Arm berührt, Kontakt gesucht, ohne dass Jae-song zu schüchtern geworden wäre unter den vielen fremden Augen. Er hatte sich überraschend wohl gefühlt, doch gleichzeitig überfordert mit all den Eindrücken. Die Ausstellung an sich war überraschend groß gewesen; vier Hallen voller wissenschaftlicher Errungenschaften der Neuzeit, eine ganz der Anatomie gewidmet und voller Modelle, deren Obszönität Jae-song in anderen Bereichen sicherlich die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Doch in Anblick der Wissenschaft hatten sie eher seine Neugierde geweckt, denn an seinem Schamgefühl gerüttelt und er hatte mehr geredet als in den letzten Monaten zusammengenommen. Der Ältere hatte zugehört und stets heimlich gelächelt, wenn Jae-song über die eigene Aufregung gestolpert war und ihm versichert, dass er ihm gerne zuhörte. Mit dieser Eröffnung hatte er den schüchternen Studenten beinahe entblättert – im metaphorischen Sinne – und ihn zum Schweigen gebracht. In einvernehmlicher Stille hatten sie die Ausstellung weiter erforscht und jede mehr oder weniger zufällige Berührung des Älteren hatte Jae-song in ein gedankliches und emotionales Chaos gestürzt.

Er hörte ihm gerne zu … etwas, das noch niemals jemand zu ihm gesagt hatte. Und als sie sich am Abend voneinander verabschiedeten, versicherte Sam-jung ihm, dass er den Tag mit ihm genossen hatte und es nicht erwarten konnte, ihn wiederzusehen. All das in einer derart charmanten Weise, dass Jae-song sich nicht bedrängt, sondern über allen Maßen geschmeichelt fühlte.
 

Und auch jetzt schaffte Sam-jung es mit spielender Leichtigkeit seine Schüchternheit zu überwinden und genau die richtigen Worte zu finden, ohne dass es erzwungen wirkte.

„Ich … ich bin dir nicht böse“, nuschelte Jae-song in den Stoff des Schals und ließ den Älteren schließlich am heimlichen Lächeln teilhaben. Sam-jungs Augen schienen zu funkeln, als seine Hand sich umsichtig auf die Schulter des Jüngeren legte, kaum merklich Druck ausübte und Jae-song sah ihm an, dass er ihm gerne so viel näher als das wäre, was ihn abermals unsicher werden ließ – und gleichzeitig badete er sich in dem sonnigen Gefühl, das sich in seinem Inneren ausbreitete. Die Art und Weise, wie Sam-jung ihn anschaute, hatte sich seit ihrem letzten Treffen ein wenig geändert … … und die Intensität schickte brennende Wellen durch den Studenten, die sich in zarter Röte auf seinen Wangen manifestierte.

„Wirst du mich heute begleiten, auch wenn du nicht weißt, wohin wir gehen?“, sprach Sam-jung sanft mit ihm und seine ruhige Stimme legte sich liebreizend um das polternde Studentenherz. Scheu nickte Jae-song und schloss die Distanz zum Älteren ein wenig – ohne einander zu berühren gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her und genossen die Nähe des jeweils anderen. Jae-song fühlte sich unwohl dabei ihre Treffen auch in der Öffentlichkeit als Date zu betiteln und so respektierte Sam-jung die Distanz zwischen ihnen ohne sie auch nur zum Thema zu machen. Abermals schien er instinktiv zu wissen, wie er mit Jae-song umzugehen hatte und allein die Tatsache, dass er so verständnisvoll, so umsichtig war, ließ den Studenten daran glauben, dass sie eine gemeinsame Zukunft haben könnten. Vielleicht war er zu ungestüm – vielleicht zu voreilig – immerhin hatten sie sich bisher noch nicht oft gesehen und noch seltener tatsächlich gesprochen. Er wusste nicht genau wie alt Sam-jung war, wusste nicht was er beruflich tat, wusste nicht was er gerne aß, wie seine Familie war, ob er Geschwister hatte, ob er studiert hatte, ob er gerne trank, ob er ein Hunde- oder Katzenmensch war . . .

. . . aber Jae-song würde nicht fragen. Er wollte es herausfinden, Stück für Stück, und sich Zeit dabei nehmen, den Älteren kennenzulernen. Noch nie hatte er so viel über jemanden wissen wollen und war gleichzeitig so entschlossen gewesen, keine Fragen zu stellen. Er würde selbst mit Dates aufwarten und Sam-jung überraschen … dadurch herausfinden, ob er das Meer lieber mochte als die Berge … oder ob er Höhenangst hatte … ob er gerne schnelle Autos fuhr oder lieber Besen flog … ob er die Magie ihrer Welt eher schätzte als die der Muggel oder ob er lieber in ein 4D-Kino ging als zum Hippogreifreiten. Und sein Wille zu erkunden hatte gar nichts mit seiner Unfähigkeit, seine Gedanken und Gefühle zu verbalisieren, zu tun. Sam-jung löste etwas in ihm aus, das ihn dazu bringen wollte, die eigenen Grenzen zu sprengen und über die eigenen Möglichkeiten hinaus zu denken und zu handeln. Jae-song wollte für ihn mutig sein und aus seiner Komfortzone ausbrechen.

Nur deswegen stimmte er auch heute zu ihm blindlings zu folgen, obwohl ihn Überraschungen und Veränderungen normalerweise absolut betäubten.

„Wie sind die Winterferien? Hast du viel über die Feiertage zu tun?“, erkundigte Sam-jung sich und Jae-song schaute scheu zu ihm, ehe er seine Fußspitzen während des Laufens fokussierte. Es hatte in der Nacht zwar geschneit, doch bereits wenige Stunden später war von der Pulverdecke nichts mehr zu sehen; die klamme Kälte schlich sich stattdessen unter den Mantel des Studenten und er schauderte, ehe er leise antwortete: „Die Professoren haben uns keine Semesterarbeiten gegeben, aber ich bin einer Lerngruppe beigetreten…“ Unsicherheit ließ ihn verstummen, denn obwohl der Ältere gefragt hatte und obwohl Jae-song im Grunde auch wusste, dass er interessiert war … war das Studentenleben wirklich etwas worüber er sprechen wollte? Wirklich etwas das Sam-jung interessierte?

Die ruhigen Augen des Älteren brannten auf seinem Profil und Jae-song blitzte unsicher zu ihm auf, erkannte ein zutrauliches Nicken und fühlte sich in seinen Worten bestärkt. Sam-jung wollte zuhören … und daher bemühte er sich um eine ausführlichere Antwort.

Das Ausbrechen aus komfortablen Zonen begann.

„… Es ist eine kleine Gruppe. Wir gehen den Stoff vom letzten Semester Stück für Stück durch und einer meiner Kommilitonen ist aus der Psychologiefakultät, was uns einen anderen Blickwinkel auf einige der neurologischen Aspekte gibt.“

Abermals stolperte Jae-song über die eigenen Worte und verstummte. Seine Wangen brannten und eine Nervosität nahm von ihm Besitz, die unwillkommen und in Sam-jungs Gegenwart noch nie dagewesen war. Er schämte sich beinahe für all die Worte und die Ausführlichkeit, wollte er doch nicht dass Sam-jung glaubte, er sei wiederum nicht an dessen Leben interessiert und würde nur über sich reden. Abermals brannte der ruhige Blick auf ihm und eine Berührung an seinem Ellenbogen brachte sie beide zum Halten. Sam-jungs Lippen zeigten ein weiches, beinahe liebevolles Lächeln und Jae-songs Atem stockte. Sein Herz begann wild zu klopfen und er wurde sich einmal mehr bewusst, dass er sich bereits hoffnungslos in diesen Mann verliebt hatte, dessen Aufmerksamkeit wie Felix Felicis wirkte.

Die flüchtige Berührung am Ellenbogen verschwand und Jae-song blitzte zum eigenen Körperteil, ironischerweise an den lateinischen Begriff dafür denkend, ehe die honigweiche Stimme sein Herz umarmte: „Du brauchst nicht aufhören zu reden, Jae-song. Ich habe gefragt, weil ich wissen will wie du deine Zeit verbringst. Mit wem du deine Zeit verbringst. Und ob dir dein Studium Spaß machst … und ob du genügend Zeit fürs Schlafen und Essen hast. Medizin ist ein so verantwortungsvolles Studium, dass ich mir Sorgen mache, dass du nicht genügend Zeit für dich hast.“ Jae-song brannte lichterloh unter den warmen Worten und starrte in geschwungene dunkle Augen, in denen sich das Licht der belebten Innenstadt spiegelte. „Ah, ich überschreite hier keine Grenze, oder? Ich klinge nicht zu besitzergreifend? Ich will dich nicht einengen; ich frage wirklich nur, weil ich es wissen will und mir Sorgen mache, in Ordnung?“

Polterndes Herz – brennende Wangen – breites Lächeln.

Hoffnungslos verliebt.

Jae-song nickte, ein weiches „hmhm“ summend und spürte, wie alles in ihm federleicht wurde. „Das ist in Ordnung, hyung.“

„… Kannst du das noch einmal anders sagen? So, wie du es letztes Mal gesagt hast?“

Jae-song stutzte über diese Bitte, doch noch immer im Rausch der liebevollen Worte und der Sorge des Älteren gefangen, nickte er und wiederholte leise: „Du darfst dir Sorgen machen, Sam-jung hyung.“
 

Atemlos starrte Sam-jung zum Jüngeren herab, dessen Lächeln am heutigen Abend so viel strahlender war als sonst. Er wirkte losgelöst und offener und während die Welt um sie herum sich weiterdrehte und Menschen an ihnen vorbeizogen, schrumpfte Sam-jungs Welt auf den Studenten vor ihm zusammen. Auf den scheuen Blickkontakt und die weichen Gesichtszüge, auf die von Kälte und Schamgefühl roten Wangen, auf den großen Schal, der viel zu viel von seinem Gesicht verbarg, auf den riesigen Wintermantel, der seinen Körper komplett versteckte, auf die wachsende Zuneigung auf hübschen Gesichtszügen und auf die im Reklamelicht funkelnden Augen.

Augen, die nur ihn anschauten.

Augen, die vor Herzenswärme schimmerten.

Und allein die Tatsache, dass Jae-song sich vorgewagt hatte jene Worte auszusprechen, die er hatte hören wollen, erfüllte den Älteren mit Stolz. Was mit Neugierde und Interesse begonnen hatte, war für ihn schnell zu einer tiefgreifenden Herzensangelegenheit geworden. So tiefgreifend, dass er am liebsten jede freie Sekunde mit dem Studenten verbracht hätte und so tiefgreifend, dass er dessen Grenzen ohne Wenn und Aber respektierte.

Grenzen, die er bei niemand anderem jemals respektiert hatte und Grenzen, die er bei niemand anderem jemals wieder respektieren würde.

Vielleicht war er zu ungestüm – vielleicht war er zu voreilig – aber der scheue Blick Jae-songs und das strahlende Lächeln berührten sein schnell schlagendes Herz.

Er war bereit, es Jae-song zu schenken.
 

„Es ist … so hoch.“

Sam-jung musste über den Kommentar des Studenten lachen und empfand die Rötung der Wangen als unheimlich niedlich; dabei wussten sie doch beide, dass er ihn nicht auslachte, oder? Doch um diesen Zweifel aus dem Weg zu räumen, brummte er sanft: „Ich freue mich genauso hier zu sein, wie du. Es ist auch mein erstes Mal hier. Ich habe immer davon geträumt mit jemandem so … bezaubernden … wie dir hier her zu kommen.“

Seine Schmeichelei verfehlte ihre Wirkung nicht: Jae-songs Wangen färbten sich noch röter und Sam-jung beobachtete, wie seine Lippen mitten beim Luftholen geöffnet blieben, ganz so, als würde ihm die Fähigkeit des Atmens versagen. Er beobachtete, wie die großen Augen ruhelos umherwanderten und die Unsicherheit und Verlegenheit dem Studenten zusetzten. Er gab ihm die Zeit, die er brauchte, um die Worte zu verarbeiten und ein Teil von ihm wünschte sich so sehr, dass Jae-song verstand, wie viel sich noch hinter ihnen verbarg . . . aber dafür kannten sie einander noch nicht gut genug, nicht wahr? Es war vermessen zu hoffen, dass sie die Worte des jeweils anderen bereits interpretieren konnten, die Worte hinter den Worten ergründen konnten, oder nicht?

Aber Jae-song überraschte ihn und fragte beinahe atemlos: „Bin ich so besonders für dich?“ Und wahrscheinlich war der Jüngere selbst überfordert mit dem Mut hinter der eigenen Frage, denn wenn nicht … war er wesentlich schamloser, als Sam-jung es ihm zugetraut hätte. Immerhin fühlte er sich von dessen Worten herausgefordert, auf die beste Art und Weise. Trotz der vielen Augenpaare um sie herum trat er näher an den Jüngeren heran, berührte dessen behandschuhte Hand mit den Fingern deutlich genug, damit er es bemerkte und schenkte ihm ein Lächeln, das hoffentlich seine Aufrichtigkeit untermauerte. Niemals zuvor, in keiner lebensbedrohlichen Situation, bei keinem großen Coup, bei keinem wichtigen Kunden hatte er so sehr gewollt, dass ihm jemand glaubte – aber Jae-song sollte wissen, dass er jedes Wort so meinte.

„Wir kennen uns noch nicht lange, Jae-song, aber seitdem du in mein Leben getreten bist, will ich am liebsten jede Minute bei dir sein. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, Zeit mit jemand anderem als mit dir zu verbringen. Ist das … seltsam?“
 

Sein Herz zersprang und obwohl Wellen der Scham durch in brandeten, schaute er weiterhin in die funkelnden Augen. Obwohl so viele Menschen um sie herum sehen konnten, mit wie viel Zuneigung Sam-jung ihn bedachte und obwohl so viele Menschen um sie herum hören konnten, welch romantische Worte er wählte, zählten für Jae-song in diesem Moment weder die eigenen Unzulänglichkeiten noch irgendjemand sonst außer dem Mann vor ihm.

„Das ist … das ist gar nicht seltsam.“ Und wie gerne hätte er ihm mehr Zuspruch gegeben – dass die Zeit, die sie einander kannten nicht relevant für ihn war und dass er sich in seiner Gegenwart wohl fühlte und niemand sonst bisher solche Gefühle in ihm ausgelöst hatte . . . aber er konnte die vielen Gefühle nicht in Worte fassen und so befreite er seine Hand umständlich aus dem Handschuh und griff schnell nach der warmen Hand des Älteren; scheu blitzte der eigene Blick für eine Weile auf die helle Haut herab, die sich kontrastreich gegen die eigene schmiegte.

„Das heißt, dass dieses Date gut läuft, oder? Ich darf dich wiedersehen?“

Jae-song schaute überrascht auf und sein Blick sprach mehr als tausend Worte: hatte das zur Debatte gestanden? Sam-jung lachte verhalten, drückte seine Hand und löste dadurch einen Wirbelsturm der Gefühle in seinem Inneren aus – sei es dank dem vibrierenden Bass des Lachens oder der einfachen Geste, Jae-song wusste es nicht. Doch dieser wundervolle Mann vor ihm hatte eine berauschende Wirkung auf ihn und selbst das Necken konnte er daher ohne Schrecken ertragen. „Entschuldige, es kam über mich. Wollen wir die Aussicht genießen ehe wir Essengehen?“ Jae-song war davon überrumpelt, dass sie in den meistens ausgebuchten Restaurants des Namsan Towers Essengehen würden und nicht zum ersten Mal wurde er das Gefühl nicht los, dass Sam-jung jemand ganz Besonderes war. Nicht nur für ihn, sondern auch für andere. Unsicher, ob er die Hand loslassen sollte, schaute er auf sie herab und nickte als Antwort auf die Frage – der Ältere spürte instinktiv seine Unsicherheit und entließ seine Hand widerwillig in die Freiheit.

„Gibst du mir deinen Handschuh?“

Willenlos überreichte Jae-song ihm das Kleidungsstück und spürte sein Herz flattern, als Sam-jung ihm den Handschuh Stück für Stück sorgfältig und umsichtig über die Hand stülpte. Es war eine so einfache Geste . . . und dennoch war es das Schönste, das jemals jemand für ihn getan hatte. Jae-songs Augen funkelten wild und zuerst scheu, dann mutig schaute er in seine Spiegel und verriet damit, wie unheimlich dankbar er für die Zuneigung des Mannes vor sich war. Gemeinsam traten sie hinaus in die kalte Abendluft und bedachten den sternenlosen Himmel mit sehnsüchtigen Blicken, Schulter an Schulter, und Jae-song vermerkte still und heimlich für sich, dass Sam-jung keine Höhenangst hatte.
 

Von da an schrieben sie einander beinahe täglich. Es waren häufig Belanglosigkeiten wie bist du schon zu Hause? oder hast du gegessen? oder denk an den Mantel, bevor du rausgehst – doch so belanglos die wenigen Worte auf dem flackernden Display auch zu sein schienen, sie bedeuteten Jae-song unheimlich viel. Es war fast berauschend zu wissen, dass es jemanden in der Großstadt gab, der an ihn dachte und sich Sorgen machte, der sich kümmerte und dem er am Herzen lag. Denn wie sollte er genau das nicht denken? Sam-jung schrieb ihm jeden Abend gute Nacht und jeden Morgen guten Morgen – er war ein konstanter Begleiter in seinem Alltag, ohne dass er wirklich physisch anwesend gewesen wäre. Jae-song begann, ihn selbst beim Antworten zu vermissen und obwohl er wusste, dass er viel zu tun hatte und auch der Student keine Zeit für ihn aufbringen konnte, erwischte er sich so oft bei dem Gedanken ihn trotzdem sehen zu wollen, dass er sich über sich selbst wunderte.

Bis zu dieser Zeit war das Studium für ihn das Wichtigste gewesen. Er arbeitete hart in den zwei Teilzeitjobs, um die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten tragen zu können und hatte sogar einen Kredit aufgenommen, um nicht plötzlich vor dem Nichts zu stehen. Er wollte so schnell wie möglich mit dem Studium fertig werden und so gut wie möglich abschließen, um schnell arbeiten und seine Eltern besser unterstützen zu können. Er wollte helfen, am ehesten noch seinen Eltern, aber sicherlich auch jenen, die seine Hilfe benötigen würden. Sein Traum, Arzt zu werden, war nie verblasst und immer sein Leitstern gewesen.

Doch jetzt dachte er nicht an Anatomie oder Nervensysteme, wenn er morgens aufwachte, sondern an Sam-jung und jedes Mal begann sein Herz zu flattern oder zu ziehen – je nachdem, ob die Freude oder die Sehnsucht überwog.

Einmal mehr musste er sich eingestehen, dass er verliebt war.
 

Ganz automatisch griff er auch an diesem Morgen zum Handy und sah Sam-jungs 𝐆𝐮𝐭𝐞𝐧 𝐌𝐨𝐫𝐠𝐞𝐧 als erste Nachricht des Tages. Jae-song fragte sich, ob der Ältere immer so früh aufstand oder ob er sich extra für ihn einen Wecker stellte und auch wenn der letzte Gedanke ihm ein wenig übertrieben vorkam, so fixierte er sich dennoch genau auf diesen, weil er schmeichelhaft, romantisch war. Selbst wenn das nicht stimmen sollte, so wollte Jae-song doch daran glauben und ganz heimlich konnte er den Rest des Tages nicht mehr zu lächeln aufhören. Ob auf dem Weg zur Vorlesung, der Nachbereitung in der Bibliothek, der Abendvorlesung oder kurz vorm Zubettgehen – wo natürlich schon ein gute Nacht auf ihn wartete – es war ihm nicht möglich, das sachte Lächeln einzustellen. Und gemessen daran, wie gut es ihn sich fühlen ließ, wollte er das auch gar nicht.

Aber die Zeit verstrich und je länger er ihn nicht gesehen hatte, desto trauriger wurde er im Inneren. Er wollte Sam-jung unbedingt sehen … und dieser Gedanke überraschte den Introvert. Für Jae-song waren soziale Kontakte nicht überlebensnotwendig. Ihm reichte ein Gespräch oder ein Essengehen mit seiner engen Freundin oder ein Besuch bei seinen Eltern meistens für einige Wochen. Seine soziale Batterie war eine kleine Knopfzelle, wenn man das Volumen messen, aber ein Stern, wenn man die Zeit bemessen wollte. Er brauchte andere Menschen schlicht und ergreifend nicht, um glücklich zu sein.

Nun – so hatte er immer gedacht. Aber je mehr Tage ins Land ohne den Älteren zogen, desto mehr musste Jae-song sich eingestehen, dass er ihn wirklich vermisste. Dass es ihm nicht reichte ihm zu schreiben und dem Glücksgefühl der kurzen Nachrichten nachzujagen, sondern dass er ihn sehen wollte und dass er die honigweiche Stimme vermisste.

Er vermisste den angereicherten Honig und er vermisste es sogar, Komplimente zu bekommen, wie er sich mit brennenden Wangen fassungslos eingestand. Er vermisste es, wie das Ende von Silben nachlässig vom Bassbariton verschluckt wurde und wie herrlich er mit seinem Inneren vibrierte. Wie einfach Sam-jung ihn aus dem Konzept bringen konnte, mit nur einem Wort, und wie leicht es ihm im selben Atemzug fiel, ihn wieder in die Spur zu bringen. Er wollte wieder das Prickeln im ganzen Körper fühlen, wenn der angereicherte Honig sich weich und warm über seine Unsicherheiten legte und sie zu ersticken gedachte. Jae-song wusste bereits, dass er verliebt in den Älteren war … und dennoch war die Intensität der Sehnsucht, des Vermissens, eine gigantische und überfordernde Überraschung für ihn.

Er musste ihn wiedersehen. So bald wie möglich.
 

Das Seollal kam und ging und während viele seiner Kommilitonen nach Hause fuhren um bei ihren Eltern zu sein, blieb Jae-song in Seoul, telefonierte nur kurz mit seinen Eltern und schrieb über die Feiertage die Facharbeiten zu Ende, die seit Anfang des Monats in Arbeit waren. Als er die Arbeiten in der Universität im unbesetzten Büro abgab, stolperte er über Gutscheine für einen Bubbletea-Laden und lächelte heimlich, als er sich zwei von ihnen einsteckte.
 

𝐻𝑦𝑢𝑛𝑔?

𝐖𝐢𝐞 𝐬𝐜𝐡𝐨̈𝐧 𝐯𝐨𝐧 𝐝𝐢𝐫 𝐳𝐮 𝐥𝐞𝐬𝐞𝐧.

𝑇𝑢𝑡 𝑚𝑖𝑟 𝑙𝑒𝑖𝑑, 𝑚𝑖𝑐𝘩 𝑠𝑜 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑒 𝑛𝑖𝑐𝘩𝑡 𝑔𝑒𝑚𝑒𝑙𝑑𝑒𝑡 𝑧𝑢 𝘩𝑎𝑏𝑒𝑛.

𝐈𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐬𝐭𝐞𝐡𝐞 𝐝𝐚𝐬, 𝐉𝐚𝐞-𝐬𝐨𝐧𝐠. 𝐇𝐚𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐝𝐢𝐞 𝐀𝐫𝐛𝐞𝐢𝐭𝐞𝐧 𝐚𝐛𝐠𝐞𝐠𝐞𝐛𝐞𝐧?

𝐽𝑎. 𝑈𝑛𝑑 𝑖𝑐𝘩 𝘩𝑎𝑏𝑒 𝑑𝑎𝑠 𝘩𝑖𝑒𝑟 𝑔𝑒𝑓𝑢𝑛𝑑𝑒𝑛.

-𝑝𝑖𝑐𝑡𝑢𝑟𝑒 𝑠𝑒𝑛𝑑-

𝐼𝑐𝘩 𝑙𝑎𝑑𝑒 𝑑𝑖𝑐𝘩 𝑒𝑖𝑛, 𝑠𝑜𝑏𝑎𝑙𝑑 𝑑𝑎𝑠 𝑙𝑒𝑡𝑧𝑡𝑒 𝑃𝑟𝑜𝑗𝑒𝑘𝑡 𝑎𝑏𝑔𝑒𝑠𝑐𝘩𝑙𝑜𝑠𝑠𝑒𝑛 𝑖𝑠𝑡. 𝑇𝑢𝑡 𝑚𝑖𝑟 𝑙𝑒𝑖𝑑, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑒𝑠 𝑠𝑜 𝑙𝑎𝑛𝑔𝑒 𝑑𝑎𝑢𝑒𝑟𝑡.

𝐈𝐜𝐡 𝐟𝐫𝐞𝐮𝐞 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐚𝐫𝐚𝐮𝐟, 𝐝𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐞𝐝𝐞𝐫𝐳𝐮𝐬𝐞𝐡𝐞𝐧. 𝐇𝐚𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐬𝐜𝐡𝐨𝐧 𝐠𝐞𝐠𝐞𝐬𝐬𝐞𝐧?

𝑁𝑒𝑖𝑛.

𝐁𝐢𝐭𝐭𝐞 𝐯𝐞𝐫𝐠𝐢𝐬𝐬 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭, 𝐚𝐮𝐟 𝐝𝐢𝐜𝐡 𝐳𝐮 𝐚𝐜𝐡𝐭𝐞𝐧. 𝐃𝐮 𝐰𝐢𝐫𝐬𝐭 𝐀𝐫𝐳𝐭 𝐰𝐞𝐫𝐝𝐞𝐧 𝐮𝐦 𝐚𝐮𝐟 𝐚𝐧𝐝𝐞𝐫𝐞 𝐋𝐞𝐮𝐭𝐞 𝐳𝐮 𝐚𝐜𝐡𝐭𝐞𝐧, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐰𝐞𝐫 𝐚𝐜𝐡𝐭𝐞𝐭 𝐚𝐮𝐟 𝐝𝐢𝐜𝐡, 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐝𝐮 𝐬𝐞𝐥𝐛𝐬𝐭?

Jae-songs Herz begann zu flattern und in einem kurzen Anflug von Mut wollte er antworten, dass Sam-jung auf ihn achten sollte, aber hektisch schüttelte er den Kopf und verbot sich, diese Worte zu schreiben. Nicht, weil er sich tatsächlich wegen des Gedankens schämte oder sie nicht genau so meinte, sondern weil er irgendwann den Mut haben wollte, Sam-jung genau darum zu bitten. Von Angesicht zu Angesicht, nicht über das Display eines Handys.

𝑉𝑒𝑟𝑠𝑝𝑟𝑜𝑐𝘩𝑒𝑛, 𝘩𝑦𝑢𝑛𝑔, 𝑖𝑐𝘩 𝑒𝑠𝑠𝑒 𝑗𝑒𝑡𝑧𝑡. 𝐺𝑢𝑡𝑒 𝑁𝑎𝑐𝘩𝑡. 𝑈𝑛𝑑 𝑎𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑒 𝑛𝑖𝑐𝘩𝑡 𝑧𝑢 𝘩𝑎𝑟𝑡.

𝐆𝐮𝐭𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐡𝐭, 𝐉𝐚𝐞-𝐬𝐨𝐧𝐠.

𝑃𝑎𝑠𝑠 𝑎𝑢𝑓 𝑑𝑖𝑐𝘩 𝑎𝑢𝑓.

𝐒𝐮̈ß𝐞 𝐓𝐫𝐚̈𝐮𝐦𝐞.
 

Das letzte Projekt war eine Woche später abgeschlossen und Erschöpfung zehrte mächtig am Geist des Studenten. Er hatte die gesamte Woche über nur wenig geschlafen, die Schichten im Hanami und im Choi-ce irgendwie überlebt und merkte erst, wie erschöpft er wirklich war, als der Samstag anklopfte und damit sein erster freier Tag seit Wochen anfing. Trotzdem wachte er um sieben Uhr auf um das 𝐆𝐮𝐭𝐞𝐧 𝐌𝐨𝐫𝐠𝐞𝐧 zu lesen und mit einem breiten Lächeln darauf zu antworten: 𝐺𝑢𝑡𝑒𝑛 𝑀𝑜𝑟𝑔𝑒𝑛, 𝘩𝑦𝑢𝑛𝑔. 𝐼𝑐𝘩 𝑙𝑒𝑔𝑒 𝑚𝑖𝑐𝘩 𝘩𝑒𝑢𝑡𝑒 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝘩𝑖𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝘩𝑜𝑓𝑓𝑒, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑑𝑢 𝑎𝑢𝑓 𝑑𝑖𝑐𝘩 𝑎𝑐𝘩𝑡𝑒𝑠𝑡. Beinahe augenblicklich folgte die Antwort 𝐡𝐚𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐡𝐞𝐮𝐭𝐞 𝐟𝐫𝐞𝐢? und Jae-songs Herz antwortete mit einem aufgeregten Flattern auf die Möglichkeiten, die hinter dieser Frage lauerten. Wollte Sam-jung ihn genauso dringend sehen wie er ihn? Würde er vorbeikommen? Nur kurz glitten erschrockene Augen über die Unordnung in seinem Studentenzimmer, ehe er sich der Absurdität seiner Gedanken bewusst wurde und dennoch war die Vorstellung, dass der Ältere hier her kommen würde, seltsam prickelnd. Was er wohl zu dem kleinen Zimmer sagen würde? Zu den Fotos, den Büchern, der Farbwahl? Sam-jung war ein stilsicherer und beeindruckender Mann, dessen Kleidungsstil eine Menge über seinen Status verriet – nun, wenn man glauben mochte, dass er sich die teuren Anzüge nicht nur auslieh … ob er in einem Haus lebte? Oder einer luxuriösen Wohnung? Nur einen Herzschlag lang quälte den Studenten die Frage, was zur Hölle Sam-jung ausgerechnet von ihm wollte – doch er hatte schon vor Wochen beschlossen nicht an der Aufrichtigkeit des Älteren zu zweifeln.
 

𝐽𝑎. 𝐷𝑎𝑠 𝑙𝑒𝑡𝑧𝑡𝑒 𝑃𝑟𝑜𝑗𝑒𝑘𝑡 𝑖𝑠𝑡 𝑎𝑏𝑔𝑒𝑠𝑐𝘩𝑙𝑜𝑠𝑠𝑒𝑛.

𝐃𝐚𝐬 𝐢𝐬𝐭 𝐚̈𝐫𝐠𝐞𝐫𝐥𝐢𝐜𝐡. 𝐇𝐚̈𝐭𝐭𝐞 𝐢𝐜𝐡 𝐝𝐚𝐬 𝐯𝐨𝐫𝐡𝐞𝐫 𝐠𝐞𝐰𝐮𝐬𝐬𝐭, 𝐡𝐚̈𝐭𝐭𝐞 𝐢𝐜𝐡 𝐦𝐢𝐫 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐟𝐫𝐞𝐢 𝐠𝐞𝐧𝐨𝐦𝐦𝐞𝐧.
 

Ah. Er war enttäuscht? Jae-song blinzelte aufs Display und bemerkte die eigene Enttäuschung darüber, dass Sam-jung keine Zeit für ihn hatte und sofort mischte sich eine prägnante Sorge darunter: er arbeitete selbst am Wochenende? Bisher war er immer davon ausgegangen, dass er die Wochenenden genoss … mit Freunden ausging … vielleicht das Choi-ce besuchte in der Hoffnung, ihn zu sehen … vielleicht auch verreiste, um dem Alltagsstress zu entkommen. Die Vorstellung des Anzugträgers am Strand, wie er die teuren Schuhe von den Füßen streifte und im weinroten Anzug den Wellen entgegenging, wie sie bis knapp vor dem prägnanten Stoff schäumten und nur ganz vorsichtig die freigelegte Haut berührten und wie sich Entspannung in die kantigen Züge des Älteren mischte, hatte Jae-song die letzten Tage kaum ruhig schlafen lassen. Aber zu wissen, dass er selbst am Samstag beschäftigt war, ließ ihn traurig auf die Tatstatur schauen.

Achtete Sam-jung wirklich auf sich?

𝑇𝑢𝑡 𝑚𝑖𝑟 𝑙𝑒𝑖𝑑.

Und noch während er sah, dass Sam-jung eine Antwort tippte, schickte Jae-song eine weitere Nachricht hinterher, die das Tippen auf der anderen Seite verstummen ließ.

𝐾𝑎𝑛𝑛𝑠𝑡 𝑑𝑢 𝑑𝑖𝑟 𝑛𝑎̈𝑐𝘩𝑠𝑡𝑒𝑛 𝑆𝑎𝑚𝑠𝑡𝑎𝑔 𝑓𝑟𝑒𝑖𝑛𝑒𝘩𝑚𝑒𝑛?

𝐁𝐢𝐭𝐭𝐞𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐮𝐦 𝐞𝐢𝐧 𝐃𝐚𝐭𝐞?

𝐼𝑐𝘩 𝑚𝑜̈𝑐𝘩𝑡𝑒 𝑑𝑖𝑒 𝐺𝑢𝑡𝑠𝑐𝘩𝑒𝑖𝑛𝑒 𝑚𝑖𝑡 𝑑𝑖𝑟 𝑒𝑖𝑛𝑙𝑜̈𝑠𝑒𝑛.

Es dauerte eine Weile bis Sam-jung ihm antwortete und Jae-song spürte abermals eine Welle der Enttäuschung.

𝐃𝐚𝐬 𝐦𝐮𝐬𝐬 𝐧𝐨𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐖𝐨𝐜𝐡𝐞 𝐰𝐚𝐫𝐭𝐞𝐧, 𝐭𝐮𝐭 𝐦𝐢𝐫 𝐥𝐞𝐢𝐝. 𝐈𝐜𝐡 𝐛𝐢𝐧 𝐳𝐮 𝐝𝐞𝐫 𝐙𝐞𝐢𝐭 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐢𝐧 𝐊𝐨𝐫𝐞𝐚.

𝐼𝑐𝘩 𝑣𝑒𝑟𝑠𝑡𝑒𝘩𝑒. 𝑃𝑎𝑠𝑠 𝑎𝑢𝑓 𝑑𝑖𝑐𝘩 𝑎𝑢𝑓, 𝑤𝑒𝑛𝑛 𝑑𝑢 𝐾𝑜𝑟𝑒𝑎 𝑣𝑒𝑟𝑙𝑎̈𝑠𝑠𝑡.

𝐈𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐬𝐩𝐫𝐞𝐜𝐡𝐞, 𝐝𝐚𝐬𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐦𝐞𝐥𝐝𝐞, 𝐬𝐨𝐛𝐚𝐥𝐝 𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐞𝐝𝐞𝐫 𝐡𝐢𝐞𝐫 𝐛𝐢𝐧. 𝐃𝐚𝐧𝐧 𝐠𝐞𝐡𝐞𝐧 𝐰𝐢𝐫 𝐚𝐮𝐟 𝐞𝐢𝐧 𝐃𝐚𝐭𝐞. 𝐖𝐚𝐫𝐭𝐞𝐬𝐭 𝐝𝐮 𝐚𝐮𝐟 𝐦𝐢𝐜𝐡?

Jae-song blinzelte aufgrund der Intensität der Gefühle, die plötzlich über ihn einbrach und atemlos tippte er ein einfaches 𝐽𝑎 als Antwort, obwohl er dem Älteren gerne gesagt hätte, dass er warten würde, egal wie lange, solange es nur Sam-jung war, auf den er wartete.
 

„Jae-song-ah! Hier drüben! Kim Jae-song!“

Verlegen versteckte er sich im ausufernden Schal, als einige Blicke auf ihn gerichtet wurden und mit einem Zungenschnalzen trat er an den kleinen Tisch im Café, das A-Yun sich ausgesucht hatte. „Du brauchst nicht zu rufen, ich habe dich auch so gesehen“, bemerkte er vorwurfsvoll und seine Freundin lächelte breit, ehe sie ihm die Wange tätschelte. „Aber bei keinem macht es mir so viel Spaß, ihn in Verlegenheit zu bringen wie bei dir, mein Freund. Setz dich, setz dich. Was willst du trinken? Vanille Latte?“

„Lieber Tee…“

„In Ordnung. Ich darf eh keinen Kaffee trinken“, seufzte A-Yun und bestellte für sie beide grünen Tee mit Churros, ehe sie sich strahlend wie tausend Sonnen an ihren Freund wandte.

Es war schön zu sehen, wie glücklich sie war und dass die Schwangerschaft ihr gut tat. Anfangs hatte er sich große Sorgen um sie gemacht … aber scheinbar absolut unbegründet.

„Wie geht es Oma und Opa?“, erkundigte Jae-song sich, als die Kellnerin wieder ging und A-Yun geriet ins Plaudern über Dieses und Jenes. Sie erzählte ihm, dass Opa Sung-soo hin und wieder schwächelte, sie das aber vor ihrem Bruder geheim hielt und auch ihr Freund nichts davon wusste – dass Oma Mi-sook ihr ständig Seetangsuppe kochte und sie diese nicht mehr sehen konnte und dass ihr Bruder Ki-ho nächstes Jahr seinen Abschluss machen würde. „Ich hoffe, er kann zur Geburt da sein…“

Jae-songs Blick wurde weich und er griff nach A-Yuns Hand, um sie sanft zu drücken. Er wusste um das schwere Familienschicksal. Wie viele Gedanken sie sich als große Schwester machte und wie sehr sie damit zu kämpfen hatte, dass Ki-ho nun alleine im Internat war und sie ihn kaum noch sah. Ihre Fantasie ging immer wieder mit ihr durch und für einen kurzen Moment fühlte Jae-song sich schuldig, sie nicht öfter zu treffen und als hätte sie seine Gedanken erahnt, grinste sie ihn an. „Du wirst natürlich auch kommen! Immerhin brauche ich einen Doktor an meiner Seite!“ Zu gerne hätte er sie ernsthaft korrigiert – ich bin noch kein Doktor, du hast Doktoren an deiner Seite, was soll ich denn zwischen deiner Familie tun und bei einer Geburt bin ich nun wirklich keine Hilfe – aber stattdessen nickte er nur und strich ihr noch einmal über den Handrücken. Die Dankbarkeit der Freundin war greifbar und wärmte sein Herz.

„Eigentlich wollte ich Park Chaewon darum bitten, mich während der Schwangerschaft zu begleiten, aber er ist wohl eher in der Forschung tätig. Das wusste ich bis dahin nicht, ich dachte immer, Heiler ist Heiler. Was wirst du tun, wenn du mit dem Studium fertig bist? Gehst du auch in die Forschung? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ein schüchterner Junge wie du mit Patienten umgeht…Was treibst du sonst so?“

A-Yun war eine überwältigende Persönlichkeit für den zurückgezogenen Jae-song und obwohl sie wusste, dass ihre vielen Fragen ihn überfordern würden, fragte sie trotzdem – nicht aus Böswillen oder um ihn zu ärgern, sondern damit er sich aussuchen konnte, wie viel er teilen wollte und auf welche Frage er eingehen wollte. Das wusste Jae-song und schmunzelte trotz der Verlegenheit, die in ihm hochkam. „Ich werde Arzt, kein Forscher, Yunna.“

„Hm, in Ordnung, ich habe davon eh keine Ahnung. Aber bist du dir sicher?“

„Ja.“

A-Yun lächelte und tätschelte seine Hand, ehe sie ihm einen weiteren Churro in den Mund schob, breit lächelnd. „Wenn Oma Mi herausfindet, dass ich frittierten Süßkram esse, darf ich mir wieder eine Predigt darüber anhören, ob ich will, dass mein Kind fett wird. Oder wie ein frittiertes Gebäck aussehen wird. Jaejae-ah…“ Nur sie nannte ihn so, weshalb er sofort lächeln musste. „…du strahlst.“

Irritiert blinzelte Jae-song und legte den Kopf fragend schief.

„Hm. Ich bin mir sicher: du strahlst. Bist du verliebt?“
 

Sofort spürte Jae-song die bekannte Wärme auf seinen Wangen und A-Yun schrie begeistert auf, sich nicht um die Blicke auf ihnen scherend und ihnen beide Sahnetorte bestellend – zur Feier des Tages, aber dabei war sich Jae-song sicher, dass sie einfach nur ihren Schwangerschaftscravings nachging. Und da sie nicht lockerließ, begann Jae-song zögerlich die Geschichte über ihn und den seltenen Gast zu erzählen und während er sprach, brannte alles in und an ihm. Es war ihm dermaßen peinlich darüber zu berichten, wie verliebt er in einen noch immer seltsam fremden und dennoch vertrauten Mann war und noch dazu, wie A-Yun ihn voller Begeisterung immer wieder dazu animierte, weiter zu sprechen. Ihre aufrichtige Anteilnahme an der Begegnung ließ sein Herz weich werden und abermals rief er sich in Erinnerung, wie froh er sein konnte, so eine gute Freundin zu haben – aber auch, wie unwahrscheinlich seine Geschichte sich anhörte. Wie fantastisch und romantisch ihre Begegnungen waren – und wie ungewöhnlich Sam-jung war.

„Wie alt ist er?“

Schweigen.

„Ooookay … und als was arbeitet er?“

Schweigen.

„Jaejae-ah… Du weißt weder sein Alter noch als was er arbeitet?“

„Ich weiß, dass er vermutlich ungefähr drei Jahre älter als ich ist und dass er viel arbeitet, sogar heute. Manches Mal mache ich mir Sorgen um ihn…“

„Ja, ja, ja, ich habe es verstanden: du bist verliebt. Aber du kannst dich doch nicht mit einem Mann treffen, von dem du gar nichts weißt! Er könnte sonst wer sein!“

„Ich weiß das, was ich wissen muss.“

„Huch. Waren das Wiederworte?“

„Hmn.“ Jae-song zögerte einen Moment, doch was an Verlegenheit daggewesen war, wurde seltsam nicht bei dem Gedanken, seine Beziehung zu Sam-jung und den wundersamen Mann an sich zu verteidigen.

„Yunna, ich habe mich nie in dein Liebesleben eingemischt, obwohl du weißt, dass ich kein Fan von deinem Freund bin und mir Sorgen um dich mache. Also bitte … tu das auch für mich, in Ordnung? Ich möchte, dass du ihn irgendwann kennenlernst.“

„Huh! Mein bester Freund ist verliebt … und gibt mit Wiederworte … und will mich seinem Liebsten vorstellen! Wie ernst ist es? Wann seht ihr euch wieder?“

„Ah. Hm. Er ist gerade im Ausland…“

„Woah. Jaejae-ah… Im Ausland? Dann ist er wohl sehr erfolgreich, huh?“

„Ich denke, ja.“

„Also? Wann kommt er zurück? Wann seht ihr euch?“

Schweigen.

„Kim Jae-song … Ich akzeptiere, dass du nicht wissen willst, wie alt er ist und als was er arbeitet, auch wenn ich das noch immer nicht gutheiße. Aber du bist verliebt und das, was du mir bisher erzählt hast, könnte aus einem Drama stammen. Aber damit es ein Happy Ending wird, musst du ihn jetzt anrufen.“

„Was? Wieso?“

„Na … du liebe Güte. Du weißt wirklich nicht, wann er zurückkommt?“

„Nein. Er wird sich melden.“

„Du rufst ihn jetzt an.“

„Aber ich weiß doch gar nicht, in welcher Zeitzone er gerade…-“

„Genau das ist das Problem! Wo ist er? Mit wem? Wieso? Kim Jae-song, ich sage es dir nur ein einziges Mal, weil du mich darum gebeten hast, mich rauszuhalten: du musst ihn anrufen, um ihm zu zeigen, dass er dir wichtig ist. Woher soll er wissen, was du denkst und fühlst, wenn du es ihm nicht deutlich machst? Nicht jeder ist so gut darin dich zu lesen wie ich, weißt du das? Und was ist wenn er beschließt, dass es das Warten nicht wert ist, weil du zu passiv warst? Ich weiß, dass du der beste Mensch von allen bist, Jaejae-ah, aber das muss er auch verstehen. Er darf nicht eine Sekunde daran denken, dass es jemand anderen für ihn geben könnte, verstehst du? Und er darf auch nicht daran denken, dass es für dich jemand anderen geben könnte, wenn du willst, dass es etwas Ernstes wird und immerhin willst du ihn mir vorstellen!“

Jae-song war vollkommen überfordert mit der Intensität, mit welcher A-Yun auf ihn einredete und sah wie paralysiert dabei zu, wie sie sein Handy vom Tisch nahm, es entsperrte – natürlich kannte sie seinen Code – und auf den Namen von Sam-jung drückte.

„Nur noch den Hörer drücken. Wenn du es nicht tust, tue ich es.“

Hektisch griff er nach seinem Handy und riss es seiner Freundin beinahe aus der Hand, im gleichen Atemzug aufstehend und auf die Tür deutend. „Nicht .. hier.“ A-Yun schmunzelte über seine Zurschaustellung von Verlegenheit und hob die Hand zum Abschied, ehe sie sich wie eine ausgehungerte Wildkatze auf die Sahnetorte stürzte.
 

Das Tuten der Leitung war ohrenbetäubend und Jae-song war mehr als einmal kurz davor, aufzulegen. Jedes weitere Tuten war ein Beleg dafür, dass seine Freundin unrecht hatte; und dass Sam-jung vermutlich schlief oder arbeitete. Das nagende Gefühl zu stören … und gleichzeitig die Sorge darüber, dass es Sam-jung nicht gut gehen könnte … Ungeduld und Unruhe wechselten sich im flotten Herzschlagtakt mit Unsicherheit und Verlegenheit ab und als es knackte und ein leises „hmn? Jah?“ erklang, setzte sein Herzschlag aus.

Er hatte ihn geweckt.

„Hyung… tut mir so leid!“, sprudelte es energischer aus dem Studenten hervor, als er selbst gedacht hatte und er hörte es rascheln und knacken und schließlich die Überraschung in der Stimmfarbe des Älteren als er antwortete. „Es … tut dir leid? Hmn? Oh. Jae-song?!“ Urplötzlich schien der Mann am anderen Ende der Welt hellwach und wo zuvor Schlaf und leise Verärgerung seine Stimme kratzig hatten werden lassen, überschlug sie sich nun beinahe. „Jae-song! Du rufst an!“

„J-ja … scheint so …“ Auch wenn er noch immer nicht wusste warum eigentlich und was er überhaupt mit Sam-jung reden sollte und wieso er sich von seiner Freundin dazu hatte überreden lassen und wie er nur darauf kam Sam-jung jetzt zu stören, dabei musste er so unendlich müde sein von der ganzen Arbeit und-

„Ich freue mich so, deine Stimme zu hören.“

-das alles war egal. Jae-song starrte auf die vorbeigehenden Leute, nahm das erste Mal wahr, dass er sich vor dem Café auf einem belebten Bürgersteig befand und schnappte hörbar nach Luft. Er … freute sich, seine Stimme zu hören? Erging es ihm genauso? Vermisste er ihn genauso? Sein Herz wollte überquellen vor … ja, was genau? Jae-song starrte auf den Asphalt und tausende Gedanken stoben durcheinander in einem einzigen Chaos durch seinen Kopf, zersprangen an imaginären Wänden, lösten Wirbelstürme in seinem Brustkorb aus und pressten schließlich seinen Magen zusammen. Satzanfänge lagen ihm auf der Zungenspitze, doch verließen nie seine Lippen – und beenden konnte er schon gar nichts. Stattdessen signalisierte ihm sein Körper in einem einzigen heftigen Ansturm, dass er Sam-jung vermisste.

„Ich vermisse dich.“

Und da war es gesagt. Schamhaft folgte ein leises Geräusch, das er selbst nicht zuordnen konnte, seinen Worten und die Atem- und Wortlosigkeit am anderen Ende ließ ihn das schlimmste befürchten. War er zu forsch gewesen? Was dachte Sam-jung jetzt? Jae-song klammerte sich an sein Handy als hinge sein Leben davon ab und es wäre so viel einfacher, wenn er ihn jetzt sehen könnte … wenn die goldgesprenkelten Augen ihm Signale senden könnten … wenn ein warmes Lächeln, eine verirrte Hand oder auch nur die Aura des Älteren süße Versprechungen wahrwerden lassen würden.

„Ich vermisse dich auch, Jae-song. Ich komme morgen wieder. Bist du frei? Ich will dich sehen. Am liebsten sofort.“

Das Drängen in der Honigstimme trieb Jae-song die Schamesröte ins Gesicht und er konnte nichts gegen das breite Lächeln tun, als er ohne zu zögern und ohne auch nur nachzudenken sofort zustimmte.

„Wo kommst du an?“

„Ich komme ins Choi-ce, in Ordnung? Du arbeitest doch morgen Abend, oder?“

„J-ja! Bitte … bitte komm. Ich will dich unbedingt sehen…“

„Am liebsten würde ich meine Termine absagen und sofort zu dir kommen. Aber wir müssen uns bis morgen Abend gedulden. Danke, Jae-song. Danke, dass du angerufen hast. Ich kann nur erahnen, wie viel Überwindung dich das gekostet haben muss. Lass uns jetzt öfter telefonieren, in Ordnung? Viel öfter. Ich will deine Stimme hören, wenn ich einschlafe.“

Er konnte nicht antworten. Es war zu viel – zu viel Wärme, zu viel Aufmerksamkeit, zu viel Liebe. Und während Jae-song noch vollkommen gefangen im Wirbelsturm der Gefühle war und keinen Ausweg aus dem immergleichen Rund fand, wisperte Sam-jung: „Kannst du noch ein wenig reden, damit ich wieder einschlafen kann? Es ist vollkommen egal über was, aber mein Herz schlägt jetzt so schnell … ich kann unmöglich ohne deine Hilfe einschlafen.“

Das Ausbrechen aus Komfortzonen ging in die nächste Runde.

Jae-song sprach von A-Yun, mit der er gerade Sahnetorte aß und er erzählte Sam-jung von ihrer Schwangerschaft. Davon, dass seine Freundin glücklich in ihrer Beziehung war und dass sie einen kleinen Bruder hatte. Davon, dass in dem kleinen Café der Tee besser schmeckte als der Kaffee und dass er ihn irgendwann einmal hierher ausführen wollte. Jae-song sprach so viel wie schon lange nicht mehr, in langsamen wohlmeinenden Sätzen, die dazu gedacht waren, Sam-jung sanft in den Schlaf übergleiten zu lassen. Und als ein leises Schnarchen ertönte, legte Jae-song auf – er fühlte sich mindestens fünf Kilo leichter, lief auf Wolken und konnte kaum fassen, was genau er da gerade getan hatte und wie unheimlich gut er sich fühlte.

Er liebte ihn. Daran bestand überhaupt kein Zweifel mehr.

Der morgige Abend konnte gar nicht schnell genug kommen!



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Von: MoonyLupin
2023-05-03T00:13:33+00:00 03.05.2023 02:13
Ich brauche einen JaeJae, der mich anruft und mir von Gott und der Welt erzählt bis ich einschlafe. ;__; Jeden Abend. Und jede Nacht und jeden Morgen. IMMER. Ich fühle Jaes Liebe zu Sam so sehr und auch in den kurzen Momenten, in denen du dich an Sams Blickpunkt gewagt hast (und so so so perfekt getroffen) weiß ich einfach, wie hin und weg Sam schon jetzt von Jae ist. ;////; Er ist einfach der erste - und ich liebe es, wie du das in Worte geformt hast - für den er so empfindet, den er so respektiert und bei dem er es auch willentlich tut und zulässt. Und es ist so wunderbar zu sehen wie Jae dabei auftaut - Stück für Stück für Stück und es wird jedes Mal ein bisschen wärmer um sein, ihr, mein Herz <333 ehehehe~
Ich mag es unheimlich, wie du A-yun eingebaut hast und wie close du ihre Friendship dargestellt hast und du ihren Charakter interpretiert hast. Sie ist eine kleine Naturgewalt und ich glaube weder A-yun noch Ki-ho ist eigentlich bewusst, wie ähnlich sie sich sind. Ich feier sie dafür, dass sie Jae zum Anrufen zwingt und ich hab keinen Zweifel daran, dass sie den Anruf selbst auch durchgezogen hätte. GLEICHZEITIG HAT SIE JA EIGENTLICH SO RECHT. TT__TT Er weiß im Grunde genommen nichts über Sam und es spielt ja eigentlich auch gar keine Rolle, WEIL SIE FÜREINANDER BESTIMMT SIND, aber ich komm nicht umhin zu denken, dass das einer der ersten Gedanken sein wird, wenn Jae dann mal von all dem erfährt... TT____TT my poor baby~~
Und dann bin ich auch immer wieder sehr fasziniert von Jaes Gedankengängen und wie die mit seinem Charakter korrelieren - er will mehr über ihn wissen, kann/will/traut sich aber nicht zu fragen, also will er es so herausfinden. Und dann denke ich mir, ich glaube Sam findet in der ganzen Zeit mit Jae selbst erst heraus was er eigentlich mag. Weil er hat ja nicht besonders viele Dinge, die seine private Zeit ausmachen - alles was er lieben lernt hat mit Jae zu tun und ich glaube Jae würde sich ganz schön hm... kalt fühlen? Wenn er in einer Wohnung ohne Persönlichkeit, ohne personal touch steht. Hotel gleich. >< Wird Zeit, dass Jae ihnen ein schönes Heim einrichtet ;////; Aber davor kommen ja noch mindestens fünf Kapitel nich? NICHT? WO IST DAS NÄCHSTE?! *hust*
Okay, Spaß bei Seite - es ist so ein schöner slow burn bei den beiden >////< und AH, dabei hast du es am Anfang ganz schön prickeln lassen ohne tatsächlich die genauen Worte in den Mund zu nehmen und AUCH DAS ist so Jae >/////< Es ist eine so schöne Szene, weil der so introvertierte Jae sich so wohlfühlt in Sams Händen, obwohl es DIE vulnerableste Situation ist überhaupt und ah mein Herz... TT////TT JETZT MUSST DU MIR ABER NOCH DIE ZEIT DAZWISCHEN ZEIGEN NICH. WIE SIND SIE ÜBERHAUPT DAHIN GEKOMMEN?! UND IN WESSEN WOHNUNG? WESSEN BETT? So viele Fragen >/////<
Nein, aber es ist ein wunderschönes Stück ihrer gemeinsamen Geschichte - wie auch schon der erste Teil <3 - und ich freue mich auf noch mehr Puzzlestücke >//////< Und noch mehr soft Jae und soft Sam und lullaby Anrufe ;/////; <3


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