Zum Inhalt der Seite

Interview mit Andrew

Wie foltere ich einen sibirischen Tiger mit Worten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Stellen Sie sich doch bitte vor.
 

"Delahav, Andrew." Andrew verschränkte reserviert die Arme und starrte den Fragensteller an, als sei er die Ursache für sein persönliches Leiden.
 

Beschreiben Sie Ihr Äußeres für die Leser, Andrew.
 

"Für Sie immer noch Delahav. Männlich, Albino", knurrte er und wartete auf die nächste Frage. Jedoch begegnete ihm nur ein auffordernder Blick, der ihn zum Weiterreden bewegen sollte. "Weiße, schulterlange Haare, graues Shirt, dunkle Jeans und bei meinen 1,85 dürften die knappen sechzig Kilo unterernährt wirken."
 

Wenn Sie Albino sind, wie kommt es, dass Sie hellblaue Augen haben?
 

"Kein Kommentar."
 

Herr Delahav, darf man fragen, was Sie beruflich machen?
 

"Nein."
 

Was machen Sie beruflich?
 

Anstatt zu antworten entschied sich Andrew für ein feindseliges Starren, gab seinen Widerstand jedoch einige Momente später auf, als er sah, dass sein Blick nicht die gewünschte Wirkung erzielte. "Ich verkaufe Waffen. Online."
 

Das ist eine Lüge.
 

"Ja."
 

Und die Wahrheit?
 

"Die geht einen tratschenden Reporter nichts an", erwiderte Andrew abfällig.
 

Bleiben wir doch bitte sachlich, Herr Delahav. Kriminelle Verstrickungen? Die Mafia?
 

Darauf folgte nur ein ungläubiges Schnauben. "Ich und die Mafia? Was soll ich bei diesem Pack? Tatsächlich hielt ich vor wenigen Tagen einen Arbeitsvertrag als Polizist in meinen Händen."
 

Ich hörte, Sie waren vor wenigen Tagen an einem unschönen Zwischenfall im Revier beteiligt.
 

"Ja", kam es zögerlich von Andrew, der die Stirn runzelte und sich fragte, woher der Reporter diese Informationen hatte. Bei seinem Äußeren ließ sich schlecht leugnen, dass er nicht involviert gewesen war, hatte ihn doch die halbe Belegschaft erkannt – dennoch waren das absolute Insider-Informationen. Offenbar hatte jemand bessere Kontakte, als ihm behagte.
 

Wie kam es zu diesem Zwischenfall?
 

"Ein Kollege nannte meinen Freund eine Schwuchtel." Eine glatte Lüge, aber Andrew zuckte nichtmal mit der Wimper.
 

Eine solche Bemerkung gereicht Ihnen zum Schußwaffengebrauch? - Moment, Ihr Freund? Sind Sie homosexuell?
 

"Das mit den Schußwaffen ist üble Nachrede. Und ja, ich bin schwul."
 

Hat das schlechte Auswirkungen auf die weitere Ausübung Ihres Berufes gehabt?
 

"Was meinen Sie, die Homosexualität oder den Unfall? Wer hat gesagt, dass ich den Beruf zu dem Zeitpunkt ausgeübt habe?" Die verschränkten Arme lösten sich voneinander und Andrew lehnte sich nach vorne. Obwohl er die Fingerspitzen andächtig aneinander legte, löste sich seine Anspannung nicht.
 

Bevor wir uns im Kreis drehen, gehen wir besser zur nächsten Frage über. Sie sprachen über Ihren Freund. Beschreiben Sie uns doch Ihr soziales Umfeld.
 

Der Blick aus dem eisblauen Augenpaar schien sich zu verdunkeln. "Da gibt es nichts zu beschreiben", murmelte Andrew und kniff die Lippen zusammen. "Mein Freund. Der Rest hat nicht zu interessieren."
 

Warum?
 

"Warum?", wiederholte der Weißhaarige aufbrausend und funkelte den Fragensteller wütend an. "Weil es da nichts zu erzählen gibt!"
 

Beruhigen Sie sich, Herr Delahav, und erzählen Sie uns doch, wie Sie Ihre Zuneigung zu Ihrem Freund ausdrücken.
 

Mit einem warnenden Blick gab Andrew seine drohende Haltung langsam auf und ließ sich in den Sessel zurücksinken. Ungewöhnlich lange sinnierte er über die Frage nach und ließ dabei den Reporter nicht aus den Augen. Schließlich sagte er bedächtig, als erwog er die Bedeutung jedes einzelnene Wortes: "Er darf mich kennen lernen."
 

Wie drückt sich Ihre Abhängigkeit von ihm aus?
 

Andrew war noch immer sichtlich unzufrieden mit der Gesamtsituation. "Ein Wort von ihm, und ich wäre kein freier Mann mehr."
 

Und diese Vorstellung erfüllt Sie nicht mit Unbehagen?
 

"Ich... das Leben eines jeden Einzelnen hängt von so vielen verschiedenen Menschen ab, deren Handlungen man nicht beeinflussen kann. Somit kommt es nicht auf eine weitere Person an."
 

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Herr Delahav.
 

"Ich weiß."
 

Wer wird davon profitieren?
 

"Wir beide."
 

Beschreiben Sie Ihre größte Furcht.
 

"Abhängigkeit."
 

Tritt das nicht in Konflikt mit Ihrer festen Beziehung?
 

"Natürlich", schnaubte Andrew und bleckte die Zähne zu einem raubtierähnlichen Grinsen.
 

Lassen Sie sich nicht alle Würmer aus der Nase ziehen, Herr Delahav. Wie kommen Sie mit diesem Widerspruch zurecht?
 

"Gar nicht."
 

Sie akzeptieren Ihn also einfach und stören sich nicht daran?
 

"Natürlich störe ich mich daran und ja, ich akzeptiere ihn. Themawechsel, bitte."
 

Was sind Ihre Gedanken zum Weltfrieden?
 

"Die Frage ist lächerlich und Weltfrieden eine reine Utopie. Der Mensch ist von Natur aus ein aggressives Tier, das sein Revier und seinen Besitz verteidigt."
 

Sie vertreten demnach Thomas Hobbes These 'homo homini lupus est'?
 

"Wessen fremde Meinung soll ich zu meiner eigenen gemacht haben?" Misstrauisch runzelte Andrew die Stirn. "Ich kenne diesen Thomas Hobbes nicht."
 

Kein Problem, gehen wir einfach zur nächsten Frage über. Gibt es Dinge in Ihrem Leben, die Sie nicht wiederholen würden?
 

Ein Schnauben. "Dieses Interview."
 

Bleiben wir bitte sachlich, Herr Delahav. Ihre größte Schwäche?
 

Andrews Stirn glättete sich. "Der Geruch von Waffenöl vermischt mit Schießpulver."
 

Und das Gerücht über den Gebrauch von Schusswaffen bei dem Zwischenfall...
 

"... ist immer noch üble Nachrede", unterbrach Andrew den Fragensteller gereizt. "Können wir das Interview endlich hinter uns bringen?"
 

Nur Geduld, wir kommen zu den letzten Fragen. Stellen Sie sich vor, Sie werden einem Kind als Vormund zugeteilt. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
 

"Was, ich als Vormund für so eine kleine Göre?" Allein die Vorstellung entsetzte Andrew. "Wer denkt sich solche grausamen Dinge aus?? Muss ich das beantworten?"
 

Ja, bitte.
 

"Die Frage war rein rhetorisch gemeint – was soll ich mit einem Kind?? Das geb ich an irgendwen weiter, das will ich mir und dem Kind nicht antun!"
 

Wollen Sie selbst einmal Kinder haben?
 

Anstatt zu antworten schüttelte Andrew vehement den Kopf.
 

Wenn Sie keine Kinder haben wollen, was wollen Sie dann in Ihrem Leben erreichen?
 

Andrew brachte seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle und starrte den Fragensteller mit einem durchdringenden Blick an. "Nichts mehr", antwortete er gleichgültig und zuckte mit den Schultern.
 

Sie haben keine Ziele mehr in Ihrem Leben?
 

"Würden Sie sich noch große Ziele setzen, wenn sie nur noch ein paar Monate zu leben haben?", erwiderte Andrew gelassen.
 

Sie wissen, dass Sie bald sterben werden? Woher? Sind Sie schwer krank?
 

"Ja."
 

Und wie gehen Sie mit dieser Tatsache um?
 

"Ist halt so."
 

Zu guter Letzt: Wenn Sie sterben würden, was würden Sie als Ihre letzten Worte wählen?
 

"Schau in deiner Tasse nach, River."
 

Vielen Dank für das Gespräch.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück