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lost without you

Puzzleshipping
von

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unlimited freedom

Man beachte auch bitte die Warung in der Kapitelübersicht!
 


 


 

Kapitel 1: unlimited freedom
 

„Man, Yami, halt doch endlich mal still!“
 

Böse wurde ich von Tea angesehen, die wild an meinen Haaren rum zupfte. Ich hasste diese ganze Prozedur. Ständig wurde da was verbessert, da was geordnet und ich musste sogar Make up tragen! Als sie auch noch das Haarspray in die Hand nahm und ohne Rücksicht der Ozonschicht mutig auf den Druckknopf drückte, fing ich an zu Husten. Binnen weniger Sekunden wurde ich völlig eingenebelt.
 

„Joey, hilf mir!“, krächzte ich verzweifelt und erwartete einen heldenhaften Auftritt von meinem besten Freund, doch mich traf nur einen bemitleidenswerten Blick.

„Sorry Alter, aber du weißt, wie es ausartet, wenn ich dir helfe.“
 

Seufzend gab ich mich geschlagen und lehnte mich mit einer Schmolllippe an die Rücklehne meines Stuhls. Sicher, ich musste vor der Kamera gut aussehen, aber egal welche Frisur mir da Tea verpasste oder mit Make up meine makellose Haut ruinierte, spätestens nach 4 Minuten saß eh nichts mehr so, wie es sollte.

Einmal konnte ich Joey überreden mir zu helfen, aber auch nur, weil er noch was gut bei mir hatte. Es ist praktisch, wenn man Geheimnisse wusste, die den anderen unangenehm waren.

Doch meine Hoffnung starb genau in den Moment, wo sich Tea wie eine Furie umdrehte und das Haarspray als Waffe verwendete.

Dieses ´Ausarten´ hatte 2 Wochen entzündete Augen verursacht.
 

Tea schob mit ihrem Handrücken den Pony zurück und ging einen Schritt zurück. Manchmal bekam ich das Gefühl, ich sei nur eine modellierbare Puppe. Mein Gesicht wurde zur Seite gedreht.
 

„Halt!“
 

Tea zuckte zurück und drehte sich um. An der Tür stand Yugi, mit seinem Camcorder in der Hand und musterte mich und ab da fühlte ich mich gleich wohler. Er hatte die Eigenart an sich, mich zu beruhigen, nur mit seiner puren Anwesenheit, aber es gab auch Zeiten, wo er mich zur Weißglut brachte. So wie jetzt.

Yugi schritt auf uns zu, nahm mein Kinn und drehte mich wieder zu der Seite, musterte mein Profil.
 

„Tea, da hast du eine Stelle mit der Grundierung vergessen. Im Sonnenlicht würde man es durch die Cam sehen.“
 

Und wieder wurde ein großer spitzer Dolch durch mein Herz gebohrt. Oh, dieser Verräter!!
 

„Jetzt reicht´s mir aber! Schluss mit dem spachteln, ich will endlich mit dem Dreh anfangen.“
 

Doch mein kleiner Aufstand wurde schnell durch das Haarspray im Keim erstickt, als Tea eine kleine Strähne in den Fingern zwirbelte und munter sprühte.
 

„Hey Vorsicht. Du verklebst das Projektil!“
 

Yugi zupfte sich ein Taschentuch aus der Box, die auf dem Beistellstisch neben Tea stand und wischte über das Hartplastik.

„Na toll, jetzt muss ich es vor der Aufnahme noch reinigen.“
 

Ja sind denn alle gegen mich? Ich fühlte mich so völlig links liegen gelassen, dabei war ich doch der Star. Und gerade bei der Person, von der ich es mir am meisten wünschte hatte nur seine Arbeit im Kopf. Ich war zwar sein Arbeitgeber, aber dennoch könnte er mir etwas Aufmerksamkeit wittmen. Vor einigen Jahren tat er es doch auch.
 

Joey streckte seinen Rücken durch und zwinkerte mir zu.

„Ich bin bereit. Die Ausrüstung wurde überprüft und Einsatz bereit.“

Tea nickte und steckte ihre Waffe weg und fing an mit einen hautfarbenen Schwamm auf meiner Wange rum zu tupfen.

„Er auch gleich.“

Yugi schulterte den Camcorder. „Treffpunkt in 10 Minuten draußen.“
 

Ich zog meine Kapuze von meinem braunen Pullover über den Kopf und öffnete die Tür.. nur um von kreischenden Mädels fast nieder gerannt zu werden. Sofort war mein Team an meiner Seite und drängte sich mit mir zu dem abgesperrten Bereich, wo schon die anderen auf mich warteten. Es ist immer wieder eine neue Erfahrung, wie laut doch eine Mädels kreischen können.
 

Tea steckte gerade Bürsten und Schminkutensilien in ihrem Ledergürtel und lächelte mich an.

„Also ohne mich selbst loben zu wollen, ich habe dich wieder echt geil hinbekommen.“
 

Ich wusste, das fast mein ganzes Gesicht im Schatten lag, aber sie meinte wahrscheinlich die vereinzelten Strähnen, die hervor lugten, oder meine Augen, mit denen ich versuchte sie zu töten. Etwas weiter hinten am Set bemerkte ich Yugi, wie er einige Männern noch einmal die Einstellungen der Scheinwerfern erklärte, den Bodygarts die Hölle heiß machte, weil einige Fangils es durch die Absperrung geschafft hatten und den Kameraleuten die genaue Position meines Absprungs erklärten.

Ich folgte mit meinen Blick seinen Finger und schaute zu dem Hochhaus hoch. Die Glasfassade blendete etwas in den Augen, aber ich war froh, es endlich machen zu dürfen.

Schon seit Monaten stritten wir uns mit den Bürokraten und den Eigentümer des Gebäudes. Zuerst waren sie dagegen aus Versicherungsgründen. Ich könnte ja das Beton zerstören oder wenn ich falsch lande den Verkehr lahm legen. Aber wir hatten es Seto zu verdanken, der sich für uns da durchboxte. Er war mein Manager und ein knallharter Geschäftsmann. Und auch das Geheimnis von Joey, das ich aber nicht verraten durfte.
 

Yugi schnappte sich das Megafon und gab noch einige Regieanweisungen, eher er sich zu mir umdrehte, das Megafon aber nicht absetzte. Seine Wörter sollten noch Minuten danach in meinen Ohren wieder hallen.
 

„Alles auf ihre Plätze!“
 

Still fauchte ich ihn an, während Joey meinen Pullover am Rücken hochzog und die Gurte vom darunter liegenden flachen Rucksack fest schnürten.

„Ich musste die Reißleine etwas kürzer machen, aber das sollte kein Problem für dich sein. Dein Helm habe ich an der Brüstung auf dem Dach wie abgesprochen hingelegt und im Treppenhaus die Nierengurte.“
 

Ich nickte und schüttelte meine Arme und Beine. Ich hatte mich vor der Visagistin aufgewärmt und ich wusste, wie viel auf dem Spiel stand. Normaler Weise wurde immer Szene für Szene gedreht, doch dieses Mal wollen wir es in nur zwei Schnitten schaffen.

Yugi legte das Folterinstrument aus den Händen, schnappte sich ein Walkitalki und warf Joey das andere zu. „Wir sehen uns oben.“
 

Eigentlich hatte ich gehofft, er würde noch etwas zu mir sagen. Schon seit Jahren tat er es immer vor meinen Sprüngen, doch seit unserem Zoff machte er es nur noch selten. So was egoistisches. Was wäre, wenn mir was passieren würde? Ich könnte mich beim Parkour* verletzten, oder sogar beim Base Jumping* umkommen! Eingeschnappt steckte ich mir den in-ear-Stöpsel in mein Ohr und tippte mit dem Zeigefinger rauf.
 

´´Test Test.´´
 

Die Walkitalkis dienten zur Verständigung, aber da ich für meinen Auftritt die Hände freihaben musste, werden die Signale auch in das kleine Gerät umgeleitet. Ich konnte zwar nicht Antworten, sie aber verstehen. Als Yugis Stimme in meinem Kopf hallte, bekam ich eine feine Gänsehaut. Durch die Technik klang sie noch ein Tick tiefer und männlicher. Ich wusste, das ich mir das nur einbildete, aber dadurch hatte ich allen anderen Verboten, mit mir darüber zu kommunizieren. Yugi für die Anweisungen der Sprünge, damit ich nicht aus versehen in eine Kamera hinein rannte und für Joey, falls etwas im freien Fall schief ging und er mir sagen konnte, was ich zu tun hatte. Auch hatte ich so den leisen Verdacht, das wenn ich es Tea erlauben würde, sie mir nur immer sagte, das mir gerade eine Strähne verrutscht sei und ich mehr verrucht in die Kamera schauen muss.

Ich zeigte Yugi dem Daumen.

Er sprinntete zum Eingang des Gebäudes und nahm den kurzen Weg. Manchmal würde ich das auch gerne tun, aber ich musste den aufwändigsten nehmen. Also drehte ich mich zur Seite und visierte die Garage an, die daneben stand. Mein Team hatte schon einige Chancen präpariert und Bretter so hingelegt, das es aussah, als würden sie da schon Ewigkeiten vergammeln, dienten mir aber zum ersten Sprung.

Deutlich hörte ich die Stimme von Yugi.

´´Ich bin schon im Fahrstuhl, die Kamera ist auch schon auf dich gerichtet, mach dich bereit.´´
 

Kurz und knapp, wie immer. Er machte seinen Job hervorragend und visualisierte schon alles vor dem Dreh im Kopf, plante alles bis ins kleinste Detail, aber er konnte auch improvisieren. Manchmal liefen die Landungen vom Parkour nicht so, wie gedacht, aber er schien es schon beim Anlauf zu sehen und wusste genau, wo er den Kameraleuten sagen mussten, wo sie hin schwenken sollten.

Dann hörte ich das Go der Jungs, der Kameramann zeigte erst drei, dann zwei und bei nur einem Finger stützte ich mein ganzen Körpergewicht auf mein rechtes Bein, das nach hinten angewinkelt war, der Fuss schabte über den Asphalt und als die Faust gezeigt wurde, sprintete ich los.

Rannte den Weg entlang, trat auf die aufgebaute Rampe, landete mit dem linken Fuss auf dem Geländer und sprang durch den Schwung auf das Dach.

Ich sah die Linkskurve, hatte aber so viel Speed drauf, das ich improvisieren musste, griff nach der Stange, die auf dem Boden ragte und nutzte sie, indem mein ganzes Körpergewicht durch den Widerstand nach links gezogen wurde.
 

´´Sehr gut, die nächste Einstellung ist auf dem anderen Gebäude.´´
 

Sofort wusste ich, was Yugi damit meinte, verlangsamte meine Geschwindigkeit aber nicht, der Abgrund kam näher. Kurz vor dem Ende des einen Daches drehte ich mich mit einem Satz um, sprang ab, spannte meinen Körper an, ließ die Arme über meinen Kopf nach hinten fallen und riskierte das, was sich die wenigsten free-jumper trauen würden.

Ich landete mit meinen Armen genau auf den Simms, krallte mich an das Metall und meine Beine zogen durch das Gewicht hoch zum Himmel, durch die Schwerkraft auf der anderen Seite wieder runter, ich winkelte sie noch rechtzeitig an, so das ich den Aufprall an der Wand abfederte und die Energie gleich zum Absprung nutzte, Rückwärts über den Abgrund flog und wieder im Handstand auf der anderen Seite landete. Machte durch den Schwung noch einige Rückwärtssaltos über dem Kieseldach, drehte mich um und sprintete in das Treppenhaus.
 

´´Angeber´´
 

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. An jeder Ecke waren Kameras angebracht und standen einzelne meines Teams mit einem Camcorder, die jeder meiner Bewegungen folgten. Das Grinsen musste nachher zwar rausgeschnitten werden, aber ich konnte es einfach nicht unterdrücken.

Schon als Kind hatte ich eine Begabung in Sport und nutzte jedes Hindernis, das mir in den Weg kam. Als ich dann durch das Internet von dem Parkour aus Frankreich erfahren hatte, sog ich förmlich jedes Video in mich auf, fing nochmal von Vorn an, übte die Basics, Sprünge, Landungen und mit der Zeit wurde ich besser.

Durch das Jahrelange Training und die Erfahrung blieb fast nichts mehr vor mir sicher.

Das wusste Yugi und auch wenn er es niemals mehr zugeben würde, so machte er sich doch Sorgen um mich. Jeder meiner Bewegungen blieb von ihm nicht unbeachtet, ließ mich nicht einmal aus den Augen, hatte immer die Koordinaten falls etwas schief ging und das Sanitäterteam kommen musste.
 

Ich nahm jedes jedes Hindernis mit akrobatischer Beweglichkeit, selbst einfach Stufen wurden nicht einfach nur gegangen, sondern mit einem Dreher überwunden.

Die letzte Einstellung war auf dem Dach des siebzigstöckigen Hochhauses.

Im Treppenhaus hatte mir Joey wie versprochen die Nierengurte hinterlegt, die im 50ten über das Geländer hing. Ich hatte eine Etage zeit, sie mir umzubinden, da dort keine Kamera war.

Noch im laufen zog ich mein Pullover hoch, befestigte sie an meinem Bauch und zog ihn wieder runter. Ich hasste den Pullover, den musste ich ja eh gleich ausziehen, warum also von Anfang an tragen? Der wärmte mich einfach zu sehr, bei diesen Herbsttemperaturen.
 

Oben angekommen, riss ich die Tür zum Dach auf und sah direkt Yugi, der einiger Meter weiter von mir weg an der knie hohen Brüstung saß und den Camcorder direkt auf mich hielt.

Perfekt getimet.

Der Kies knirschte unter meinen schnellen Sprüngen und als ich Yugi immer näher kam, wusste ich genau, was ich zu tun hatte.

Dieses mal würde ich nicht einfach so springen, nein, ich würde Yugi zeigen, das dieser Sprung nur für ihn allein war. Ich zwinkerte ihn an, zog den Pullover in einer fließenden Bewegung über meinen Kopf, warf es ihm zu und wusste genau, das ich von der Kamera für eine Sekunde von dem schwarzen Stoff versteckt sein würde, sprang auf die Brüstung und stieß mich mit beiden Beinen in die Höhe, winkelte meine Arme an und drehte mich mehrere Male um die eigene Achse, ehe ich wie ein Taucher meinen Körper versteifte, die Arme nach unten spitzte und mit einem Köpper in die Tiefe sauste.
 

Auch vernahm ich das überraschte Aufkeuchen von Yugi und lächelte.
 

Als der Wind um meine Ohren pfiff und an meinen Haaren zerrte, fühlte ich mich wieder frei. Das war die Belohnung für all die Strapazen, dafür, das ich meinen Körper bis zur Erschöpfung voran trieb. Ich sah Kameras die an fast jedem Stockwerk angebracht waren an mir vorbei sausen.

In einer lachte ich sogar hinein und zog die Reißleine.

Sofort sprang der Fallschirm aus meinem Rucksack, der sich binnen Sekunden öffnete und mich wieder nach oben schleuderte. Joey hatte wieder gute Arbeit geleistet, die Sicherheitsseile waren gepflegt und ich bemerkte, das es sogar ein neuer war. Scheinbar wurde der Alte wieder für einen anderen Auftritt aufgewertet. Ich musste mich 100%ig auf Joey verlassen können, denn einen Ersatzschirm gab es nicht. Die Fallzeit und die Entfernung vom Boden würden nicht reichen, um einen zweiten zu öffnen, wenn der Erste versagen würde.
 

Als ich sicher unten auf dem Asphalt landete, umringte mich sofort mein Team und die Fans hinter der Absperrung jubelten.
 

´´Alles okay mit dir?´´
 

Ich saß noch immer auf dem Boden und versuchte mich aus dem Schirm zu befreien, der sich an mir verheddert hatte, blickte nach Oben.

Yugi hatte sich über die Brüstung gelehnt und schaute nach unten. Ich konnte nur seinen Kopf als winzigen Punkt erkennen, doch ich wusste, das er die Kamera als Zoom nutzte und streckte ihn den Daumen entgegen.

Wusste ich es doch, das er sich …
 

´´Gut, dann beweg deinen Hintern hoch, eine Einstellung hast du versaut, die müssen wir nochmal machen.´´
 

...doch keine Sorgen machte.

Trottel!
 

Natürlich fragte ich mich auch, welche Szene ich verpatzt hatte und sah es mir unten auf dem Bildschirm an, welche er meinte. Es war im Treppenhaus, als ich um Zeit zu sparen, nicht die Stufen nahm, sondern über das Geländer nach oben gelangte. Der Kameramann hatte damit nicht gerechnet, erwartete das ich die Treppen nahm und konnte nur noch filmen, wie meine Füße über am oberen Rand über das Bild huschten.

Yugi wusste, das nicht ich daran Schuld war, sondern der Neuling. Jeder wusste, das ich gern mal improvisiere. Jeder hatte auch einen Mini-Bildschirm bei sich, um zu sehen wann und wie ich komme. Theoretisch hätte ich dem die Leviten lesen müssen, aber ich hatte auch schon die Ahnung, das Yugi wenige Sekunden danach es bereits getan hatte.

Die Szene wurde schnell wiederholt. Gerade wollte ich mich aus dem Staub machen, als Tea mich aufhielt, anfing mir den Schweiß aus dem Gesicht zu tupfen und die Grundierung erneuerte.
 

„Hör auf damit. Unter der Dusche muss ich nicht toll aussehen!“
 

Sie ließ nicht locker.

„Von wegen Dusche. Erst wirst du deine Fans beglücken müssen.“

„Nein..“

„Doch!“

„Nein, tue mir das nicht an!“

Aber ihr diabolisches Grinsen wurde nur breiter.
 

Einige Stunden später saß ich in meinen Apartment und ging die Rohaufnahmen mit Yugi durch. Wir besprachen, welche die Besten wären und wo etwas geschnitten werden musste.
 

„Da schau, da müsste ich den Schlammspritzer am Hosenbein retuschieren. Der fällt richtig ins Auge.“
 

Ihm vielleicht, mir nicht, aber er war auch der Perfektionist und nicht ich. Während er sich über sein Laptop beugte und die Sekunden und Abschnitt notierte, damit er es später in Ruhe bearbeiten kann, beobachtete ich sein Seitenprofil. Er hatte schon immer sanft geschnittene Gesichtszüge besessen, seine kleine Stubsnase verlieh ihm sogar den Ausdruck „niedlich“

Ich wusste noch, wie sündig seine Lippen sein konnten, wenn er wollte.

Allein schon wo er damals meinen Namen in der verrauchten Tonlage aussprach, die er immer hatte, wenn wir alleine waren, raubte mir fast den Verstand. Seine Augen.. ich liebte, nein, vergötterte sie. Ständig wechselten sie ihren Ausdruck und selbst heute kann ich noch darin wie ein offenes Buch darin lesen. Sie verblüfften mich immer wieder. In letzter Zeit sah ich darin nur noch Ärger, Verachtung und ständig blitzten sie mich wütend an. Wie gern würde ich darin auch noch einmal die Zuneigung für mich erkennen. Aber ich muss gestehen, das mich dieses wütende Funkeln auch anspricht. Damit zeigt er die verborgene Wildheit, die nur selten ans Licht tritt, die Luft fängt dann immer an zu knistern.
 

„Was denkst du, wann du damit fertig bist?“
 

Yugi kratzte sich mit seinem Bleistift an der Stirn und kräuselte die Nase. Hatte ich schon erwähnt, das er niedlich ist?
 

„Ich schätze mal spätestens in drei oder vier Tagen. Die Rohaufnahmen sind gut, aber die Neulinge haben einiges verhunzt, da muss ich vieles überarbeiten. Aber Adidas will die Schnitte erst Ende der Woche, also noch sitzt uns nicht die Zeit im Nacken.“
 

Ich nickte verstehend, sagte aber nichts weiter dazu. Ich wusste, das diese Werbemaßnahme ein guter Sponsor für unsere weiteren Auftritte sein würden. Inzwischen reißen sich schon die bekanntesten Sportmarken um mich und ich war wahnsinnig Stolz drauf, es mit meinem Team so weit geschafft zu haben.

Als ich das erste Mal das Base-Jumping gesehen hatte, dachte ich mir, allein da nur zu springen, ist doch langweilig, es geht spektakulärer. So kam ich auf die Idee, alle Elemente von Parkour, Free-Jumping und Akrobatik miteinander zu verbinden. Jeder hielt mich an Anfang für verrückt und selbst Yugi wollte mir das damals ausreden, aber ich liebte schon immer die Gefahr. Solange ich meinen Körper fit hielt, konnte außer einigen blauen Flecken nicht viel passieren.
 

Einmal nur, da ging alles schief. Es war kurz nach dem Streit mit Yugi, was unser Verhältnis zueinander etwas... beeinträchtigte.

Eine Grippe hatte mich heftig erwischt, doch ich sagte nichts davon. Weder davon, das mein Körper geschwächt war oder mich die Kopfschmerzen fast um brachten. Der Anfang klappte ganz gut, die Sprünge waren zwar etwas wacklig, da ich die Körperspannung nicht lange aufrecht erhalten konnte, aber die Freude wehrte nicht lange.

Nach dem vierten free-climp an der Wand, wo man Anlauf nahm und drei Schritte schräg an der Wand ging, sich abstieß und mit einem Salto wieder auf den Boden landete, hatte ich keine Kraft mehr in den Beinen und knickte bei der Landung weg. Da ich mich aber sofort wieder aufrappelte, fragte mich niemand ob alles in Ordnung sei. Es konnte immer etwas schief gehen oder wegrutschen. Aber dieses Mal war nichts in Ordnung. Der Fuß war verstaucht gewesen, das hatte ich gefühlt, da mein Fußgelenk pochte. Krampfhaft versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen, der Auftrag war zu wichtig gewesen, aber als ich die Stimme von Joey hörte, wusste ich, das es doch einen nicht entgangen war.
 

´´Ey Alter, was ist mit deinem Bein? Du belastest es nicht und wage es erst gar nicht, mich anzulügen!´´
 

Ich wusste, das Yugi an diesem Tag nicht da war. Er hatte sich einige Wochen Urlaub genommen. Scheinbar brauchte er Abstand von mir, was ich zwar verstand, aber nicht guthieß.

Doch in zeigte den Daumen in die Kamera das war meine Art zu zeigen, das alles O.K. war.

Diese Selbstüberschätzung kostete mich 10 Minuten später meine Gesundheit.

Ich brach mir den gestauchten Knöchel und drei Finger. Aber Yugi bemerkte nie etwas davon, denn als er wieder da war, hatte ich meinen Gips schon entfernt und trainierte weiter. Bis heute bereite mir dieser Fuß Probleme, sagte jedoch nie zu einem etwas.
 

So wie jetzt, wo ich neben ihm sitze und ständig mein Gewicht der Füße verlagern musste. Ich konnte ihn nie lange belasten, wodurch ich den Ruf weg hatte, ich sei ungeduldig. Jeder interpretierte es so, das ich nie lange still stehen konnte. Aber warum sollte ich sie aufklären? The show must be on...
 

Yugi biss sich auf die Unterlippe und hantierte mit der Maus. Ständig spuhlte er einige Szenen vor, wieder zurück, dann mal in Zeitlupe. Er achtete wirklich auf jedes Detail. Das war auch einer der Gründe warum viele Sponsoren gern mit uns zusammen arbeiten und ich ihn mochte. Jeder Mensch achtet nur auf die Oberfläche, sieht nur das Äußere und machte sich nicht die Mühe, genauer hinzusehen. Bei ihm war es aber anders.

Plötzlich verspürte ich das Verlangen, ihn wieder näher zu kommen. Sein Geruch einzuatmen, seine Haut zu fühlen. Ich hätte mich auch schon damit zufrieden gegeben, wenn Yugi mich nur ein einziges Mal anlächeln würde. So wie früher.

Doch seine Aufmerksamkeit lag weiterhin nur auf dem Bildschirm des Laptops. Er sah es nur als Arbeit an, ich sein Chef, er der Arbeitnehmer. In meinem Apartment.

Wie ärgerlich.

Und ich war fest entschlossen, das zu ändern.
 

Am nächsten Tag traf ich mich mit Tea, Joey und Yugi um die fertige Aufnahme zu begutachten. Yugi hatte wie versprochen einige Einzelheiten geändert und Tea murmelte ständig etwas, wie gut ich doch aussehe, verlangte scheinbar Zustimmung von Yugi, denn sie stieß ihn ständig in die Seite. Er hingegen zog nur eine Augenbraue hoch, zeigte aber sonst keine Regung.

Er hätte ja wenigstens sagen können, das Tea gute Arbeit geleistet hatte, wenn er mich schon nicht loben würde.

Aber egal was ich mir auch für einen neuen Stunt ausdachte, ich hörte immer nur „Angeber“ und wenn ich bei den Proben etwas vorzeigte, weil ich die Meinung wissen wollte, für die beste Drehweise, hörte ich immer nur ein Murmeln wie: „Ja, das wäre möglich“ oder „ist machbar.“

Natürlich ist das machbar! Bei mir ist fast nichts mehr unmöglich, jedoch gelang es mir einfach nicht mehr, ihn zu beeindrucken. Wenn ich es doch schaffte, regte er keine Miene und so wusste ich nicht, ob ich es wirklich geschafft hatte, oder es nur glaubte.

Das war doch total verwirrend.. und zum Haare raufen!
 

Joey, stellte seinen Rucksack auf den Tisch und griff beherzt rein.

„Ich habe was für Euch.“
 

Und da war es wieder. Dieses kleine freudige Funkeln, das mir schon seit Anfang an den Verstand raubte.

„Echt? Du hast daran gedacht?“

„Klar. Ich habe es dir doch versprochen.“

Joey zwinkerte Yugi zu, und Yugi strahlte wie ein Honigkuchen mit Glasur.

Mich hatte er seit Jahren nicht mehr so angelächelt...

Dann betrat eine Aushilfskraft den Raum. Ich kannte ihn nur vom sehen. So ein Typ, der Erfahrung sammeln wollte und als er die neue Kamerabeleuchtung sah, stürmte er sofort zu Yugi.
 

„Das ist sie?“

Yugi nickte und lächelte mit ihm.

„Auf diese Lieferung haben wir so lange gewartet. Unsere Welttournee geht nun schon seit einigen Monaten und endlich ist sie angekommen.“ Die Aushilfe strich ehrfürchtig über das Hartplastik, als ob er ein Fundstück vor sich hatte, das Millionen wehrt wäre.

Mich hatte es nur ein paar Tausend gekostet, aber als ich erfahren hatte, das Yugi damit gerne mal arbeiten würde, hatte ich nicht lange gezögert und es sofort bestellt. Allerdings hatte ich es so gedreht, das es nur ein Testgerät sei, das uns kostenlos gestellt wurde. Nicht jeder musste gleich erfahren, wie großzügig ihr Chef sein kann, sonst hält noch jeder die Hand auf.
 

Mir gefiel aber nicht, wie sich die beiden anlächelten. Als würden sie etwas Denken, was nur Insider wissen können. Auch gefiel mir sein Aussehen nicht. So typisch amerikanisch, blonde Locken, groß und Kräftig. Dieser Sunnyboy lächelt nach meinem Geschmack zu viel mit ihm.

Sie senkten auch noch ihre Stimme und fachsimpeln über die verschiedenen Funktionalitäten, lachen als wären sie jahrelange Freunde und ich konnte das brodeln einfach nicht zurück halten.

Ja, es war die pure Eifersucht, aber ich würde Yugi nicht einfach so kampflos aufgeben. Ich kannte seinen Namen nicht, hatte ihn bestimmt schon mal gehört, ihn mir aber nicht gemerkt.
 

„Ey, Goldlöckchen. Hast du nicht was zu tun, statt hier zu flirten?“

Er drehte sich um, und ich hätte schwören können, das eine gewisse Aufmüpfigkeit in seinem Blick lag. „Nein, ich habe Mittagspause.“

„Dann verbring sie mit den anderen Angestellten. Hier werden interne Dinge beredet.“

Doch ich hatte nicht mit Yugi gerechnet, der sich sofort dazwischen warf.

„Ach hör doch auf. Wenn es danach ginge, würde jeder zweite hier den Raum verlassen müssen.“

„Ich habe nicht mit dir geredet!“

Unbewusst wurde meine Stimme lauter, grollender und auch wenn ich mich im Ton vergriff, hob ich trotzig mein Kinn.

„Dann sollten sie wohl gehen.“
 

Was für eine sinnlose Diskussion, doch das wurde mir erst später klar. Yugi schüttelte nur den Kopf, packte den Sunnyboy am Arm und zog ihn aus dem Raum. Er selbst ließ sich den restlichen Tag nicht mehr bei mir blicken. Sogar die fertige Aufnahme warf er nur in den Briefkasten meines gemieteten Apartments, das ich für den Aufenthalt in der Stadt erhalten hatte.

Wieder einmal hatte ich es versaut.

Realität und Scheinwelt

Ich weiß, dass Yugi in dem Kapitel etwas viel rumjammert, aber es soll einfach nur darstellen, wie unwohl er sich in der Welt fühlt, die Yami so sehr gefällt.
 


 

Kapitel 2: Realität und Scheinwelt
 

Das Video sieht sehr gut aus. Ich würde sogar sagen es ist eins der besten, die ich je gemacht habe. Die Beleuchtung ist wirklich perfekt. Man sieht Yamis Gesicht ganz klar. Die gerade Nase, de schmalen Lippen und diese wundervollen, roten Augen.
 

Ich drücke auf den „Pause“ – Knopf und starre auf das Standbild. Wie von selbst legt sich meine Hand auf das Gesicht auf dem Bildschirm und streichelt darüber. Wie rührselig diese Geste doch ist! Ich bin selbst zwei Jahre nach dem Beziehungsaus nicht über ihn hinweg. Vielleicht würde es mir leichter fallen, ihn zu hassen oder ihn zu ignorieren, wenn er sich äußerlich ein bisschen mehr verändert hätte. Doch Yami sieht immer noch so aus, wie der Teenager in den ich mich vor fast sieben Jahren verliebt habe und den ich – zu meinem Leidwesen – immer noch liebe.
 

Ich will mich eigentlich zusammenreißen und nicht mehr so melancholisch an die Vergangenheit denken oder mich an ihr festklammern. Es war schließlich meine Entscheidung diese Beziehung zu beenden und da gibt es nichts mehr zu bedauern.
 

Trotzdem erwische ich mich manchmal dabei, wie ich mich frage, ob es wohl anders gelaufen wäre, wenn nicht diese plötzliche Berühmtheit gewesen wäre. Hätte ich damals gewusst, wie sehr es mein Leben verändern würde, hätte ich wahrscheinlich nie damit angefangen diese Videos ins Internet zu stellen. Kaum zu fassen, dass so mein Unglück angefangen hat.
 

Ich lasse die Aufnahme weiterlaufen. Es ist besser, wenn ich heute noch damit fertig werde. Yami wollte sich den Film nachher noch mal ansehen, wenn er überarbeitet ist. Hier und da muss ich noch etwas wegretuschieren und die Bilder im Treppenhaus etwas in Slow – Motion setzen. So kann man die Bewegungen besser nachvollziehen und es ist ein sehr guter, visueller Effekt im Video. Ich habe mich schon nach der Sache heute Nachmittag dazu entschlossen ihm die fertige CD mit den Aufnahmen in den Briefkasten zu werfen. Ich hatte keine Lust dazu mich auch nur noch ein Mal mit ihm zu unterhalten. Zumindest nicht bis meine Wut verraucht war.
 

Hatte Yami denn überhaupt eine Ahnung, wie sehr er sich verändert hatte? Nicht vom Äußeren wie gesagt. Das würde es mir leichter machen zu akzeptieren, dass er nicht mehr der war, den ich liebte. Innerlich war er zu einem arroganten Kotzbrocken mit Starallüren mutiert.

„Ey, Goldlöckchen. Hast du nicht was zu tun, statt hier zu flirten?“ oder auch „Dann verbring sie mit den anderen Angestellten. Hier werden interne Dinge beredet.“ Was sollten diese Sprüche? Thomas war genau so ein Mitglied des Teams, wie jeder andere. Er hatte mir so sehr geholfen in den letzten paar Monaten, wie es kein anderer getan hatte. Dabei hat Thomas lediglich als Praktikant angefangen und ist danach einfach geblieben, weil er in unserem Team so viel gelernt hatte. Ich überlegte schon, ihn zu meinem Assistenten zu machen, doch das hätte keinen großen Sinn. Nach dieser Welttournee würde ich wieder nach Hause gehen und dort wäre ich erst mal ohne Anstellung. Ich konnte nur hoffen, dass die Reputation für diesen Job mir vielleicht ein paar Türen öffnete.
 

Die Aufnahmen, die sich Yami, Tea und Joey heute angeschaut hatten, waren zwar fertig, aber ich verpasse ihnen hier noch einen kleinen Feinschliff. Nicht das es jemanden außer mir auffallen würde. Yami schien es auch immer total egal zu sein, wie seine Moves auf Zelluloid aussahen…oder hier eher digitalisiert. Er bemerkte es nie, wenn ich die schon „fertigen“ Aufnahmen noch einmal verfeinerte.
 

Das Zuzwinkern auf dem Dach, kurz bevor er mit dem Kopf voran in die Tiefe sprang wirkt jetzt zum Beispiel wie ein spielerischer Flirt mit der Kamera. Ich bin mir ziemlich sicher das wird unseren Sponsoren gefallen.
 

Obwohl ich wusste, dass das Zwinkern und auch der riskante Sprung dazu gedacht waren mich zu beeindrucken, hielt ich es für großen Blödsinn. Es würde nichts zwischen uns ändern und alles, was er damit erreicht hatte, war mir einen riesigen Schrecken einzujagen. Ich musste die Tonspur aus den fünf Sekunden nach dem Sprung nehmen, weil man mein Aufkeuchen gehört hatte, aber das war nun mal der neue Yami. Der, den ich nicht mochte. Sicher, ein Angeber und risikofreudig war er schon immer, aber früher hatte sein ganzes Gehabe noch etwas Kindliches und Verspieltes an sich. Das jetzt ist pure Arroganz und Selbstverliebtheit.
 

Wo war nur der Yami hin, in den ich mich vor knapp sieben Jahren verliebt hatte? Wo war der Mann hin, mit dem ich bis vor zwei Jahren so glücklich war?
 

Hätte ich es ändern können, wenn ich gewusst hätte, wohin dieser Ruhm führen würde? Die Antwort darauf würde ich wohl nie bekommen.
 

Ich kenne Yami schon fast mein ganzes Leben lang. Wir waren Nachbarn, aber außer „Hallo“ und „Wie geht es dir?“ haben wir nicht viel miteinander geredet. Zumindest nicht, bis er eines Tages in dem Sportkurs aufgetaucht ist, in dem ich angemeldet war und mitmachen wollte. Die Kursleiter hatten sich auf Bodenturnen und Sportakrobatik spezialisiert. Ich war Bodenturner und Yami ließ sich die akrobatischen Tricks beibringen.
 

Damals war ich fünfzehn und leicht zu beeindrucken. Als ich Yami fragte, warum er sich ausgerechnet für die Akrobatik interessierte, erzählte er mir sofort begeistert alles über Parkour und die Herkunft dieser Sportart. Alles, was er bisher selbst recherchiert hatte. Er zeigte mir sogar einige Videos von den Leuten, die das professionell machten. Yami wollte auch auf dieses Niveau der Profis kommen.
 

Damals hatte er weder an Ruhm, Geld noch an Erfolg gedacht. Es ging ihm nur um die Herausforderung und den Kick. Er war zum ersten Mal in seinem Leben von etwas begeistert. So sehr, dass er sogar mir alles über seine neue Obsession erzählte, obwohl wir uns eigentlich nur vom sehen her kannten.
 

Ich erklärte ich für verrückt, so wie es schon seine Freunde – ja, damals waren Tea und Joey nur seine Freunde – es schon vor mir getan hatten.
 

Bei der nächsten Turnstunde erwischte ich mich dann dabei, wie ich ständig zu Yami hinüberstarrte. Einige der Übungen – so wie der Rückwärtssalto aus dem Stand – sahen verdammt interessant aus und schon bald fand ich mich im Sportakrobatikkurs wieder, mit Yami an meiner Seite, der mich ständig angrinste. Durch unser neues, gemeinsames Hobby wurden wir bald zu sehr guten Freunden. So lernte ich auch Tea und Joey besser kennen.
 

Da ich neben den Sportkurs auch eine Foto und Film AG besuchte, war ich es ach, der sich bald als Kameramann für Yamis Stunts wiederfand. Es machte mir Spaß und einige der Parkour Moves machten wir gemeinsam. Ich war und werde niemals so gut sein wie er, aber dadurch dass ich einige der Bewegungen selbst gemacht hatte und sie auch an reellen Hindernissen ausprobiert hatte, wusste ich genau, wo ich mich hinstellen musste, wann ich den Zoom betätigen musste und wie das Licht fallen würde. Mit all diesen Informationen wurden sogar die Aufnahmen mit einem einfachen Camcorder wirklich gut.
 

Natürlich sind sie kein Vergleich zu den hochklassigen Bildern, die ich mit der professionellen Ausrüstung hinbekomme, aber für Videos eines Hobby – Kameramannes waren sie richtig gut. Vor allem wenn man bedenkt, was für eine Qualität die meisten Internetvideos sonst haben.
 

Mir läuft fast das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an die neue Ausrüstung denke, die heute angekommen ist. Thomas kann es auch kaum noch abwarten mit dem Steuerungsmodul zu arbeiten. Es ist die neueste Erfindung auf den Markt. Eine Konsole, in die man das Signal von Webcams eingeben kann und diese so von weiten steuern kann. Ein kleiner LED – Display ermöglicht es die Einstellungen der Kameras bereits vorher zu überprüfen und gegebenenfalls den Blickwinkel zu verändern. Außerdem kann man, wenn man sich die dazugehörigen Webcams gekauft hat, auch in den Nachtsichtmodus wechseln oder bestimmte Bilder von Anfang an mit Sepi unterlegen. Ein wirklich tolles Spielzeug.
 

Vor sieben Jahren hätte ich mir nicht einmal träumen lassen mit so einem Gerät zu arbeiten und jetzt kriege ich sowas fast hinterhergeschmissen, weil es gute Publicity bringt. Vieles hat sich verändert und das treibt mir schon fast die Tränen in die Augen. Das Video ist soweit fertig. Ich überspiele die Aufnahmen auf eine CD und verpacke sie. Auf den braunen Umschlag schreibe ich nur das Datum der Aufnahme und Yamis Namen. Er wird es schon verstehen, wenn er dieses kleine Paket in seinem Briefkasten findet, doch bevor ich mich auf den Weg dahin mache, möchte ich mir noch etwas anderes ansehen.
 

Davon gibt es nur eine CD. Nur dieses eine Original. Dieses Video hat seinen Weg nie bis ins Internet gefunden. Zu sehen ist ein alter, verwahrloster Spielplatz darauf. Ich habe zuerst die gesamte Umgebung aufgenommen und danach auf die einzelnen Gegenstände gezoomt, die für uns wichtig waren. Eigentlich sollte es eine Art Übungsvideo werden, auf der Yami einig der einfacheren Stunts erklären wollte. Schritt für Schritt so zu sagen. Doch schon nach zehn Minuten verlor er die Lust darauf und alberte nur herum.
 

Er schlidderte die rutsche wie ein Surfer herunter und übte einige Überschläge an der Schaukel. Auch das wurde nach einiger Zeit zu langweilig.

„Komm schon Yugi, ich weiß doch, dass du es auch kannst. Lass die Kamera, Kamera sein und leiste mir Gesellschaft“, lautete damals seine Aufforderung an mich. Er hatte die Hand ausgestreckt und winkte mich zur Wippe.

„Mal sehen, ob wir sie gemeinsam im Gleichgewicht halten können“, rief er mir zu und spurtete schon los.
 

Ich legte die Kamera ins Gras. Die Aufnahmen werden etwas durch das Gras verdeckt, aber im Großen und Ganzen kann man uns ganz toll herumalbern sehen. Yami stand an einem Ende der Wippe und ich am anderen. Ich musste mich etwas weiter nach vorne stellen, weil er etwas schwerer war als ich, aber wir konnten gemeinsam die Wippe in der Schwebe halten. Ich mit ausgestreckten Armen und ganz wackelig auf den Beinen, weil ich die ganze Zeit Angst hatte die Balance zu verlieren und Yami ganz cool und sehr selbstsicher.
 

Er grinste die ganze Zeit und plötzlich machte er einen Schritt nach vorne, was unseren Balanceakt ziemlich erschwerte, weil sich meine Seite nach oben bewegte. Ich wusste, dass er mich nur herausfordern wollte. Wieder war da dieses Grinsen. Ich war schon damals echt heftig in Yami verknallt gewesen, obwohl wir uns gerademal drei oder vier Monate lang richtig kanten. Beim genauen Hinsehen kann man sogar meine roten Wangen ziemlich gut erkennen auf dem Video.
 

Leider war ich zu abgelenkt mein Gleichgewicht zu halten und mir nicht anmerken zu lassen, wie viel mir dieser Moment bedeutete, um auf ihn zu achten. Den nächsten Vorwärtsschritt sah ich nicht kommen und als die Wippe sich wieder auf meiner Seite nach oben schwang, kam ich ins Straucheln. Ich versuchte krampfhaft noch irgendwie mein Gleichgewicht zu finden, doch am Ende gewann die Schwerkraft.
 

Ich fiel und kreuzte die Arme schützend vor meinem Gesicht. Ich konnte es damals nicht sehen, aber Yami sah mich stürzen und packte mich mit einem wirklich gewagten Hechtsprung am Arm. Noch im Fall schloss er seine Arme um mich und verhinderte so dass ich mit dem Boden kollidierte. Yami warf sich einfach unter mich und fing so meinen Sturz ab. Das alles passierte binnen zwei oder drei Sekunden. Zu schnell um die Einzelheiten wirklich mitzubekommen und deswegen bin ich überglücklich diese Ereignis aufgenommen zu haben, wenn ich nämlich auf Slow Motion gehe, kann ich ganz deutlich den besorgten Ausdruck in seinem Gesicht sehen und die Panik in seinen Augen.
 

Es war ja nicht so, dass ich tief gestürzt wäre, aber alleine diese Sorge damals erwärmt mir das Herz. Das war der Tag an dem ich verstanden habe, dass ich Yami wichtig war. Wie wichtig, das habe ich erst einen Monat darauf erfahren…und genau das ist es, was mich traurig macht. Trotz aller Gefühle, die er mir entgegengebracht hat und von denen ich hundertprozentig sicher war, das sie echt waren, hat Yami mir das Herz gebrochen. Doch das passierte alles später und gerade jetztmöchte ich mich an die guten Dinge erinnern.
 

Im Video rollte er sich gerade zur Seite und ich liege immer noch in seinen Armen. Da Yami bei dem Sturz zuerst aufgekommen war, lag er nach dem Abrollen über mir. Meine Augen waren ganz fest geschlossen und ich weiß noch, genau, wie ich auf den Schmerz gewartet habe. Es war sein warmer Atem, der mir über das Gesicht strich, der ich dazu brachte meine Augen zu öffnen.
 

Das war einer dieser Momente von denen man in Büchern liest und die man in Filmen sieht. Einer dieser Augenblicke, von denen ich nie gedacht hätte, dass es sie wirklich gibt. Die Atmosphäre um uns veränderte sich. Die Luft schien zu knistern und ich glaubte wirklich einen Moment lang in seinen rubinroten Augen zu verlieren. Es war so, als würde die Zeit um uns stehen bleiben und genau da, waren wir die einzigen Menschen auf dem Planeten. Es gab nichts außer uns. Ich konnte noch nicht einmal die Vögel zwitschern hören. Mir schien es wie eine Ewigkeit, bis seine Lippen meine berührten und ich erleichtert ausatmete. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich die Luft angehalten hatte.
 

Dieses Gefühl, als wir uns zum ersten Mal küssten, werde ich nie vergessen. So sanfte und weiche Lippen. Zärtlich und schüchtern, als wüsste er auch nicht, was er da gerade tat. Ich hatte mit allem gerechnet, darauf gewartet, dass etwas passierte, doch einen Kuss hatte ich nicht erwartet. Es fühlte sich aber so richtig und gut an, dass ich nicht genau wusste, was sich hätte sonst zwischen uns abspielen sollen. Es war die einzig logische und richtige Option.
 

Diese zarte und zaghafte Berührung seiner Lippen war zwar überraschend, aber sie war so perfekt, dass ich diesen Kuss sofort und ohne zögern erwidert hatte. Damals kam es mir viel länger vor, aber am Timecode des Videos kann ich erkennen, dass unser Kuss nur wenige Sekunden gedauert hat. Zumindest der erste.
 

Danach hatte Yami sich von mir gelöst und mich völlig verdattert angeschaut, doch gleich im nächsten Moment hat er mich wieder angegrinst und meine Lippen noch einmal in Beschlag genommen. Dieses Mal leidenschaftlicher und länger. Ich habe auch diesen Kuss ohne Zögern erwidert. Wir lagen im Gras und haben uns wieder und wieder geküsst. Keinem von uns war es möglich, sich länger als einige Sekunden von den Lippen des anderen zu lösen. Wir hätten wahrscheinlich den ganzen Tag lang nicht damit aufgehört, hätte es nicht plötzlich angefangen zu regnen. Das letzte Bild auf der CD ist das von meinem Gesicht. Mit geröteten Wangen, riesigen Augen und geschwollenen Lippen. Wer genau hinsehen würde, könnte die Grashalme sehen, die in meinen Haaren steckten.
 

Die Wochen danach waren sehr verwirrend. Wir sprachen zwar nie darüber, aber ich würde sagen unsere Beziehung begann an diesem Tag. In den nächsten Tagen und Wochen war alles zwischen uns eher locker, aber doch seltsam. In vielen Augenblicken, in denen ich nicht darauf gefasst war, stahl mir Yami einen Kuss.
 

Vor dem Unterricht zum Beispiel. Eine ganz zarte und kaum spürbare Berührung unserer Lippen. Genau eine Sekunde bevor die Klingel die nächste Stunde einläutete und ich in meinem Klassenzimmer verschwinden musste. Manchmal auch in der Umkleidekabine des Sportclubs, wenn wir alleine waren und ich gerade auf dem Weg nach draußen war. Immer in genau dem Moment, in dem ich nach der Türklinke griff. Yami schnappte sich meinen Arm, zog mich an sich und küsste mich bis ich keine Luft mehr bekam und völlig benommen war, dann marschierte er an mir vorbei und hatte dieses breite Grinsen im Gesicht.
 

Obwohl keiner von uns etwas sagte und man das nicht als feste Beziehung bezeichnen konnte, so wusste ich doch, dass es diesem Angeber doch ernst war. Er führte mich nie aus Unsere Verabredungen waren Treffen mit Tea und Joey, bei denen er neue Moves und Stunts ausprobierte und ich das Ganze filmte. Es bedeutete mir aber doch sehr viel, weil er vor seinen besten Freunden kein Geheimnis daraus machte, was er für mich empfand.
 

Ein kleiner Erinnerungsfetzen, an dem ich sehr hänge, ist der, als Tea und Joey erfuhren das etwas zwischen uns war. Ich reinigte gerade das Objektiv des Camcorders, als Yami nach mir rief.

„Hey Yugi! Schau doch mal hoch.“

Als ich tatsächlich aufblickte, war Yamis Gesicht direkt vor mir. Er grinste wieder breit. Als ich fragend eine Augenbraue hochzog, legte er seine Hände auf meine Wangen und drückte seine Lippen auf meine. Ohne zu überlegen, wo wir waren und das uns Leute zusahen, erwiderte ich diesen Kuss wieder. Es war wie eine Sucht. Ich konnte nicht damit aufhören. Dieser Geschmack, nach Minze und Waldfrüchten – etwas herb, aber trotzdem sehr süß – ich wollte einfach mehr und als Yami dann meine Unterlippe in seinen Mund saugte und leicht hineinbiss, stöhnte ich auf. Genau diesen Moment suchte dieser Mistkerl sich natürlich aus, um sich von mir zu lösen und mir zu zuzwinkern.

„Als Glücksbringer, damit nichts schief läuft“, hat er noch zu mir gemeint.
 

Als ich empört schnaubte, hörte ich erst dieses belustigte Kichern von Tea. Erst da wurde mir wieder bewusst, dass wir nicht alleine waren in dieser riesigen Lagerhalle. Zum Glück hatten beide nichts dagegen, dass wir irgendwas am Laufen hatten, auch wenn ich Tea nach dem Kuss Rede und Antwort stehen musste und sie nicht nachgegeben hatte, bis sie wusste, dass ich mir nicht sicher war, was da eigentlich zwischen mir und Yami war.
 

Ich denke sie hat Yami darauf angesprochen, denn schon einige Tage danach veränderte sich Vieles. Er war plötzlich von irgendetwas Neuem besessen gewesen und so sah ich ihn nur noch im Sportkurs und wenn er wieder ein neues Gelände für das Parkour ausprobieren wollte. Ich denke ich wollte auch nicht, dass sich irgendetwas zwischen uns änderte. Es blieb alles ganz locker und undefiniert. Zumindest bis zu dem Tag, an dem mich Joey auf das Dach des Kaiba Corporation Hochhauses lockte. Angeblich wollte Yami endlich zeigen, woran er die letzten Wochen geübt hatte. Irgendwie stimmte das auch.
 

Als ich oben ankam, drückte mir Joey den Camcorder in die Hand und schubste mich in die Richtung, in die ich gehen sollte. Ich war natürlich wieder auf eine interessante Kletteraktion gefasst, aber als ich das Bild sah, was sich mir bot, schrie ich vor Panik auf und ließ die Kamera fallen. Yami stand auf der Brüstung und lehnte sich darüber. Als er mich hörte, drehte er sich zu mir um, schenkte mir wieder dieses freche Grinsen und zwinkerte mir zu.
 

Gerade als ich zwei Schritte näher kam, schwang er sich mit einer einzigen, fließenden Bewegung über die Sicherheitsumzäunung – der Vollidiot sah nicht einmal nach hinten – und er sprang.
 

Ohne nachzudenken raste ich zu der Brüstung und schaute nach unten. Voller Panik und mit Tränen in den Augen rief ich seinen Namen, doch ich wusste es war zu spät. Sein Körper fiel…und plötzlich ging dieser verdammte Fallschirm auf. Ich war so perplex und fragte mich, woher Yami einen Fallschirm hatte, doch diese Antwort würde ich wohl nur von ihm bekommen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich wollte gerade vor Wut aufschreien, was ihm denn einfiel mir so einen Schrecken einzujagen, als ich die Botschaft las, die auf dem Fallschirm stand und die man nur lesen konnte, wenn dieser entfaltet war.

„Yugi Muto, ich liebe dich!“
 

Ich sah noch zu, wie Yami sicher landete, dann sah ich zu, dass ich so schnell wie möglich runterkam. Ich nahm die Treppe, da konnte ich einige der Parkour Tricks anwenden, die ich auch draufhatte. In weniger als einer Minute war ich unten. Der Trottel hatte sogar die Frechheit seine Arme auszubreiten und mich wieder anzugrinsen.

„Was bildest du mieser Dreckskerl dir ein?“, habe ich ihn angeschrien, als ich auf ihn zugerannt bin und mit all der Angst und Verzweiflung, die ich kurz zuvor empfunden hatte, trommelte ich auf seine Brust ein.

„Hast du eine Ahnung, was für einen fürchterlichen Schock du mir verpasst hast? Nein, du doch nicht! Du fandest es bestimmt nur ganz cool. Es war ein neuer Kick für dich. Hast du dir überhaupt überlegt, wie das für mich war, dich fallen zu sehen? Zu denken, du hättest dir das Leben genommen? Hast du darüber nachgedacht, wie riskant das war? Bestimmt nicht! Und wofür das Ganze? Für eine bescheuerte Liebeserklärung? Das hättest du mir auch einfach so ins Gesicht sagen können und dann hätte ich sie wesentlich mehr genießen können, statt jetzt sauer auf dich zu sein!“
 

Ich weiß noch, wie sich seine Arme um mich legten und er mich an seine Brust drückte, nur um mich daran schluchzen zu lassen. Lustiger Weise fühlte ich mich in den Armen dieses Adrenalin – Junkies so sicher wie nirgendwo anders. Als ich mich etwas beruhigt hatte, legte mir Yami eine Hand unter mein Kinn und brachte mich dazu ihn anzusehen.

„Na dann musst du von jetzt an bei mir bleiben Yugi. Ganz nah bei mir, damit ich nicht noch einmal etwas so Dummes machen kann“, hat er rotzfrech gemeint.
 

Was soll ich sagen: Ich bin auf diese miese Erpressung eingegangen. Ich habe ihn geliebt und er mich und jemand musste doch auf diesen unvorsichtigen Extremsport – Freak aufpassen. Das war der Tag, an dem er mir endlich gezeigt hatte, wie viel ich ihm bedeute und es machte mich glücklich. Leider gehörte Base Jumping von da an zum Standartprogramm seiner Stunts. Yami versuchte mich dazu zu bringen, es auch einmal auszuprobieren. Nicht als Base Jumper, sondern in einem Tandemsprung mit ihm zusammen aus einem Flugzeug. Ich lehnte immer ab. Damals wusste ich noch nicht warum, aber etwas gefiel mir nicht am Fallschirmspringen. Das würde ich erst sehr viel später begreifen.
 

Da Domino City nicht besonders groß war, hatten wir nur das Gebäude der Kaiba Corporation zum Springen. Yami und Joey brachten Seto dazu uns die Erlaubnis für eine uneingeschränkte Nutzung des Daches zu geben. Es gab nur zwei Bedingungen: Wir hafteten selber für jegliche Schäden und Verletzungen und er wurde zu unserem Manager. Beides war nicht unbedingt etwas, was wir nicht erwartet hätten, also stimmten wir zu. Außerdem war es nur von Vorteil Seto Kaiba als Manager zu haben.
 

Ich glaube er sah das vermarktungsfähige Potential in dem was wir machten. Als dieser nämlich beschloss das Base Jumping mit in seine Parkour – Nummern mit aufzunehmen, wurden unsere Videos spektakulär und einzigartig. Ich gönnte ihm den Ruhm, der nun mit der Wachsenden Fangemeinde kam, aber trotzdem hielt ich ihn für verrückt. So viele Risiken und Yami war auch immer schon der leichtsinnige Typ. Ich machte mir einfach Sorgen und das tue ich bis heute.
 

Etwa zwei oder drei Monate nachdem wir ein Paar geworden sind, kam der erste Auftrag, den uns Kaiba vermittelt hatte. Es war ein Werbedreh für einen Powerriegel. Die Leute wussten genau, welche Moves und Stunts sie sehen wollten, doch außer dem Anfang, an dem Yami in einen dieser Müsliriegel beißen mussten, bekamen die Kameraleute, die dafür engagiert wurden nichts hin.
 

Die Stunts waren zu schnell, sie hatten keine Ahnung, wie sie das mit der Beleuchtung regeln sollten, damit auch immer Yamis Gesicht zu sehen war. Na ja, eine große Katastrophe halt, weil diese Leute keine Ahnung vom Parkour hatten…und noch weniger von Base Jumping, wie wir später feststellen mussten.
 

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, wenn ich daran denke, dass sie Yami fast ohne Fallschirm hätten springen lassen, weil der ihnen die Sicht nahm. Es war Joey, der dem Kameramann fast eine reinschlug und meinen Ex – Freund so das Leben rettete. Der Typ von der Müsliriegelfirma sah diesen angeblichen Experten auch total geschockt an. Keiner wusste genau, was er tun sollte, denn es war nur ein Tag für den Dreh geplant und es war nicht Yamis Schuld, dass alles schief gelaufen war.
 

Es war Kaiba, der mir dann den Camcorder in die Hand drückte und meinte: „Mach du doch die Aufnahmen Kurzer. Du kannst es doch und deine Videos sehen nicht schlecht aus. Das sind genau die Bilder, die für diesen Werbespot gebraucht werden.“

Ich sah auf den Camcorder und dann zu Yami, der absolut verzweifelt wirkte. Er wollte diesen Sprung machen, sonst würde er sich fühlen wie ein Versager. Noch ein kurzer Seitenblick auf das gegenüberliegende Gebäude und ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Mit Hilfe einiger Freunde aus dem Sportkurs, die sich in jeder zweiten Etage des anderen Hochhauses platzierte, schafften wir die perfekten Aufnahmen. Danach mussten wir nur noch die Parkour – Tricks wiederholen.
 

Beim zweiten Versuch wirkte Yami wesentlich nervöser. All die Leute die um ihn herumstanden und ihn anstarrten und vor allem der grantige Kameramann, der hoffte er würde sich auf die Fresse legen. Für diesen Typen war es eine persönliche Beleidigung, dass ein Kind – ich – bessere Bilder mit einem Camcorder machen konnte, als er mit seiner professionellen Ausrüstung. Er glaubte tatsächlich Yami hätte ihn sabotiert.
 

Schon damals hatten wir diese In – Ear – Stöpsel um ihm Anweisungen zu geben und als ich sah, wie nervös mein damaliger Freund war, machte ich ihm natürlich Mut.

„Hey Yami, du schaffst das. Du kannst alle Bewegungen, die du brauchst und selbst wenn du irgendwo einen Fehler machst, glaubst du echt einer kriegt das mit? Die haben doch alle zu wenig Ahnung, um zu wissen, ob etwas so ist, wie es sein soll.“

Er sah zu mir rüber und ich lächele ihn aufmunternd zu. Er lächelte zurück. Danach gab es keine Probleme mehr und diese kurzen Botschaften, vor seinen Parkour – Nummern und Sprüngen wurde zu einer Art Ritual. Die Aufnahmen liefen klasse. Das Zusammenschneiden des Videos dauerte noch mal zwei Stunden, doch am Ende war der Kunde zufrieden.
 

Nach dem Werbespot wurde die Fangemeinde um Yami noch größer und wir bekamen ständig Anfragen für Werbespots und Kurzfilme. Ich wurde immer als Regisseur und Organisator dieser Sachen gebucht, denn obwohl ich jung war, sprach sich meine Professionalität beim ersten Werbedreh herum. Sponsoren, die uns mit Gratisausrüstung belieferten, standen praktisch Schlange. So begann Yamis Karriere und das Ende unserer Beziehung.
 

Ein Sportunternehmen kam dann irgendwann auf die Idee, Yami als Marke zu benutzen. Er stand für Freiheit, Wagemut, Risiko und was weiß ich noch was. Als eine offizielle Werbefigur musste er damals auch einen Vertrag unterschreiben, in dem geregelt stand, dass er sich in der Öffentlichkeit als Single präsentieren musste. Dieser Volltrottel unterschrieb den Vertrag ohne darüber nachzudenken.
 

Als er mir davon erzähle, war es so, als hätte man mir ein Dolch ins Herz gejagt. Es tat einfach nur weh. Yami sah darin aber nichts Schlimmes. Er meinte, wir könnten immer noch zusammen sein. Außer Tea und Joey hatte ja sowieso niemand etwas davon gewusst, dass wir ein Paar waren. Er wollte einfach nicht verstehen, warum ich mich so betrogen fühlte.
 

Ich war eine Zeit lang beleidigt und verletzt, doch ich verzieh ihm schnell. Schließlich war ich mir sicher, dass er mich liebte und wir arbeiteten ja auch immer noch fast täglich zusammen. Yami und ich mussten auch noch den Abschluss schaffen und es war seine Mutter, die darauf bestand, dass er es die Schule beendete, bevor er die Laufbahn als Profi im Extremsport einschlug.
 

Nach seinem Abschluss, hatte ich noch zwei Jahre bis zu meinem. In dieser Zeit sahen wir uns kaum. Yami war ständig irgendwo unterwegs. Vielleicht war das der Grund dafür, dass mir nicht auffiel wie sehr er sich veränderte. Richtig aufgefallen war es mir dann erst nach meinem Abschluss. Nach meinem achtzehnten Geburtstag. Ich bin mal wieder als Kameramann für einen von Yamis Werbeaufnahmen gebucht worden. Sie fanden in Australien – in Sidney – statt und wir wurden alle in ein spitzenmäßiges Luxushotel einquartiert.
 

Nach Drehschluss hatte ich Yami angesprochen, ob er nicht bei mir vorbeikommen könnte. Ich dachte, wir könnten meinen Geburtstag und meinen Abschluss etwas nachfeiern. Er war ja nicht da gewesen, als ich die große Party Domino hatte. Das fand ich schon damals seltsam, denn auch Joey und Tea hatten es geschafft zu kommen und sie reisten ja eigentlich immer mit Yami mit. Nun, damals war es mir aber erst mal egal, denn Yami sagte mir zu.
 

Ich wartete den ganzen Abend auf ihn. Gegen drei Uhr morgens aß ich dann die zwei Tortenstücke alleine auf, die ich noch extra besorgt hatte. Ich war nicht sauer. Ich fühlte mich nur unwichtig und vergessen, als ich mich ins Bett legte. Ein Gefühl, dass ich in den nächsten zwei Jahren noch besser kennen lernen würde.
 

Am nächsten Tag verlor ich kein Wort darüber. Ich war verletzt und enttäuscht, aber ich wollte keine Szene machen und es Yami irgendwie schwer machen. Ich arbeitete einfach. Kameras richtig postieren, die Leute anweisen, wie und wo sie zu stehen hatten. All das hielt mich auf Trab. Es lenkte mich davon ab, dass Yami mich vergessen hatte, davon, dass ich mich nutzlos und klein fühlte in dieser Welt.
 

Ich glaube eigentlich das ist der Punkt, an dem unsere Beziehung wirklich zu Bruch ging, ohne dass einer von uns beiden es wirklich bemerkt hätte. Das alles war für mich eine Scheinwelt. Die Kameras, die Presse, der Starrummel um eine Person. Herr Gott, die Firma für die wir damals arbeiteten suchte sogar die Frauen aus, mit denen Yami in der Öffentlichkeit gesehen werden sollte. All das war nicht meine Welt. Es war falscher Schein. Für mich waren der alte Spielplatz in Domino oder das Dach der Kaiba Corporation die Realität. Diese Orte, an denen wir angefangen hatten…doch jetzt war diese Realität nichts weiter als verblassende Erinnerung.
 

So betrachtet, weiß ich nicht was damals mehr wehgetan hatte, meinen Freund mit anderen Frauen zu sehen oder nach und nach aus seiner Realität zu verschwinden. Nichts weiter als ein Schatten zu sein. Für Yami war dieser ganze Rummel um seine Person echt. Die Presse, die ihn feierte, die Fangirls, die ihn vergötterten und die Jungs, die ihm nacheiferten. Er war der strahlende Star und ich war sein immerwährender Schatten.
 

Es war nicht so, dass ich ihn beneidete, aber es ist einfach nicht schön unsichtbar zu sein. Vor allem nicht für den Menschen, den du liebst und der dich eigentlich auch lieben sollte. Es wundert mich ganz ehrlich, warum ich es war der zwei Jahre später Schluss machte und nicht er, schon lange zuvor.
 

Obwohl ich Yami fast jeden Abend mit einer anderen sah, zweifelte ich nie an seiner Treue und auch wenn ich das Gefühl hatte, dass ich langsam aus seiner Welt verschwand, so gab es trotzdem diese Momente, in denen die Welt wieder vollkommen war. Dann wenn er sich nachts manchmal in mein Zimmer schlich und sich einfach zu mir legte. Yami arrangierte es immer so, dass wenn wir im Hotel übernachteten, unsere Zimmer nebeneinander lagen und meist über eine Verbindungstür verfügten.
 

Er versuchte immer mich nicht zu wecken, doch irgendwie war ich sofort hell wach, wenn ich nur seine Schritte hörte. Yami erzählte mir dann immer flüsternd von seinem Tag und wie anstrengend seine Verabredungen gewesen waren. Egal wie komisch das klingt, es beruhigte mich immer und gab mir Trost. Manchmal lagen wir auch nur da und er hielt mich fest und ich hatte wieder dieses Sichere Gefühl, so wie an dem Tag, als wir zu einem richtigen Paar wurden. Diese Momente waren vollkommen.
 

Es ist schon traurig, dass ich weiß, dass es nie wieder so sein wird, wie es einmal war. Ich schnappe mir meine Jacke und die fertige CD. Es wird Zeit, dass ich sie zu Yami bringe. Ich habe lang genug im Schneideraum – oder viel mehr meinem Schlafzimmer – rumgesessen. Für mich ist beides eh dasselbe. Ich verbringe hier mehr Zeit, als sonst irgendwo. Ein Privatleben kann ich mir erst in einem halben Jahr wieder leisten, wenn diese beschissene Welttournee vorbei ist und ich endlich wieder nach Hause kann. Niemand kann sich vorstellen, wie sehr ich wieder nach Domino City will.
 

Seit heute frage ich mich wirklich, ob Yami sich für so viel besser hält als alle anderen oder ob hinter seinem arroganten Verhalten noch mehr steckt. Doch ich glaube, ich mache mir viel zu viele falsche Hoffnungen.
 

Es ist kalt draußen und es sieht aus, als würde es jeden Moment wieder regnen, doch kein einziger Tropfen fällt vom Himmel. Ich hasse dieses Wetter. Es erinnert mich so sehr an diesen eine Tag, als mir klar wurde, warum ich Fallschirmspringen nicht besonders mag. Es erinnert mich an diesen einen Tag, als alles zwischen mir und Yami endgültig zerbrach.
 

Ich war zwanzig, hatte schon überall auf der Welt gearbeitet, hatte einen sehr guten Ruf als Regisseur und hätte eigentlich glücklich sein sollen, denn ich hatte mehr erreicht, als ich mir je hätte träumen lassen. Trotzdem hatte ich das Gefühl jeden Tag ein bisschen mehr innerlich zu sterben. Jeden Tag verschwand ich ein bisschen mehr. Es klingt vielleicht widersprüchlich, denn mein Name war ja bekannt, aber eben nur mein Name. Keiner kannte den Menschen hinter Yugi Muto. Keiner kannte mein Gesicht und die, die es taten, konnten kaum fassen, dass ich es war der so gute Arbeit leistete.
 

Ich blieb immer im Schatten, selbst bei solchen Events, wo das gesamte Team in der Öffentlichkeit auftrat. Die Leute hielten mich für irgendjemanden, der sich um das Material kümmerte oder so etwas. Selbst mein eigener Freund schien zu vergessen, dass ich da war. Ich bin kein Jammerlappen – oder möchte zumindest keiner sein – aber als Yamis Begleitung für den damaligen Abend mich in der Menge fast mit ihren Stöckelschuhen aufspießte, war es das für mich. Ich ging in mein Hotelzimmer und schlief ein.
 

Am nächsten Tag hatte ich frei, weil Yami nur zu Interviews musste. Meine Laune war wieder besser, obwohl das Wetter damals genau so schlecht war, wie heute. Früher am Morgen hatte ich meine Mutter angerufen und mit ihr und meinem Großvater geredet. Es war mein Opa, der mich aufgemuntert hatte.

„Sei doch froh, wenn sie dich nicht bemerken Junge, dann musst du wenigstens später nicht mit nerviger Presse rechnen, wenn du da aussteigen willst und wieder irgendwo in Ruhe leben willst.“
 

So hatte ich das noch nicht gesehen und ich gestand mir ein, dass es auch seine Vorteile hatte unsichtbar zu sein. Ich war gerade unterwegs und wollte mir Frühstück holen, als mich ein Anruf von Tea erreichte. Sie war total wütend und in Panik. Yami war noch nicht am Set für das Interview aufgetaucht und er ging nicht an sein Handy. Sie musste ihn noch schminken und präsentabel machen, bevor er vor die Kamera konnte, jammerte sie mir vor. Ich grinste nur und sagte ihr, dass ich mich darum kümmern würde.
 

Da ich Yami sehr gut kannte, holte ich ihm einen riesigen Becher Kaffee – extra stark – und einen Schokoladenmuffin. Er war schon immer ein kleiner Morgenmuffel gewesen und nach einer durchzechten Nacht, von der ich ja nicht wusste, wann sie für ihn geendet hatte, brachten ihn nur Koffein und Schokolade wieder auf Touren.
 

Da die Tür zu seinem Zimmer abgeschlossen war, ging ich durch die Verbindungstür zwischen unseren Zimmern. Ich ging extra leise in das Zimmer, da ich ihn wecken wollte, in dem ich ihm den Kaffeebecher unter die Nase hielt. Yami war immer schon viel umgänglicher am frühen Morgen, wenn es sich für ihn lohnte aufzustehen. Ich grinste, als ich das Chaos aus Klamotten sah, die auf dem Boden herumlagen. Dieses Grinsen gefror auf meinen Lippen, als ich zwischen seinen Sachen einen roten High Heel sah und etwas weiter weg einen halterlosen Strupf. Mein Gesicht versteinerte, als mir der BH auffiel, der achtlos über den Bettpfosten am Fußende geworfen war.
 

Obwohl ich eigentlich gar nicht mehr näher gehen wollte, schienen meine Beine sich ganz von alleine zu bewegen. Ich schritt immer näher zum Bett und näher, bis ich, erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange stehen blieb, als sich etwas im Bett bewegte. Die Frau, die darin lag hatte sich umgedreht und ich erkannte sofort die Schauspielerin, mit der sich Yami am Abend zuvor verabredet hatte, um zu dieser Veranstaltung zu gehen.
 

Da war es dann, dass Gefühl, weswegen ich Fallschirmspringen hasste, obwohl es mir gerade lieber gewesen wäre mit einem Fallschirm oder auch ohne von einem Dach zu springen. Ich hatte das Gefühl zu fallen und es gab nichts, was mich auffangen würde. Bei einem Sprung aus einem Flugzeug und von einem Hochhaus, konnte man wenigstens irgendwann den Boden erreichen und dann hatte man wieder festen Boden unter den Füßen. Ich habe bis heute das Gefühl zu fallen. Es ist etwas, was ich nicht besonders mag, weil man im Fall keine Kontrolle über die Situation hat. Keine Kontrolle darüber, was als nächstes passiert. Für mich ist es keine grenzenlose Freiheit, sondern mein schlimmster Alptraum…genau wie das Bild, das sich mir damals bot.
 

Ich hörte Geräusch aus dem Badezimmer und beeilte mich wegzukommen. Ich wollte Yami jetzt nicht begegnen. Ich wollte keine billigen Entschuldigungen hören und ich wollte mir diesen Anblick nicht noch länger antun. Ich stellte den Kaffe und den Muffin ab und verließ das Zimmer fast schon fluchtartig. Ich wusste, ich hätte eigentlich alles fallen lassen und laut losschreien sollen, aber ich tat nichts davon. Ich erledigte, wofür ich gekommen war und ging schnell. Das war der Moment, an dem mein Herz brach. Ich stand an die Verbindungstür gelehnt da und fragte mich einen Moment lang, ob das was ich gesehen hatte, wahr sein konnte und gleichzeitig wusste ich, dass es Wirklichkeit war.
 

Witziger Weise weinte ich nicht. Ich fühlte mich eher irgendwie erleichtert. Jetzt wusste ich wenigstens ganz genau wo ich stand. Wie hieß es doch immer so schön: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“.
 

Doch obwohl ich auf seltsam Weise erleichter war, spürte ich doch die Symptome, die ein gebrochenes Herz mit sich führt. Mein Körper war ganz taub und ich dachte meine Brust würde explodieren. Mit zittrigen Händen rief ich Tea an, weil sie am Set war. Ich sagte ihr, dass sie selber mal nach Yami schauen sollte. Ich fragte, ob sie mir Kaiba mal geben könnte und sie tat es. Bei ihm reichte ich dann meinen gesamten Urlaub für den Rest des Jahres ein. Ich hatte sogar noch zwei Wochen aus dem Vorjahr übrig. Da keine wirklich wichtigen Aufnahmen geplant waren und Joey zusammen mit meinem damaligen Assistenten eine gute Vertretung waren, genehmigte er mir die knapp sieben Wochen, die haben wollte.
 

Gerade als ich meinen Koffer packte, klopfte es an der Verbindungstür. Yami trat ein. Er hielt den Kaffeebecher in der Hand und grinste breit.

„Hey Yugi, danke, für den Kaffee. Den habe ich ehrlich gebraucht zum Wachwerden.“

Er tat so, als wäre nichts gewesen. Als hätte da nicht eine nackte Frau in seinem Bett gelegen, als ich hereinkam. Ich schaute ihn noch nicht einmal an, nahm lieber meinen letzten Kleiderstapel und legte ihn in meinen Koffer. Meine Ausrüstung brauchte ich nicht mitzunehmen, die könnte Joey noch gebrauchen.
 

„Du packst?“, fragte er mich völlig verwirrt. „Wozu? Wir sind hier noch drei Wochen.“

„Ich fahre nach Hause. Ich habe meinen gesamten Urlaub genommen.“

„Warum? Du…“, begann Yami, doch ich fuhr ihm dazwischen.

„Weißt du, andere Leute haben wenigstens den Anstand Schluss zu machen, bevor sie was mit einer anderen Person anfangen. Du hättest es uns beiden leichter machen können. Hättest du mir vor Jahren gesagt, dass du gerne alle Angebote nutzen würdest, die dir dein Starruhm bringt, dann hätte ich wenigstens auch eine Chance auf ein eigenes und glücklicheres Leben gehabt“, habe ich ihm gesagt. Ich habe nicht geschrien, aber mein Ton war trotzdem scharf.
 

„Woar, Yugi…du…du meinst die kleine Schauspielerin von gestern Abend? Da war nichts. Ehrlich nicht. Sie hat in meinem Bett übernachtet und ich habe auf der Couch geschlafen. Man, hab doch ein bisschen mehr Vertrauen in mich. Ehrlich, wenn du schon einfach so in mein Zimmer kommst, dann hättest du dir die Mühe machen können, dich etwas gründlicher umzusehen. Also du könntest schon etwas mehr an meine Treue glauben.“

Er klang so beleidigt, als hätte er mich gerade mit einem Anderen erwischt und nicht umgekehrt. Das brachte mich natürlich noch mehr zur Weißglut.
 

„Sag mir, warum sollte ich es dir glauben? Gib mir nur einen guten Grund dafür. Es ist ja nicht gerade so, dass du zeigst, dass dir etwas an mir liegt. Ich bin da, wenn du mich brauchst und das war’s auch schon. Ich bin derjenige, der immer da ist, ganz egal, was du machst und was du anstellst und wenn du gerade Lust und Laune hast und niemand anderer für dich Zeit hat, dann bin ich gut genug.“

Diese Sätze schrie ich ihm dann schon entgegen. Doch nur ein oder zwei Sekunden später war ich wieder ruhig und fragte: „Was soll ich denn glauben, wenn ich eure Sachen quer durch ’s Zimmer verteilt finde?“
 

„Also echt Yugi, du bist nicht meine Mutter. Es geht dich nichts an, warum es so ist. Du stellst dich echt an. Vielleicht wäre es ja ganz gut, wenn wir eine Weile getrennte Wege gehen würden. Du scheinst mir ja nicht vertrauen zu können.“

Ich muss ganz ehrlich sagen, diese Worte taten weh. Mehr als ich es mir hätte vorstellen können. So gesehen hatte ja eigentlich Yami Schluss gemacht, aber trotzdem war ich es, der es endgültig machte.

„Vielleicht ist es wirklich das Beste“, murmelte ich und zog den Reißverschluss meines Koffers zu. Beim Rausgehen aus dem Zimmer erinnerte ich ihn noch daran, dass er eine Termin hatte. Danach fuhr ich ohne Umwege zum Flughafen und flog zurück nach Domino City.
 

Ich glaube erst als er merkte, dass ich wirklich weg war, begriff Yami, dass es mein Ernst war, dass ich mich wirklich trennen wollte. Meine Mutter und mein Großvater waren ein sehr großer Trost für mich. Sie halfen mir und zeigten mir, dass sie immer für mich da sein würden. Ich fühlte mich so geliebt und geborgen und wusste, dass es das war, was ich vom Leben wollte. Glücklich und Zufrieden sein, im Kreise der Menschen, die mich liebten. Was ich dabei für einen Beruf ausführte, war egal.
 

Etwa in der zweiten Woche meins Urlaubs rief mich Tea an. Sie sagte mir – nein, sie versicherte mir – dass die Sache mit dieser Schauspielerin nur ein Missverständnis war, dass ich es in den falschen Hals bekommen hatte und dass es Yami wirklich, wirklich leid täte, was er zu mir gesagt hatte. Ich sollte nicht überreagieren und zurückkommen. Einige Tage später erhielt ich auch einen ähnlichen Anruf von Joey. Yami hatte die beiden damit beauftragt, weil ich nie ans Handy ging, wenn er mich anrief und meine Mutter sich weigerte ihn mit mir reden zu lassen. Als dann in der dritten Woche Blumenlieferungen ankamen, die unsere Wohnung fast in einen Botanischen Garten verwandelten, dachte ich wirklich darüber nach, ihm eine zweite Chance zu geben, alles bisherige zu vergessen und so zu tun, als wäre nie etwas gewesen…doch der Schmerz und der Schock saßen noch sehr tief. Er hatte selbst gesagt, dass es mich nichts anging, was er machte.
 

Es war witziger Weise Yamis Mutter, die mir den Ratschlag gab, der mich eine Entscheidung treffen ließ. Wir saßen zusammen, weil sie mich zum Tee eingeladen hatte. Ich dachte schon sie wollte auch auf mich einreden, dass ich ihrem Sohn noch eine zweite Chance geben sollte. Doch was sie sagte, war etwas, was mein Leben veränderte.

„Ja, mein Sohn hat mich gebeten, ein gutes Wort für ihn einzulegen, aber ich kenne Yami…sogar noch besser als du es tust und ich weiß, dass er eigentlich gar nicht versteht, was er falsch gemacht hat. Ich gebe dir also stattdessen einen Rat, weil ich weiß, dass du klug und erwachsen genug bist, um ihn wirklich ernst zu nehmen. Es ist jetzt an dir zu entscheiden Yugi, was für dich schlimmer wäre: ein Leben ohne Yami, bei dem du aber sicher sein könntest, dass er dir nicht noch einmal das Herz brechen könnte oder ein Leben mit ihm, wenn du dir nie sicher sein könntest, ob er wirklich nur dir alleine gehört. Überlege es dir gut.“
 

Ich überlegte wirklich lange. Fast die gesamte restliche Zeit meines Urlaubs und zum Schluss kam ich dann zu folgendem Ergebnis: Ein Leben ohne meine erste, große Liebe konnte ich mir kaum vorstellen, doch mit Yami zusammen zu sein und mich ständig zu fragen, ob er mir treu war und darauf zu warten, dass ER vielleicht genug von MIR haben würde war schlimmer. Mit einem Ende hatte ich wenigstens die Möglichkeit auf ein neues, glückliches Leben. Obwohl mein Entschluss fest stand und ich mir sicher war, dass Schluss zu machen die einzig richtige Option für mich war, hörte ich nicht auf Yami zu lieben. Es scheint wohl so, als würde ich diese Gefühle nie loswerden. Ich merke es jedes Mal, wenn er so eine Aktion abzieht, wie den Kopfsprung vom Dach. Dann zieht sich mein Herz vor Sorge zusammen und ich möchte am liebsten schreien und weinen und ihm versichern, dass ich alles tun würde, damit er mit dem Unsinn aufhört. Ich möchte ihm so gerne aufmunternde Worte zuflüstern, so wie es vor unserer Trennung immer war. Ich möchte es so sehr und doch reiße ich mich immer zusammen, damit er nicht denkt, ich würde meine Entscheidung bereuen.
 

Es kommt mir so vor, als würde er seit unserer Trennung immer waghalsigere Manöver durchziehen. So, als würde er mir etwas beweisen wollen.

„Ach hör doch auf. Wenn es danach ginge, würde jeder zweite hier den Raum verlassen müssen.“

„Ich habe nicht mit dir geredet!“

Okay, wenn ich daran dachte, wie er mich heute zusammengestaucht hat vielleicht auch nicht. So hat er eigentlich noch nie zu mir gesprochen. So harsch. Als wäre auch ich nichts weiter als ein Angestellter…aber das bin ich ja, wenn man es genau betrachtet. Leider läuft ja mein Arbeitsvertrag noch bis diese Welttournee um ist. Es ist sowohl eine Möglichkeit für Yami, überall auf der Welt seine Parkour – Nummern auszuprobieren und von den höchsten Gebäuden der Erde zu springen, als auch eine Werbetour für zwei neue Turnschuhe und eine Spielkonsole.
 

Vor mir sehe den Wohnungskomplex, in dem sich Yamis Appartement befindet. Mit wenigen, schnellen Schritten bin ich in der Einganshalle. Hier reihen sich die Briefkästen aneinander. Eine ganze Wand ist voll damit. Nach einigen Minuten Suchen habe ich den von Yami gefunden. Ich werfe den Briefumschlag rein und verschwinde schnell wieder. Ich will ihm heute wirklich nicht mehr sehen.
 

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Mann, ein Jetlag ist echt furchtbar. Vor gerade mal zwei Stunden sind wir in Reykjavik angekommen. Es ist kalt, aber ich habe darauf bestanden, dass wir diese Station der Welttournee irgendwann zwischen November und Februar machen, weil man dann ganz deutlich das Nordlicht sehen kann und ich das wenigstens ein Mal in meinem Leben tun wollte. Leider kann ich mich nicht zurücklehnen und es genießen.
 

Ich bin gerade dazu gekommen einzuchecken, da hat mich Seto schon losgeschickt, damit ich mir den ersten Drehort anzusehen. Es ist eine alte Fabrik, die bald abgerissen werden soll. Sie liegt am Rande der Stadt. Yami soll sich von hier im Parkour Style durch die Stadt kämpfen bis zur Hallgrimskirkja.
 

Das ist eine Kirche. Das größte Gebäude des Landes und gleichzeitig auch das inoffizielle Wahrzeichen Reykjaviks. Mit einem Lift kann man bis zum Turm hochfahren und von da aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und bis weit ins Land hinein. Ein Absprung von dem Turm und davor das Innere der Kirche, wo man durch die Glasfenster den Himmel und die Wolken sehen könnte, würden unbezahlbare Aufnahmen liefern.* Da allerdings noch nicht feststeht, ob wir den Absprung von da drehen dürfen und ob Yami überhaupt springen darf, konnte ich mir bis jetzt nur das Fabrikgebäude ansehen.
 

Da habe ich bereits mit Thomas’ Hilfe die Markierungen für die festen Kameras angebracht und die Positionen für die Leute mit den Camcordern und Webcams besprochen und im Lageplan der Fabrik eingezeichnet. Ich konnte auch schon drei, möglichen Wege, die Yami wählen könnte ablaufen. Ich habe mir schon notiert, wo einige Kameraleute stehen könnten, ohne die Einwohner der Stadt zu stören oder zu irritieren, aber bis das mit der Genehmigung der Stadt zur Nutzung der Kirche geklärt ist, kann ich nicht mehr machen.
 

Vielleicht können wir das Ganze ja in drei Einstellungen drehen. Zuerst das Fabrikgelände, dann den Weg – welchen auch immer Yami wählen wird und dann, das mit der Hallgrimskirkja. Sollte es nämlich nicht klappen, könnten wir noch improvisieren. Mein Zweitvorschlag wäre ja, wir lassen ihn sich dann quer durch die Stadt kämpfen, bis raus in die Natur und da könnten wir Aufnahmen in der Dunkelheit machen, wenn das Nordlicht am Himmel zu sehen ist.
 

Natürlich müsste man Yami dann etwas mit Neonstreifen oder Reflektoren an den Seiten anziehen, aber das Bild wäre einmalig. Das Nordlicht, die Dunkelheit und Yami, von dem man vielleicht nur die Umrisse sehen kann, wie er akrobatische Tricks vorführt. Alleine die Effekte, die ich verwenden könnte. Wir könnten mit einer normalen Kamera arbeiten und mit einer, die Nachtsichtfunktion hat, wenn man die Bilder dann zusammenschneiden würde…oh Mann, das wäre ein Meisterwerk in diesem Genre.
 

Leider muss ich eine Woche warten, bis ich weiß, welchen Abschluss wir machen können. Vielleicht hat Yami auch etwas anderes vor. Wer weiß das schon. Ich will jetzt nur noch ins Bett. Mein Kopf schwirrt und ich bin so müde. Vor meinen Augen verschwimmt schon alles und ich habe das Gefühl gleich umzukippen.
 

Ich hole mir an der Rezeption die Schlüsselkarte für mein Zimmer ab. Ich habe ehrlich überlegt, ob ich Fahrstuhl oder Treppe nehme. Treppe würde ich in meinem Zustand nicht schaffen, aber im Fahrstuhl würde ich von der Musik gleich einschlafen. Am Ende nahm ich doch den Lift. Alle Zimmertüren sind offen. Es wundert mich zwar, aber ich sehe den Wagen mit den Utensilien der Zimmermädchen und mir ist klar, dass gerade geputzt wurde. Ein Zimmermädchen schaut mich fragend an und ich zeige ihr meine Schlüsselkarte und sie winkt mich in ein Zimmer.
 

Das soll wohl meins sein. Hm…das ist ziemlich groß. Eine richtige Suite. Da hat Kaiba mal richtig was springen lassen für unsere Unterkunft. Ich sehe eine Couch. Die sieht so weich und bequem aus. Das Bett wäre zwar auch sehr schön, aber das Sofa ist näher. Zwei, drei Schritte später bin ich an meinem Ziel angekommen. Ich fantasiere mir sogar schon weiche, plüschige Wolken um diese Schlafstätte. Mann bin ich müde.
 

Als mein Kopf die Lehne des Sofas berührt, sehe ich noch die Koffer, die Mitten im Raum stehen. Nanu, seit wann ist mein Gepäck denn blau? Ich habe doch sonst einen schwarzen Koffer. Na ja, wird wohl eine Halluzination sein und selbst wenn das Hotelpersonal das Gepäck vertauscht hat, darum kann ich mich auch noch kümmern, wenn ich wieder wach bin. Meine Augenlider fühlen sich an, als wären sie aus Blei. Kaum gebe ich nach und schließe sie, bin ich auch schon von dieser beruhigenden Dunkelheit umhüllt.
 

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* http://architektur.kaywa.ch/files/images/2009/7/mob3085_1248436731.jpg = Aussicht

http://www.travelblogging.de/wp-content/uploads/2010/04/Hallgrimskirche1.jpg = Kirche

http://joulupukki.files.wordpress.com/2009/07/hallgrimskirja.jpg = Innenbereich
 

PS: Hey, da für die FF keine ENS - Liste existiert - weil wir ja nicht genau wissen, wer sich für das Thema dieser Story interessiert - meldet euch bei uns, wenn ich auf die Liste für diese Geschichte kommen wollt. Ihr könnt das per ENS oder im Kommentar machen.
 

LG abgemeldet und GeezKatsu

one mixes doubts

boahr, macht ma meinen Yami nich so schlecht, ja >.< In jedem Kommi stehen aber nicht nette Sachen über ihn ^^ Na dann werd ich hier mal ein bisschen Licht ins Dunkle bringen, warum Yami so ist und seine Beweggründe =D
 

PS: ich empfehle jeden, sich das Lied von Delta Goodrem mit dem Titel Lost Without You anzuhören

http://video.google.com/videoplay?docid=-1458049056033721500#docid=6495363169692084155
 

Textübersetzung für welche mit nicht so guten Englischkenntnissen:

http://www.magistrix.de/lyrics/delta%20goodrem/Lost-Without-You-Uebersetzung-117594.html
 

Und ja, wer aufmerksam ist, wird erkennen, dass das Lied den gleichen Titel wie die FF trägt ;)
 


 


 

Wer kam nur auf diese dumme Idee, ausgerechnet hier das nächste Video zu drehen? Es war arschkalt, mein Atem kam nur in Wölkchen aus meinem Mund und ich befand mich in einer Stadt dessen Namen ich nicht einmal aussprechen konnte. Sicher, sie war hübsch anzusehen, aber hatte ich schon erwähnt, das mir kalt war?

Schon beim ersten Schritt aus dem Flugzeug dachte ich, ich renne gegen eine Kaltfront. Egal wie der Dreh hier aussehen würde, ich würde mich noch mehr aufwärmen müssen als sonst.
 

Zitternd hauchte ich mir in die Hände und versuchte sie zu reiben, aber schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, das es keine gute Idee war. Durch mein eigenen Atem wurden meine Hände feucht und ich spürte die Kälte umso mehr. Und ich war auch noch so blöd gewesen, meine Handschuhe in meinem Koffer zu lassen. Wo stand mein Koffer? Natürlich in meiner Suite.

Meine Mutter würde jetzt sagen Tja, mein Junge, da liegen sie gut! und genau diese Ratschläge habe ich bei ihr auch gehasst. Nicht nur, das sie es war, die mich und Yugi endgültig auseinander gebracht hat, nein, sie wagte es auch noch, es hinterher so zu drehen, das ich selbst dran Schuld war.
 

Ich brauchte einige Zeit, um zu verstehen, was sie wirklich damit meinte. Sie sagte immer schon zu mir, ich solle mir den Ruhm nicht zu Kopf steigen lassen, mehr auf dem Boden bleiben und er schneller aufhören kann, als mir lieb ist. Aber ich hatte so den Verdacht, das der Ratschlag, den sie Yugi gegeben hat, eher eine Art Rache sein sollte, weil ich nie auf sie gehört hatte.

So sauer war ich noch nie in meinem Leben gewesen. Weder auf Yugi, der mir unterstellte, ich sei fremd gegangen oder auf Fangirls, die sogar in das Haus meiner Eltern einbrachen um persönliche Dinge von mir zu stehlen.
 

Langsam ging ich durch die Stadt, in der Hand eine Stadtkarte und schaute mir die Plätze an, wo man geeignete Stunts machen konnte. Vorzugsweise sollten sie natürlich an Sehenswürdigkeiten sein. So hat der User mehr zu sehen, als nur einen Mann, der akrobatisch die Hürden erklimmt.
 

Ich schaute mir auch die alte Fabrik an, die abgerissen werden soll, die am Ende der Stadt lag und ich musste Yugi im Stillen ein Kompliment machen. Ich hatte keine Ahnung vom Filmen, aber selbst ich als Leihe konnte es mir hier wunderbar vorstellen.

Sie war groß und bot mir viele verschiedene Möglichkeiten mein Können unter Beweis zu stellen. Zum Schluss sah ich mir auch die Kirche an, wo wir den Absprung machten, wenn wir dazu von dem Stadtrat die Genehmigung bekamen. Aber ich machte mir da nicht allzu große Sorgen. Kaiba war nicht nur unser Sponsor, sondern noch dazu ein wunderbarer Überredungskünstler. Obwohl in die Enge treiben besser passen würde. Er sah so grimmig drein, das man immer wieder dachte, er steht jeden Tag mit dem falschen Fuß auf. Aber im Laufe der Zeit lernte ich ihn besser kennen und hinter seiner unnahbaren Fassade steckte doch ein gutmütiger Kern und ja, ich muss auch gestehen, das ich viel von meinem Verhalten bei ihm abgeschaut hatte. So ist es leichter mit dem Schmerz klar zu kommen, den Verluste verursachen oder gar Geschäfte abzuwickeln.

Leicht tippte ich mit den Zehenspitzen meines rechten Fußes auf den dreckigen Boden.

Oder auch um viele zu täuschen, es ginge einen gut. Es bereitete mir leider immer noch Probleme.
 

Der Rückweg machte ich mit Absicht länger, als er eigentlich war. Joggte durch verwildertes Gelände, während die Abendsonne ein wunderschönes Rot auf den Himmel zauberte.

Außer Atem blieb ich stehen, mitten auf ein Feldweg, und bewunderte das Schauspiel.

Früher war ich oft mit Yugi meine Runden gelaufen und hatte über seine Ausdauer gelacht, sie fast wie gar nicht vorhanden war.

Ohne es zu bemerken, lächelte ich bitter hinauf.
 

Die Ideen zu verschiedenen Stunts hatte er mir mit seiner Tollpatschigkeit geliefert. Ich hatte es ihm nie erzählt, aber wenn ich es getan hätte, wäre ich wenig später mit Knochenfrakturen ins Krankenhaus gekommen. Spielplätze waren eine perfekte Übungsstätte. Gerade spät abends leer, jeder ist anders aufgebaut und auf ihnen zeigte ich Yugi meine Sprünge. Ständig versuchte ich ihm mehr beizubringen, doch er konnte nur die Basics und sein Körper wollte nie das, was er machen sollte. So endeten viele Dinge Wort wörtlich im Sand. Aber die Art wie er stürzte, brachte mir immer die verrücktesten Einfälle. Zuhause feilte ich dann im Kopf noch ein bisschen daran rum und probierte sie am nächsten Tag gleich aus. Yugi bekam immer riesige Augen und fragte mich, wo ich die Sprünge her habe, doch meine Antwort blieb immer die Selben. Internet oder Fernsehen.
 

Doch die Erinnerung hatte in mir Gefühle aufgewühlt, die ich immer versuchte zu verdrängen. Sie taten mir nicht gut. Auch wenn ich den kleinen Mistkerl gern wieder hätte, aber sein Verhalten machte mir mehr als deutlich, das es jetzt unmöglich war. Aber noch war der Rosenkrieg nicht vorbei, kampflos würde ich nicht aufgeben!
 

Völlig erschöpft kam ich im Hotel an. Die Strecke war doch länger als geplant gewesen, lag aber wohl eher daran, das ich mich total verlaufen hatte. Jedoch habe ich dadurch neue Orte entdeckt, die ich mir gleich auf der Karte notiert hatte und Yugi morgen unbedingt zeigen musste, ob meine Ideen so umzusetzen waren.

Ich konnte es kaum erwarten, unter die Dusche zu kommen und mir den Schweiß abzuwaschen. Mein Oberteil konnte ich bestimmt schon aus wringen. Jeder normale Mensch hätte wahrscheinlich den Aufzug gewählt, aber ich nahm die Treppe.

Nur wenige Minuten später zupfte ich meinen Türöffner aus meiner Jackentasche, das mich immer noch an die Essenskarte meiner Schulzeit erinnerte und öffnete sie mit Schwung.

Durch die späte Uhrzeit ist die Sonne schon untergegangen und das Licht vom Flur warf einen schwachen Strahl ins Innere, direkt auf die Couch mir gegenüber.
 

Erst glaubte ich nicht, was ich da sah, erst nach mehrmaligen Blinzeln, traute ich mich näher zu treten. Es lag doch tatsächlich ein schlafender Yugi auf meiner Couch.

Mit einem Mal schwappten so viele verdrängte Gefühle wieder hoch, das ich Mühe hatte, sie auseinander zu halten.

Zum einen war ich seltsamer Weise froh, das er noch vollständig bekleidet da lag und zum anderen keimte in mir die Hoffnung auf, der er bewusst mein Zimmer gewählt hatte.

Vielleicht wollte er sich mit mir unterhalten, sah das ich nicht da war und ist beim warten eingeschlafen. Doch leider kam ich schnell auf den harten Boden der Realität zurück. Es war naiv zu denken, das er eine Aussprache wollte. Es gab keine Anzeichen, kein freundliches Lächeln, nicht mal bei der Begrüßung.
 

Vorsichtig strich ich ihm eine verirrte Strähne aus der Stirn, die bei jedem ruhigen Atemzug leicht wackelte.
 

Freude mir gegenüber hatte er schon länger nicht mehr gezeigt.

Und leider, auch wenn mir der Gedanke schwer viel, wurde mir klar, er hatte sich einfach im Zimmer geirrt. Im Flugzeug bin ich noch die Reservierungen durchgegangen, damit ich wusste, wo Tea und Joey ihr Zimmer hatten und daher bemerkte ich, das Yugi nur den Gang runter seins hatte. Am anderen Ende. Statt nach rechts ist er nach links gelaufen. Er wollte gar nicht zu mir.

Mir wurde das Herz unsagbar schwer. Es ist nicht immer leicht den Chef zu spielen, wenn man am liebsten einfach alle Verantwortung mal ablegen und sich zu den Angestellten dazu setzten möchte. Wie lang war es her, sich einfach so zu benehmen, wie Yugi es wollte.

Woher kam der ganze Stolz, der mir das verboten hatte?
 

Langsam setzte ich mich auf den Boden, direkt neben der Couch und schaute in das schlafende Gesicht. Er sah so friedlich aus und in vielen Zeitschriften hatte ich schon die Bezeichnungen „wie ein Engel“ oder „wunderschön“ gelesen, doch sie würden nicht an das heran kommen, was ich vor mir hatte. Dafür gab es keine Beschreibung und könnte es nicht in Worte fassen.

Die Ruhe färbte bei mir ab, brachte mein aufgewühlten Kreislauf runter, ließ mein Herz in ein ruhigeren Takt schlagen. Wie gern würde ich mich einfach dazu legen, die Arme um ihn schließen und nur für eine Nacht vergessen, was vorgefallen war. Doch ich konnte es nicht.

Und ich wusste, das Yugi es ebenfalls nicht konnte.
 

Eine Weile saß ich noch da, bis ich mich zwingen musste, den Blick abzuwenden, griff nach der Karte, die auf dem Tisch lag für Yugis Zimmer, schnappte mir meine Koffer, die ich noch glücklicher Weise nicht ausgepackt hatte und zog sie hinter mir her, bis ich vor sein Apartment stand, sie öffnete, meine Koffer abstellte und bemerkte, das er ebenfalls noch nicht die Zeit gefunden hatte, seine auszupacken.

Ich sah mich nicht einmal um, sondern nahm gleich seine Koffer in die Hand und wollte sie in meine Suite bringen. Da bemerkte ich, das sein Handgepäck geöffnet war, doch leider zu spät, denn als ich es auf deinen rollbaren Koffer stapeln wollte, rutschte etwas glänzendes hinaus und landete mit einem dumpfen Geräusch auf den Dicken Teppich. Es sah aus wie ein Bilderrahmen, der mit der Bildseite nach unten auf den Boden lag. Vorsichtig hob ich es auf und war im ersten Moment froh, dass das Glas nicht zerbrochen war, aber als ich es wieder in die Kleine Tasche schob und den Reißverschluss schließen wollte, sah ich auf das Bild.

Ein Yugi, nicht älter als achtzehn Jahre grinste mich fröhlich an, neben ihn mein jüngeres Selbst, ebenfalls grinsend und hatte den Arm um ihn gelegt.

Wir sahen glücklich aus. Sorgenlos.
 

Erst als ich die den Flur entlang ging, die Koffer hinter mich herzog, bemerkte ich durch den leichten Gehwind, das meine Wangen feucht waren und es nicht von der Decke tropfte, als eine Wasserperle auf das Deckglas vom Rahmen fiel.
 

Warum ich das tat, wurde mir erst bewusst, als ich in Yugis Apartment auf der Couch saß, in der einen Hand ein Mineralwasser und auf den ausgeschalteten Fernseher starrte. Alkohol wäre mir lieber gewesen, aber morgen waren die Proben der Dreharbeiten und konnte mir keine körperliche Schwäche erlauben, was einen Kater mit sich bringen würde. Traurig lächelte ich mein dunkles Spiegelbild in der Mattscheibe an. Ich hatte kein Licht eingeschaltet, so war es finster im Raum und ich sah durch die Spiegelung nur eine schattenhafte Gestalt, die tief auf den Sofa versunken mir entgegen starrte.

Ich wusste nur zu gut, wie Yugi am nächsten Morgen reagiert hätte. Er würde sich still aus den Zimmer schleichen und mir den restlichen Tag nur noch mehr aus dem Weg gehen, als er es jetzt schon tat. Mit der Hoffnung, ich habe die Verwechslung nicht bemerkt. Es wäre ihm unangenehm und diese Pain wollte ich ihm ersparen. Lieber überließ ich ihn meine Suite, die größer als jedes Zimmer der anderen war. Verzichtete ohne darüber nachzudenken auf ein Plasmabildschirm, gigantisches Bett, Whirlpool.. doch wozu brauchte ich den ganzen Luxus? Sicher, es war damit angenehmer und echt entspannend sich in einer Wanne zu legen, die meine blauen Flecken massierten, aber so erschöpft wie der Kleine ausgesehen hatte, schien er diese Entspannung nötiger zu haben.
 

Ich wusste gar nicht, warum ich so erschöpft war. Ich hatte mich nicht gerade verausgabt, kaum Training gehabt und höchstens ein paar Kilometer gejoggt, aber es scheint wohl der Jetlag zu sein, den Yugi immer plagte. Dabei dachte ich echt, das ich mich schon daran gewöhnt hatte.

Müde legte ich meinen Kopf in den Nacken, sodass er auf der Rücklehne der Couch ruhte und blickte nach oben ins Schwarze nichts. Meine Güte, war es Duster.

Meine Augen waren nur halb geöffnet, aber trotz der Müdigkeit, fing ich an mich zu fragen, was wäre wenn..
 

Was wäre, wenn ich nie mit dem Freejumping angefangen hätte? Wäre Yugi dann noch an meiner Seite? Aber bereuen tue ich es nicht, ich habe dadurch Erfahrungen sammeln dürfen, habe etwas im Leben erreicht. Doch das größte was wäre, wenn hat immer noch meine Mutter auf der Kappe.

Was wäre, wenn sie damals ihn nicht diesen Ratschlag gegeben hätte? Vielleicht würden wir dann gemeinsam drüben in der Suite auf der Couch liegen, über alle Dinge rede, die uns durch den Kopf gehen. Selbst das dumme Mineralwasser schmeckte in Zweisamkeit besser.

Ich konnte meine Mutter nur teilweise verstehen, warum sie so etwas gesagt hätte, aber das schlimmste war, wie sie es zu mir sagte.
 

Wir hatten nie das typische Mutter-Sohn-Verhältnis. Es kriselte eher. Sie war kein schlechter Mensch, aber eifersüchtig auf alle, die mehr aus ihrem Leben machten. Meinen Vater machte sie früher eher Vorwürfe warum er erst Abends von der Arbeit kommt, statt ihn mal aufzumuntern.

Ich war noch zu klein, um es mitzubekommen, aber mein Vater erzählte mir später, das sie nicht mit dem Erfolg klar kam, während sie Zuhause saß und mich füttern musste.

Ich nahm es ihm nie ab und dachte, es wäre ein klassisches Gespräch um die Ex-Frau schlecht zu machen, aber als ich anfing, mein Hobby zum Beruf zu machen, zeigte sie auch mir nach und nach diese Seite.

Am Anfang waren es nur kleine Nörgeleien, ich solle lieber etwas anständiges lernen, statt diesen Sport aus zu üben, wo man schon nach wenigen Jahren aufhören muss. Ich wusste, das da der Körperverschleiß extrem hoch war, auch das immer etwas schief gehen kann, gerade weil ich Basejumping mit freestyle kombinierte, aber man sollte doch das machen, was man für richtig hielt.

Ich versuchte es ihr zu erklären und erstaunlicher Weise war sie etwas einsichtig und auch unser Verhältnis wurde besser. Und ich dachte ernsthaft, eine normale Mutter zu haben.

Doch die 180° Grad-Wende kam nachdem ich ausgezogen war.

Ohne mein Wissen fing sie an mein Erfolg zu hassen und machte mich dort schlecht, wo man ihr nur Gehör schenkte.
 

Im nach hinein verstand ich, was sie damit bezwecken wollte. Es war die pure Eifersucht, das andere ihren Traum lebten, während sie noch immer in der kleinen Vorstadt hockte und Fenster putzte. Sie war allein und dachte, wenn man mich rausschmiss oder sie mich überzeugen konnte, es war doch nicht das wahre.. ich vielleicht meine Wohnung aufgeben und wieder zu ihr ziehen würde.

Doch das Fass lief über, als ich erfuhr, was sie Yugi geraten hatte. Entweder mit mir, wo er sich nie sicher sein kann, mich wirklich zu besitzen oder ohne mich und woanders das Glück zu suchen. Welche Mutter sagt das, wenn die Beziehung schon kurz vor dem Aus stand? Das war doch ein klarer Todesstoß! Hätte sie doch meine Bitte mit ihm zu Reden dann wenigstens abgeschlagen.

In stillen Nächten fragte ich mich, ob sie es mit Absicht getan hatte oder einfach nur nicht über ihre Worte nachdachte, bevor sie sie aussprach. Würde die eigene Mutter wirklich ihren Sohn sabotieren? Aus Missgunst? Oder war es doch eher unbewusst.

Egal was es war, Dummheit oder Neid, Dank ihr hatte ich keine Beziehung mehr. Meine erste wahre Liebe und richtige Beziehung war damit zum scheitern verurteilt gewesen.
 

Seufzend hob ich mein Kopf an, stützte meine Ellenbogen auf den Knien ab, fuhr mit den Fingern durch meine Haare und blieb so einige Zeit sitzen. Nach vorn gebeugt, hinter meinen Händen vor der Welt versteckt.

Kein Wunder das ich bei so einer verkorksten Mutter selbst nichts im Privatleben auf die Reihe brachte.
 

Am nächsten Tag war ich noch ausgelaugter, bevor ich mich schlafen legte. Die Grübelei von vergangenen saß doch noch tiefer, als ich vermutet hatte. Daher stürzte ich mich gleich in die Arbeit. Die Proben der Fabrik waren erst am Nachmittag festgelegt, daher ging ich mit dem Team die Wege durch, die ich durch die Stadt nehmen würde.

Die Stadtkarte wurde ausgeklappt und ich drückte Yugi einen roten Filzstift in die Hand, damit er Markierungen festlegen konnte, wo einige Kameraleute positioniert wurden.

Es dauerte nicht lang, denn ich vertraute seine Meinung und seine Vorschläge waren immer zum Wohle vom Ergebnis.
 

„Haben wir denn schon die Erlaubnis vom Stadtrat?“
 

Joey schüttelte den Kopf. „Nein, wenn wir die Kirche benutzen dürfen, bekommen wir sie frühestens Ende dieser Woche. Der Bürgermeister hat Urlaub.“
 

„Na das hätte ich auch gern.“, seufzte Tea und verwarf theatralisch die Hände. „Die Gegenden sind wirklich wunderschön, aber ich kann bald die Kälte nicht mehr ertragen. Wessen Idee war das eigentlich?“
 

Still schob ich ein Daumen Richtung Yugi, der noch immer im Stadtplan vertieft war und diese Unterhaltung scheinbar nicht mitbekam. Ständig malte er Kreuze an einigen Straßen und runzelte die Stirn. Ich wusste, das er diese Orte vor dem geistigen Auge sieht und versucht, die besten Drehpunkte heraus zu bekommen. Jedoch wusste ich auch, das 50% der Punkte im letzten Moment von ihm selber eh wieder geändert wurden.
 

Stunden später standen wir alle in der Fabrik und Yugi stellte mit dem blonden Goldlöckchen die Kameras auf. Mir gefiel gar nicht, wie sie sich blind verstanden und er nur Handzeichen geben musste. Ich stubste Tea an, die an meiner Frisur fummelte.
 

„Wie hieß der Playboy nochmal?“
 

Sie schaute über ihre Schulter, nur um sich mit einem Grinsen wieder zu mir zu drehen.

„Thomas. Eifersüchtig?“
 

Die beiden Wörter in der Kombination gefielen mir noch weniger, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
 

„Hey Thomas, die Kamera da an der Treppe schiebst du weiter in die Halle rein. Wenn ich angesaust komme, habe ich soviel Speed drauf, das ich mehr Spielraum brauche für Improvisationen.“

„Es heißt noch immer ´Bitte´“
 

Es kam nur leise von Yugi gezischt, doch ich verstand ihn in seiner Ecke, wo er einen Camcorder verkabelte ganz gut. Ich hätte auch einfach nur den Befehl erteilen können, ohne die Begründung, aber die Fehler scheint er ganz gern bei mir zu suchen. Fein, dann soll er es so haben, ich böser Chef, er armer Praktikant.
 

Sauer stieß ich Tea zur Seite, nahm den Zeigefinger und Daumen zwischen meine Lippen und pfiff kräftig. „In 10 Minuten fangen wir an.“
 

Am Abend wurde mir klar, das ich heute wieder extrem aggressiv gewesen war und man es bestimmt auch an meinen Sprüngen erkennen konnte. Es nagte so sehr an mir, Einstellungen wieder versaut zu haben, das ich die Aufnahmen mir aufs Zimmer bringen lies um sie mir in Ruhe durch zu sehen.

An meiner Miene konnte man deutlich erkennen, das ich ständig mein Kiefer auf meine Zähne presste, weil der Praktikant die Kamera nicht so hingestellt hatte, wie ich es sagte. Sie wurde kurzerhand von mir umgenietet.

Ich hatte so viel Geschwindigkeit gesammelt, das ich nicht mehr ausweichen konnte, als ich es bemerkte und rasselte hinein. Ich ging von aus, er hatte es getan, aber wie es aussieht, sollte man wohl doch alles lieber kontrollieren.

Ich hörte noch die belustigte Stimme von Yugi in meinem In-Ear.
 

´´War die Position wohl doch nicht so günstig, die du Thomas genannt hattest.´´
 

In den Moment war ich so stinksauer, das ich die Überreste der zerstörten Kamera gegen die alte Backsteinwand schleuderte.
 

„Verdammt noch mal! Wenn dieser Praktikant nicht sofort eine neue Kamera da hinstellt, wo ich es ihm gesagt hatte garantiere ich für nichts mehr!“
 

Hatte sich hier jeder gegen mich verschworen, oder wie. Yugi dachte, er hatte es schon umgestellt und habe sie deswegen zerstört.
 

„Macht doch nichts Yami, wie haben genug Ersatz bei.“, versuchte mich Joey zu beruhigen. Es ging mir nicht um den Wert der Kamera oder das der Zeitplan über den Haufen geworfen wurde, sondern weil ich ganz genau wusste, das dieser Bengel mir noch irgendwann den Hals brechen würde.
 

Erleichtert wechselte ich das Tape und sah mir andere Aufnahmen an, während ich meine Beine auf die Couch legte. Bei dem Sturz hatte ich mir meinen rechten Fuß wieder angeschlagen und bemerkte das Handicap umso mehr, aber Gott sei Dank sah man nicht, wie ich öfter als gewöhnlich meinen linken Fuß zum Absprung nutzte.

Als ich das letzte Tape in den Recorder einlegte, wunderte ich mich noch, warum ich so lange zurück spulen musste. Normalerweise nahmen wir alles Digital auf, aber mit einigen Camcorder machten wir schwarz-weiß-Schnitte, da war die altmodische Aufnahme noch mit der besten Qualität. Während ich ein Schluck meiner Selter nahm, drückte ich auf Play.

Ich sah mich selbst, wie ich durch die rieisige Eingangshalle stürmte und schnell näher kam. Mein Stil war es schon immer gewesen ab und zu mit der Kamera zu flirten und dieses Mal tat ich es auch. Als ich nur noch wenige Schritte entfernt war, sprang ich kräftig ab und flog über die Kamera. Sie wurde mit nach oben geschwenkt, filmte meine Schuhe von unten (wo ich endlich verstand, warum Yugi auf saubere Schuhsohlen bestand) und setzte damit die Welt auf den Kopf. Als ich auf der anderen Seite wieder aufkam, sah man mich verkehrt herum, was aber ein genialer Effekt war. Wieder musste ich im Stillen ein Lob für den Kleinen aussprechen. Es kam wirklich toll rüber.

Ich hörte noch ein „Cut!“ im Hintergrund rufen, das nach Joey klang. In der Zeit war ich wahrscheinlich schon zwei Etagen höher und als wenige Sekunden danach ein Poltern und Krachen zu hören war, wusste ich, das ich in den Moment gegen die andere Kamera geknallt war, die der Praktikant umstellen sollte.

Gerade als ich das Tape beenden wollte, schritt Yugi vor die Linse, sein Gesicht tauchte ganz nah auf und ich hustete. Seine halb geöffneten Lippen waren der Auslöser, das ich mich verschluckte. Er grinste leicht.
 

„War die Position wohl doch nicht so günstig, die du Thomas genannt hattest.“
 

Er drehte die Kamera wieder richtig hin, sodass die man die Welt nicht mehr auf den Kopf sah, dann stand er auf und ich hörte, wie jemanden seinen Namen rief. Yugi entfernte sich etwas und plötzlich tauchte der Praktikant neben ihm auf. Leider konnte ich nicht verstehen, was sie sagten, aber die vertraute Geste, die Thomas da veranstaltete, gefiel mir gar nicht. Er lächelte meinen Yugi auch noch an, was wohl entschuldigend wirken sollte, doch es tröstete mich etwas, als er den Arm des Blonden weg schob und mit dem Daumen zur Decke zeigte. Aber als Yugi die Treppen nach oben ging, die ich vor einigen Minuten hoch gesprinntet war, glotze dieser Playboy-Affe doch tatsächlich auf sein Hintern!
 

„Du mieser Perversling, dir werde ich...!“
 

Ich sprang vom Sofa auf und schüttelte meine geballte Faust zum Bildschirm, doch hielt inne, als ich mir meine Situation wieder bewusst wurde. Ich war im Appartment, nicht in der Fabrik.

Schnaufend ließ ich mich wieder auf die Couch fallen und wollte wieder auf Stop drücken, mit dem Gedanken, den Thomas morgen die Eier abzureißen, als plötzlich Joey im Bild auftauchte, seine ausgelatschten Sportschuhe in die Ecke schmiss und … ich dachte, ich spinne! Schlüpfte Joey Wheeler doch tatsächlich vor meinen Augen in knallrote Damen-Highheels!
 

Tea stand etwas weiter weg, mit den Händen in die Hüfte gestemmt und blickte auf einen Joey, der doch tatsächlich mit den Highheels auf den Stufen schwankte und sich abmühte nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Fast schon ängstlich klammerte er sich an dem rostigen Geländer fest.
 

„Was los, mein Freund. Ich denke, das ist so einfach?“
 

„Na ja, es sah zumindest bei euch Frauen immer so leicht aus.“
 

„Aber erst so große Töne spucken! Denk dran, Treppe rauf und wieder runter, sonst habe ich die Wette gewonnen!“
 

Trotz des schlechten Tones konnte ich schwören, ein Grummeln gehört zu haben.

Leider konnte man das Gesicht des Blonden nicht genau erkennen, aber auch schon diese Aufnahme reichte aus, um mich in ein Gelächter verfallen zu lassen, das ich schon lange nicht mehr hatte.

Es sah so zum schießen aus, wie er versuchte mit den knallroten Schuhen die Stufen zu erklimmen, aber seine Füße nicht so wollten, wie er. Ständig musste er Halt suchen, schien die Schuhe lauthals zu verfluchen und wenn man genau hinsah, konnte man sehen, wie seine Füße zitterten. Es war scheinbar wirklich nicht so einfach, wie es aussah.
 

Die restliche Aufnahme war nicht mehr zu verstehen, da sie eher für die Videos gedacht war, aber scheiße, damit könnte ich ihn Jahrelang erpressen. Und ich dachte schon, das ich ein fieses Gesicht hatte, wenn ich böse wurde.

Man sah Tea deutlich an, das es ihr gefiel, Joey so zu sehen. Aus ihrer Stimme klang Schadenfreude und obwohl man die Züge nicht genau erkennen konnte, war ich mir sehr sicher, ein dickes Grinsen auf ihr Gesicht erkennen zu können.

Egal was der Preis der Wette war, ich zahl ihn gern für mein Kumpel, solange ich ihn noch einmal so erleben durfte.
 

Dann klingelte es leise, während ich vor lachen schon auf der Couch lag und mir mein Bauch hielt. Joey hielt sich noch immer am Geländer fest, als er mit der anderen Hand sein Handy aus der Jacke fischte, es aufklappte und sich ans Ohr hielt.

Tea hingegen schien es nicht im geringsten zu stören, denn sie machte diese typische husch-husch-Bewegung mit den Händen und scheuchte ihn weiter.

Joey setzte schon ein wackligen Fuß auf die nächste Stufe, kam aber nicht drum herum ihr noch einen bösen Blick zu zuwerfen als man nur noch plötzlich ein überraschtes „DU?!“ hörte, er kurz aufschrie, mit den Armen ruderte um nicht zu fallen, jedoch lies er damit seine einzige Stütze, das Geländer, los und fiel rückwärts wieder runter.
 

Zu gern hätte ich gewusst, wer ihn so einen Schrecken eingejagt hatte, aber offensichtlich hatte er damit die Wette verloren, was Tea auch gleich laut raus posaunte und achtete nicht auf Joey, der auf dem Boden lang und sein Allerwertesten und Kopf massierte. Leider war die Qualität so schlecht gewesen, das ich nicht mehr mitbekam, was der Einsatz der Wette überhaupt war.

Den restlichen Tag zerbrach ich mir schon den Kopf darüber. Aber das, was mir wirklich nicht mehr aus dem Kopf ging war, das dieser Thomas Yugi auf den Hintern gestarrt hatte. Als ob er nur ein Objekt wäre. Allein dieser Gedanke machte mich rastend. Ich konnte nicht zulassen, das man ihm weh tat. Ich hatte nicht die Einstellung, das wenn ich ihn nicht haben durfte, es andere auch nicht konnten. Yugi war alt genug um zu entscheiden und wenn er der Meinung war mit mir nicht glücklich zu werden, musste ich ihn ja nicht gleich gehen lassen. Es gab noch die Möglichkeit, ihn eines besseren zu belehren. Aber ihn an einen Sunnyboy abzutreten... niemals!! Er brauchte einen Mann und kein Muttersöhnchen.

Leider nagten an mir immer mehr Zweifel, ob ich genau die Sorte von Mann war, die Yugi brauchte...
 

Dieser lenkte mich aber relativ schnell ab, als wir bei Sonnenuntergang außerhalb der Stadt genau auf dem Feld standen, wo ich nur zwei Tage vorher entlang gejoggt war.

Tea hatte mich in eine schwarze Hose und Rollkragenpullover gesteckt, die an den Seiten kleine Reflektoren hatten. Joey war dabei, Scheinwerfer aufzustellen, wo jeder einen Abstand von 10 Meter zum anderen hatte. Noch schien es niemand für nötig zu halten, mich aufzuklären, was genau Yugi nun vor hatte, aber ich tippte auf seine Idee mit dem Nachtsichtgerät und der Kamera mit den Polarstern als Hintergrund. Als mir die Erkenntnis kam, warum ich hier stand, blickte ich wieder hoch zum Himmel und konnte es nicht verhindern, das mir die gleichen Gedanken wie vorgestern kamen.

Ich schloss meine Augen und spürte das Licht vom Stern auf meiner Haut, die Sonne hatte soeben die letzten Sonnenstrahlen über den Horizont geschickt, aber binnen weniger Minuten war es stockfinster geworden, nur doch die Lichtstrahler, die soeben eingeschaltet wurden haben mit dem Stern Helligkeit.

Tea zupfte etwas an meinen Haaren rum. Als sie mich ansprach, war ihre Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
 

„Was hast du? Du siehst so traurig aus?“
 

Sie konnte gar nicht sehen, was in mir vor ging. Ich war mir sicher wieder die Anteilslose Maske aufgesetzt zu haben. Doch was sollte ich ihr antworten? Das ich vor meinen geistigen Auge das Bild sehe, das ich in Yugis Tasche gefunden hatte? Diese Zeit unendlich vermisste? Wie gern würde ich noch mal sorglos zur Schule gehen, alle möglichen Stunts auszuprobieren, während Yugi mit einem stolzen und bewunderten Lächeln mich filmte. Sogar die ganzen verhassten Streitereien mit meiner Mutter würde ich durchmachen, nur für ihn.
 

Langsam öffnete ich wieder meine Augen, sah über ihren Kopf hinweg, direkt zum Nordlicht.
 

„Mir geht es gut.“
 

Mir war klar, das ich mich ganz anders anhörte und obwohl ich noch voller Stolz war, schrie mein Herz vor Reue laut auf. Mir war in diesem Moment egal, das meine Fassade bröckelte und Tea gerade Augenzeuge davon wurde. Die Erinnerungen tat weh.
 

„Yami, ich rede gerade nicht als Angestellte mit dir, sondern als langjährige Freundin. Hör auf anderen etwas vor zu machen, mir etwas vorzumachen.“
 

Wieder tauchte Yugis grinsende Gesicht vor mir auf, voller Glück, wo er noch glücklich war und nicht von mir gestresst.
 

„Ich mache mir nur Sorgen.“
 

„Ich mache mir auch Sorgen, und zwar um dich, mein Lieber!“
 

Ich bemühte mich ein Lächeln zustande zu bringen, aber es scheiterte kläglich. Wahrscheinlich sah es genauso falsch aus, wie ich mich fühlte.
 

„Ich habe in den letzten Jahren einiges getan, was ich gern ändern würde, aber... ich weiß genau, wenn ich die Gelegenheit jetzt dazu hätte, würde mein Stolz mich doch wieder daran hindern. Ich würde es genauso tun, wie ich es schon einmal getan hätte. Verstehst du? Ein verzwickter Teufelskreis, wo es momentan keinen Ausweg für mich gibt. Wenn ich weiter so mache, breche ich auseinander.“
 

Sie lies ihren Kamm einfach in den Schnee fallen und nahm mein Gesicht in ihre Hände, zwang mich so, statt den Stern sie anzusehen. Ihre Stimme war noch immer ein flüstern.
 

„Du bist doch nicht allein! Es gibt so viele Menschen, die hinter dir stehen und dir die Hand reichen, wenn du danach fragst. Jeder macht Fehler. Aber weißt du, warum wir fallen? Damit man lernt, wieder aufzustehen. Mag sein das deine vorherige Rangehensweise nicht immer richtig war, doch es gibt beim Schicksal kein richtig oder falsch, sonst würdest du nicht als eine Berühmtheit hier vor mir stehen.“
 

„Was ist, wenn ich gar nicht hier sein will?“

Ihr Griff um mein Gesicht wurde ein wenig bestimmter.

„Du kannst dein Leben noch ändern, Yami. Wenn dir etwas nicht gefällt, solltest du aufhören zu jammern, sondern es endlich in die Hand nehmen. Nimm dir das, was du willst.“
 

„Das, was ich will, will mich nicht.“

„Woher willst du es wissen, wenn du es nicht versuchst? Was hält dich dann noch hier?“
 

Auch wenn mir ein Teil daran nicht gefiel, so hatte Tea recht. Was brachte es mir, so zu leben, als sei alles in bester Ordnung? War das hier es wirklich Wert?
 

´´Yami, bist du soweit?´´
 

Auch wenn es kitschig klang, aber die Yugis Stimme in meinen Ohr, erinnerte mich wieder daran, das ich kämpfen wollte. Ich hatte doch vorher nie aufgegeben, wann zum Teufel hatte ich damit angefangen? Vielleicht, … wenn ich es ein letztes Mal versuchen würde... durfte ich mir überhaupt Hoffnung machen? Wieder sah ich das Gesicht vor mir, dieses Mal unter mir, mit leicht geröteten Wangen, mit etwas Gras in den Haaren und einen verträumten Ausdruck in den Augen.

Dieser Augenblick hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt, nachdem ich Yugi das erste Mal geküsst hatte und ich die Augen öffnete.

Es wird nicht mehr so werden wie früher... aber vielleicht gab es die Chance, neu anzufangen.
 

Langsam drehte ich mich um, entwand mich damit aus Teas Händen, und sah zu Yugi hinüber, der schon die Nachtsichtkamera angeschaltet hatte, die auf mich gerichtet war.

Ich antwortete nichts, sondern sah nur in die Linse, denn ich wusste, das Yugi mich durch sie hindurch ebenfalls ansah.

In den Moment wurden die Scheinwerfer ausgeschaltet, einen nach den anderen und es wurde so finster, das die Augen sich erst einmal an die Dunkelheit gewöhnen mussten.

Nur wage erinnerte ich mich daran, das sich die LED-Lämpchen an meinen Sachen durch die Scheinwerfer aufgeladen hatten und ich jetzt nur noch aus Punkten bestand.

Yugi saß auf einen Stuhl, der auf einer Platte befestigt war, das wiederum auf künstlichen Schienen fuhr. Er hatte sich da etwas riskantes einfallen lassen, um mich zu filmen.
 

Doch diese ganzen Tatsachen flogen in nur wenigen Sekunden durch mein Kopf, waren aber sofort wieder vergessen, als erneut die Stimme von Yugi in meinem Ohr erklang.
 

´´In einer Minute fangen wir an zu drehen, wenn sich jeder an die neue Dunkelheit gewöhnt hat.´´
 

Eine Minute... das hieß, mir blieben nur 60 Sekunden um Yugi von mir zu überzeugen. Ohne es mir wirklich zu überlegen, was ich da eigentlich tat, hatte ich meine Beine schon in Bewegung gesetzt, ging mit zügigen Schritten auf Yugi zu. Ich hatte keine Ahnung ob ich nicht gleich gegen die Kamera laufen würde, denn ich sah so gut wie gar nichts, streckte mein Arm nach vorn aus und ich griff in eine Jacke, die leise raschelte, als ich es mit beiden Händen umklammerte und den Menschen zu mir zog. Ich roch sofort Yugi und lächelte leicht, als mir bewusst wurde, das ich instinktiv die richtige Richtung eingeschlagen hatte.

Er war jetzt größer als ich, da er auf dem rollbaren Podest stand und ich spürte sein warmen Atem in mein Gesicht. Ich versuchte durch die Dunkelheit etwas zu sehen, doch es gelang mir nicht.
 

Mit einem Schlag wurde mir bewusst, das ich das erste Mal seit Jahren Yugi wieder so nahe war. Deutlich spürte ich, wie sich mein Herz voller Sehnsucht zusammen zog.

Eventuell wollte er mich gar nicht wieder, wenn ich aufhören würde, würde er mir wirklich folgen? Oder hätte ich dann umsonst alles hingeschmissen, was ich mir erarbeitet hatte? Dieses Risiko konnte ich nicht eingehen, egal ob ich so nicht glücklich war. Ich liebte das Risiko, doch ich war nicht dumm.

Als ich mit meinen Arm den letzten Abstand überbrückte, indem ich ihn einfach näher zog, umfasste meine andere Hand sein Nacken, während der Daumen auf seiner Wange langsam entlang streichelte.

Am liebsten würde ich ihn einfach packen, gegen diese dumme Kamera drücken und alle seine Zweifel weg küssen, aber ich wollte sehen, wie groß sie waren. Konnte er sich eine Zukunft noch mit mir vorstellen? Oder war das Missverständnis damals einfach zu groß gewesen?

Wie gern hätte ich seine Augen gesehen, um darin zu lesen.
 

„Ich habe...“

Meine Stimme war nur ein flüstern, mein Daumen fuhr von der Wange sein Kieferknochen entlang, strich am Kinn nach oben, nur um sanft die Lippen zu berühren, die wie ich fühlte ein Spalt geöffnet waren.

„... und werde dich nie betrügen!“
 

Noch bevor Yugi protestieren oder gar reagieren konnte, drückte ich auch schon meine Lippen gegen seine. Sofort seufzte ich auf.

Gott, wie habe ich diese Weichheit vermisst. Mein Stolz hatte völlig verdrängt, wie toll er sich unter meiner Haut anfühlte.
 

Damals war ich gar nicht so ein Granit gewesen, mein Stolz war normal groß, doch er wurde mir gebrochen, als mir etwas vorgeworfen wurde, nur weil es gerade in die Situation passte.

Wir hatten den Abschuss von einem Dreh gefeiert, die Presse war da, sowie einige Groupies, die glaubten, auf solchen Veranstaltungen entdeckt zu werden. Das Mädchen wofür ich zuständig war, hatte sich so zulaufen lassen, das sie gar nicht mehr wusste, welches Hotelzimmer sie gebucht hatte.

Was hätte ich tun sollen? Sie dort einfach liegen lassen? Natürlich habe ich sie mit in mein Zimmer genommen, ihr aber nur gezeigt wo sich das Schlafzimmer befand. Ich hingegen machte es mir auf der Couch bequem. Auf den Weg zum Bett hatte sie sich so freizügig und mitten beim gehen entkleidet, das sie in ihrem Suff wohl dachte, Zuhause zu sein. Mir war es egal, denn als sie ihr Kleid öffnete, hatte ich schon nicht mehr hingesehen.
 

Ich erhöhte den Druck nicht, sondern küsste sanft und dennoch erwartend. Er wusste nicht, was ich bezweckte, wie konnte er auch.

Seitdem ich damals aus dem Bad kam und den Kaffee auf meinem Tisch entdeckte, wusste ich, das etwas nicht in Ordnung war. Wieso hatte ich jetzt auch dieses Gefühl?

Doch ich ignorierte es, lies meine Hand hoch zu seinen Haaren wandern und zog gierig das Gefühl in mich auf, das sich in mein Herz schlich.
 

Ich konnte mich nicht selbst entscheiden, was ich tun würde und mit jegliche Art der Konsequenzen zu leben. Erst als ich Yugis Lippen in Beschlag nahm, wusste ich, es lag nicht daran, das ich mein Ruf verlieren könnte, die Aufträge, mein Geld.

Ich hatte Angst, Yugi zu verlieren.

Wenn ich einfach gehen würde, …
 

Plötzlich wurde ich von einem Druck an meiner Brust ausgehend nach hinten gestoßen, nur um in nächsten Moment ein brennen an meiner Wange zu fühlen.
 

… würde er nicht folgen.
 

Verbittert fing ich an zu lachen. Was hatte ich auch anderes erwartet? Eine Umarmung, eine Erwiderung? Erst da fiel mir auf, das er sich in der Zeit nicht bewegt hatte. Wie eine Puppe hatte er sich von mir halten lassen.

Und nun? Nichts sagen und weiter machen? Oder eine Lüge herbei zaubern? Aus irgend einem Grund hatte ich gar keine Lust, die Unwahrheit zu sagen, nur um mein Image weiter zu bewahren.
 

„Schon verstanden.“

Das war das einzigste, was ich noch hervor brachte, bevor ich mich umdrehte und an der Stelle zurück ging, wo eine kleine LED-Leuchte in den Boden gesteckt wurde, das mir den Weg im Dunkeln zeigen sollte, wo ich lang zu rennen habe. Unter meinen Füßen knackte es und ohne hin zusehen, wusste ich, das es Teas Bürste war, die sie fallen gelassen hatte.

Konnte man das als metaphorisches Zeichen zählen?

Habe ich mit dem Versuch das Glück zu ergreifen mein eigenes Herz zertreten?

Die Umgebung verschwamm um mich herum, ich nahm niemanden mehr wahr, sah nur noch das Nordlicht, dass kalt auf mich hinab strahlte. Der Ort passte. Ein eisiges Herz an einen eisigen Ort verloren.
 

´´Kamera läuft, starte wenn du bereit bist´´
 

Die Stimme lies mich nicht wieder in die Realität abschweifen, eher tiefer ins Wunschdenken hinein gleiten. Ich versuchte mir vorzustellen, was wir jetzt genau in den Moment getan hätten, wenn er mich nur einmal zärtlich berührt hätte, mir ein Zeichen gegeben hätte, es wäre alles in Ordnung...
 

Während sich ein trauriges Lächeln auf meinen Lippen spiegelte, blickte ich wieder auf den Boden, bewegte ein Fuß nach hinten, stützte mich auf diesen ab. Die Sicht war noch immer verschwommen, wie durch einen Film hindurch, aber irgendwie... kam mir diese Reaktion richtig vor. Ich hatte Yugi die Entscheidung in die Hände gelegt, was ich tun sollte. Für ihn mein bisheriges Leben aufgeben. Und Gott weiß, ich hätte es getan, auf der Stelle, ohne zu zögern.
 

„Nimm dir das, was du willst.“

„Das, was ich will, will mich nicht.“
 

Als ich schließlich los sprintete, wurde die Sicht mal für Sekunden klar, nur um kurz danach mir wieder eine andere Sicht der Dinge zu zeigen. Als würde einer mir sagen wollen, es gibt verschiedene Welten, doch in die, egal wie skrupellos sie dir vorkommen mag, gehörst du hin. Ich passte perfekt hinein.
 

Ich bemerkte weder Yugi, der neben mir auf den Schienen her fuhr, noch die Tränen, die mir immer wieder aus den Augen geweht wurden.
 

Am vierten Tag in Island dachte ich, mir würden endgültig alle Nerven einfrieren.

Das Geschehnis mit Yugi war nicht vergessen. Wie auch, eine derartige Abfuhr brennt sich tiefer in die Seele, als man es sich vorstellen konnte. Doch ich hatte mir vorgenommen, keinen Aufstand zu machen. Einfach so tun, als wäre nichts geschehen. Ihm gegenüber verhielt ich mich wie immer, leicht gereizt, morgens verschlafen und war nur mit einem Kaffeebecher in der Hand zu sehen. Alle nötigen Szenen für das nächste Video waren gedreht und es fehlte nur noch die Einstellung der Kirche.

Als wir uns am frühen Nachmittag alle trafen, und ich die Frage in den Raum warf, ab wann genau wir mit der Bestätigung rechnen konnten, wurde Joey ganz blass.
 

„Ach Gott, das habe ich ja ganz vergessen.“

„Was hast du vergessen?“
 

Yugi sah von seinem Laptop hoch. Keine Ahnung was er sich da die ganze Zeit ansah, aber seine Augen klebten schon förmlich auf dem Bildschirm.
 

„Die Zusage.“
 

Doch plötzlich war sein tragbarer Computer völlig vergessen.
 

„Soll das etwa bedeuten, du hast bei Seto den Antrag noch nicht abgegeben?!“

„Hä?“
 

Joey grinste etwas leicht, schüttelte aber zum aufatmen aller anderen den Kopf.
 

„Ich bin zwar vergesslich, aber nicht lebensmüde. Wenn ich es wirklich nicht getan hätte und du mich nicht umgebracht hast, würde es Yami eigenhändig tun!“
 

„Darauf kannst du Gift nehmen, Großer.“, murmelte ich in meinen Kaffee.

„Se-... Kaiba hatte mich gestern angerufen.“

Sofort wurde ich hellhörig.

„Die Genehmigung ist eingetroffen. Wir können sofort mit den Dreharbeiten beginnen. Wir sollen nur vorher Bescheid geben, damit sie die Kirche sperren können. Es gibt ein Zeitraum von maximal 2 Stunden.“
 

Es machte mich stutzig, dass Seto ihn angerufen hatte und nicht Yugi, wie er es sonst immer tat und wenn es genau der Moment war, wo er auf den Treppen fliegen lernen wollte, konnte man sich auch so das geschockte Gesicht erklären. Joey war genauso überrascht gewesen.

Nur er ist nicht aus Freude der Zusage „in die Luft gesprungen“.

Sein Geheimnis hatte ich bisher nicht verraten und ich werde mich auch hüten, es zu tun, aber damit hatte ich noch mehr Tatsachen in der Hand, womit ich ihn zur gegebener Zeit anstacheln konnte.

Ein fettes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.

Oh ja, das würde ein Spaß werden!
 

„Da scheint sich schon jemand zu freuen.“
 

Sofort erschien Teas Gesicht vor meiner Nase.
 

„Wie?“
 

„Sollte er auch, dann liefert er vielleicht dieses Mal bessere Sprünge als in der Fabrik.“

Yugi klappte sein Laptop zu und stand auf.

„Ich kümmere mich um alles weitere. Macht euch bereit, den Dreh heute Abend über die Bühne zu bringen.“
 

Yugis Kommentar war nicht gerade auf sachlicher Ebene, sondern eher bissig und aggressiv. Sofort kam der bittere Nachgeschmack wieder hoch, den ich seit gestern Abend verdrängt hatte. Mit Absicht wollte ich doch nicht daran denken, aber nun ist es doch geschehen. Yugi war sauer auf mich. Sauer auf den Kuss und der Dreistigkeit, die ich damit an den Tag gelegt hatte. Wahrscheinlich dachte er sich, das ich glaubte, damit alles beiseite geräumt zu haben, aber verdammt, ich wollte damit nicht alles entschädigen, das kann ich nicht! Ich war damals arrogant und uneinsichtig. Ich dachte, er würde immer bei mir bleiben, mich nie verlassen, egal wie sehr ich ihn vernachlässigen würde. Ich hielt uns füreinander bestimmt... aber spätestens nach der Reaktion hatte ich begriffen, das wir höchstens füreinander bestimmt waren, zusammen zu arbeiten.

Nur einen kleinen Hinweis hatte ich erhofft, ob es noch eine Chance geben würde. Die ist mir wohl schon vor einigen Jahren durch die Lappen gegangen.
 

Auch wenn ich diese Worte verletzend waren, so wusste ich, das er es bestimmt nicht so meinte. Yugi hatte nur einen schlechten Tag, zumindest redete ich es mir immer wieder ein. Aber als wir mit den Dreharbeiten begannen, wurde mir klar, das mehr dahinter stecken musste. Ständig rief er „Schnitt“ oder „Nochmal, du warst du langsam, das kannst du schneller.“

Meine Güte, wenn ich noch schneller die Treppen der Kirche hoch flitzen würde, würde ich über meine eigenen Füße stolpern.

Als ich das vierzehnte Mal an der Ausgangsposition stand, maulte mich Yugi durch das Inear an, dass ich nicht so mit den Zähnen knirschten soll.
 

Also schloss ich einfach die Augen und bewegte mich nicht.
 

´´Kamera läuft´´
 

Mit einem Mal hatte ich ein ganz schlechtes Gefühl. Als ich los sprintete, schob ich es auf Yugi, der wahrscheinlich darauf wartete, das ich mich endlich in Bewegung setzte.
 

´´Ich weiss, ich kann manchmal störrisch sein, ich sage

Ein bisschen selbstgerecht und zu stolz´´
 

Ich riss meine Augen auf, blieb aber nicht stehen. Ich traute mich einfach nicht, aus Angst ihn weiter zu verärgern, aber hörte Yugi das auch? Durch das Inear hörte ich eine Frauenstimme singen, es klang so traurig, aber das, was mich verwirrte, war der Text.

Es klang, als hätte ich es gesungen.
 

´´Alles was ich weiss ist, dass ich ohne dich verloren bin,

ich will nicht lügen

Wie kann ich jemals stark ohne dich sein,

ich brauche dich an meiner Seite´´
 

Ohne es zu wollen, kamen mir die Erinnerungen von gestern Abend wieder hoch.

„Du bist doch nicht allein!“

„Nimm dir das, was du willst.“

„Das, was ich will, will mich nicht.“

Der Kuss, die Ohrfeige, die kalte Ablehnung und dann Yugis Verhalten heute.
 

Ich stolperte über eine Stufe, fing mich aber schnell wieder, in der Hoffnung, das es niemand gesehen hatte. Meine Schritte waren nicht mehr so sicher wie vorher. Die Wahrheit der Worte in meinem Ohr machte mir zu schaffen. Wieso spielte man mir dieses Lied ein? Wollten mich alle quälen?!
 

´´Wenn ich dich jetzt nur halten könnte

Dass der Schmerz verfliegt´´
 

Oh Gott, bitte mach das es aufhört. Ich ertrug es nicht mehr. Die Tränen, die sich erneut in meinen Augen sammelten, konnte ich nicht mehr aufhalten. Ich wusste hinterher auch nicht mehr, wie ich die restlichen Etagen hinter mich brachte oder gar den Sprung oben an der Spitze der Kirche machte. Es sah scheinbar leichtsinnig und akrobatisch aus wie immer, denn hinter der singenden Stimme konnte ich Tea vor Begeisterung kreischen hören. Wahrscheinlich stand sie genau neben Joey, der das Mirko am Ohr hatte.
 

Ich wusste nur noch, das ich so verzweifelt war, das ich es kaum ertragen konnte.
 

´´Wenn wir sagen, dass wir nie zusammen waren

und hier mit einem Lebwohl Schluss machen

Du weißt nicht was ich getan habe

Ich bin verloren ohne dich´´
 

Ich sprang und während ich den Luftzug am Körper spürte, der mich wieder weg drücken wollte, hallten die Worte in meinem Gedächtnis nach. Ich bin verloren ohne dich. Völlig benebelt zog ich an der Reißleine, der Fallschirm öffnete sich, doch als ich nach unten blickte, vermischten sich meine Gedanken um Yugi und das die Höhe nicht ausreichte, um mich völlig abzubremsen.

Selbst beim Aufprall hörte ich es wie im Echo immer weiter singen.
 

´´Ich bin verloren ohne dich´´
 


 

tbc

Entscheidung in der Nacht

Hi an alle Leser.
 

Endlich ist ein weiteres Kapitel bei 'lost without you' on. Das Meiste davon kennt ihr ja eigentlich schon, es ist nur aus Yugis Sicht geschrieben. Das Lied, nach dem diese Fanfiktion benannt worden ist, habe ich hier mit einigen Textstellen im englischen Originall verwendet. Das heißt, Yugi hört dasselbe wie Yami, nur das ich es nicht übersetzt habe.
 

-Run-
 

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Kapitel 4: Entscheidung in der Nacht
 

„Yugi hast du eine Ahnung was mit unserem Star los ist?“, fragte mich Seto am nächsten Morgen, als ich Thomas beim Einladen der Kameras und Stative half. Ich würde mit Joey schon mal vorfahren und mit dem Aufbau für heute Nachmittag beginnen.
 

Ich runzelte die Stirn und sah Seto überrascht an. Thomas schnaubte abwertend. Er mochte Yami nicht besonders. Vor allem seit dem er ihn ohne Grund so angeschnauzt hatte.
 

„Was soll mit ihm sein? Ich habe gerade gar keine Ahnung was du meinst“, sagte ich wahrheitsgemäß. Mir ist an Yami nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Er benahm sich zur Abwechslung mal sogar sehr professionell. Wie ein erwachsener Mensch. Das an sich ist ja schon merkwürdig, aber irgendwie glaube ich nicht, dass Kaiba das meint.
 

„Er hat einfach so das Zimmer gewechselt. Ich habe ihm extra eins mit Whirlpool und übergroßer Badewanne gebucht und er hat seine Suite einfach so gegen eines der Standartzimmer eingetauscht. Weißt du vielleicht warum?“
 

Ich spürte die Hitze in meine Wangen steigen, als mir klar wurde, was es hieß. Verdammt! Ich habe mich gestern aus Versehen in Yamis Zimmer breit gemacht. Mann, ist das peinlich. Das Schlimmste ist, dass Seto weiß, warum sein Star das einfache Einzelzimmer bezogen hat. Seine Worte waren zwar in eine Frage geformt, aber dieses amüsierte, wissende Funkeln in seinen Augen und das kleine Grinsen auf seinen Lippen sagten mir, dass er gar keine Antwort braucht.
 

„Na wenn du mir auch nichts dazu sagen kannst, dann lasse ich dich mal weiterarbeiten.“

Na dieser Mistkerl hat leicht reden! Wie soll ich denn jetzt in Ruhe arbeiten, wenn er mich mit lauter offenen Fragen stehen lässt?
 

Warum hatte Yami nichts gesagt? Er hatte mir doch erst vor einer halben Stunde die Wege auf der Karte gezeigt, die er bis zur Hallgrimskirkja und zu dem kleinen Wäldchen vor der Stadt wählen würde. Wir haben jeweils drei für die beiden Zielorte ausgesucht. Wir konnten uns die ganze restliche Woche Zeit nehmen, um den Weg durch die Stadt zu drehen, wenn wir heute die Szenen in der Lagerhalle fertig kriegen. Welche der Außenaufnahmen dann am besten zu dem Gesamtkonzept des Videos passten, konnte ich ja dann später noch aussuchen, wenn endlich feststand, ob Yami den Sprung nun machen durfte oder nicht.
 

Nur…wie soll ich mit diesem Adrenalinjunkie zusammenarbeite, wenn ich ihm nicht einmal in die Augen sehen konnte nach dieser Peinlichkeit? Jetzt, wo ich darüber nachdachte, ist es sogar noch schlimmer als ich es zuerst gedacht habe.
 

Als ich eingeschlafen bin, standen in der Suite blaue Koffer. Als ich wieder aufgewacht bin, waren da meine schwarzen. Zuerst hatte ich noch gedacht der Page hätte sie mir aufs Zimmer gebracht, doch scheinbar war es Yami gewesen.
 

Ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es fühlte sich an wie ein Déjà Vue. Wie die zärtliche Berührung von Yami, wenn er mich beim Schlafen beobachtete und dabei versucht hatte mich nicht zu wecken. Er hatte dabei immer versagt, doch damals fand ich es nicht schlimm.
 

Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich weiß mit Sicherheit, dass er mich gestern wieder beim Schlafen beobachtet hatte. Das Foto – ein gerahmtes Bild von mir und ihm, das auf eine von Joeys Geburtstagspartys geschossen wurde – lag mit der Bildseite nach oben in meiner Tasche. Ich lege es nie so hin, dass ich mir unsere Gesichter ansehen muss. Ich kann es nicht ertragen an diese glücklichen Zeiten erinnert zu werden. Wegschmeißen kann ich es aber genauso wenig. Ich war schon immer der sentimentale Typ und ich stehe dazu. Auch wenn es mich schmerzt an meine Beziehung mit Yami zurückzudenken, hätte ich das Gefühl etwas verloren zu haben, wenn ich dieses Foto wegschmeiße.
 

Wie auch immer, bis vor etwa zehn Minuten hatte ich mir nichts dabei gedacht gehabt, dass der Bilderrahmen plötzlich mit dem Glas nach oben lag, jetzt wusste ich es besser. Es irritiert mich umso mehr, dass Yami nichts gesagt hat, als wir über die Karte geschaut haben. Wieso hatte er mich nicht einfach aus seiner Suite geschmissen? Es ist ja nicht gerade so, dass ich dieses Luxuszimmer unbedingt haben wollte.
 

Irgendwie erinnert mich sein Verhalten ein bisschen an den alten Yami. Den, der mich mal so gut gekannt hatte. An den, der das Zimmer gewechselt hätte, um mir die Blamage zu ersparen…aber der existiert nicht mehr. Zumindest nicht so, wie er einmal war.
 

Erst als ich den Laut hörte, wurde mir klar, dass ich laut geseufzt hatte.

„Ist alles klar Yugi?“, fragte Thomas mich. Es war süß, wie er sich um mich sorgte. Unwillkürlich besserte sich meine Stimmung.

„Ja, es ist nur der Jetlag. Du weißt doch, wie der mich immer schafft“, beruhigte ich ihn. Ich wollte dem armen Kerl nicht auch noch meinen ganzen seelischen Ballast aufladen. Thomas hatte sein eigenes Päckchen zu tragen.
 

„Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du mit den anderen Kameraleuten mitfahren würdest. Unser Star wollte noch die Strecken ablaufen, die ihm am besten gefallen haben und ich wollte ein paar Rohaufnahmen davon haben. Könntest du schauen, dass ich so viel Bildmaterial wie möglich bekomme und zwar auch von der Umgebung und nicht nur von Yami?“, bat ich ihn.
 

„Wird erledigt Chef!“, sagte Thomas und grinste mich an.

Er ist nicht umsonst mein Assistent. Er weiß immer auf Anhieb wie ich etwas meine und was ich brauche.
 

„Aber fang nicht an die schweren Kameras ohne mich auszuladen…wenn eine davon dich erschlägt, bin ich ganz alleine mit diesem Schnösel. Also denk nicht einmal daran etwas aus dem Wagen zu heben, das größer ist als du.“
 

Haha. Schon wieder so ein Witz auf meine Kosten. Das macht irgendwie jeder. Kann ich etwa was dafür, dass ich ziemlich zierlich gebaut bin für einen Jungen? Na ja, bei Thomas konnte ich wenigstens die Sorge hinter dem schlechten Scherz heraushören, also lachte ich kurz auf und stieg in den Transporter.
 

Mein Weg führte mich jetzt erstmal zu der Lagerhalle, wo ich alles vorbereiten würde, was ich konnte.
 

**********
 

Nur eine Stunden später saß ich mit einer Karte und einem roten Filzstift in der Hand auf der Laderampe des Autos und versuchte groß einige Stellen zu markieren, um die Kameraleute zu platzieren. Yami hatte mich hier her befohlen. Er brauchte unbedingt meine Meinung und ich sollte mir ganz dringend ein Bild vor Ort machen. Dadurch geriet unser Zeitplan etwas durcheinander, denn das hieß, wir konnten in der Lagerhalle erst kurz vor dem Dreh alles aufbauen. Ich hatte eigentlich gar keine Ahnung, was ich hier sollte. Die einzigen Stellen, von denen ich genau wusste, dass dort jemand stehen musste waren die Kreuzungen und Kurven der Wege.
 

Ich runzelte einige Male die Stirn, weil ich nicht wusste, wie ich beurteilen sollte, wo wer stehen sollte, ohne mir vorher die Umgebung angesehen zu haben. Zum Glück hatte Thomas die Aufnahmen alle sortiert und beschriftet. Heute Abend würde ich sie sichten müssen, um zu bestimmen, wer wann wo zu stehen hatte.
 

Neben dieser groben Planung hörte ich etwas dem Gespräch zu, dass Yami mit Tea und Joey führte.

„…Erlaubnis vom Stadtrat?“

„Nein, wenn wir die Kirche benutzen dürfen, bekommen wir sie frühestens Ende dieser Woche. Der Bürgermeister hat Urlaub“, antwortete Joey auf Yamis Frage.

„Na das hätte ich auch gern. Die Gegenden sind wirklich wunderschön, aber ich kann bald die Kälte nicht mehr ertragen. Wessen Idee war das eigentlich?“, hörte ich Tea jammern. Manchmal hatte ich das Gefühl sie benahm sich mit Absicht wie eine verzogene Diva, schließlich musste man ja irgendwie aus dem Schatten des großen Stars herauskommen.
 

Sie bekam keine Antwort auf ihre Frage, doch ich spürte ihren Blick auf mir ruhen und ich weiß, dass Yami ihr irgendwie nonverbal mitgeteilt hatte, dass ich es war, der unbedingt hier in Island hatte drehen wollen. Ergo bin ich daran schuld, dass sie frieren muss.
 

Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fühle ich mich außen vorgelassen. Tea, Joey und Yami waren schon Freunde, lange bevor ich dazugekommen bin. Ich war es im Grunde genommen gewesen, der sich in diesen Freundeskreis gedrängt hatte. Das habe ich nach unserer Trennung sehr schnell begriffen.
 

Es war nicht so, dass Joey oder Tea mich mieden oder mir das Leben schwer machten, aber all ihr Rückhalt und all ihre Unterstützung galten Yami. Sie waren seine Freunde. Sie trösteten ihn nach dem Ende unserer Beziehung. Nicht mich. Irgendwie…ich weiß nicht…hatte ich das Gefühl sie machten mich dafür verantwortlich, dass das zwischen mir und ihren besten Freund gescheitert war.
 

Die Anrufe, die ich von ihnen damals bekommen habe, als ich bei meiner Mutter gewesen bin, hätten mir schon alles sagen müssen. Sie versuchten beide nur ein gutes Wort für Yami eizulegen. Sie versicherten mir, dass da nichts passiert war zwischen meinem jetzt Ex – Freund und dieser angehenden Schauspielerin, dass ich alles nur missverstanden hatte und dass es Yami ganz dreckig gehen würde, seitdem ich gegangen sei.
 

Es ist schon irgendwie traurig, sich vorzustellen, dass sie mal auch meine Freunde gewesen sind und noch nicht einmal auf die Idee kamen, mich zu fragen, wie es mir ging. Wie es mir während dieser angeblichen ‚Beziehung‘ ging. Ich habe mich damals einsam und verloren gefühlt und das tat ich heute manchmal noch. Mir fehlte hier jemand, mit dem ich reden konnte. In diesem Team war ich der Außenseiter und obwohl es mich störte und deprimierte, wusste ich, dass es richtig so war, denn bald schon konnte ich dieser verlogenen Scheinwelt den Rücken kehren und ein normales Leben führen.
 

„Hey Yugi“, rief mir plötzlich jemand zu und ich musste nicht lange suchen, um Thomas zu entdecken, der auf mich zukam und mich angrinste. „Lass uns losfahren und mit dem Aufbau in dieser Lagerhalle beginnen. Ich habe hier die letzten Videos.“

Er wedelte mit zwei Tapes, während er näher kam.

„Wir werden hier glaube ich nicht länger gebraucht.“
 

Ich lächelte ihn an. Vielleicht war ich ja doch nicht so allein, wie ich gedacht habe.
 

**********
 

Mein Assistent und ich waren wirklich ein gutes Team. Ich liebte es, dass er mich verstand, wenn ich nur auf etwas zeigte oder ihm einen Blick schenkte. Ich fühlte mich so sicher und zufrieden in seiner Nähe. Es war ein vertrautes und sehr angenehmes Gefühl.
 

Thomas war vier Jahre älter als ich, aber er vertraute meinem Urteil absolut und tat genau das, was ich ihm sagte, ohne sich daran zu stören, dass jemand, der jünger war, als er selbst ihn herumkommandierte. Er schien zu begreifen und auch zu akzeptieren, dass ich es war, der mehr Ahnung von der Regie hatte. Außerdem hatte er das sagenhafte Talent mich immer zum Lachen zu bringen.
 

Thomas selbst schien immer gut drauf zu sein. Seine blauen Augen funkelten immer fröhlich und er grinste auch fast immer. Es fiel mir wirklich schwer zu verstehen, wie er das schaffte. Ich wusste, dass er kurz bevor er hier als Praktikant begonnen hatte seinen jüngeren Bruder verloren hatte. Leukämie, glaube ich. Thomas redet nicht viel darüber. Allerdings hat er mir mal erzählt, dass er es bereut, dass er nicht mehr Zeit mit ihm hatte verbringen können. Dass er ihn nicht hatte beschützen können.
 

Manchmal glaube ich, dass er diese Gefühle auf mich projiziert. Dass er mich beschützen möchte und mich als Ersatz für seinen kleinen Bruder nimmt. Ich denke nicht, dass Thomas es mit Absicht tut, aber ich vermute mal, dass er so Trost in unserer Freundschaft findet. Ich lasse ihm gerne die Freiheit sich aufzuführen, als wäre er mein großer Bruder, wenn es ihm hilft über seinen Verlust hinwegzukommen. Ich wollte schließlich sowieso immer Geschwister haben, die vielleicht für mich hätten eintreten können.
 

Wir waren gerade dabei eine der Kameras aufzustellen, als ich diese eine Stimme hörte, die mich so wütend und so traurig auf einmal machte.

„Hey Thomas, die Kamera da an der Treppe schiebst du weiter in die Halle rein. Wenn ich angesaust komme, habe ich so viel Speed drauf, das ich mehr Spielraum brauche für Improvisationen“, sagte Yami in seinem typischen Befehlston. Es ist die Art, wie er es sagte, die mich auf die Palme brachte. Er könnte es wenigstens etwas netter formulieren. Thomas war schließlich kein verdammter Laufbursche, sondern mein Assistent.
 

„Es heißt noch immer ‚bitte‘“, zischte ich ihm entgegen, während ich wütend den Camcorder verkabelte. Ein bisschen Höflichkeit und Respekt waren ja nicht zu viel verlangt, das konnte er auch ruhig hören. Ich warf Thomas einen kurzen Blick zu und sah, wie er mit den Zähnen knirschte. Sein Kiefer war ganz angespannt und er funkelte diesen arroganten Kerl an. Ich klopfte ihn beruhigend auf die Schulter und er machte sich ohne ein Wort zu verlieren daran, Yamis ‚Bitte‘ zu erfüllen.
 

Scheinbar gefiel es dem ‚großen Star‘ nicht, wenn man ihm widersprach, denn im nächsten Moment zuckte ich zusammen, als ein schriller Pfiff die Halle erfüllte. Der nächste Befehl lautete: „In zehn Minuten fangen wir an!“
 

Der Rest des Nachmittags und des Abends ist wie eine große Theateraufführung. Die ersten Takes gehen gut. Sehr gut sogar. Einige Aufnahmen von Sprints. Sprünge und Saltos um über die Kisten zu kommen, die überall herumliegen. Eine kleine Kletteraktion, um von den Verpackungsmaschinen auf die kleine Galerie zu gelangen, auf der sich das Büro befindet.
 

Bis dahin war ich mit den Aktionen zufrieden, doch dann sprintete Yami die Treppe hinab, wieder in das untere Geschoss, um nach der Vorführung einigen seiner akrobatischen Tricks durch eines der Fenster zu verschwinden. Yami hatte so viel Geschwindigkeit drauf, dass er die Kamera, die Thomas ja unbedingt umstellen sollte, umschmiss. Ich konnte nur mit Mühe ein Lachen zurückhalten. Ich weiß, dass es nicht nett ist über anderer Leute Missgeschicke zu lachen und dass Yami sich wahrscheinlich weh getan hatte bei dieser Aktion, aber die Szene wirkte einfach wie aus einer dieser schlechten Slapstick – Komödien, die es in den sechziger Jahren so häufig gab, dass ich reagierte, bevor mir überhaupt die Tragweite dieses Unfalls bewusst wurde.
 

„War die Position wohl doch nicht so günstig, die du Thomas genannt hattest“, entwich es mir belustigt, bevor mir klar wurde, dass Yami mich über den In – Ear – Stöpsel hören konnte. Ich war gerade dabei die Kamera wieder einzusammeln, die wir für die Anfangsszene in der Fabrik gebraucht hatten. Sie war sehr weit ausgeschwenkt und die Linse zeichnete alles nur aus der falschen Perspektive auf. Das war allerdings auch so geplant gewesen, denn die Welt sollte in dem Video Kopf stehen, wenn Yami nach seinem gewagten Sprung über die Kamera wieder auf dem Boden der Lagerhalle aufkam.
 

Ich selbst hatte mich auf den Boden setzen müssen, um das Stativ so drehen zu können, dass ich die richtigen Aufnahmen hatten. Zum Glück hatten wir dieses tolle, neue Steuermodul, das irgendeine Firma uns gesponsert hatte. Es machte mir die Arbeit wirklich um einiges leichter, denn durch den Monitor auf den Modul konnte ich genau das sehen, was auch das Aufzeichnungsgerät sah und sogar zwischen den Ansichten der einzelnen Camcorder wechseln.
 

Mein letzter Satz gefiel dem ‚ach – so – perfekten‘ Star wohl überhaupt nicht, denn er schleuderte die kaputte Kamera gegen die alte Backsteinmauer. Ich zuckte wieder erschrocken zusammen. Ich hasste es, wenn Yami sauer war. „Verdammt noch mal! Wenn dieser Praktikant nicht sofort eine neue Kamera da hinstellt, wo ich es ihm gesagt hatte garantiere ich für nichts mehr!“, hörte ich ihn brüllen. Joey redete auf ihn ein und versuchte ihn zu beruhigen. Dazu hatte er schon immer Talent gehabt. Ich rang mir jedoch ein Grinsen ab, als ich merkte, dass mein Assistent mich besorgt musterte.
 

Er kam etwas näher und fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Thomas legte mir einen Arm auf die Schulter und schenkte mir ein Entschuldigendes Lächeln.

„Sorry, jetzt ist eines unserer Geräte wegen mir kaputt“, sagte er leise.

Ich runzelte die Stirn.

„Wieso wegen dir? Was hast du denn damit zu tun, dass er nicht richtig aufpassen kann?“

Thomas lachte leise.

„Ich habe die Kamera nicht dahin gestellt wo er sie haben wollte, sondern nur etwas verschoben. Hätte ich sie an der anderen Stelle platziert, hätte sie im toten Winkel gestanden und wir hätten keine Aufnahmen gehabt. Obwohl…die haben wir ja jetzt auch nicht. Es tut mir leid“, erklärte er mir alles.
 

Ich seufzte nur auf. Jetzt hatte ich Yami die ganze Schuld zugeschoben und dabei war es doch Thomas gewesen, der dafür verantwortlich war, dass eine unserer Kameras Schrott war. Ich konnte zwar verstehen, warum er sich nicht an Yamis Anweisung gehalten hatte – das hätte ich wahrscheinlich auch nicht – das änderte aber nichts daran, dass die Aufnahmen jetzt wahrscheinlich hin waren…und das ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich die Schuld nur zu gerne bei meinem Ex – Freund gesucht hatte.
 

Ich löste seinen Arm von meiner Schulter.

„Ist schon gut. Sag mir nur bitte das nächste Mal vorher Bescheid, wenn dir sowas auffällt. Wir können dann zusammen nah einer passenden Lösung suchen“, wies ich ihn freundlich an und Thomas nickte. „Ich gehe mal nach oben und schaue mal ob da nichts schief gegangen ist“, sagte ich und zeigte mit dem Daumen nach oben. „Sieh du doch bitte nach, ob wir wenigstens das Tape von der Szene noch retten können?“
 

Von oben konnte ich dann sehen, wie er das Tape in der Hand hielt und mir ein okay Zeichen gab. Ich lachte zufrieden auf. Wenigstens war der Unfall nicht umsonst gewesen. Ohne dass ich etwas sagen musste, machte sich Thomas daran den technischen Schrott zu beseitigen, den Yami mit seiner Aktion verursacht hatte. Etwa zwanzig Minuten später drehten wir die vorletzte Einstellung. Ich schaute von der Galerie aus zu und rief ab und an einige Befehle an die Praktikanten herunter, wie und wo sie die einzelnen Mikrofone anbringen sollten und wo sie einige der Holzpaletten lieber aus dem Weg schieben sollten. Die Adlerperspektive war gar nicht mal so schlecht.
 

„Yugi?“, fragte mich Thomas, als er mir einen Kakao unter die Nase hielt. Der Rest hier trank Kaffee, aber ich konnte dem nichts abgewinnen. Es erinnerte mich zu sehr daran, wie meine Welt zusammengebrochen war. Allerdings war es mir auch unheimlich peinlich vor all den anderen heiße Schokolade zu trinken. Ich sah schon so verdammt jung aus. Sie sollten mich nicht für ein komplettes Kind halten. Thomas war bisher der Einzige, der mein Geheimnis bei Heißgetränken kannte und er behielt es für sich.
 

„Danke“, seufzte ich auf, als ich die warme Tasse in meinen Händen hatte und meine eiskalten Finger daran wärmen konnte. „Was ist?“

„Ähm…es ist mir echt unangenehm dir das zu sagen, aber deine Hose…“, begann er und grinste mich unverschämt an.

„Was ist mit der?“, wollte ich verwirrt wissen.

„Na ja, ich weiß ja nicht, ob das hier in Reykjavik Mode ist, aber du hast Dreck an der Rückseite. Über den ganzen Hintern verteilt…und einen Riss.“

„WAS? Wie?“
 

Ich tastete meine Rückseite ab und konnte die Selle erfühlen, an der die Naht aufgegangen war. Als ich die Hand wieder nach vorne zog, sah ich den schwarzen rußigen Dreck a meiner Handfläche.

„Oh verdammt! Wie vielen Leuten ist das schon aufgefallen?“, fragte ich panisch. „Heute ist ehrlich nicht mein Tag.“
 

„Keine Angst“, beruhigte mich mein Assistent und wuschelte mir neckend durchs Haar, „ich glaube außer mir ist das bis jetzt noch keinem aufgefallen und wenn doch einer was bemerkt hat und was einen dummen Spruch loslässt, dann werde ich dafür sorgen, dass er die Klappe danach für eine Weile nicht aufreißen kann.“

Gerade in diesem Moment klang er wieder wie der große Bruder, der mich vor allem und jedem beschützen würde. Ich muss gestehen, dass es mir gefiel. Dass es mir etwas so Vertrautes gab, als wäre ich wieder Zuhause. Es war schön zu wissen, dass es jemanden gab, der sich wirklich um einen sorgte.
 

Nach Drehschluss bat mich Joey darum die Aufnahmen an Yami weiterzuleiten, weil er sich die noch mal ansehen wollte, also verbrachte ich den restlichen Abend damit die Tapes auf meinen Computer zu ziehen, damit ich schon anfangen konnte daran zu arbeiten. Nur eines der Bände schaffte ich nicht ganz. Es war das von Yami, der über die Kamera sprang. Ich brauchte aber sowieso nur diesen Sprung, also konnte er die Kassette haben. Die restlichen Aufnahmen darauf waren für mich unwichtig.
 

**********
 

Am nächsten Abend drehten wir das Alternative Ende des Videos. Yami, der seine besten akrobatischen Tricks vor dem Nachthimmel im Schnee vollführte und das Nordlicht, das alles erleuchtete, als Highlight.
 

Für diesen Dreh hatten wir wieder überall Mikrofone verteilt. Einige von ihnen waren schon angeschlossen, aber ohne Tontechniker. Es war ja eigentlich auch nur geplant das Knirschen des Schnees und Yamis Atmen aufzunehmen, dafür brauchte man nicht unbedingt separate Mitarbeiter. Mein neues Spielzeug – das Universalsteuermodul – reichte mir völlig. Ich brauchte es nur auf die Mikrofone zu programmieren und konnte jedes einzeln steuern. Egal wie sehr mich diese technische Spielerei freute, als wir begannen zu drehen, bereute ich es, dass ich das Modul benutzt hatte.
 

Ich stand auf diesem dämlichen, Podest auf Rollen. Eine verdammt wackelige Angelegenheit, doch ich war ja schwindelfrei und hatte einen guten Gleichgewichtssinn. Wie ein kleines Kind spielte ich mit dem Modul herum. Über meine Kopfhörer konnte ich Joey etwas über rote High Heels und miese Erpresserfreundinnen grummeln hören. Ich verstand zwar nicht was er damit meinte, fand aber witzig.
 

Als ich jedoch weiterschaltete, um das nächste Mikro zu überprüfen, wurde ich Zeuge einer Unterhaltung, die ich vielleicht lieber nicht gehört hätte.
 

„Was hast du? Du siehst so traurig aus?“, dass war Teas mitfühlende Stimme. Sie machte sich wirklich Sorgen, um den, mit dem sie gerade sprach, das war sehr deutlich. Es überraschte mich, dass es Yami war, der ihr nach etwa einer Minute schweren Schweigens, antwortete.

„Mir geht es gut.“

Das war eine so schlechte Lüge, dass selbst ich kleiner Naivling sie erkannte. Irgendwie klang er traurig und…einsam. So melancholisch, wie ich mich selbst die meiste Zeit fühlte.
 

„Yami, ich rede gerade nicht als Angestellte mit dir, sondern als langjährige Freundin. Hör auf anderen etwas vor zu machen, mir etwas vorzumachen.“

Scheinbar konnte Tea ihn auch nicht als Freundin erreichen, denn seine Erwiderung lautete: „Ich mache mir nur Sorgen.“
 

Es klang zwar logisch und stimmte wohl auch zum Teil, aber so, wie er den Satz aussprach, konnte ich heraushören, dass Yami noch etwas verbarg.

„Ich mache mir auch Sorgen, und zwar um dich, mein Lieber!“

„Ich habe in den letzten Jahren einiges getan, was ich gern ändern würde, aber... ich weiß genau, wenn ich die Gelegenheit jetzt dazu hätte, würde mein Stolz mich doch wieder daran hindern. Ich würde es genauso tun, wie ich es schon einmal getan hätte. Verstehst du? Ein verzwickter Teufelskreis, wo es momentan keinen Ausweg für mich gibt. Wenn ich weiter so mache, breche ich auseinander“, erklärte er ihr etwas vage.
 

Ich kannte diesen Ton nur zu gut. Es war derselbe, den ich immer anschlug, wenn ich meinem Großvater vorjammerte, wie sehr ich diese Welt hasste, wie sehr ich es verabscheute nur ein Name ohne Gesicht zu sein und wie sehr es mich verletzte immer noch mit dem Mann zusammenarbeiten zu müssen, den ich einmal so geliebt hatte. Dass ich wusste, ich könnte von ihm loskommen, wenn ich nur genug Entfernung zwischen uns bringen könnte…wenn ich nur sein Gesicht nicht ständig sehen müsste.
 

Scheinbar wurde Yami schlauer. Auf jeden Fall begann er einige seiner Entscheidungen zu bereuen. Da ich wissen wollte welche, lauschte ich weiter.

„Du bist doch nicht allein! Es gibt so viele Menschen, die hinter dir stehen und dir die Hand reichen, wenn du danach fragst. Jeder macht Fehler. Aber weißt du, warum wir fallen? Damit man lernt, wieder aufzustehen. Mag sein das deine vorherige Rangehensweise nicht immer richtig war, doch es gibt beim Schicksal kein richtig oder falsch, sonst würdest du nicht als eine Berühmtheit hier vor mir stehen“, tröstete ihn Tea.
 

Irgendwie wurde mir schlecht bei den Worten. Das Yami berühmt war, war nicht gerade eines der positiven Ereignisse der letzten Jahre. Dieser Ruhm war so vergänglich und die Art wie er ihn bekam zu gefährlich.
 

„Was ist, wenn ich gar nicht hier sein will?“

Dieser Satz…er löste etwas in mir aus. Mein Herz flatterte. Mir fehlte der Atem. War es vielleicht das, was er bereute? Sah er vielleicht jetzt die Risiken dieser Karriere? Sah Yami jetzt, dass es mehr gab im Leben? Irgendwo tief in mir erwachte die Hoffnung. Hoffnung auf etwas, von dem ich gedacht hatte, dass ich es längst aufgegeben hätte. Vielleicht…vielleicht hatten wir ja noch eine Chance – wenn nicht auf Liebe, dann zumindest auf eine Freundschaft, wie wir sie zu Beginn hatten – wenn er diese Entscheidung jetzt von sich aus treffen würde, wenn er sich von sich aus gegen dieses Leben entscheiden würde.
 

„Du kannst dein Leben noch ändern, Yami. Wenn dir etwas nicht gefällt, solltest du aufhören zu jammern, sondern es endlich in die Hand nehmen. Nimm dir das, was du willst“, hörte ich wieder Tea.

„Das, was ich will, will mich nicht.“

„Woher willst du es wissen, wenn du es nicht versuchst? Was hält dich dann noch hier?“

Nach diesen Worten schlug mein Herz noch schneller. Es konnte nicht sein…sie konnte nicht meinen…er meinte nicht, dass er mich zurück wollte…das war unmöglich, so kalt und arrogant, wie er sich mir gegenüber verhalten hatte.
 

Ein penetrantes Piepsen holte mich aus meinen Gedanken. Gleich würden die Dreharbeiten beginnen. Automatisch setzte ich mir den In – Ear – Hörer ein.

„Yami, bist du soweit?“, fragte ich und hielt mich an dem Stuhl auf dem Podest fest. Es war so seltsam jetzt mit ihm zu sprechen, nachdem ich sein Gespräch mit Tea belauscht hatte. Ich schaute in seine Richtung und sah, dass sich die LED – Lämpchen an seinem schwarzen Overall bewegten. So wie sie positioniert waren, schaute er wohl zu mir. Ich schaltete die Kamera mit dem Nachtsichtfilter an und konnte sein Gesicht sehen.
 

Es irritierte mich immer wieder so sehr, dass er immer noch so aussah, wie zu der Zeit, als wir zusammen waren. Keine Sorgenfalten oder das Älterwerden in seinen Augen. Yami wirkte immer noch wie ein sorgenfreier Teenager.
 

Irgendjemand hatte schon damit begonnen die Scheinwerfer auszumachen und alles was ich von meinem Ex – Freund außerhalb der Kameralinse sehen konnte waren die LED – Lichter, die seine Silhouette abzeichneten. Im Hintergrund leuchtete der Himmel in Blau – und Grüntönen. Das Nordlicht breitete sich in sanften Wellen in der Dunkelheit aus. Die Aussicht hatte etwas Märchenhaftes an sich.
 

„In einer Minute fangen wir an zu drehen, wenn sich jeder an die neue Dunkelheit gewöhnt hat“, gab ich mit einem Seufzen durch. Egal wie sehr ich mich gerne in diesem magischen Moment verlieren wollte, ich musste immer im Hinterkopf behalten, dass wir hier aus einem bestimmten Grund hier waren.
 

Ich war wohl zu sehr damit beschäftigt mich daran zu erinnern, dass ich hier war um zu Arbeiten und keine romantischen Fantasien zusammen zu spinnen, denn als ich das nächste Mal in Yamis Richtung schaute, stand er schon neben dem Podest. Alles was ich sehen konnte waren die Lichter an seiner Kleidung und ich vermutete, dass er von mir gar nichts sehen konnte. Noch bevor ich etwas sagen konnte, spürte ich, wie seine Hände meine Jacke packten. Das Rascheln des Stoffes war viel zu laut in dieser Unnatürlichen Stille.
 

Je näher Yami mich zu sich zog, desto schneller schlug mein Herz. Das Blut rauschte in meinen Ohren und ich musste mich konzentrieren, um nicht zu vergessen zu atmen.

„Er wird mich küssen. Er wird mich küssen. Er wird mich küssen“, war der einzige Gedanke, der in meinem Kopf herumschwirrte. Schwach wie ich war und noch immer bin, sehnte sich alles in mir danach. Wir waren uns zum ersten Mal seit Jahren wieder so nah und als ich seine Körperwärme ganz nah spüren konnte, war es so, als wären die zwei Jahre gar nicht gewesen. Es war einfach so natürlich. So als wären wir für einander gemacht. Zwei Teile eines Puzzles.
 

Seine Hand in meinem Nacken und sein Daumen, der über meine Wange strich, ließen mich dahin schmelzen. All die Erinnerungen aus unserer Beziehung brachen über mich hinein. Es war so vertraut und doch war es etwas Neues.
 

Ich wartete darauf, dass unsere Lippen sich berührten. Wartete darauf, dass er all die Missverständnisse zwischen uns mit seinem Kuss aus der Welt schaffte. Innerlich habe ich – und das war mir sehr wohl bewusst – schon immer darauf gewartet, dass er endlich wirklich um mich kämpft. Dass er mir zeigt, dass ich ihm wichtiger bin als der Job, sein Ruhm und der Adrenalinkick, den er bekommt, wenn er seine gefährlichen Stunts macht. Ich habe darauf gewartet, dass er mir zeigt, dass er mich will und nicht nur, weil ich nun mal zu ihm gehörte, sondern weil er ohne mich nicht sein konnte…weil ich wichtig war für ihn.
 

Wie ironisch, dass mir ausgerechnet in diesem rührseligen Moment, in dem ich fast nachgegeben hätte, klar wurde, warum er mich küssen wollte. Das, was er Tea gesagt hatte echote in meinem Kopf herum und ergaben schmerzhaft viel Sinn. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Das hier war ein Test…nein, viel mehr als das. Es war Yamis Art seine Feigheit zu verbergen und trotzdem zu fliehen. Er überließ einfach mir einfach die Entscheidung.
 

„Ich habe...“

Sein Daumen streifte meine Lippen und seine geflüsterten Worte erfüllten die Luft.

„... und werde dich nie betrügen.“

Diese Worte trösten mich nicht unbedingt. Er kann es mir nicht versichern…wenn man es genau nahm, betrog er mich doch schon von dem Moment, als er sich für die Karriere als Extremsportler entschieden hatte. Er betrog mich mit seinem Job.
 

Als er mich küsste, musste ich für einen Moment mit mir kämpfen, um mich nicht zu vergessen und diese zärtliche Berührung zu erwidern. Mein Kopf weiß jetzt, dass es ein Fehler ist, doch mein Herz…das sehnt sich nach ihm. Es wollte diesen Kuss und es wollte einfach alles vergessen und ignorieren, was bisher geschehen war. Es wäre so leicht gewesen nachzugeben und zu verzeihen.
 

Yamis Lippen waren nicht drängend. Sie lockten mich, verführten mich und ließen mir doch die Wahl. Doch mein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Er ließ mir keine Ruhe und zeigte mir die Wahrheit hinter diesem Kuss, der so zärtlich und liebevoll war.
 

Er übergab sein Schicksal in meine Hände. Es war so selbstsüchtig und feige von ihm und es tat mir noch mehr weh, als der Gedanke ihn mit jemandem teilen zu müssen. Anstatt selbst eine Entscheidung zu treffen, ob er weitermachte oder nicht, ob er weiterhin der berühmte Extremsportler war oder einfach nur Yami, überließ er sie mir.
 

Erwiderte ich den Kuss, war er bereit alles aufzugeben. Für mich. Tat ich es nicht, würde alles beim Alten bleiben. Es war so offensichtlich. Es sollte nicht seine Entscheidung sein, dann war es nicht seine Schuld, wenn es nicht die richtige war. Er gab das Zepter aus der Hand, um später jemanden zu haben, den er dafür verantwortlich machen konnte, wenn er nicht mehr glücklich mit mir war. Er wollte mich als potentiellen Sündenbock für ein verkorkstes Leben.
 

Für einen Moment konnte ich es sogar sehen. Die Art, wie er antriebslos vor sich hin vegetieren würde, weil der Adrenalinkick ihm fehlen würde, die Kameras und all der Ruhm. Ich konnte genau sehen, wie er mir Vorwürfe machen würde, mir sagen würde, dass er das alles ja nur für mich aufgegeben hätte. Ich glaube, ich würde es nie ertragen können, wenn er es bereuen würde, sich für mich entschieden zu haben.
 

Das, was Yami hier veranstaltete war der leichte Weg für ihn. Mich würde es vielleicht noch kaputter zurücklassen, als ich jetzt schon war. Diese Erkenntnis brannte tief in mir. Ich holte aus und mit aller Kraft die ich hatte, ohrfeigte ich ihn. Ich tat es, weil er ein Schwächling war in diesem Moment und weil ich mich nicht als der Buhmann hinstellen ließ. Yami begriff es nicht, aber die Entscheidung, mit dem Parkour und dem Base Jumping aufzuhören – zumindest als Karriere – musste er ganz alleine fällen. Egal warum, er musste aus freien Stücken damit aufhören. Nicht mir zur Liebe oder für irgendwen sonst. Er musste einen Schlussstrich ziehen, weil er es wollte.
 

Ich hörte sein bitteres Lachen. Es schmerzte mich.

„Schon verstanden“, meinte er so cool wie möglich, doch in Wahrheit hatte er nichts verstanden. Es tat mir für ihn Leid. Ich wusste, dass er verbittert war, weil er dachte es gebe keine Chance mehr für uns und das er erleichtert war, weil er einfach so weitermachen konnte, wie bisher. Vielleicht – wenn ich da noch bei ihm sein würde – würde ich ihm irgendwann erklären, dass diese Ohrfeige nur bedeutete, dass ich es ihm nicht leicht machen würde und ihn nicht vor der Verantwortung seiner Entscheidungen bewahren würde, doch ich fürchtete, dass an dem Tag, an dem er reif genug dafür wäre, ich schon lange ein ruhiges, normales Leben führen würde.
 

Thomas kam auf mich zu. Er tauchte ganz einfach aus der Dunkelheit auf. Ich wusste nicht, von woher.

„Was wollte der Schnösel bei dir? Hat er dir was getan? Wenn ja, dann gnade ihm Gott…“, meinte er drohend. Es ließ mich lächeln. Seine Stimme war so voll echter Sorge und Mitgefühl.

„Nein lass mal“, beruhigte ich ihn. „Er hat mir nichts getan. Er war nur ein Feigling…so wie so oft in den letzten Jahren…“
 

Was blieb mir anderes übrig, als dasselbe zu tun wie Yami? Ich tat so, als wäre nichts passiert.

„Kamera läuft, starte wenn du bereit bist“, gab ich ihm durch, als ich seine LED – Lichter – Silhouette wieder im Blickfeld hatte.
 

An diesem Abend wünschte ich mir noch mehr, als an allen anderen, dass jemand anderes meinen Job machen würde. Durch die Nachtsichteinstellung der Linse konnte ich die Tränen ganz genau sehen, die sein schönes Gesicht hinab liefen. Dieses Bild verfolgte mich diese Nacht bis in meine Träume.
 

**********
 

Am nächsten Tag sah ich mir noch einmal die Aufnahmen des Abends an. Wir hatten gerade die letzten Einstellungen gedreht, die den Weg von der Lagerhalle zur Kirche beinhalteten. Alle quasselten und redeten durcheinander. Yami versteckte sich hinter einem Kaffeebecher und redete nicht viel. Das war auch gut so, denn sein Anblick machte mich unglaublich wütend und traurig zugleich. Wie konnte er mich nur so ausnutzen wollen? Waren ihm meine Gefühle denn absolut egal? Wie hätte ich denn mit dem Schmerz leben sollen, wenn er mich irgendwann anfangen würde zu hassen, weil ich ihm das weggenommen hatte, was ihm so wichtig war?
 

Ein Blick in den Videoordner der gestrigen Dreharbeiten sagte mir, dass etwas nicht stimmte. Es war eine Aufnahme zu viel darin. Ich wusste genau, dass ich nur zwölf Takes genutzt hatte, um die Sequenz mit dem Nordlicht im Hintergrund zusammenzuschneiden, in dem Ordner befanden sich aber dreizehn. Hatte ich etwas übersehen? Das wäre katastrophal. Ich verwendete immer alle Szenen, die wir aufnahmen, damit es keine Verschwendung von Material und Zeit war. Darunter waren dann immer mal auch Takes, die nicht so gut gelungen waren, aber eventuell die Stimmung des Videos gut wiedergaben.
 

Schnell klickte ich die Filmaufnahmen an. Es interessierte mich, was ich übersehen hatte. Das Video war sehr leise. Selbst ich konnte kaum etwas hören und ich saß direkt davor. Zuerst war auch nicht viel zu erkennen. Nur Schatten und das Nordlicht am Himmel. Die Kameraperspektive verwunderte mich etwas, denn so wie das Bild gezeigt wurde, stand das Aufnahmegerät an einer Stelle, an der es nicht hätte sein sollen. Dann setzte vor Schreck mein Herz einen Schlag aus.
 

Ich sah Yamis, mit LED – Lichtern beklebte, Silhouette, wie er vor etwas Klotzigem, Dunklem stand. Ich wusste, dass es mein Podest war.

„Ich habe... und werde dich nie betrügen.“

Das waren seine Worte, kurz bevor er mich geküsst hatte. Mein Gesicht war starr und ich spürte es heiß werden. Hoffentlich hatte das keiner gehört.
 

Da war diese kleine Bewegung der Lichter, als unsere Lippen sich berührten und Yamis Seufzen, nur einige Momente später. Genau in der Sekunde nach diesem Laut, wurde das Nachtsichtgerät der Kamera aktiviert. Man konnte uns ganz genau erkennen. Ihn, wie er mich fast verzweifelt hielt und den Kuss zu genießen schien und mich, der wie eine leblose Puppe in seinen Armen lag. Meine Augen waren geschlossen. Das Bild wurde heran gezoomt. Ich konnte die Tränen in meinen Augen glänzen sehen. Sie rollten nicht meine Wangen hinab, aber sie waren ganz deutlich zu sehen. Seltsam, ich hatte sie nicht bemerkt.
 

Ich war ziemlich versunken in die Aufnahmen auf dem Bildschirm, deswegen bewegte sich mein Kopf auch schon fast ruckartig hoch, als ich Joeys Stimme hörte.

„Ach Gott, das habe ich ja ganz vergessen.“

„Was hast du vergessen?“

„Die Zusage.“
 

Mein Herz blieb mir wieder fast stehen. Joey konnte nicht wirklich das meinen, was ich dachte, das er es meinte. Ich vergaß sogar die Aufnahmen.

„Soll das etwa bedeuten, du hast bei Seto den Antrag noch nicht abgegeben?!“

„Hä?“ Er grinste auf seine typische Art und schüttelte den Kopf. „Ich bin zwar vergesslich, aber nicht lebensmüde. Wenn ich es wirklich nicht getan hätte und du mich nicht umgebracht hast, würde es Yami eigenhändig tun!“
 

„Darauf kannst du Gift nehmen, Großer.“, murmelte er. Mein Blick wanderte kurz zu ihm und die Wut flammte in mir auf. Es war alles seine Schuld. Wer wusste jetzt davon, dass wir mal zusammen waren? Oder glaubte, dass wir es vielleicht immer noch sein würden? Gott, wenn es jemand anderer war als Tea, Joey und Seto, dann konnten wir uns darauf gefasst machen, dass bald ein Erpresserschreiben einging, in dem derjenige, der es gesehen hatte eine horrende Summe dafür fordern, um nicht an die Öffentlichkeit damit zu gehen oder es gleich meistbietend an die Medien verschachern.
 

„Se-... Kaiba hatte mich gestern angerufen. Die Genehmigung ist eingetroffen. Wir können sofort mit den Dreharbeiten beginnen. Wir sollen nur vorher Bescheid geben, damit sie die Kirche sperren können. Es gibt ein Zeitraum von maximal zwei Stunden“, teilte uns Joey mit.

Das war an sich gut, denn so konnten wir die Dreharbeiten hier in Island vielleicht heute noch abschließen.
 

Ich musste dringend mit Kaiba reden, bevor wir zur nächsten Station dieser Welttournee aufbrachen. Uns stand ein gewaltiger Skandal bevor.
 

„Da scheint sich schon jemand zu freuen“, riss mich Tea aus meinen Gedanken. Sie stand neben Yami und ihre Nasen berührten sich fast, so nah war sie ihm gekommen. Er hatte vorher gegrinst, doch jetzt schaute er ziemlich verdutzt.

„Wie?“, fragte er sie, als wäre ihm gar nicht klar, dass er wie ein Idiot vor sich hin gelächelt hat.
 

„Sollte er auch, dann liefert er vielleicht dieses Mal bessere Sprünge als in der Fabrik“, meinte ich gereizt. Ich sagte diesen Satz extra, denn ich wusste, dass Yami sich immer noch wegen des verpatzten Sprungs und der demolierten Kamera ärgerte. Mein Gott war ich unprofessionell! Ich ließ mich von meiner Eifersucht und der Wut in meinem Bauch leiten. Hoffentlich hatte niemand es aus meiner Stimme herausgehört.

„Ich kümmere mich um alles Weitere. Macht euch bereit, den Dreh heute Abend über die Bühne zu bringen“, schlug ich vor, um meinen vorherigen Satz zu überspielen, während ich den Laptop zuklappte.
 

**********
 

Die Dreharbeiten an der Kirche am Abend waren nur frustrierend. Mein Kopf war voll mit anderen Dingen. Wer hatte zum Beispiel das Video auf meinen Laptop kopiert? Und wieso? War damit nicht das Überraschungsmoment hinüber? Wir hatten jetzt doch die Möglichkeiten Gegenmaßnahmen einzuleiten. Oder war es ein Versehen, dass ich dieses Video auf dem Notebook gelangt war? Hatte der Erpresser vielleicht einfach nur vergessen es zu löschen, nachdem er es kopiert hatte und ich hatte es mir einfach mit all den anderen Bildmaterial auf die Festplatte gezogen? Ich wusste es nicht und auch nicht, was ich tun konnte. Alles was für mich möglich war, war Kaiba zu warnen, was ich auch vor den Dreharbeiten noch getan hatte.
 

Yami machte es mir heute auch nicht besonders leicht. Entweder war er zu schnell und rannte los, bevor er sein Zeichen bekam oder er war zu schnell für eine Aufnahme. Manche seine Bewegungen waren unsauber und zittrig. Fast schon unsicher. Ich fragte mich, ob er sich bei seinem Zusammenstoß mit der Kamera vielleicht verletzt hatte. Doch scheinbar war auch er etwas unkonzentriert. Es tat mir ja Leid, dass ich mich zu aggressiv anhörte, aber ich konnte meiner Stimme nicht die Schärfe nehmen. Nach dem Dreh würde ich mich bei ihm entschuldigen. Ich benahm mich wirklich nicht angemessen, aber erst wollte ich diese letzten Takes hinter mich bringen. Jetzt fehlte ja nur noch der Sprung.
 

„Kamera läuft“, gab ich ihm das Kommando. Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Als Yami sich in Bewegung setzte, hörte ich ein leises Knacken in dem In – Ear – Stöpsel, dann setzte auch schon das Lied ein.
 

I know I can be a little stubborn sometimes

A little righteous and too proud
 

I just want to find a way to compromise

'Cos I believe that we can work things out.

I thought I had all the answers never giving in

But baby since you've gone I admit that I was wrong
 

All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie

How am I going to be strong without you I need you by my side
 

Irgendetwas löste dieser Song in mir aus. Meine Augen brannten mit Tränen, noch bevor ich wirklich verstand worum es in dem Lied ging. Die Worte trafen mich Mitten ins Herz, noch bevor mir klar wurde, dass sie so gut reflektierten, wie es mir seit zwei Jahren ging. Ich erkannte mein eigenes Verhalten in diesen Zeilen…und auch das von Yami.
 

If we ever said we’ll never be together and we ended with goodbye don’t know what I’d do…

I’m lost without you

I keep trying to find my way but all I know is I’m lost without you

I keep trying to face the day I’m lost without you.
 

How am I ever gonna get rid of these blues

Baby I’m so lonely all the time

Everywhere I go I get so confused

You’re the only thin
 

Das war irgendein schlechter Scherz. Es musste einer sein. Diese wenigen Worte beschrieben ganz genau, was ich die letzten Jahre gefühlt habe. Seit der Trennung war meine Welt trostlos geworden. Mein Leben war nur noch grau und trist. Ich selbst fühlte mich so leer und fragte mich, jeden Tag, wie ich aufstehen sollte, ganz normal weiterarbeiten sollte wenn ich ihn dabei ständig um mich herum hatte.
 

Jeden Tag wurde ich mit dem konfrontiert, was ich hinter mir gelassen hatte und – egal wie sehr ich es mir wünschte – ich konnte nicht zurück. Mein Stolz ließ es nicht zu. Genauso wenig wie es Yamis zuließ, dass er sich seine Fehler eingestand.
 

In meiner Ecke auf dem Dach der Kirche wartete ich darauf, dass Yami endlich auftauchte. Ich drehte immer seine Fallschirmsprünge. Immer. Auch wenn – wie jetzt – meine Sicht von Tränen verschwommen war.
 

If I could hold you now and make the pain just go away

Can’t stop the tears from running down my face
 

Ein aufgeregtes, begeistertes Kreischen über die traurige Musik hinweg brachte mich wieder in die Realität. Tea. In diesem Moment wurde mir klar, dass sie hinter dieser kleinen Einlage steckte. Sie konnte was erleben, wenn ich erst mal wieder unten war. Was bezweckte sie überhaupt mit dieser Aktion?
 

Schon in der nächsten Sekunde war es mir egal, denn der Grund für ihr Kreischen tauchte in meinem Blickfeld auf. Yami schwang sich fast nur mit dem Gewicht eines Arms auf das Dach. Der Schwung, den er dabei drauf hatte, war sehr schwer einzuschätzen. Das machte die Sache sehr gefährlich. Was dachte sich denn dieser Idiot dabei? Nur zwei oder drei Zentimeter nach rechts mit seinem Fuß und er wäre auf sehr schnellem Wege unten angekommen. War er denn komplett lebensmüde?
 

Yamis gesamte Bewegungen wirkten so fließend, als würde er gar nicht überlegen, was er da machte…und das tat er auch nicht. Er überwand die Strecke mit schlafwandlerischer Sicherheit. Das machte mir Angst. Yami wusste gar nicht, was er da tat. Sein Körper bewegte sich einfach.
 

Vergessen war die Kamera in meinen Händen. Alles was ich wollte war bei ihm sein und ihn festhalten, bevor er sprang. Mein gesamter Körper war angespannt und meine Arme ausgestreckt, als ich versuchte nach ihm zu greifen.
 

Ich war zu langsam. Alles was ich noch tun konnte war zuzusehen, wie Yami fiel. Der Fallschirm öffnete sich, doch die Höhe reichte nicht aus. Ein dumpfer Knall, als sein Körper auf dem Boden ankam, erfüllte die unnatürliche Stille.
 

I’m lost without you
 

Diese letzte Zeile des Liedes hallte in meinem Kopf nach zusammen mit der beängstigenden Frage, ob ich ihn nun wirklich verloren hatte.
 

**********
 

„Ihr habt WAS?“

Kaibas Stimme ließ einige der Krankenschwestern in ihrer Tätigkeit innehalten. Sie versuchten ihn anzufunkeln, damit er etwas leiser reden sollte, doch der Blick, den sie dafür ernteten, war um einiges beängstigender, als alles, was sie drauf hatten.
 

Ich wusste nicht mehr, wer den Krankenwagen gerufen hatte und auch nicht mehr wie ich von dem Dach der Kirche heruntergekommen war. Auch an die Fahrt ins Krankenhaus konnte ich mich nur ganz vage erinnern. Alles was ich immer wieder vor meinem inneren Auge sah, war das Bild von Yamis reglosem Körper auf dem harten Boden. Der Fallschirm lag über ihm, wie ein Leichentuch. Ich hatte noch nie im Leben eine solche Angst gehabt.
 

Der Krankenwagen war weitaus früher da, als wir. Yami wurde bereits von einem Arzt behandelt, als ich in dem Flur ankam, wo die Stühle für die Familienangehörigen standen. Für einen Moment dachte ich daran seine Mutter anzurufen und ihr von dem Unfall ihres Sohnes, aber ich verwarf den Gedanken schnell wieder, weil sie schon lange keinen Kontakt mehr hatten und weil sie sowieso am anderen Ende der Welt war und nicht mal schnell hier rüber fliegen konnte. Außerdem konnte es sein, dass Yami sie gar nicht sehen wollte. Sobald seine Mutter nur in Sichtweite war, brach er einen Streit vom Zaun.
 

Kaiba nutzte die Zeit, in der der Arzt noch in Yamis Zimmer war, um Joey und Tea zu maßregeln. Wie sich herausstellte war wirklich unser Fräulein Stylistin dafür verantwortlich, dass dieser Song über den In – Ear – Stöpsel eingespielt wurde. Sie hatte Joey überredet es für sie zu tun, weil er eine Wette verloren hatte.
 

Vielleicht…wenn dieses Lied nicht gewesen wäre, hätte er gesehen, dass die Höhe nicht gereicht hätte für den Sprung. Wir hätten noch abbrechen können. Während Seto einen Vortrag hält, dass das technische Equipment kein Spielzeug sei und dass es einen guten Grund gibt, warum es nur für die wichtigsten Anweisungen und die nötigste Kommunikation verwendet werden darf – nämlich um Yami bei seinen Stunts nicht aus dem Konzept zu bringen – merke ich, wie mein schlechtes Gewissen mir zu schaffen macht.
 

Ich war dafür verantwortlich, dass er jetzt da lag. Ich hätte die Höhe der Kirche noch einmal nachprüfen sollen. Ich war dafür zuständig! Doch stattdessen habe ich mich darauf verlassen, was mir mein Assistent gesagt hatte. Irgendetwas stimmte da nicht. Thomas war für gewöhnlich nicht so nachlässig und prüfte alles drei oder vier Mal. Yamis Leben hing ja verdammt nochmal davon ab. Ich musste ganz dringend ein Wörtchen mit ihm reden.
 

„Wieso habt ihr das überhaupt getan?“, fragte Kaiba. Jetzt war seine Stimme wieder ruhig und gefasst, aber so kalt, dass es einem fast noch mehr Angst machte. Er bekam keine Antwort, aber ich hatte den Blick bemerkt, den Tea mir zugeworfen hatte und ich konnte mir denken, dass Seto diese stille Botschaft auch kapiert hatte.
 

„Na toll, jetzt bin ich auch noch der Grund dafür, dass die beiden auf diese dämliche Idee gekommen sind“, schoss es mir durch den Kopf. Zum Glück dauerte diese peinliche Stille nicht lange, denn in genau dem Moment, als das Schweigen kaum noch auszuhalten war, trat der Arzt aus dem Krankenzimmer.
 

„Wie geht es ihm?“, fragte Joey.

„Wann können wir zu ihm?“, wollte Tea wissen.

Beide redeten zur gleichen Zeit und völlig durcheinander. Der arme Arzt fühlte sich wahrscheinlich überfordert, denn er trat einige Schritte zurück.
 

„Ihren Freund geht es gut“, sagte er sehr nüchtern. „Anscheinend waren alle seine Schutzengel im Einsatz. Er hat eine Fraktur des Linken Fußknöchels, einige angeknackste Rippen und Prellungen. Das was mir derzeitig Sorgen macht ist seine Gehirnerschütterung und das Schädeltrauma.“
 

Als der Arzt sagte, er machte sich deswegen Sorgen blieb mir zum mindestens hundertsten Mal an diesem Tag das Herz stehen. Ich fragte mich ehrlich, wie oft ich das mitmachen konnte.
 

„Was Ihre zweite Frage angeht. Wir haben Herrn Athem gerade ein Schmerzmittel gegeben. Es wirkt auch gleichzeitig beruhigend. Das heißt er wird bald eingeschlafen sein und er braucht diese Ruhe auch. Der arme Junge muss in letzter Zeit sehr gestresst gewesen sein. Seine Werte sind nicht gerade die gesündesten. Einer von Ihnen darf zu Herrn Athem hinein“, wies der Arzt uns an.
 

Sofort begannen Tea und Joey sich darum zu streiten, wer denn nun ins Krankenzimmer gehen durfte. Wie Geschwister. Fünfjährige. Dem Doktor wurde es irgendwann zu bunt und er fragte: „Wer von Ihnen ist Herr Muto?“
 

Überrascht schaute ich ihn an. Was wollte er jetzt von mir?

„I…ich bin Yugi…Yugi Muto“, meinte ich zaghaft.

„Gut, dann können Sie jetzt zu Herrn Athem gehen.“

„Wie…wieso ich?“

„Nun, zum einen sind Sie die Person, die im Notfall benachrichtigt werden soll, laut den Angaben des Patienten und zum anderen scheint er Sie sehen zu wollen, denn Herr Athem hat einige Male ihren Namen gemurmelt.“
 

Es überraschte mich, dass ich immer noch die Notfallkontaktperson von Yami war. Das hatte er so eintragen lassen, als wir noch eine Beziehung führten. Ich dachte er hätte mich längst ersetzen lassen.
 

Der Arzt öffnete die Tür einen Spalt breit und winkte mich heran. Ohne nachzudenken ging ich hinein. Ich spürte nur wieder Teas und Joeys durchdringenden Blick auf mir. Als die Tür sich hinter mir schloss, fühlte ich mich wie ein Gefangener. Es war so still und so unnatürlich hell in diesem Raum. Das Geräusch meiner eigenen Schritte auf dem Linoleum erschreckten mich.
 

Yami sah so blass aus. Gar nicht so wie immer. Die dunklen Ringe unter seinen Augen, die ich schon seit so langer Zeit bemerkt hatte, wirkten jetzt noch um so vieles tiefer und dunkler. Er schlief sehr schlecht. Ich weiß nicht, ob es an der Trennung lag, aber das ging schon seit zwei Jahren so.
 

Ich streckte meine Hand aus und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Finger fuhren über seine Haut und strichen seine Wange. Yami wirkte so zerbrechlich. Irgendwie so gar nicht wie der tollkühne Extremsportler. Mir entwich ein leiser Seufzer.
 

Seine Lider flatterten und er öffnete die Augen. Sie waren trüb. So als könnte er nicht richtig sehen. Ich dachte mir, dass es an den Schmermittel liegen könnte.

„Yu…Yugi?“, sagte er leise, als hätte er nur genug Kraft um zu flüstern.

„Hey“, antworte ich ihm genau so leise. „Ja, ich bin hier.“
 

Er schenkte mir ein schwaches Lächeln.

„Das ist gut. Ich hatte was ganz Verrücktes geträumt.“

Sein ganzer Körper vibrierte, als er lachte. Ein amüsiertes Lachen. So als würde er gar nicht glauben, was er geträumt hatte.

„Was denn?“, fragte ich zurück.

„Du wolltest gehen. Du wolltest aus dem Team aussteigen und nach Hause zurückgehen. Ich habe dich gehen lassen. Ich habe es gewusst und dich gehen lassen. So dumm war ich. Ich habe nicht gekämpft. Habe es mir vorgenommen. Du hast gesagt, du kannst nicht – willst nicht bleiben und ich habe die Augen geschlossen. Als ich sie wieder öffnete warst du weg und ich…“
 

Den Rest des Satzes hörte nicht, denn Yami döste kurz weg. Die Schmertabletten begannen zu wirken.

„Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie.“

Es war nicht mehr als ein Hauchen, aber in der unnatürlichen Stille des Zimmers konnte ich es ganz genau verstehen.
 

„Keine Angst. Ich bin hier und gehe hier nicht weg“, sagte ich zu ihm, obwohl ich nicht wusste, ob er mich hören konnte. „Zumindest für eine Weile nicht“, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich glaube, Yami hatte mich doch gehört. Er lehnte sich noch mehr in die Berührung meiner Hand hinein. Eine Versicherung dafür, dass ich wirklich da war.
 

Ich wusste nicht warum er so eine Angst davor hatte, dass ich gehen würde. Es stand schon seit zwei Jahren fest. Es war nur Kaibas Überredungskünsten und den knallharten Klauseln im Vertrag zu verdanken, dass ich diese Welttournee noch mitmachte.
 

Im Endeffekt war es auch egal, denn ich war mir sicher, dass Yami mich höchstpersönlich rausschmeißen würde, wenn er rausfinden würde, dass ich die Verantwortung für diesen Unfall trug. Es war meine Schuld und dazu würde ich stehen müssen. Ich hätte die Daten noch einmal prüfen müssen, doch ich habe mich zu sehr auf Thomas verlassen.
 

In diesem Augenblick jedoch, wollte ich nicht darüber nachdenken. Es war viel zu schön Yami einfach wieder so nah zu sein, ohne mich über ihn ärgern zu müssen. Ohne das er Erwartungen an mich hat oder ich an ihn. Fast so wie diese perfekten Momente von früher. Das wollte ich genießen. So lange es mir noch möglich war
 

tbc…

bad dreams

5. bad dreams
 


 


 

`Ohne dich bin ich verloren´
 

Dieser Satz und das Flackern der Neonröhre hatten mich aus meinem Schlaf geholt. Was hatte dieser verdammte Satz nur zu bedeuten?

Irgendwie fühlte ich mich komisch, meine Gedanken waren wirr und nicht zu ordnen. Alles war anders und so fühlte ich mich auch. Anders. Weiße Karos waren über meinem Kopf zu erkennen, auch wenn ich zweimal schauen musste um zu erkennen, dass es weiße Karos waren. Alles war irgendwie trübe und verschwommen. Ein Ächzen drang über meine Lippen und meine eigene Stimme hörte sich so unheimlich fremd an, dass ich erstmal nachsah ob jemand hier war.

Schnell bemerkte ich, dass ich alleine war und dass es meine Stimme war, die ich da gehört hatte. Was mich zur nächsten Frage brachte. Wo war ich? Dass hier, war sicherlich nicht mein Zimmer in Domino City. Daran würde ich mich erinnern, aber wahrscheinlich war ich so benebelt, dass ich einfach irgendwas verwechselte. Ja genau ich war in einem Traum und bald würde ich wieder aufwachen.
 

Langsam hob ich meinen Arm und bemerkte jetzt dass ich eine Kanüle im Arm hatte.

Was war passiert?
 

Ich legte meinen Arm wieder hin, drehte meinen Kopf zur rechten Seite und sah ihn mir genau an. Was mir sofort auffiel, trotz dass ich verschwommen sah, war ein großes Hämatom am Arm. Verdammt, was hatte ich gemacht?

Deswegen schloss ich meine Augen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Was sich schwieriger erwies als gedacht.
 

"Wie ich sehe, sind Sie wach. Wie geht es Ihnen?",

hörte ich eine, mir fremde, Stimme, die ich allerdings schnell. Ein Mann in einem weißen Kittel tauchte vor mir auf und ich erwartete dass er mir sagen würde, dass ich im Himmel war. Was mich kurz zum schmunzeln brachte.

"...W-wo ist Yugi?"
 

Ja genau, wo war mein Freund? Ich war doch sicherlich nicht alleine hier? Yugi machte sich sicherlich Sorgen um mich, wie immer wenn mir was passiert war. Außer natürlich ich war wirklich tot, dann hoffte ich nicht dass ihm das gleiche widerfahren war.

"Wer?"

"N-Na! E- er... die Person die im Notfall benachrichtigt werden soll ...m-mein Freund."

Der Mann sah mich lange an und nickte dann, ehe er sich neben mich stellte und dann sein Klemmbrett studierte. Wo hatte er dass denn jetzt her? Oder hatte er es sogar die ganze Zeit bei sich und ich war einfach nur zu benebelt um es zu merken?

Wahrscheinlich. Im Moment würde ich nicht mal eine Explosion mitbekommen.
 

Der gute Mann fing an mich zu untersuchen, was mir sagte, dass ich nicht tot war und er ein Arzt war.

Dann besah er sich die Werte auf seinem Blatt Papier und zog ab und an die Stirn in Falten. Über was dachte er nur nach und warum sagte er mir nicht einfach was da genau stand.

"Haben Sie irgendwelche Schmerzen?"

"...Hm? Nein,...ich fühle mich nur...komisch. Ich habe...hatte einen Traum...und mir kribbeln nur die Finger...und überhaupt ist alles...in meinem Kopf wirr...und...wo ist Yugi Muto? Y-Yugi weiß sicher w-was los ist..."

"Fühlen sie sich gut genug um einen Ihrer Freunde zu empfangen?"

Sofort nickte ich schwach, aber bestimmt. Für Yugi fühlte ich mich immer gut genug, egal wie dreckig es mir ging.
 

Mein Körper fühlte sich matt an, erschöpft und müde. Jede Bewegung war ein Akt und jede einfache Bewegung kostete mich viel Kraft. In meinem Traum war ich irgendwo runtergesprungen und war auf dem Asphalt aufgeknallt. Aber, hatte ich das nicht geträumt?

Der Mann ging zu Tür und verschwand in einem Viereck –wahrscheinlich der Tür- aus weiterem gelben Licht. Mich musste es ja echt erwischt haben wenn ich sogar die Tür nicht mehr erkennen konnte.

Bis ich nur ein paar Stimmen hörte, die sich um irgendwas stritten. Jetzt fing mein Hirn auch noch an mir Stimmen vorzugaukeln.
 

Schneller als gedacht wurde es wieder leiser, dass einzige was ich noch schwach hörte war die Stimme des Arztes. Doch dann dämmerte ich auch schon wieder weg, wurde müde, ruhig und hörte meinem eigenen Atem zu.

Kleine Tapser waren dann das nächste was mir ins Ohr drang, als ich mich so ziemlich an die Stille gewöhnt hatte. Irgendwie beruhigten mich diese Schritte. Sie waren anders aber bekannt und so beruhigte mich einfach die bloße Tatsache, dass jemand hier war den ich mochte.

Die Tür war wieder geschlossen worden und jemand war hier. Meine Lider allerdings wollten sich nicht öffnen. Mein Körper war einfach zu müde und wollte schlafen.
 

Ein Blick ruhte auf mir, beobachtete mich und ich wusste nun dass es nur einer sein konnte der hier in dem kahlen weißen Raum war. Zur Gewissheit wurde es allerdings, als ich eine warme und sanfte Hand an meiner Wange spürte Es konnte nur einer sein, der einem so sanft die Wange streichelte. Oft hatte er mich so gestreichelt wenn ich geschlafen hatte. Mein Yugi war da. Yugi hatte mich also nicht verlassen, wie es in meinem Traum der Fall gewesen war.

Leider sagte Yugi nichts, sondern strich mir nur eine Strähne aus dem Gesicht welches sich wohl oder übel verirrt hatte.
 

"Yu...Yugi?",

hauchte ich ganz leise, flüsterte es schon fast weil mein Hals unheimlich trocken war.

Wieso war es so schwer zu sprechen? Wie lange hatte ich nur geschlafen und warum war es vorher viel einfacher gewesen mit dem Arzt zu sprechen?

"Hey"

Mir wurde genauso leise geantwortet. Zwar hörte ich es ziemlich laut, aber ich wusste das mein Freund genauso leise sprach wie ich selbst. Yugi würde mich doch nicht anschreien. Ich freute mich so sehr, dass er hier war. Yugi war schließlich mein Ein und Alles.

"Ja, ich bin hier."
 

Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Yugi war so süß, niemand war so süß wie er. Auch wenn ich wusste, dass er nicht hören konnte was ich dachte kam es mir so vor als könnte er es.

"Das ist gut. Ich hatte was ganz Verrücktes geträumt."

Ja, das hatte ich und dennoch musste ich Lachen, weil er ja hier war und somit war mein Traum nichts weiter als ein Traum gewesen. Mein Unterbewusstsein hatte einfach nur meine Ängste wieder gespiegelt um mir zu zeigen, dass Yugi meine große Liebe war.
 

"Was denn?"

Irgendwie war seine Stimme schon wieder zu weit weg oder kam mir das so vor? Man was war nur mit mir los? Ich war so unsagbar müde, ich fühlte mich schwach und dennoch stark, weil Yugi bei mir war. Meine Lider gingen wie von selbst nach unten.

„Du wolltest gehen. Du wolltest aus dem Team aussteigen und nach Hause zurückgehen. Ich habe dich gehen lassen. Ich habe es gewusst und dich gehen lassen. So dumm war ich. Ich habe nicht gekämpft. Habe es mir vorgenommen. Du hast gesagt, du kannst nicht – willst nicht bleiben und ich habe die Augen geschlossen. Als ich sie wieder öffnete warst du weg und ich…“
 

Dann schlief ich kurz ein. Es war nur ein Sekundenschlaf, aber durch diesen hatte ich wieder jede Menge Kraft gesammelt.

"Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie."

Das war ein Schwur an Yugi, ich würde ihn nie gehen lassen. Innerlich aber wusste ich, dass ich mich selbst belog. Warum auch immer, ich spürte dass ich gelogen hatte. Früher hatte ich mir aber immer geschworen, dass ich Yugi nicht einfach so gehen lassen würde, dass ich alles dafür tun würde dass es ihm gut ging und daran hielt ich fest.

Sofort drückte ich meinen Kopf gegen seine Hand welche immer noch an meiner Wange ruhte und mir Wärme schenkte. Mir war so unsagbar kalt, weil mir seine Nähe fehlte. Mein Körper gierte nach Yugi, als hätte er mindesten 1 Jahr ohne diesen Körper auskommen müssen.
 

"Keine Angst. Ich bin hier und gehe hier nicht weg."

Als er diesen Satz sagte, hörte ich ihn nicht mehr ganz so deutlich und klar, weil ich eingeschlafen war. Doch mein Kopf hatte sich sofort enger an seine Hand gelegt, er spendete mir Wärme und Nähe, die ich so dringend brauchte.
 

************************
 

Irgendwann wachte ich wieder auf, mein Raum war leer und Yugi war weg. Er hatte doch gesagt er würde bleiben.
 

Vielleicht musste er nur schnell auf die Toilette, oder holte sich einen Kakao.

Den trank er ja immer noch am liebsten und wie sehr hatte ich es geliebt ihn zu küssen, wenn er einen Kakao getrunken hatte. Dann hatte er immer noch süßer geschmeckt.
 

Doch ich konnte nicht lange bei diesen süßen Gedanken bleiben, denn ich versuchte immer noch zu verstehen was der Traum mir sagen wollte.

Dieser wiederholte sich nämlich immer wieder vor meinem inneren Auge. Ich wollte Yugi nie verlieren, wollte nicht jemand sein der sich von seinem Stolz leiten lies und doch war ich genauso geworden. Zumindest was ich im Traum sah.

Ich wollte ich sein.

Genau konnte ich Seto Kaibas Worte hören und ich versank wieder in dem Traum:
 


 

Ein großes abgedunkeltes Zimmer, eine mit Satin überzogene Bettdecke und eine nackte Frau auf diesem Bett

Ich konnte es im ersten Moment nicht glauben, dass sie tatsächlich dort schlief. Seufzend strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und sah mich um. Ja okay, wir hatten zwar ein paar Scherze gemacht aber wir waren nie ins Bett miteinander gegangen. An diesem Abend hatte ich mich geweigert neben ihr zu liegen und hatte Bekanntschaft mit der Couch gemacht.
 

Und obwohl ich wusste, dass ich unschuldig war, hatte Yugi gedacht, ich hatte mit ihr geschlafen. Wie konnte er nur so etwas denken? Ich liebte ihn doch nach wie vor und schwul war ich auch noch. Als ob ich da mit einer Frau schlafen könnte, wenn ich doch einen so sündigen Körper bei mir hatte und diesen liebte. Da brauchte ich sicherlich keine Schauspielerin die einfach nur berühmter werden wollte durch mich. Yugi wurde alles für mich bleiben.
 

Seinen ganzen Urlaub war er nicht hier und hatte mich in der Zeit alleine gelassen. Ich war sogar verletzt gewesen, weil ich mich durch eine Grippe nicht konzentrieren konnte und meine Sprünge ziemlich vermasselte. Mir schmerzte alles was mir schmerzen konnte. Zum einen weil Yugi nicht da war um sich, um mich zu kümmern. Zum anderen weil ich mir der Fuß gebrochen hatte.
 

Bis der Tag kam an dem Yugi mir sagte er wolle nicht mehr mit mir zusammen sein. Meine Welt stürzte an diesem Tag zusammen.

Er sah so verletzt, aber entschlossenm, aus dass ich nicht wusste wie ich reagieren sollte.

War es nur weil ich Karriere gemacht hatte? Weil er mich mit dieser Frau erwischt hatte?

Verwirrt sah ich ihm nach. So war es auch die ganze Zeit gewesen, dass ich verwirrt war und nicht wusste was ich machen sollte bis mich irgendwann Kaiba anrief.
 

Kaiba, hatte sich zu mir gehetzt weil er gerade etwas erfahren hatte was ihn nicht glücklich stimmte. In den Augen, des sonst so kalten Brünetten lag ein gewisses Mitgefühl. Dieses Mitgefühl blitzte in der letzten Zeit immer öfter in seinen kalten Augen auf.

Seit ihm Joey einen Korb gegeben hatte, war der Gute etwas offener geworden. Wahrscheinlich dachte Kaiba nun öfter über sich nach und vielleicht war es auch nicht der beste Weg zum Herzen eines anderen, wenn man versuchte sich mit Geld alles zu erkaufen.
 

Ich hatte mich um Kaiba gekümmert, als dieser nicht verstand warum IHN jemand nicht wollte. Ach, was man dazu sagen musste war, dass er mit Joey geschlafen hatte. Es war nur ein One Nightstand, für Kaiba wahrscheinlich nichts neues, im Gegensatz zu Joey.

Ich hatte an dem Tag als es passiert war, ein Meeting und konnte Kaiba aus der Bar wo er sich betrunken hatte nicht abholen. So rief ich Joey an und sagte ihm, dass er doch bitte Seto Kaiba abholen sollte. Ja, der Blonde hatte sich ziemlich gewehrt und gemotzt und gejammert, dass er immer so einen Scheiß machen müsse.
 

Aber dennoch hatten sich die beiden anscheinend gut verstanden und waren schlussendlich im Bett gelandet. Unser Geheimnis, welches Schuld daran war dass ich Joey ab und an erpresste, hatte mir bisher immer gute Dienste geleistet.

Schließlich könnte ich Seto Kaiba einiges verraten was der Blonde gerne mochte, gerne ass oder trank. Was ihn willenlos machte und was ihn ganz heiß werden lies. Woher ich das wusste? Na auch Joey hatte Ex-Freundinnen, die ziemlich offen bei solchen Sex-Gesprächen waren.
 

Der kühle Brünette hatte sich echt viel einfallen lassen, um Joey rum zu bekommen. Aber für Joey war es eine Nacht, ein One Night Stand.

Er wollte nicht mit Kaiba zusammen sein weil er diesen für beziehungsunfähig hielt.

Selbst als Kaiba ihn direkt noch mal fragte, hatte ihm Joey nur eine harte Abfuhr erteilt und ihm gesagt, dass sie, ich zitiere: "Nie-, nie-, nie- niemals" zusammen kommen würden.

Was für Kaiba ein wahrer Schlag ins Gesicht war.
 

Selbst heute wusste man zwischen den beiden nicht so recht, was war. Es war ein stetes Katz- und Mausspiel was die beiden veranstalteten. Ab und an verstanden sie sich einigermaßen gut, schon war das am nächsten Tag wieder vergessen und sie zofften sich wieder.
 

Kurz nachdem Kaiba und Joey miteinander geschlafen hatten, hatten Yugi und ich unsere Beziehung beendet. Der kühle Brünette war damals derjenige gewesen der mir zuhörte. So wie ich für ihn damals.

Ich konnte mich gut an einen Abend erinnern als wir zusammen getrunken hatten und sich Kaiba bei mir ausgejammert hatte, dass ihm Joey doch wichtig war, während ich mich bei ihm ausgejammert hatte, dass ich Yugi wieder haben wollte.
 

"Was hast du gemacht?",

zischte mich der Brünette an, was mich sofort zusammenzucken lies. Was war dem denn über die Leber gelaufen? Hatte Joey ihm mal wieder eine Abfuhr erteilt weil er nicht mit ihm Essen gehen wollte?

"Was meinst du?"
 

"Yugi will gehen."

Meine Augenbraue schnellte in die Höhe und ich musste kurz lachen. Yugi würde nicht gehen wollen, denn wir beide wollten doch schließlich Karriere machen.

Mensch Kaiba machte wirklich Witze, der konnte ja echt lustig sein.

Doch als es still blieb und mich der braunhaarige immer noch so ansah, da wusste ich dass er keinen Scherz machte.

"Er kam heute zu mir ins Büro und wollte aus dem Vertrag aussteigen. Weil der Vertrag allerdings ziemlich streng ist, muss er noch so lange bleiben bis die Welttournee vorbei ist. Du hast bis dahin Zeit Yami. Er geht Yami."
 

Irgendwas in mir stürzte zusammen. Meine Lippen bögen sich zu einem Lächeln, weil ich dachte er machte nur wieder Scherze mit mir. Doch ich sollte feststellen, dass das kein Scherz war, denn irgendwo in mir drinnen da wusste ich, dass er recht hatte. Yugi wollte also gehen, wollte mich alleine lassen.

"D -das kann nicht sein. Y -Yugi liebt mich doch...ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst wegen damals, ...aber das kann er doch nicht machen!",

schrie ich ihm verzweifelt zu. Yugi konnte nicht gehen. Nein, ich liebte ihn doch immer noch, nach wie vor. Warum wollte dieser süße, kleine Sturkopf nicht verstehen, dass es in meinem Leben nur ihn gab.
 

"Du hast Zeit solange die Welttournee ist. Da hast du noch einige Zeit...aber mehr kann ich nicht für dich tun. Du solltest dich vielleicht erinnern wie du warst bevor du so berühmt geworden bist, vielleicht wird es dann besser."

Tss! Kaiba hatte doch gar keine Ahnung.

Ich war stolz auf meine Karriere und sollte wieder der werden, der einfach nur leichtsinnig und mit Spaß an die Sache ranging, weil was anderes eh nicht möglich war als an seinen Traum zu glauben?

Nein, zwar liebte ich Yugi aber meine Karriere wollte ich auch nicht aufgeben. Schließlich hatte ich Jahre gebraucht um berühmt zu werden. Und nur weil Yugi jetzt gehen wollte, änderte ich mich nicht. Ich bin nun mal jetzt einfach so und daran musste er sich gewöhnen.
 

"Ich muss ihn einfach an den Yami gewöhnen der ich jetzt bin."

Ja, Yugi war doch nur eifersüchtig weil ich so berühmt geworden war und er nicht.
 

Als ich diesen Satz dachte, hätte ich mir eine reinhauen können. Ich schämte mich, dass gedacht zu haben. Denn Yugi war immer stolz auf mich, wenn ich einen neuen Sprung erfunden hatte und wenn er das ganze hatte aufnehmen können. Yugi war der einzige dem ich glaubte, dass er nicht auf meine Karriere eifersüchtig war, dabei machte er die ganze Arbeit alleine.

"...er kann...nicht gehen...",

hauchte ich nur, stützte meine Hand in mein Gesicht und lies es darin verweilen. Yugi, wollte mich verlassen.
 

Da wurde mir bewusst, was ich verlieren sollte und ich merkte wie mir meine Gefühle hochkamen. Yugi liebte mich nicht mehr und wollte aussteigen, weil ich ihn zutiefst verletzt hatte.

Wenn ich ehrlich war, konnte ich ihn verstehen.

Mir wurden die Augen feucht, weil mir erst jetzt auffiel, was ich verlieren konnte.
 

"Du kannst es noch rumreißen, also hör auf in deinem Selbstmitleid zu zergehen und mach endlich was. Sonst nimmt ihn dir irgendjemand weg und dass kann schneller passieren als du meinst."

Kaiba hatte recht.
 

Immer wieder hatte ich versucht ihn für mich zu gewinnen, bis wir uns irgendwann gegenüber standen. Sanft lächelte ich ihm zu, wollte nach seiner Hand greifen. Doch Yugi sah mich nur mit diesem enttäuschtem Gesichtsausdruck an.

Seufzend schloss ich die Augen, suchte nach den richtigen Worten für eine Entschuldigung. Doch leider wollten mir keine Einfallen.

Als ich dann die Augen öffnete, war er weg.
 

Hektisch sah ich mich um, suchte nach ihm. Bald gab ich es allerdings auf. Yugi hatte mich verlassen.

Er hatte mich alleine gelassen und dabei war das doch meine größte Angst.
 

**************************
 

"Hmm ...gut, dass das nur ein Traum war...",

murmelte ich benommen vor mich hin. Meine Glieder waren schwer und selbst meine Finger zu bewegen fiel mir nicht leicht. Müde wollte ich meine Augenlider senken. Doch dazu kam ich gar nicht, weil die Tür aufging und Yugi mit einem braunen Becher als Begleitung hereinkam.

Wusste ichs doch, er hatte einfach was zu trinken gebraucht..
 

"Du bist wieder wach?",

fragte er leise und setzte sich auf den Stuhl welcher rechts neben meinem Bett stand. Sofort schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, ehe ich nickte. Die Neonlampen blendeten mich noch immer und sie waren immer noch viel zu hell. Aber so strahlten Yugis Haare irgendwie noch mehr. Man ich musste ja ziemlich was am Kopf haben, wenn mir so was auffiel.

"J-Ja bin grade aufgewacht..."
 

Yugi nickte nur und rutschte irgendwie nervös auf seinem Stuhl herum. Was hatte er denn? Wir waren doch zusammen, da konnte er mir doch alles sagen, was ihn belastete.

"Was...hast du d-denn?",

hauchte ich leise, bis ich meine Hand ausstreckte und sie sanft auf seine legte, welche auf seinem Knie ruhte. Auch wenn ich zwei Versuche brauchte um die Hand zu treffen.

Sanft hielt ich seine Hand, strich mit dem Daumen über seinen Handrücken, damit er endlich mit der Sprache herausrückte.
 

"Ich hoffe nur dass du bald wieder gesund wirst..."

Das war mein Yugi, er machte sich immer Sorgen um mich und wollte dass es mir schnell wieder besser ging. Ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich wünschte mir im Moment nichts mehr, als dass er mich küsste. Sachte streichelte ich weiter seine Hand, genoss das Gefühl seiner Wärme und wäre beinah wieder eingeschlafen, hätte mich Yugi nicht angesprochen.

"Gehts dir denn besser, Yami?"
 

Seine Stimme war Balsam für meine Seele und so lächelte ich wieder. Wieso fühlte es sich so an als hätte ich schon lange nicht mehr so gelächelt? Mein innerstes sehnte sich danach, wieder wie immer lachen zu können.

Sanft nickte ich, soweit es mein Körper irgendwie zuließ.

"Ja...ich bin nur die ganze Zeit so müde.",

hauchte ich leise.
 

"Das sind die Beruhigungs- und Schmerztabletten Yami."

Ach, dass waren die Pillen die ich schlucken musste. Da hatte ich gar nicht drauf geachtet, wenn ich ehrlich war. Aber ich musste zugeben, ich war innerlich viel ruhiger.

"Aha. … Yugi?"
 

Ein kurzes Schweigen trat ein und wenn ich ehrlich war, genoss ich diese Zeit auch wenn Sie sehr kurz war.

"Ja, was denn?"

Konnte ich Unsicherheit in seiner Stimme hören? Dazu verkrampfte er seine Hand in seiner Hose. Hatte er schon wieder vergessen, dass ich seine Hand hielt und es spürte dass er sich verkrampfte? Egal.

"Küss mich."
 

Yugi tat nichts, außer sich verkrampfen und zu schweigen. Was war denn jetzt?

Also eigentlich waren wir doch zusammen und da konnte man sich doch einen Kuss geben. Dachte ich.

Lange sah ich ihn an und mir viel wieder auf, was für wunderschöne Augen er doch hatte. Wegen diesen Augen hatte ich mich in ihn verliebt..

Man merkte an seinen Augen wie es ihm ging, wenn er sauer war, wenn er traurig war oder wenn er wunschlos glücklich war.

Doch jetzt verrieten sie, dass er verwirrt war, dass er nicht wusste was er machen sollte. Bis er sich auf die Unterlippe biss.

"Du musst nicht, wenn du nicht willst..."
 

Das verletzte mich ziemlich und nun war ich auch ziemlich verwirrt und wusste nicht was das sollte. Schließlich liebte ich Yugi und er mich. Allerdings verhielt er sich mehr wie der Yugi in meinem Traum, der, der abweisend zu mir war weil ich einen Fehler begangen hatte.

Den ich eigentlich nicht begangen hatte, schließlich hatte ich nie mit dieser Tusse geschlafen. Zumindest nach diesen Traum.
 

"Du hast gesagt...dass du hier bleibst...bleibst du auch wirklich hier? Muss ich keine Angst haben, dass du einfach weg bist? Dieser Traum, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich liebe dich...ich habe dich immer geliebt und ich werde dich immer lieben. Egal, was passiert...k -kannst du dich erinnern, damals? Als wir im Gras lagen und uns das erste mal geküsst haben? Das war so schön, dass werde ich nie vergessen...u-"

Ich konnte nicht zu Ende sprechen, denn mein Yugi küsste mich endlich. Nur leicht, aber dennoch konnte ich spüren wie glücklich ich damit war, dass er mich küsste. Irgendwie kam es mir so vor, als wäre es Jahre her dass er mich zuletzt geküsst hatte.
 

Nur langsam konnte ich meine Hand heben um sie an seine Wange zu legen. Vorsichtig und sanft streichelte ich seine zarte Haut und mich durchfuhr ein warmer Schauder. Leider verging der Kuss genauso schnell wie er kam.

Yugi löste sich von mir und sah mir lange in die Augen. Ich genoss den Augenblick, denn er zeigte mir dass wir zusammen gehörten.

"Egal, was ich tun werde...ich werde dich immer lieben..."

Yugi sah noch verwirrter aus als vor dem Kuss, er sah mich so an als könne er sich selbst nicht verstehen, warum er mich geküsst hatte. Wie gern hätte ich gewusst was ihn plagte.
 

Bis meine schweren Lider sich senkten und ich nur merkte wie alles schwarz wurde.
 

Ich hasste den Traum- Yami dafür, dass er Yugi hatte gehen lassen. Er hatte nicht gekämpft um die einzigartige Liebe, weil er lieber seinen falschen Stolz mit sich rum trug.

Dieser falsche Stolz, der den Traum- Yami selbst zerfrass, weil er die Liebe zu Yugi brauchte zum Leben. Dennoch hatte er ihn gehen lassen, weil er feige war. Wieso hatte er das getan? Ich verstand das nicht und wieso dachte ich so darüber nach... und warum tat mir der Kopf so weh?
 

***************
 

Unsanft wurde ich aus meinem Schlaf gerissen, denn jemand räumte ziemlich lautstark irgendwelche Sachen ein. Murrend öffnete ich die Augen und keuchte dann erstmal auf, weil mir mein ganzer Körper weh tat. Ich spürte jeden Muskel, jeden Knochen.

"Ugh..."

Ich kam mir vor als hätte ich mindestens 2 Tage geschlafen, so gerädert fühlte ich mich. Sofort drehte sich eine Dame um, eilte zu mir ans Bett und sah mich lange an.

"Gehts Ihnen gut? Ich hole gleich mal den Doktor!"

Ja okay, sollte sie, aber dann sollte sie nicht so schreien das vertrug ich jetzt nämlich gar nicht. Sie war auch schon aus der Tür verschwunden und keine 2 Minuten später kam auch der Arzt mit der Schwester mit.
 

"Endlich sind Sie wieder wach. Sie sind vor 2 Tagen wegen der Gehirnerschütterung ohnmächtig geworden, wie geht es Ihnen?"

Man warum redeten die alle so laut, gabs ja wohl nicht dass man mich so ansprach.

"Ja, es geht...mein Kopf brummt. Mir tut der Rest aber auch nicht minder weh.",

murrte ich nur weiter und strich mir durch mein Haar, welches in meinem Gesicht wirr umher flog. Man, sonst waren die doch auch nicht so widerspenstig. Wo war Tea wenn man sie brauchte, sie und ihre ständigen Begleiter Herr Haarspray und Frau Kamm?

"Was ist passiert? Warum bin ich hier?"
 

"...? Ähm,...Sie sind bei dem Sprung von der Kirche auf den Boden aufgeknallt. Sie haben eine Fraktur am linken Fußknöchel, die Rippen sind angeknackst und Prellungen. Dazu noch eine Gehirnerschütterung und ein Schädeltrauma. Also nichts womit zu spaßen ist. Sie brauchen jetzt erstmal eine Auszeit, bis diese ganzen Verletzungen verheilt sind. Wir haben jetzt die Schmerzmittel verringert, da die Dosis ein bisschen zu hoch war."

Man, da hatte ich mir aber echt viele Verletzungen zugezogen und das nur weil mich dieses dumme Lied so aus der Fassung gebracht hatte. Das wäre mir sonst nie passiert. Hätte der Song nicht zu Yugi und mir gepasst, wäre ich wahrscheinlich gar nicht so verwirrt gewesen. Das mit den Schmerzmitteln tat ich einfach ab wie es war.
 

„Dürfte ich mir eine Frage erlauben, Herr Athem?“

Seufzend nickte ich dem Arzt also zu.

Der Arzt schickte die Schwester raus und ich sah ihn lange an, als er den Stuhl an mein Bett zog. Was wollte er denn jetzt? Wollte er mich belehren, mit dem Parkour aufzuhören? Das konnte er gleich vergessen, ich würde niemals damit aufhören. Wofür hatte ich all die Jahre hart trainiert?
 

"Was ist das für eine Verletzung an Ihrem rechten Fuß?"

Sofort zuckte ich zusammen. Woher wusste er von meiner Verletzung? Der Fuß machte mir zwar noch starke Probleme, aber doch nicht so sehr dass man es sah. Woher also wusste er das?

"Keine Ahnung."

"...ich hätte mit einer besseren Ausrede gerechnet als "Keine Ahnung". Also was ist das für eine Verletzung?"

"Mrr…Der Fuß war vor Jahren verstaucht gewesen. Gut, ich hatte ihn auch gebrochen gehabt, aber er macht mir keine Probleme."

Gut, das war gelogen. Er schmerzte, ziemlich oft sogar.

"Wenn einem Arzt das auffällt, kann ich nicht glauben dass das stimmt. Der Fuß macht Ihnen Probleme, weil der Knochen nicht ausreichend geheilt ist. Das nennt man eine Pseudarthrose*"
 

"Eine was?"

Ts, nur weil mir der Fuß ein paar Probleme machte musste das ja wohl keine Krankheit sein, wie der Herr Doktor meinte. Eine Pseu...Pseudings hatte ich sicherlich nicht.

"Eine Pseudarthrose.",

antwortete er mir, zog die Decke weg und legte meinen rechten Fuß frei, um mir mit seinem Kugelschreiber zu zeigen wo diese Pseudarrose lag. Oder wie hieß das?

"Genau hier. Tut sicherlich höllisch weh, sie brauchen mir also nicht erzählen, dass der Fuß nicht wehtut. Ich wette mit Ihnen wenn ich das mache....dann..."

"AHH!",

schrie ich auf da der Arzt seine Hand auf meinen Fuß legte und ziemlich bestimmt diesen nach oben drückte. Gut! Das tat weh und?

"...schreien Sie. Herr Athem ich lege Ihnen ans Herz, die Pseudarthrose operieren zu lassen. Sonst können Sie in einigen Jahren, dass mit dem Parkour vergessen. Und somit auch ihre Karriere"
 

Schluckend beobachtete ich ihn und konnte nicht glauben, dass er das sagte. Sollte ich jetzt lachen? Sofort sah ich auf meinen Fuß, oder eher zu meinen beiden geschundenen Füßen. Meine Augenbrauen waren angezogen, gut ja er schmerzte mich ab und an, aber diesen jetzt operieren lassen? Gut ich lag zwar im Krankenhaus, wie ich sah, aber nur wegen dieser Verletzung musste ich doch nicht länger bleiben. Die hatte ich bisher auch ganz ignorieren können.
 

"Überlegen Sie es sich. Noch ist es nicht zu spät. Ich kann keinen meiner Patienten zu so einem Schritt zwingen, aber ich würde es Ihnen ans Herz legen."

Er klopfte mir sanft auf den Fuß und stand dann wieder auf.

"Herr Muto wartet draußen, soll ich ihn reinlassen oder fühlen Sie sich noch nicht so gut?"
 

Für Yugi fühlte ich mich immer gut.

Aber warum war er hier?

Na gut, er machte sich Sorgen um mich wie immer wenn ich fiel. Und vor allem dann wenn mir mal eben eine Gehirnerschütterung zuzog und mir die Rippen anknackste. Wenn ich so was machte dann richtig, damit sich Yugi wenigstens richtig Sorgen um mich machen konnte.

"Lassen Sie ihn rein. Mir ist nur ein bisschen schwindlig..."
 

"Wie sie wünschen, alles auf Ihre Verantwortung Herr Athem."

Irgendwie hatte mich der Arzt doch auf dem Kicker, so was konnte er sich doch nicht einfach rausnehmen. Der wollte doch nur dass ich mich operieren lies.

"Wie ist überhaupt Ihr Name, Herr Doktor.",

sagte ich mit Betonung auf `Herr Doktor´.

Trocken lachte er auf und schüttelte dann den Kopf, bis er direkt schon vor der Tür stand. Gott, der war da jetzt aber schnell hingekommen, dass hatte ich so gar nicht bemerkt.

"Freut mich, dass es Ihnen so einigermaßen gut geht und sie wieder frech sein können."

Mensch ich war doch nicht frech, der verstand einfach nur keinen Spaß. Eine kurze Pause folgte, bis er wieder weiter sprach.

"Meine Name, Herr Athem, ist Dr. Legrand. Ich lass dann mal Ihren süßen Freund rein."
 

Irgendwie war mir der Kerl mehr als nur unsympathisch, aber dann auch wieder nicht. Was mich allerdings nervte war die Tatsache, dass er meinen Yugi als süß betitelte, er war mein Süßer!

Die Tür hatte er offen gelassen und so hörte ich nur wie er Yugi hereinbittete und ihm kurz meinen Zustand mitteilte. Yugi kam herein und zog eine ziemliche Schnute.

Was hatte er denn? Mensch hoffentlich freute er sich, dass ich wieder wach war wenn ich schon 2 Tage ohnmächtig war. Lange stand er vor meinem Bett und sah mich einfach an, sah mir in die Augen, suchte etwas. Schien es aber nicht zu finden, denn er zog die Augenbrauen zusammen.

"Ich hab doch gesagt...ich lass dich nicht alleine.",

hauchte er leise. Meine Augenbrauen schnellten in die Höhe. Hä? Was war denn jetzt mit ihm los?
 

"Hab doch nichts gesagt...? Aber ich freu mich wenn du mich besuchst."

Gut, das war vielleicht etwas...unklug, dass ich ihm so was sagte, denn sofort erkannte ich wieder den Ärger in seinen Augen. Mensch, bei Yugi machte ich echt alles falsch was ich falsch machen konnte. Seufzend legte ich meinen Kopf ins Kissen und schloss dann meine Augen.

"Wie gehts dir?"
 

"Hm,...den Umständen entsprechend. Bin ja anscheinend ziemlich stillvoll auf den Boden geknallt..."

Auch ein Schmunzeln zeigte sich auf meinen Lippen. Das war nicht lustig, dass war es wirklich nicht. Aber vor meinem Yugi wollte ich keine Schwäche zeigen, ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich Schmerzen hatte. Er sollte sich nicht noch mehr Sorgen um mich machen, als er es schon tat. Yugi, sollte einfach wieder er selbst sein und sein Leben gehen. Mit mir ging das nicht, nicht solange ich Parkour betrieb.

"Manchmal kannst du ein richtiges Arschloch sein."
 

Das wusste ich, Yugi.

Dachte ich nur, weil wir beide wussten, dass ich seitdem ich meine Karriere startete einfach anders war. Mein Stolz war ins unermessliche gestiegen und war erst bei der Abfuhr und bei dem Sprung gebröckelt. Mein Ex-Freund sollte das nicht bemerken.

"Alle haben sich um dich gesorgt! Sogar Kaiba war ganz aufgebracht! Und du denkst nur daran dass du "stillvoll" auf den Boden aufgeknallt bist!"
 

"Ich bin verloren ohne dich"
 

Hallte es in meinem Kopf auf einmal. Schon wieder diese Textstelle.

Allerdings ich konnte nichts weiter tun als Lächeln. Ich wollte Yugi nicht verlieren, wusste aber dass ich meinen Stolz ablegen musste um ihn wieder für mich zu gewinnen. Yugi wusste doch gar nicht was er in mir bauslöste, wie sehr mich diese Worte aus dem Lied berührten und wie sehr sie mich in den Abgrund hatten stürzen lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Seufzend schloss ich die Augen, wollte einfach nur alles vergessen.

Bald war die Welttournee vorbei und dann war Yugi weg, wie sollte ich es noch schaffen ihn davon zu überzeugen, dass ich ihn immer noch liebte. Nach allem was passiert war.

"Tut mir Leid, sollte nicht so rüberkommen."
 

Ein kleines Stück wollte ich mich ihm annähern. Ich wollte wieder der Yami werden, der ich war bevor ich ein "Star" wurde. Einfach Yugis Yami.

Ich hörte meinen Ex seufzen, um keine zwei Sekunden später seine Finger in meinem Haar zu spüren. Er strich mir die Strähnen weg die mich vorher so gestört hatten. Zwar hatten sie mich im Moment nicht gestört, weil ich mich nicht auf meine Haare konzentrierte. Aber es berührte mich, dass er genau diese Strähnen weg strich, dass er nach Jahren noch immer wusste was mich störte oder nervte. Ohne, dass auch nur ein Wort über meine Lippen kam.

Diese kleine aber doch so starke Berührung zeigte mir wie sehr ich Yugi wollte. Denn mein Körper verlangte nach seinen Berührungen und nur er konnte mich glücklich machen.
 

Ich spürte nur wie mir die Tränen kamen, weil ich Yugi nicht verlieren wollte. Ich wollte Yugi nicht verlieren. Aber ich würde es nicht schaffen in dieser kurzen Zeit meinen Stolz ablegen zu können.

Warum ging es nicht? Fragen über Fragen bildeten sich in meinem Kopf, die ich alle nicht beantworten konnte weil ich es nicht wusste. Yugi hatte mir eine Abfuhr erteilt, als ich ihn geküsst hatte. Was wollte er denn noch mehr?

Nichts mehr wusste ich, nur dass ich verwirrt war. Ich wusste nicht mehr wie ich um Yugi kämpfen sollte.
 

Still sassen wir nebeneinander, sprachen kein einziges Wort bis es Yugi anscheinend zu dumm wurde und er sich verabschiedete. Joey und Tea wollten mich auch noch sprechen, so waren seine Worte.

Als er aufstand ohne mich noch einmal anzusehen, wollte ich nach seiner Hand greifen. Jedoch stoppte ich auf halbem Wege und legte die Hand wieder auf die weiße Bettdecke.

Kaum das Yugi den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fühlte ich mich alleine. Ich fühlte mich verloren ohne ihn.
 

Allerdings war ich nicht lange alleine um mich in meinem Selbstmitleid zu suhlen, denn Joey und Tea kamen nach ungefähr einer halben Stunde mit einem Strauß Blumen vorbei. Dazu eine Karte mit Glückwünschen vom ganzen Team. Wenigstens lenkten mich die beiden ab und ja so vergas ich wenigstens ein paar Minuten die Schmerzen. Es wurden die normalen Gespräche geführt. Hauptsächlich ein `Wie gehts dir?´, `Hast du Schmerzen?´ und ein `Man wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht! Gut dass es dir wieder besser geht.´ hörte ich von den beiden.
 

"Yugi war total komisch, nachdem er das erste Mal bei dir war. Total verwirrt und so.",

sagte der Blonde nur, ehe er sich auf das Knie klopfte. Wahrscheinlich war da ein Fleck oder so, weshalb er da rumhantierte.

"Ja, er hat nur irgendwas gemurmelt von wegen `Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie....Tss dass ich nicht lache´.",

erläuterte Tea, die sich am Krankenbett abstützte ehe sie sich auf mein Bett setzte. Bedacht mir nicht wehzutun, indem sie sich nicht mit ihrem Hintern zufällig auf einen meiner Körperteile setze.

"Ich hab keine Ahnung...was ihr meint, ich war wahrscheinlich zu benebelt von den starken Medikamenten."
 

`Ich lass dich nicht gehen. Nie.´

Das. Hatte ich sicherlich nie gesagt, dafür wäre mein Ego gar nicht im Stande. Auch wenn ich wusste, dass sich Yugi das wünschte. Vielleicht wünschte er sich ja, dass ich ihn in meine Arme nahm und nicht mehr losließ. Vielleicht, vielleicht und noch mal vielleicht.

"Was war das für ein Lied?"
 

Tea zuckte zusammen, sah auf den Boden genauso wie mein bester Freund. Mensch, die beiden dachten doch nicht ich würde sie zusammenscheißen, deswegen? Ich lachte leise und legte meinen Kopf einfach zur Seite.

"Also?"

Tea seufzte und sah mich dann lange an.

"Ich wars. Aber ich wusste nicht, dass du so abgelenkt warst, hätte ich das gewusst dann hätte ich Joey nicht..."

Doch ich schüttelte nur den Kopf, damit sie schweigen sollte. Davon wollte ich jetzt sicherlich nichts hören.
 

"Kannst du mir das Lied besorgen?"

Die Brünette starrte mich an als hätte ich einen geschmacklosen Witz auf ihre Kosten gemacht. Bis sie allerdings leicht lächelte und nickte. Dieses Lied hatte mich berührt und wenn ich es öfter hörte, konnte ich mir vielleicht was überlegen wie ich Yugi zurückhaben konnte. Denn mehr wollte ich ja nicht.

"Es war sehr schön, leider habt ihr es im falschen Moment eingespielt. Sonst hätte ich gecheckt, dass es zu niedrig war zum springen. Wahrscheinlich hätte ich dann nicht den Boden geküsst."

Schweigend betrachteten mich die beiden, ehe sie doch schmunzelten.

Zumindest meinen komischen Humor hatte ich nicht verloren, der würde mir wahrscheinlich immer bleiben.
 

"Ist Kaiba sehr sauer?"

Genau Joey´s Thema, denn der reagierte sofort und seufzte. Da hatte ich ihm wohl nen Freischuss verpasst.

"Sehr sauer ist noch untertrieben, der hat mich die ganze Zeit angemault und angemotzt. Bah schrecklich. Se-...Kaiba kann ziemlich nerven was das angeht. Also lustig war es auf keinen Fall."

Wenn Joey nur wüsste, was ich alles weiß. Wahrscheinlich hatte Kaiba ihn wieder angeflirtet und wollte dass sie miteinander essen gingen, als Ausgleich dafür dass er ihn nicht feuerte. Doch weil Joey ihm mal wieder einen Krob gegeben hatte, war er sauer geworden und hatte ihn angemotzt weil er nicht verstand, warum der Blonde nicht wollte.

Darüber musste ich einfach leise lachen, weil das irgendwie typisch für die beiden war.
 

Nach einer langen Woche in der ich Unmengen an Besuch bekam, allerdings fragte ich mich, warum ich schon so vielen bekam. Eigentlich sollte ich mich doch schonen. Im Endeffekt war es mir ja egal, denn ich hatte keine Langeweile und konnte mich noch amüsieren.

Dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich am Abend noch einer besuchen würde. Von jenem jungen Mann hätte ich es wahrscheinlich am wenigsten erwartet dass er kam.

Mein ganzer Körper war übermüdet, dass merkte ich aber ich konnte nicht schlafen. Irgendwas hielt mich auf einzuschlafen.

Plötzlich klopfte es.

Seufzend streckte ich meinen Kopf hoch, ehe ich ein `Herein´ von mir gab und die Tür auch aufgemacht wurde. Als ich die Blonden Haare jedoch erblickte, wünschte ich mir es nie gesagt zu haben.
 

"Guten Tag."

Was wollte dieser blonde Sunnyboy hier? Der hatte in meinem Zimmer absolut nichts verloren, wegen ihm hatte ich schon genug Schmerzen. Schmerzen die nicht hätten sein müssen.

"Hi.."

Wir starrten uns an, bis er sich auf den Stuhl neben meinem Bett setzte und die Hände auf seine Oberschenkel legte um sich vorzubeugen.

"Ich hoffe Ihnen geht es soweit gut, Herr Athem."
 

Er hatte mich noch nie mit einem so abfälligen Ton in der Stimme angesprochen.Deswegen war es mir auch nicht ganz geheuer warum er genau das jetzt tat. Schluckend nickte ich nur und wusste irgendwie dass er was von mir wollte, nur was? Er seufzte strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht ehe er mich anlächelte.

"Ich wollte eigentlich nicht so schnell vorbeikommen. Aber ich will etwas von Ihnen wissen."
 

Noch einer. Da waren ja schon mehrere aufgetaucht und hatten was von mir wissen wollen. War also nicht ganz was Neues. Ich summte kurz und ihm kurz arrogant zulächelte ehe ich ihm zunickte, damit er verstand dass er nun fragen konnte wenn er wollte.

Murrend starrte ich ihn an, ich war wenn ich ehrlich war, sauer darüber was er sich herausnahm.

"Was wollen Sie von Yugi Muto, Herr Athem?"
 

Sofort weiteten sich meine Augen. Ich fragte mich ob ich mich verhört hatte, bis mir bewusst wurde dass ich mich nicht verhörte. Tatsächlich hatte mich Goldlöckchen gefragt was ich von Yugi wollte.

Das ging ihn einen Dünnpfiff an!

"Yugi, ...leidet sehr unter Ihren Anmachen. Ich sehe jedes Mal, dass er traurig ist wenn er am Laptop sitzt und die Aufnahmen bearbeitet, weil er Sie sehen muss. Kein Wunder. Ein Star der tausende von Mädchen hat, und auf einmal macht sich dieser auch noch an ihn heran. Ich will nicht wissen was Sie ihm versprochen haben, oder was Sie ihm ins Ohr gesetzt haben. Aber sie tun ihm nicht weh! Das lasse ich nicht zu."
 

Ich war zum Glück wieder einigermaßen fit und deswegen setzte ich mich auf. Der hatte doch gar keine Ahnung dass ich und Yugi einmal zusammen waren, dass wir uns geliebt hatten, also was wollte er verdammt von mir? Wahrscheinlich war er selbst in meinen Yugi verliebt und konnte es nicht ertragen, dass ich meinen Ex anbaggerte und zurückwollte und mehr Chancen hatte als er.

"Aha. Wie kommst du zu der Annahme, dass ich Yugi anmache? Das ich ihm den Hof mache, Goldlöckchen?",

knurrte ich ihm zu, der sollte ruhig merken dass ich in dieser Sache eklig werden könnte. Auch wenn mir das nie einer abkaufte.
 

"Ich hab Sie gesehen. Wie Sie ihn geküsst haben bei dem Freilauf. Sehr mutig, dass durchzuziehen obwohl so viele andere dabei waren."

Geschockt riss ich wieder meine Augen auf. Was? Er hatte mich bei Yugi gesehen? Das konnte nicht sein. Keiner hatte mich gesehen oder gehört außer Yugi.

Yugi war der einzige der dass gesehen hatte, er hatte ihm doch nichts gesagt. Oder? War es für Yugi wirklich so eine Qual wenn ich ihn anbaggerte, wenn ich ihm zeigte, dass ich ihn liebte? Erschüttert starrte ich auf die Bettdecke.

Yugi wollte gehen, nach der Welttournee. Er wollte abhauen und mich alleine lassen. Sagte dem Goldlöckchen jedoch dass ich ihn geküsst hatte und dass ihm das zuwider war? Ich verstand das nicht.

Warum tat er das?
 

"Hab Euch beide aus Versehen gefilmt und hab das alles gespeichert. Lassen Sie Yugi in Ruhe, oder ich muss leider das Video mit der Ohrfeige weiterleiten. Ist schon scheiße wenn man eine Abfuhr bekommt, nicht wahr? Herr Athem? Sie als so großer Star haben sich verrechnet. Yugi wird niemals was mit Ihnen anfangen."
 

Das schlimmste an der Sache war nicht, dass er mich erpresste. Nein. Sondern die Tatsache dass er recht hatte, Yugi würden niemals wieder etwas mit mir anfangen. Mein Ex-Freund hatte mich nur noch einmal besucht und das war vor 3 Tagen gewesen. Irgendwie hatte er nicht mehr so gewirkt wie er selbst, sondern enttäuscht. Als hätte er sich auf etwas gefreut, was er nicht bekam. Ich hatte die ganze Zeit pure Enttäuschung in seinen Augen gesehen.
 

"Machen Sie, was Sie für richtig halten. Yugi hatte ich mir eh aus dem Kopf geschlagen. Ich wünsche viel Glück und nun verlassen Sie dieses Zimmer."

Meine Hände zitterten wie Espenlaub, weil ich wusste dass ich Yugi ganz verloren hatte. Wieder dieses beschissene Ego, was mich daran hinderte, dass zutun was mein Herz wollte. Denn am liebsten wollte ich ihn anrufen, wollte ihm sagen wie Leid mir das alles täte und wie sehr ich ihn doch brauchte.
 

Sollte Goldlöckchen ihn doch nehmen wenn er ihn wollte.

Und zum aller ersten Mal in den vergangen 2 Jahren, fragte ich mich ob er Yugi das geben konnte was er vermisste.
 

Grenzenlose Liebe.

Die wünschte sich Yugi doch am meisten. Dies was ich ihm nicht geben konnte, als Star weil ich diesen dummen Vertrag unterschrieben hatte.

Goldlöckchen konnte ihn glücklicher machen als ich es jemals hätte tun können.
 

Das Pochen meines Herzens konnte ich so laut hören, wie niemals zu vor. Es schmerzte weil es das wichtigste verloren hatte, was es je hatte.

„Wie heißt du, noch mal?“,

fragte ich kühl.
 

„Thomas, immer noch.“

„Pass auf ihn auf... er ist ein sehr guter Mensch und hat es nicht verdient zu leiden.“

Wieso ich genau diese Worte aussprach, konnte ich mir nicht erklären. Anscheinend erging es Thomas genauso, denn er starrte mich fragend an bis er aufstand. Doch er nahm seinen Blick nicht von mir und ging, sondern starrte mich weiter unentwegt an. Was wollte er noch? Er hatte gewonnen, was wollte er noch mehr?
 

Yugi sollte glücklich sein. Mit mir ging das nicht und deswegen gab ich ihn frei für Thomas. Auch wenn es schmerzte und es mir das Herz zeriss.

Thomas, ging immer noch nicht, sondern starrte mich weiterhin fassungslos an.

„Herr Athem...“
 

Er sollte aufhören zu sprechen, sollte verschwinden und zu Yugi gehen. Yugi hatte sein Glück verdient. Wenn er sich wünschte nach der Tournee zu gehen, dann sollte er das tun. Wenn er sich wünschte mit Thomas zusammen zu sein, dann sollte er das machen.
 

„Sie weinen ja, Herr Athem... “
 

Ich hatte nur Tränen in den Augen, aber weinen würde ich vor diesem Arsch nicht. Es tat einfach nur so unsagbar weh, etwas zu verlieren was man nicht verlieren wollte. Und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich daran schuld war. Einzig und allein ich war Schuld an der ganzen Situation.
 

„...ich bin verloren ohne ihn... es stimmt...“,

hauchte ich nur und lächelte schmerzvoll. Mir tat mein Kopf weh, er pochte und wollte nicht aufhören, genauso wenig wie mein Herz.

Jetzt hatte ich also endgültig mit Yugi abgeschlossen, nur mein Herz wollte noch nicht aufgeben.
 

„Bitte verlassen Sie... jetzt auf der Stelle das Zimmer.“,

zischte ich ihm noch zu, ehe ich mich zurücklegte. Meine Augen waren geschlossen und erst als ich hörte das Thomas meinen Raum verlassen hatte, lies ich los. Ich wusste nicht wie lange ich noch weinte, aber es musste sehr lange gedauert haben
 

*********
 

„WAS? Das kann nicht sein!“,

konnte ich nur meinen besten Freund schreien hören. Ich schaute, schon seit ich aufgewacht war, aus dem Fenster.

„Herr Athem wünscht keinen Besuch. Heute nicht und morgen auch nicht. Tut mir wirklich Leid, aber er hat ausdrücklich darum gebeten. Nur Seto Kaiba hat er Zutritt erlassen“

Ja ich wollte alleine sein.

Langsam streckte ich meine Finger nach dem Nachttisch aus, bis sie sich um den Griff der Schublade legten und an dieser zogen. Als sie offen stand, kramte ich meinen MP3-Player heraus, steckte mir die Stöpsel in die Ohren und schaltete das Gerät ein.

Erst als der Bildschirm leuchtete, hörte ich die Klänge des Liedes welches ich seit gestern durch hörte.
 

Wenn Kaiba kommen würde, würde ich ihm erklären was passiert war, aber jetzt wollte ich weder meine Freunde, noch meinen Ex sehen.

„KAIBA! Beweg deinen Arsch hierher! Yami lässt uns nicht mehr in sein Zimmer und keiner weiß warum! Nur du hast Zutritt sagt die Schwester.“

Man Joey konnte sich echt aufregen wenn er wollte, doch selbst das Verhalten meines Freundes brachte mich nicht zum Lächeln.

„MAN! Joey, man telefoniert nicht im Krankenhaus!“,

hörte ich Tea lautstark. Hatten die beiden vergessen, dass sie ihm Krankenhaus waren? Seufzend machte ich das Lied lauter, damit ich die beiden nicht mehr hörte.
 

Nur ein bisschen Ruhe, mehr wollte ich nicht. Nur dieses Lied hören.
 

`Ich bin verloren ohne dich.´
 


 

Ich weiß, es ist gemein jetzt hier aufzuhören, aber ich hoffe es war ein ansehnliches Kapitel. X3

Dieses Kapitel ist gefüllt von den Gefühlen von Yami und verdammt es war so schwer für mich nicht zu heulen X“D.

Da ich mir dir pure Breitseite gegeben hatte und mir das Kapitel + das Lied gegeben hatte. Das ist echt nichts für zarte Gemüter.

(Wie mich…hü hü).

Tja und das mit Kaiba und Joey ist interessant was? ;D *lach*
 

Viele werden sich jetzt denken warum Yami so komisch war im ersten Teil und was das mit diesem Traum zutun hatte.

Da Yami unter den starken Medikamenten stand (natürlich war die Gehirnerschütterung auch ein bisschen beteiligt), hat er die letzten 2 Jahre für einen Alptraum gehalten. Er war also einfach nur ziemlich benommen. Man hat ja auch gemerkt dass er kaum, dass man die Schmerzmittel abgesetzt er wieder der normale Yami war (Nur dass er zuvor nicht so im Selbstmitleid versinkt wie jetzt ô.o)
 

Dazu hoffe ich dass ich als Neue Co Autorin gute Arbeit geleistet habe. :3
 

Ich hatte auf jedenfall sehr viel Spaß hier weiterschreiben zu dürfen.
 

In diesem Sinne

LG

Onee-Bakaleinchen-
 


 

*Pseudarthrose: http://de.wikipedia.org/wiki/Pseudarthrose

Geteiltes Leid…

Kapitel 06: Geteiltes Leid…
 

Ich habe immer gewusst, dass die guten Dinge im Leben nie von Dauer sind.

„Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie.“

Diese Worte klingen jetzt so leer und das obwohl sie mir vor einigen Tagen so viel bedeutet hatten.
 

„Von wegen ‚Ich lass dich nicht so einfach gehen. Nie.‘. Tsk…das ich nicht lache“, murmle ich zu mir selbst als ich Yamis Krankenzimmer verlasse. Ich spüre die Blicke von Tea, Joey und Kaiba mir ruhen. Sie brennen sich in meinen Rücken, bis ich im Fahrstuhl verschwinde.
 

Joey und Tea haben nur darauf gewartet, dass sie ihren besten Freund endlich besuchen dürfen. Sogar einen riesigen Blumenstrauß haben sie dabei.
 

Ich bin froh, als sich die Fahrstuhltüren endlich schließen. Ich lehne mich mit den Kopf an das kühle Metall.

„Idiot! Idiot, Idiot, Idiot!“, fluche ich über mich selbst und meine Naivität. Ich hatte mir für einen Augenblick doch tatsächlich eingebildet, ich hätte ihn zurück. Meinen Yami. Den, der mich wirklich geliebt hat. Tja, es ist wohl so. Manche Dinge sind wirklich zu schön um wahr zu sein.
 

Ich dachte zuerst es war nur der Schock, der ihn das hatte sagen lassen. Ich habe ihm deswegen versprochen zu bleiben und ich bin auch wirklich bei ihm geblieben. Yami schlief ein und ich saß da, auf dem unbequemsten Stuhl der Welt und wartete darauf, das er aufwachte. Ich hielt meine Versprechen schließlich immer.
 

Ich weiß nicht mehr wie lange ich da gesessen und mir Yamis schlafendes Gesicht angesehen habe, aber irgendwann rief mich eine der Krankenschwestern zum Empfang, weil es einige Papiere zu unterschreiben gab. Leider hatte ich nicht alle Unterlagen da, um die beigefügten Fragebögen auszufüllen. Kaiba, der noch im Flur gestanden hatte, hatte mir Yamis Schlüsselkarte gegeben, damit ich die nötigen Papiere aus seinem Hotelzimmer holen konnte.
 

Als ich seine Unterlagen durchstöbert habe, ist mir dieses eine Blatt in die Hände gefallen. Ich meine diesen Satz wortwörtlich. Als ich seine Versicherungsunterlagen hervorholte, segelte dieses Stück Papier direkt in meine Hände. Es war irgendwie so, als ob ich dieses Schriftstück finden sollte. Als sollte ich wissen, dass es existierte.
 

Ich hatte nicht vorgehabt es zu lesen, doch der Briefkopf hatte mich stutzig gemacht. Es war das Logo der Firma darauf, die das Multifunktionsmodul hergestellt hatte, welches wir gesponsert bekommen haben. Ich sollte mich wohl berichtigen: Welches wir angeblich gesponsert bekommen haben. Der Zettel stellte sich nämlich als Rechnung heraus. Eine, die auf Yamis Namen lief…und meine Güte war das Gerät teuer. Mir wird jetzt noch schwindelig, wenn ich an die Summe denke, die da auf dem Blatt stand.
 

Ich war deswegen völlig verwirrt, doch noch während ich mir die Frage stellte, warum Yami dieses Modul gekauft hat, so kannte ich eigentlich auch schon die Antwort darauf. Er hatte es für mich getan.
 

Yami hatte mir doch zugehört gehabt, wenn ich ihm bei der Preview auf ein fertiges Video davon vorgeschwärmt hatte, was ich mit diesem neuen technischen Spielzeug noch alles hätte aus den Aufnahmen herausholen können. Ich hatte gedacht, das geht bei ihm zum einem Ohr rein und zum anderen wieder raus, doch scheinbar hatte ich mich da geirrt.
 

Den ganzen Weg zurück ins Krankenhaus hatte ich mich gefragt, warum Yami es so hatte aussehen lassen, als sei das Gerät uns kostenlos zur Verfügung gestellt worden.
 

Erst während ich mir an dem Automaten in der Cafeteria eine heiße Schokolade holte, wurde es mir plötzlich klar. Er hatte das Modul für mich gekauft – um mich glücklich zu machen – aber ohne mir dabei das Gefühl geben zu wollen, ich sei ihm dafür etwas schuldig. Einfach nur, um mir eine Freude zu machen, obwohl er selbst wohl gar nicht verstand, warum ich von dem Gerät so begeistert war.
 

Ich weiß noch wie mir bei dem Gedanken die Tränen in die Augen geschossen sind und gleichzeitig hätte ich am liebsten losgelacht. Das erinnerte mich so sehr daran, wie er früher gewesen ist. So hätte er sich verhalten, als er noch ‚mein‘ Yami gewesen ist.
 

Tief in mir wurde die Hoffnung geweckt, dass irgendwo unter der Fassade des eingebildeten Stars mit übergroßem Ego, doch noch der Mann steckte, den ich bis heute nicht aufhören kann zu lieben.
 

Es war aber wohl doch nichts mehr, als Wunschdenken. Es war nicht einmal der Schock oder eine unfallbedingte Amnesie. Es waren nur die Medikamente. Nichts weiter. Zumindest glaube ich das. Sich jetzt wieder Hoffnungen zu machen da wäre mehr, als das, was der Arzt mir gesagt hat, könnte ich einfach nicht ertragen.
 

Das leichte Ruckeln sagt mir, dass der Fahrstuhl bald zum Stehen kommt. Ich trete einen Schritt zurück. Als die Fahrstuhltür sich öffnet sprinte ich sofort raus und dann um die Ecke zu den Toiletten. Die Frau, die am Empfang sitzt, sieht mich komisch an, aber das ist mir egal. Mir ist plötzlich so schlecht.
 

Ich stelle mich vor einen der Spiegel und mache den Wasserhahn des darunterliegenden Waschbeckens auf. Als ich hier heute ankam, habe ichgelächelt Ich habe mich darauf gefreut Yami zu sehen. Jetzt waren da wieder Tränen in meinen Augen. Wenige Minuten können das Leben wirklich verändern. Es ist nur so, dass es sich eher so anfühlt, als wäre das, was sich verändert hatte, nur eine Illusion gewesen.
 

Während ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze, fällt mir wieder ein, was der Arzt zu mir gesagt hat.

„Wir haben seine Medikamente heute abgesetzt. Er scheint eine Unverträglichkeit dagegen zu haben. Herr Athem hat ein hohes Fieber aufgrund dieser Medikation bekommen und hat halluziniert. Ist Ihnen da etwas aufgefallen? Hat er sich anders benommen als gewöhnlich oder vielleicht von Dingen gesprochen, die in der Vergangenheit lagen?“

Ich hatte zwar mit dem Kopf geschüttelt, aber in Wahrheit ha es mir einen riesigen Schrecken eingejagt. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut Yami zu sehen, doch als der Arzt mir sagte, dass er unter Halluzinationen gelitten hatte, wurde mir klar, dass er die letzten Jahre einfach vergessen hatte. Für einige sehr schön Tage, hatte er in der Vergangenheit gelebt. In der Zeit, als wir noch ein Paar waren. So gesehen, war er wirklich der alte Yami gewesen.

„Jetzt ist er aber wieder klar“, hatte Dr. Legrand gemeint und mich dabei angelächelt.
 

Er hatte ja keine Ahnung gehabt, dass das für mich nicht Gutes hieß. War ich ein böser Mensch, weil ich mir wünschte, dass mein Ex – Freund noch eine Weile vor sich hin halluzinierte? Ich war so froh gewesen, für eine Weile den alten Yami wiederzuhaben. War es denn zu viel verlangt, dass ich mich dieser Illusion ein bisschen länger hingeben wollte?
 

Ein Teil von mir hat es auch immer noch getan. Vielleicht habe ich da auch noch nicht ganz begriffen, was es hieß, dass er ‚wieder klar‘ war. Ich glaube ich hatte mein Gesicht vorhin verzogen, als der Arzt mich in sein Zimmer gelassen hatte. Mir haben einfach die Worte gefehlt. Ich wusste nicht, was ich ihm hätte sagen können.
 

Yami hat mich so neugierig angeschaut, als wollte er wissen, was ich in seinem Krankenzimmer zu suchen hatte. Da war nichts mehr in seinen Augen. Keine Wärme, keine Liebe. Sein Gesicht war so verschlossen wie immer. Bar jeder Emotion, die verraten könnte, was er dachte. Das war nicht mehr der Mann, der mich gebeten hatte nicht zu gehen. Das war nicht mehr derjenige, der mir gesagt hatte, dass er mich nie gehen lassen würde. Diese Erkenntnis hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben.
 

„Ich hab doch gesagt...ich lass dich nicht alleine", diese gehauchten Worte hatten meinen Mund verlassen, noch ehe ich überhauptüberlegt hatte, was ich da sagte. Irgendwie fühlte ich mich betrogen. Ich hatte ihm versprochen ihn nicht u verlassen und jetzt war er es, der wieder weg war.

„Hab doch nichts gesagt...? Aber ich freu mich wenn du mich besuchst."

Yami hatte noch nicht einmal verstanden, was ich meinte. Das hat mich vorhin irgendwie sauer gemacht. Warum war es immer nur ich, der hier jemanden nachtrauerte, den es scheinbar schon lange nicht mehr gab?
 

Ich unterdrückte meine Gefühle vorhin. Ich habe mir selbst gesagt, dass ich ihm nicht vorwerfen konnte, dass nicht mehr wusste, was er gesagt hatte. Ich habe mir eingeredet, es war nicht seine Schuld, dass jedes Fünkchen Hoffnung, was ich noch gehabt hatte, wieder dabei war abzusterben und dass ich mich so einsam fühlte, wie noch nie zuvor.
 

Ich hatte Yami danach gefragt wie es ihm ging, doch das war ein großer Fehler gewesen. Seine arrogante Antwort hatte mich echt zur Weißglut gebracht.

„Hm,...den Umständen entsprechend. Bin ja anscheinend ziemlich stillvoll auf den Boden geknallt..."

Wie konnte er so etwas einfach so locker sagen? Er wäre fast gestorben! Es hätte alles so viel schlimmer kommen können, als eine Gehirnerschütterung, angeknackste Rippen und Prellungen…

„…und es wäre alles deine Schuld gewesen…“, flüsterte ein feines Stimmchen in meinem Kopf.
 

Ich glaube, dass war der Grund, warum ich daraufhin so ausgetickt bin. Meine Angst…ich hätte ihn fast für immer verloren. Yami wäre fast tot und das nur wegen mir und meiner Nachlässigkeit.

„Manchmal kannst du ein richtiges Arschloch sein“, habe ich ihn angeschrien und er hat mich für einen Moment tatsächlich so angesehen, als würde ich ihm nichts Neues erzählen. Auch meine Standpauke darüber, wer sich alles um ihn gesorgt hatte. Hey, sogar Kaiba war wirklich verängstigt gewesen und das ist etwas, was meiner Meinung nur passieren würde, wenn seinem kleinen Bruder etwas zustoßen würde.
 

Ich glaube ich war etwas zu schroff zu ihm. Sonst entschuldig Yami sich nie, aber dieses Mal hat er es getan.

„Tut mir Leid, sollte nicht so rüberkommen.“

Diese Worte waren ehrlich gemeint. Ich musste ihm nicht einmal in die Augen sehen, um das sagen zu können. Meine Wut war augenblicklich verflogen. Ich seufzte und lächelte müde. Meine Hand streckte sich ganz von alleine aus und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er hatte es schon immer gehasst, wenn ihm die längeren Strähnen in die Augen gefallen sind.
 

Es ist eine kleine Berührung gewesen. Früher nicht einmal der Rede wert, doch es gab kein ‘früher‘ mehr und dieser Gedanke ist genug, um mich unsagbar traurig zu machen. Ich hatte mich neben ihm aufs Bett gesetzt und gewartet. Gewartet, dass er etwas sagt. Dass er etwas tut. Dass er mir einen Grund gibt, um noch ein bisschen länger zu bleiben. Doch Yami schwieg. Vielleicht gab es auch gar nichts mehr, was wir uns zu sagen hatten.
 

Dieses Mal werde ich nicht noch einmal wiederkommen. Es hat doch sowieso keinen Sinn. Wir sind einfach nicht dafür bestimmt zusammen zu sein. Vielleicht ist es besser wenn ich akzeptiere, dass es nie wieder so sein wird, wie es einmal war. Wie viel kann diese Beziehung schon wert gewesen sein, wenn sein Wunsch nach Ruhm und sein Ego sie zerstören konnten?
 

**********
 

Seit meinem letzten Besuch bei Yami habe ich mich in meinem Schneideraum verkrochen – na ja, es ist eher so was wie ein ‚Schneidecontainer‘ oder ein ‚Schneidewohnwagen‘, aber das ist eigentlich egal.
 

Ich hatte keine Lust irgendeinem aus der Crew zu begegnen. Schon alleine wenn ich mir ab und an einen Kaffee holte, höre ich immer, wie gut er sich macht und wie sehr sie hoffen, dass er bald wiederkommt. Nicht das ich mir wünschen würde, dass es Yami schlecht geht oder er nicht mehr gesund wird, aber es zehrt an meinen Nerven ständig von ihm zu hören.
 

Die letzten Tage konnte ich sowieso genug zu tun. Kaiba hat mich nach dem Besuch im Krankenhaus konsultiert. Wer auch immer es war, der Yami und mich dabei aufgenommen hat, als wir uns geküsst hatten – Korrektur: als er mich geküsst hat – hat sich immer noch nicht gemeldet um seine Forderung zu stellen. Wir hatten jetzt beide den Verdacht, dass wer auch immer es war einen Skandal provozieren wollte.
 

Kaiba hat mich deswegen damit beauftragt, mir den Ausschnitt noch mal genau anzusehen.

„Vielleicht fällt ja deinem geschulten Auge etwas auf den anderen Aufnahmen auf“, hatte er gemeint.

Ich frage mich immer noch, was mir da auffallen sollte. Ich habe von dem Tag etwa zweihundert Stunden an Filmmaterial. Rohaufnahmen, Bildsequenzen die vorherausprobiert wurden, verschieden Perspektiven von bestimmten – oder auch fast allen – Szenen. Dann gab es da noch die Aufnahmen, die aus Versehen gemacht worden sind von Leuten, die einfach nur vergessen haben die Kamera auszumachen und ganze dreizehn Stunden bestanden doch tatsächlich aus verschwommenen Bildern, die beim scharf stellen der Linse entstanden sind.
 

Zu allen Überfluss hatte Kaiba gemeint, dass es vielleicht besser wäre auch noch zwei Tage vor dem Abend der Außenaufnahmen zu überprüfen, weil mir vielleicht jemand auffallen würde, der sich anders verhielt.
 

Das ich nicht lache, als würde derjenige mit einem Schild durch die Gegend laufen, auf dem geschrieben stand: ‚Ich plane Yami Athem in einer kompromittierenden Situation zu erwischen, zu filmen und die Aufnahmen dann meistbietend zu verkaufen.“ Ganz sicher nicht! Es war eher dieser letzte Punkt, der Kaiba und mir Kopfzerbrechen bereitete. Hätte derjenige, der uns küssend gefilmt hat erpresst, wäre die Sache einfach gewesen. Schweigen konnte man erkaufen und weiteren Erpressungsversuchen konnte man vorbeugen, doch wenn dieses Video den Weg in die Medien schaffte, war nicht nur Yamis und meine Karriere beendet. Joey, Tea und der Rest unserer Crew hätten keinen Job mehr und selbst auf Kaiba würde es ein schlechtes Licht werfen, weil er uns ja so zu sagen gedeckt hatte. Das Leben war einfach nur unfair im Moment!
 

Ich drehte meinen Blick vom Computerbildschirm weg und rieb mir meine müden Augen. Ich hätte gerne Yami für diese ganze Misere verantwortlich gemacht, aber wenn ich ganz ehrlich zu mir war, dann wusste ich, dass er nicht dafür verantwortlich war, dass jemand einfach eine Kamera drauf gehalten hatte, als er mich geküsst hatte.
 

Ich bin eigentlich auf die Person sauer, die es gemacht hat und auf die gesamte Gesellschaft, denn welcher bescheuerte Vollidiot hat diese seltendämliche Regel aufgestellt, dass keine Berühmtheit ein Privatleben haben konnte?
 

Seit Stunden schaue ich mir schon diesen verdammten Kuss an. Es ist wie eine abstrakte Negativspiegelung zu dem ersten Kuss, der mich hat verrückt werden lassen nach Yami. Ich hasse es mir dieses Bild anzusehen. Ich weiß auch so wo ich geendet bin…wo unsere Beziehung geendet ist. Ich muss mir dafür nicht auch noch das Video von diesem verzweifelten Versuch die Verantwortung für eine Entscheidung auf mich abzuwälzen.
 

Dieser letzte Moment – der wo ich ihn ohrfeige und er einen Schritt zurück tritt – weckt in mir den Wunsch mich an glücklichere Zeiten zu erinnern. Ich will das bittere Lachen dieser Nacht nicht hören. Ich stoppe das Video genau in dem Augenblick, als Yami mich enttäuscht ansieht. Seltsam…fast so als hätte ich seine Träume zerstört.
 

Meine Augen brennen und ich weiß, dass die Tränen nicht mehr lange auf sich warten lassen werden.
 

Ich hasse mich manchmal für meine eigene Schwäche. Dafür, dass ich Yami einfach nicht loslassen kann oder zumindest die Erinnerung daran, wie es einmal gewesen ist. Als er diese Halluzinationen unter den Medikamenten hatte, war er mehr er selbst gewesen, als in den Jahren, seitdem seine Karriere begonnen hatte. Nur, vielleicht sah ich das falsch. Vielleicht war ja dieses stolze Ich, das wahre Ich von Yami. Vielleicht existiert er gar nicht mehr so, wie ich ihn in Erinnerung habe.
 

Im Krankenhaus hat er so verletzlich und schwach ausgesehen. Er hatte mich gebraucht und mir hat es fast schon körperlich weh getan ihn so zu sehen. Es war schließlich meine Schuld, dass er in diesem Krankenhausbett lag.

„Küss mich“, hallt seine Stimme in meinem Kopf wieder.
 

Es war nur eine kleine Bitte, doch alles in mir war sofort bis aufs Äußerste angespannt. Was sollte ich tun? War es wieder nur ein Trick? Ein Versuch mich halten zu wollen, obwohl es nichts mehr gab? In diesem Augenblick war er jedoch wieder der alte Yami und ich hatte ihn so sehr vermisst.

„Du musst nicht, wenn du nicht willst..."
 

In seiner Stimme hatte so viel Enttäuschung gelegen. Er hatte nicht verstanden, warum ich ihn nicht küssen wollte. Er hatte da ja noch gedacht, wir wären noch zusammen. Er hatte sich nicht mehr an die vergangenen zwei oder vielleicht auch drei Jahre erinnert. Auch wenn ich das damals nicht gewusst hatte, so habe ich doch herausgehört, dass die Enttäuschung nicht gespielt war. Er hatte sich in dem Moment genauso einsam gefühlt, wie ich es die ganze Zeit gewesen bin.
 

„Du hast gesagt...dass du hier bleibst...bleibst du auch wirklich hier? Muss ich keine Angst haben, dass du einfach weg bist? Dieser Traum, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich liebe dich...ich habe dich immer geliebt und ich werde dich immer lieben. Egal, was passiert...k…kannst du dich erinnern, damals? Als wir im Gras lagen und uns das erste Mal geküsst haben? Das war so schön, das werde ich nie vergessen...u…"

Er hätte gar nicht weitersprechen müssen, denn mein Verstand hatte schon vorher ausgesetzt. Als ich meine Lippen auf seine legte, war es anders als unser letzter. Er war nur die flüchtige, zarte Liebkosung, die man jemanden gibt, um ihn zu trösten. Seine Hand an meiner Wange…das war wie früher. Es endete einfach viel zu schnell.
 

Als wir uns voneinander lösten, sah ich in seinen Augen, dass er glücklich war. Ich…ich dagegen war noch verwirrter als vorher. Ich habe mich selbst nicht mehr verstanden in diesem Moment.

„Egal, was ich tun werde...ich werde dich immer lieben..."

Wieder ein Versprechen, dass plötzlich so hohl klang.
 

Ich glaube früher hätte er es wirklich getan. Um mich gekämpft und mich immer geliebt. Es ist nur, dass es jetzt eher so ist, wie bei mir. Ich glaube, wir begehen beide den gleichen Fehler. Wir hängen beide sehr an dem, was früher einmal war. Der Unterschied ist nur, dass ich an dem Menschen hänge, der er einmal gewesen ist und Yami der hängt an der Beziehung, die wir einmal gehabt haben. Er glaubt, er könnte beides haben: Seinen Ruhm und jemanden, der ihn wirklich um seinetwillen liebt. Das Problem ist nur, dass ich nicht diese Person sein kann.
 

Ein letzter Blick auf das Standbild auf meinem Monitor, um mich noch einmal zu erinnern, wo wir jetzt stehen, dann will ich eine Pause machen. Es ist traurig, wie es mit uns beiden geendet ist, doch vielleicht war es unvermeidlich. Die guten Dinge im Leben sind schließlich nie von Dauer. Trotzdem kann ich das traurige Seufzen nicht zurückhalten, als ich den Monitor ausschalte.
 

„Manchmal frage ich mich echt, warum du es dir so schwer machst, wen du ihn noch so liebst.“

Ich drehe mich erschrocken um und sehe Joey in der Tür stehen. Er hat zwei Pappbecher in der Hand und grinst mich schief an. Ich atmete erleichtert auf und schenkte ihm meinerseits ein kleines Lächeln.
 

„Was suchst du hier? Solltest du nicht im Krankenhaus bei Yami sein?“, fragte ich ihn, als er einfach so hineintrat und die Tür hinter sich schloss. Seine eigene Frage ignoriere ich mit Absicht. Joeys senkte seinen Blick. Seine Augen wurden etwas dumpf und leuchteten nicht mehr.

„Er lässt niemanden mehr in sein Zimmer. Sogar Kaiba hatte Mühe ihn zu überreden, ihn hereinzulassen“, murmelte er, als er mir einen der Pappbecher in die Hand drückte.
 

Kaffee mit Milch und Zucker. Ich verzog etwas den Mund, als ich das heiße Getränk herunterschluckte. Na ja, zumindest hatte er daran gedacht, dass ich es süß mag. Außerdem sollte ich wohl nicht so mäkelig sein. Das ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass Joey mal auf mich zugekommen ist. Ich frage mich, was ihn dazu gebracht hat.
 

Er zeigt auf den Monitor, der jetzt schwarz ist.

„Versuchst du immer noch rauszufinden, wer euren Kuss aufgenommen hat?“, fragt er und ich kann ihn nur überrascht anstarren.

„Wo…woher weißt du…?“, stottere ich total baff. Er kann unmöglich so viel gesehen haben, bevor ich ihn bemerkt habe. Selbst das Standbild, das er gesehen haben könnte, hatte nur so ausgesehen, wie einer unserer Streits, die ja auch schon öfters mal vorkamen.

„Ich habe dieselben Aufnahmen bei Se…Kaiba gesehen. Er war total ratlos, weil bisher weder ein Erpresserschreiben angekommen ist, noch ist das Video im Internet oder bei irgendwelchen Sendern aufgetaucht. Er wusste nicht was es zu bedeuten hatte und nicht wie er darauf reagieren sollte.“
 

Er nahm einen Schluck Kaffee und ich starrte ihn weiter an. Wie konnte er dabei so ruhig bleiben? Hatte er keine Ahnung, was das Ganze für ihn bedeutete? Das diese Aufnahmen vielleicht das Ende von Yamis Karriere sein könnten?
 

„Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum er sich solche Sorgen macht“, redete Joey einfach weiter, „wenn das Video gezeigt wird, dann kommt halt eben raus, dass ihr beide mal zusammen wart. Es heißt ja nicht, dass Yami schwul ist. Du bist der einzige Kerl, mit dem er zusammen war…du bist überhaupt der einzige Mensch, mit dem er jemals zusammen war und jeder, der danach nicht mehr sein Fan ist, der war auch vorher nie ein wirklicher Fan gewesen. Die Tatsache, dass er dich liebt macht ihn ja zu einem schlechteren Sportler oder zu einem schlechteren Menschen.“
 

Für jemanden, der so temperamentvoll und hitzköpfig ist, wie Joey, sind das ganz schön weise Worte. Das ist aber typisch für ihn. Er hatte es schon früher oft geschafft mich mit der Art, wie er die Dinge sah zu überraschen.
 

„Es wäre vielleicht einfacher, wenn ihr noch zusammen gewesen wärt, dann hätte man die Flucht nach vorne machen können und eure Beziehung bekannt geben können, aber wenn es rauskommt könnt ihr ja wieder ein Paar sein“, fügt Joey hinzu und schaut mich dabei fragend an.
 

Es ist fast schon ein bisschen traurig das zu hören. Joey stellt sich das so leicht vor, doch in Wahrheit ist es so verdammt kompliziert. Ich schüttle den Kopf und sehe zu, wie der Funke der Hoffnung, der in seinen Augen geleuchtet hat, verschwindet. Ist er wirklich so enttäuscht davon, dass Yami und ich nicht zusammen kommen? Warum? Ich weiß, er ist sein bester Freund, aber ist das nicht etwas zu viel Anteilnahme?

„Es ist zu viel passiert Joey. Wir werden nie wieder zusammen sein“, sage ich ihm ganz deutlich.
 

„Aber…aber er war nie glücklicher, als damals, als ihr noch zusammen wart und du…du warst es auch. Die Karriere, der Sport…das macht ihn einfach alles fertig. Früher…früher da warst du da und du warst sein Halt Yugi. Jetzt wo du nicht mehr da bist, da hat er nur noch den Adrenalinkick. Er…er lebt ja praktisch nur noch dafür. Du hast es doch selbst bemerkt, dass seine Stunts und Sprünge immer waghalsiger werden“, sagte er und seine Stimme hat einen flehenden Unterton, der mir nicht gefällt. „Er liebt dich und er will dich zurück und ich glaube Yami ist wirklich so dumm, dass er denkt, das du zurückkommst und bei ihm bleibst, wenn du dir sorgen um ihn machst. Ich glaube er versucht dich daran zu erinnern, dass du versprochen hast auf ihn aufzupassen…“
 

Seine Stimme klingt müde und kraftlos. So als hätte er einen Kampf oder so hinter sich. Ich bin mir nicht sicher, was es heißt, aber der Wunsch in mir ihn zu trösten, wird so groß, dass ich ihm einfach nachgebe. Ich gehe die paar Schritte auf Joey zu und lege ihm die Hand auf die Schulter.
 

„Ich verstehe einfach nur nicht, warum du es ihm so schwer machst Yugi“, flüstert er und sieht mich dabei mit diesen großen, braunen Augen an. „Er liebt dich und selbst ein Blinder könnte sehen, dass du ihn auch noch immer liebst. Da war nichts mit dieser dummen Trulla, die du damals bei ihm im Zimmer erwischt hast. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen“, redete Joey weiter auf mich ein. „Yami war sogar ziemlich verletzt, weil du ihm sowas zugetraut hast. Er hat dich so abgöttisch geliebt…“
 

„Nein! Nein Joey!“, schreie ich ihm schon fast entgegen. „Du hast kein Recht dazu mir Vorwürfe zu machen oder mir zu sagen, wie sehr Yami mich angeblich geliebt hat oder wie sehr er glaubt mich immer noch zu lieben. Das ist nämlich gar nicht wahr.“
 

Ich atme tief ein und aus. Mein Herz rast, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Die Tränen, die ich vorhin so erfolgreich verdrängt habe, fallen jetzt zu Boden. Sie brennen in meinen Augen .
 

Ich weiß, dass Joey mich anschaut. Vermutlich denkt er ich bin wahnsinnig geworden und vielleicht hat er ja auch irgendwie Recht. Doch das hier ist meine Chance und vielleicht kann ich es ihm ja so erklären, dass er es versteht und nicht mehr nur mir die Schuld gibt an dem Auseinanderbrechen der Beziehung. Ein letztes Mal tief durchatmen, dann bin ich so weit.
 

„Ich weiß, dass zwischen ihm und dieser…dieser Frau nichts war“, sage ich nun viel gefasster, doch die Tränen laufen immer noch meine Wangen hinab. „Ich habe nie daran geglaubt, dass er mich betrügt…zumindest nicht mit einer Frau oder einem anderen Kerl…aber er hat mich betrogen…mit seiner Karriere, wenn man es so will. Mit dem Ruhm und der Zuwendung, die all die anderem ihm gaben.“
 

Ich wische mir mit der Hand über die Augen, um die Tränen endlich zu stoppen, doch Joey schaut mich so mitleidig an, dass es mir wieder einen Stich mitten ins Herz versetzt und ich von Neuem anfange zu heulen.
 

„Ver…versteh mich nicht falsch ich…ich bin nicht neidisch auf die Berühmtheit, die er erlagt hat. Yami hat ha…hart dafür gearbeitet und ich gö…gönne sie ihm mehr als jeder andere. Ich ha…hasse ihn nur da…dafür, dass er sich davon so sehr hat verändern lassen.“
 

Ich weiß, dass Joey mich noch nicht versteht, aber ich denke, er wird es noch. Ich lasse mich wieder auf den Drehstuhl vor dem Monitor, bevor ich weiterrede.

„Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, wenn ich zu euch komme, wenn ich meinen Abschluss gemacht habe. Ich hatte keine Ahnung, dass Yami schon lange nicht mehr Yami war, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ich ignorierte die vergessenen Verabredungen, die nicht beantworteten Anrufe und ich ignorierte die Klausel in seinen Verträgen, dass er für die Öffentlichkeit als Single dastehen musste. Es war mir egal, weil jede er Nacht zu mir kam. Ich war damals sein Anker. Ich war damals der Mensch, den er gebraucht hat, aber schon bald wurde aus dem ‘jede Nacht‘ ein ‘manchmal‘ und daraus dann ein ‘wenn es die Zeit erlaubt. Ich hatte nie an seiner Treue gezweifelt, aber bald schon musste ich feststellen, dass Yami seine Karriere so wichtig war, dass er keine Rücksicht mehr auf mich nahm oder auf unsere Beziehung.“
 

Ich sah Joey an. Sein Blick war voller Skepsis. Er dachte, ich jammere zu viel und nehme mich zu wichtig und ich konnte es ihm noch nicht einmal übel nehmen, weil ich genau das Gleiche auch schon so oft von mir gedacht habe.
 

„Weißt du wie weh es tut, wenn der Mensch, den du über alles liebst mit einer anderen Person vor deinen Augen flirtet? Weißt du wie verletzend es ist, wenn man seinen Freund anruft, um ihn unauffällig Bescheid zu sagen, dass man jetzt die Party verlässt, weil der Rest der Welt ja nicht wissen darf, dass er dein Freund ist und er nicht einmal abnimmt, sondern nur auf das Display schaut und dich wegdrückt? Weißt du wie verdammt erniedrigend es ist, wenn dein Freund zu anderen Leuten sagt, du seist niemand? Drei Jahre lang habe ich das mitgemacht und habe mich nur an diese Momente geklammert, in denen wir zusammen waren, aber irgendwann gab es ja noch nicht einmal die…“
 

Ich versuche die Wut in mir zu unterdrücken, die jedes Mal in mir hochkommt, wenn ich daran zurückdenke.

„Es ist nicht so, dass ich Yami quälen will und deswegen nicht zu ihm zurückgekehrt bin. Ich hatte nur Angst davor, irgendwann ganz aus seiner Welt zu verschwinden. Jeden Tag bin ich ein Stück unsichtbarer für ihn geworden. Ich wurde immer unwichtiger in der Welt, in der er leben wollte und an dem Abend bevor ich diese Möchtegernschauspielerin in seinen Bett erwischt habe, da war ich zum ersten Ma absolut unsichtbar gewesen. Er hat weder bemerkt, dass ich gegangen bin, noch ist es ihm in den Sinn gekommen, mal nachzusehen, ob ich überhaupt ins Hotel zurückgekehrt bin. Am nächsten Morgen – als ich die Möchtegernschauspielerin in seinem Bett vorgefunden habe, da hat er zu mir gesagt, ich sollte mich nicht so anstellen. Ich wäre nicht seine Mutter und es würde mich nichts angehen, warum ihrer beider Kleider im Zimmer verteilt lagen.“
 

Ich schenke Joey ein kleines, trauriges Lächeln. Seine Augen sind nach unten gerichtet und ich glaube so etwas wie Bedauern in seinen Augen zu sehen.

„Ich war sein Freund Joey, wenn es mich nichts angegangen ist, dass da plötzlich eine nackte Frau in seinem Bett lag, wen sollte es dann überhaupt noch angehen?“

„Das…das habe ich nicht gewusst. Ich dachte…weil Yami nur von der Tussi was gesagt hatte…du wärst nur wegen ihr sauer“, stottert er niedergeschlagen.

„Nein. Die war es nicht. Ich bin einfach nur endgültig aus seiner Welt verschwunden. Ich hatte keinen Platz mehr darin und er…er hat mich auch nicht unbedingt halten wollen. Glaub mir, es ist besser so. Es ist besser, wenn ich nach dieser dämlichen Welttournee wieder nach Domino zurückkehre…wenn sie jetzt überhaupt noch stattfindet.“
 

Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Joey ist still. Er bewegt sich nicht einmal. Ich frage mich, warum er überhaupt hergekommen ist. Ist es nicht ein bisschen zu spät, um ein gutes Wort für seinen besten Freund einzulegen? Ich verstehe ja, dass er sich Sorgen macht, weil Yami niemanden mehr zu sich ins Krankenzimmer lässt, aber ich werde ihm da genauso wenig weiterhelfen können. Yami will mich auch nicht sehen, das weiß ich. Wir sind uns mittlerweile zu fremd.
 

„Ich habe gedacht, ich hätte eine Chance, wenn ihr beide es vielleicht schafft“, sagt Joey ruhig, aber ich kann da etwas traurig. Bitter. So als hätte er gerade die letzte Hoffnung aufgegeben.
 

Neugierig geworden fragte ich ihn: „Eine Chance? Was für eine Chance? Auf was Joey?“

Er antwortete mir nicht gleich. Zuerst schien er zu überlegen, ob er es mir sagen sollte oder nicht und danach öffnete und schloss er mehrfach seinen Mund, so als suche er nach den richtigen Worten um anzufangen. Dann seufzte er einfach und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
 

„Du hast gesagt, es war schlimm für dich langsam aus Yamis Welt zu verschwinden…aber as ist, wenn man gar nicht aus der Welt von jemand anderen verschwinden kann, weil man nie Platz darin hat?“

Ich sah ihn total verwirrt an. Ich wusste nicht, was er meinte. Mein Blick musste schon alles gesagt haben, den Joey erklärte es mir.

„Ich hatte vor drei Jahren einen One Night Stand. Es war jemand, den ich kannte. Jemand in den ich verliebt war. Ich…hatte es nicht geplant. Er war betrunken und ich habe…habe mich einfach hinreißen lassen. Ich hatte aber nie vor ihn je wieder darauf anzusprechen. Noch bevor es dämmerte, bin ich aus seiner Wohnung verschwunden. Er konnte sich zum Glück an nichts mehr erinnern. Zumindest für die erste Zeit. Ich war froh darüber, denn anders als du hatte ich nie Angst irgendwann so aus seinem Leben verschwinden zu können. Ich habe von Anfang an gewusst, dass ich da nicht rein gehöre.“
 

Vor drei Jahren? Da waren wir auch unterwegs gewesen. Ich weiß noch nicht einmal mehr wo. Europa? Australien? Vielleicht auch in der Karibik…ich kann mich nicht mehr erinnern. Das schränkt jedoch den Kreis der Verdächtigen sehr weit ein. Es muss jemand aus der Crew gewesen sein. So viele Veränderungen hatten wir nicht gehabt. Eigentlich arbeiten heute alle noch hier, die auch vor drei Jahren in dem Team waren. Sicher, einige sind abgesprungen, aber das waren meist sowieso nur freiwillige Helfer, die wir vor Ort ab und an mal engagiert hatten. Joey hatte gesagt, er kannte ihn schon vorher…und wenn er sich immer noch Hoffnungen macht, dann ist diese Person auch immer noch hier in unserem Team. Es ist auch eine männliche Person, also scheidet Tea schon mal aus…
 

Ja, mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, denn obwohl ich eigentlich gar nicht neugierig sein will, frage ich mich, wer Joey so verletzt hat. Er wirkt wirklich deprimiert. Gar nicht mehr so gut gelaunt wie sonst immer.
 

„Du hast gesagt ‘die erste Zeit‘? Heißt das jetzt erinnert er sich wieder? Be…bedrängt der Typ dich etwa?“, frage ich deswegen weiter. Ich muss einfach wissen, was ihn so bedrückt.

„Nein…ja…also nein, er bedrängt mich nicht. Er ist manchmal etwas stur und möchte unbedingt seinen Willen haben, aber er zwängt sich nicht auf und ja, er hat sich später wieder daran erinnert. Ich weiß zwar nicht wieso, aber seitdem ist er total versessen darauf mit mir auszugehen und mich kennen zu lernen…dabei bin ich unter seinem Niveau.“
 

„Ach komm Joey“, rede ich auf ihn ein, „du bist toll und jeder wäre glücklich dich als seinen Freund zu haben. Du bist unter niemandes Niveau und jeder der das sagt, dem kannst du ruhig eine reinhauen. Der hat es verdient. Ich kläre das sogar mit…“
 

Noch während ich rede geht mir ein Licht auf. Ein Teil von mir versteht Joey plötzlich verdammt gut und möchte ihn gerne trösten. Ein anderer Teil von mir – der dumme Teil von mir – fragt sich, wie so etwas überhaupt passieren konnte und ob die Welt, wie wir sie kennen jetzt dem Untergang geweiht ist. Leider ist es dieser Teil von mir, der zuerst spricht.
 

„Kaiba?! Du hast tatsächlich mit Kaiba geschlafen?“, rufe ich aus und Joey legt mir sofort die Hand vor den Mund und zischt mir zu: „Nicht so laut. Es muss nicht die ganze Welt erfahren.“

Plötzlich fällt mir ein, was er vorhin gesagt hat und meine Augen werden ein Stück größer.

„Wuuuu wisd in Faiwa werliewt?“, frage ich während er immer noch seine Hand gegen meinen Mund presst. Er nickte nur.
 

Ich schaffte es mich von seiner Hand zu befreien und schaute ihn nur ungläubig an. Ich war zu geschockt über Joeys kleine Offenbarung, als das ich etwas dazu sagen konnte. Er stand da in meinem Schneiderraum, in dem eigentlich jeder zu groß wirkt außer mir und er sah so verloren und einsam aus, dass mir klar wurde, dass meine Reaktion, obwohl sie wohl die natürlichste war – nicht unbedingt die Richtige war. Er fühlte sich schon schlecht genug. Ich musste dieses Gefühl nicht noch verstärken, in dem ich mich so benahm, als sei er geisteskrank.
 

„Wa…was ist danach passiert?“, frage ich ihn krächzend und räuspere mich. Das ist immer noch die Überraschung, die in meinen Knochen sitzt.
 

Joey schaut mich an, als hätte er nicht erwartet, dass ich ihn das frage. Wer kann es ihm verübeln? Ich hätte es auch nicht erwartet.

„E…er hat mich um ein Date gebeten und ich habe ihm einen Korb gegeben“, sagt Joey langsam. „Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass ich es besser finde, wenn es bei einen One Night Stand bleibt und das ich nicht mehr von ihm will. Ich habe damals schon nicht daran gedacht, dass etwas aus uns werden kann. Ich musste die ganze Zeit an seinen Ex – Freund denken und was für ein eine große Nummer er in der Geschäftswelt war. Er hatte Kaiba erst kurz zuvor abserviert und…na ja…ich habe mir gedacht, dass Kaiba vielleicht nur einen Ersatz sucht…jemanden, den er klein halten kann. Ich war einmal dabei, als er mit ein paar Typen aus diesem einen VIP Club geredet hat, aus dem ich ihn damals abgeholt habe und ich habe nicht die Bohne verstanden, von dem was die da gefaselt haben. Ich…ich glaube einfach nicht, dass ich in diese Welt passe. Ich wäre ihm nie ebenbürtig, sondern immer so was wie sein kleiner Sozialfall.“
 

„Aber du sagst doch selbst, dass du ihn liebst? Wieso…wieso machst du es dir dann so schwer?“, fragte ich ihn.

„Du und Yami, ihr wart ein glückliches Paar. Ihr wart Freunde, bevor ihr zusammengekommen seid und selbst davor konnte man sehen, was für starke Gefühle ihr einander entgegenbringt. Eure Beziehung hat dieses Business nicht überlebt, wie soll es da zwischen mir und Kaiba funktionieren?“, fragte Joey mich zurück.
 

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und brachte es noch mehr durcheinander, als es vorher schon war. Er seufzte leise und ich verstand was er meinte.

„Wir…wir sind so verschieden und…ich bin mir bis heute nicht sicher, was Kaiba eigentlich von mir will. Ich will nicht, dass er irgendwann später feststellt, dass ich doch nicht gut genug für ihn bin, weil ich nicht so schlau bin…oder so etwas“, fuhr Joey fort.
 

„Aber Joey, nur weil es mit mir und Yami nicht funktioniert hat, heißt es doch nicht, dass du und Kaiba keine Chance habt. Es ist nun mal so, dass sich Menschen verändern. Yami hat sich in den letzten Jahren verändert und ich habe das auch. Wir…wir haben uns einfach auseinander entwickelt. Wer sagt dir denn, dass du und Seto nicht perfekt für einander seid, eben weil ihr so unterschiedlich seid? Es heißt ja nicht umsonst, ‚Gegensätze ziehen sich an‘“, gab ich ihm zu bedenken.
 

Er lachte leise. Nicht weil er fröhlich war oder erleichtert. Nein, dieses Lachen klang verbittert.

„Und was mache ich, wenn er mir das Herz bricht? Was mache ich, wenn es nicht klappt und er feststellt, dass ich wirklich unter seinem Niveau bin? Sag mir Yugi, kommt man so einfach über ein gebrochenes Herz hinweg?“, schreit er mir entgegen.
 

Ich kann seine Wut wirklich gut verstehen, wer bin ich schon ihm Beziehungsratschläge zu geben? Doch ich kann nicht anders, als ihm noch einen letzten Rat zu geben. Vielleicht ist es, weil ich sehe, wie sehr er sich selbst unglücklich macht, vielleicht auch nur, weil er mich dadurch so sehr an mich selbst erinnert.
 

„Du musst es aber auch riskieren Joey oder glaubst du, dass Kaiba ewig auf dich wartet? Was passiert, wenn jemand anderer ihn dir vor der Nase wegschnappt? Könntest du es ertragen ihn mit jemand anderen zusammen zu sehen, während du immer noch heimlich in ihn verliebt bist?“, frage ich ihn ruhig. Er schaut mich an, als wäre es ihm zum ersten Mal in den Sinngekommen, dass das passieren könnte. Bevor er allerdings zum Nachdenken kommt und sich vielleicht irgendwelche sinnlose Argumente ausdenkt, um sich einzureden, dass sie keine Chance haben, rede ich weiter. „Hör mal, ich weiß, es ist schwer jemandem wie ihm zu vertrauen, weil er sich emotional gesehen wahrscheinlich so dumm anstellt, wie ein Ochse beim Klavierspielen, aber eben deswegen musst du ihm diesen Versuch auch zu Gute halten. Er bemüht sich um dich. Er möchte es zumindest probieren und einer Beziehung mit dir eine Chance geben. Ich weiß, das klingt nicht nach sehr viel, aber du musst es auch mal aus seiner Perspektive sehen: Das ist für Kaiba schon ein riesiger Schritt.“
 

Während ich spreche durchfährt mich ein Geistesblitz, wie ein Mensch selten einen hat. ‚Perspektive‘ ist das Zauberwort. Während Joey immer noch grübelt, setze ich mich wieder an den Computer und mache den Monitor an. Ich spule das Bild zurück, bis es wieder ganz am Anfang ist. Joey schaut mich erst wütend an, weil ich mich plötzlich mit etwas anderem beschäftige – ich konnte seine wütenden Blicke im Rücken spüren – dann aber sah er, das ich mir wieder das Video anschauen wollte und er wurde neugierig.
 

„Was machst du da? Hast du etwa eine Idee, wer das aufgenommen haben könnte?“, wollte Joey wissen.

Ich schüttelte den Kopf, während ich versuchte das Standbild der Umgebung etwas schärfer zu bekommen.

„Nein, aber ich glaube ich habe eine Idee, wie ich herausfinden kann, wer das aufgenommen hat. Ich fühle mich fast wie ein Idiot, weil ich nicht schon früher drauf gekommen bin.“
 

Für den Satz erntete ich einen verständnislosen Blick. Während ich also darauf wartete, dass das Programm das Bild schärfer stellte, erklärte ich Joey was ich meinte.

„Ich habe nur immer direkt auf den Aufnahmen nach etwas gesucht, was denjenigen verraten könnte, der uns gefilmt hat. Ich habe auf den anderen Videos nach jemandem gesucht, der sich auffällig benommen hat, dabei brauche ich das alles gar nicht. ‚Perspektive‘ ist das Zauberwort.“
 

Das Bild ist fertig, doch bevor ich es abspiele, drehe ich mich mit dem Stuhl um und durchwühle ich den Stapel von Papieren auf meinem kleinen Klapptisch. Nach einigem Suchen habe ich die Rolle mit den Plänen, die ich brauche.
 

„Außer meiner Kamera, die da auf den Schienen entlanggeführt wurde, gab es nur noch fünf andere. Sie sollten die Umgebung und Yami aus der Ferne filmen. Ich kann Kamera drei, eins und vier ausschließen, weil die auf der anderen Seite der Schienen standen und das Podest und meine Kamera uns verdeckt hätten, wenn wir von da aus aufgenommen worden wären. Kamera zwei und fünf waren aber genau in der richtigen Position um uns ohne Probleme drauf zu haben.“
 

„Ah und du willst versuchen anhand der Perspektive herauszufinden, welche der beiden es war?“, fragte Joey mich, dann aber überlegte er noch einmal. „Das nützt dir doch aber nicht, weil du nicht weißt wer an der Kamera dran war.“

„Natürlich weiß ich das Joey. Ich bin der Chef, wenn es um die Aufnahmen geht. Ich teile die Leute je nach Erfahrung für die Kameras ein und sie bleiben immer genau da, wo ich sie eingeteilt habe.“
 

„Wieso bist du dann noch nicht eher auf die Idee mit der Perspektive gekommen?“, beschwert er sich. „Seto ist wegen diesem Video fast an die Decke gegangen. Er war in den letzten Tagen ein nervöses Wrack.“

„Zum einen ist es mir egal, wie es deinem heimlichen Schwarm dabei ging, diesen Kuss zu sehen, denn glaub mir, ich war wesentlich panischer als er es je sein könnte. Yamis und mein Ruf stehen hier irgendwie auf dem Spiel und ich Angst, dass ich von einer Meute nerviger, neugieriger Reporter verfolgt werde, wenn das jetzt so kurz vor meinem Ausstieg publik wird und das kann ich in meinem neuen Leben echt nicht gebrauchen. Zum anderen habe ich nicht wirklich auf den Anfang dieses Videos geachtet, weil Kaiba ja darauf bestanden hatte, dass ich alle Filme, die wir haben sichte, um festzustellen, ob sich jemand auffällig benommen hatte.“
 

Ich lasse die Aufnahme jetzt Bild für Bild laufen, so kann ich die Umgebung besser erkennen. Ich rolle den Plan aus, den ich extra für diese Aufnahmen bei Nacht angefertigt habe. Ich halte meinen Zeigefinger über dem Punkt, an dem ich den Anfang der ausgelegten Schienen gekennzeichnet habe. Kamera zwei hätte nicht die riesige Pinie mit auf dem Bild gehabt, wenn sie uns gefilmt hätte. Dazu stand sie an der verkehrten Stelle, aber von der Position von Kamera fünf, wäre dieser Baum ganz gut sichtbar gewesen.
 

„Es war Kamera fünf“, murmle ich eher zu mir selbst als zu Joey. „Da war eingeteilt…“

Meine Finger fahren über die Initialen, die neben dem grünen Kreuz auf dem Plan gekritzelt sind.

„Das kann nicht sein!“, schreit alles in mir, doch kein Ton verlässt meine Lippen. Meine Finger sind plötzlich ganz taub und mein Körper erstarrt. Die Karte rutscht mir auch den Tisch vor mir und sie wäre wohl auch auf dem Boden gelandet, hätte Joey sie nicht aufgefangen. Neugierig schaut auch er zu dem Kreuz von Kamera fünf.
 

‚T. M.‘…hm…ist…ist das nicht unser Praktikant? Thomas…Thomas Melt? Oder Melto, oder so? Hat er euch etwa aufgenommen?“

„Thomas Milton“, berichtige ich ihn. „Vie…vielleicht war es ja nur ein Versehen? Vielleicht hat er uns gefilmt, es aber gar nicht gemerkt und die Bilder dann einfach mit dem Rest auf meinen Laptop gezogen?“
 

Meine Stimme klingt hysterisch und ich weiß, dass ich mir nur versuche etwas vorzumachen. Es gibt einen Zoom im Video. Genau an der Stelle, als Yami mich küsst. Das kann niemand ‚aus Versehen‘ tun. Vielleicht war ja aber wenigstens das Uploaden auf mein Festplatte nur ein Zufall. Vielleicht hatte Thomas ja einfach nicht gewusst, was er mit den Bildern anfangen sollte? Vielleicht war er ja einfach zu verwirrt um die Aufnahmen zu löschen? Vielleicht hatte er sie ja wirklich unbeabsichtigt abgespeichert?
 

„Hm…jetzt macht das irgendwie Sinn…“, murmelt Joey. Ich schaue ihn fragend an. Ohne das ich ein Wort sagen muss, versteht Joey, was ich wissen will und erklärt mir, was er meint.

„Er war im Krankenhaus. Thomas meine ich. Er war im Krankenhausbevor Yami beschlossen hat, dass er niemanden mehr sehen will.“
 

Das kann nicht sein! Thomas würde mir das nicht antun. Er würde mich nicht erpressen…er würde das dem Rest unserer Crew nicht antun. Er würde nicht…

„Bi…bist du dir denn sicher, dass er bei Yami war?“, frage ich in einem ziemlich verzweifelten Versuch die Fakten zu verleugnen.

„Er ist mir auf der Station entgegengekommen. Aus der Richtung, in der Yamis Zimmer liegt. Außerdem, wenn sollte er den anderes im Krankenhaus besuchen kommen?“, erwidert Joey scharf. Er ist sauer, dass kann ich an seiner Stimme heraushören.
 

„Aber…aber wieso?“, stammle ich und es ist mir peinlich, wie piepsig und verloren meine Stimme klingt. Es ist alles so unlogisch. Thomas hätte doch zu Kaiba gehen können, wenn er Geld haben wollte oder er hätte mich unter Druck setzen können. Ich fühle mich gerade ziemlich hintergangen und ich verstehe nicht, warum er ausgerechnet zu Yami gegangen ist. Thomas ist doch schon eine Weile dabei. Er weiß doch, dass Kaiba das gesamte Krisenmanagement übernimmt. Yami ist eher der unvernünftige Typ, der sogar rotzfrech sagen würde: „Na und? Mach doch. Gib das Video doch der Presse. Mir doch egal.“
 

„Wahrscheinlich will der Kerl kein Geld“, meint Joey.

Ich fühle mich, als könnte er meine Gedanken lesen und das ist bei Joey immer etwas unheimlich. Er sieht mich dabei auch noch so intensiv an, als hätte ich etwas damit zu tun.

„Wahrscheinlich wollte er Yami nur verunsichern und ihn als Konkurrenten ausschalten“. Spricht er weiter. Doch seine Worte ergeben für mich keinen Sinn. Wieso Konkurrent? Thomas will kein berühmter Extremsportler sein und Yami versteht gerade mal so viel von Kameras, dass er sie ein und ausschalten kann. Dann jedoch sickert bei mir durch, was Joey meint.
 

„Spinn doch nicht. Thomas will nichts von mir. Für ihn bin ich so was wie sein kleiner Bruder. Er will nur auf mich aufpassen und…“

Während ich das so sage, wird mir klar, was passiert ist. Thomas hat es einfach missverstanden. Er hat diese Szene wahrscheinlich wirklich aus Versehen gefilmt, aber er hat etwas Falsches da hineininterpretiert.

„…mich beschützen“, beende ich meinen Satz.
 

Joey sieht mich absolut skeptisch an, aber er hat ja auch keine Ahnung, wie das die Beziehung zwischen mir und Thomas aussieht.

„Ich kläre das mit ihm. Ich kümmere mich darum, dass er das alles nicht an die große Glocke hängt“, sage ich zu Joey und greife nach meinem Handy. Mein Blick fällt dabei auf das Steuerungsmodul. Es ist eigenartig, wie sentimental mich dieser Anblick macht.
 

Und plötzlich ist er da. Dieser Gedanke, den ich vorher so gut verdrängt habe. Dieses Mal lässt er mich nicht so einfach los. Yami will mich auch nur glücklich machen. Er hat mir mit diesem Gerät eine Freude gemacht und das nur, damit ich glücklich war. War es denn wirklich so unwahrscheinlich, dass da irgendwo in ihm drin noch der Mann war, den ich geliebt habe? Diese Geste sagte so viel aus und er hatte nicht einmal ein Lob oder irgendeine Art der Gegenleistung dafür erwartet. Vielleicht hatte ja Joey Recht und ich machte es mir viel zu schwer? Vielleicht war ich so besessen davon, dass Yami nicht mehr der war, der einmal gewesen ist, dass ich all die Zeichen nicht sah?
 

Ich griff nach meiner Jacke. Bevor ich das mit Thomas klären würde, wollte ich noch einmal ins Krankenhaus und mit Yami sprechen. Vielleicht gab es ja doch eine Chance für uns?
 

Joey verstand zwar nicht wo ich hin wollte, doch er ließ sich ohne Widerworte nach draußen begleiten. Er weiß ich werde das Problem mit den Aufnahmen klären und das ist ihm fürs Erste genug.
 

**********
 

Es ist eine halbe Stunde her, seitdem ich den Entschluss gefasst habe mit Yami noch einmal zu reden und uns eine Chance zu geben. Jetzt komme ich mir vor wie ein Idiot. Ich stehe hier im Flur der Station und beobachte wie mein Ex – Freund mit einem der Pfleger flirtete. Ganz offen und ohne darauf zu achten, ob sie jemand beobachtet.
 

Ich fühle mich gerade wie in einem dieser schrecklichen Liebesfilme, in denen die Zeit stehen bleibt, wenn der Protagonist den geliebten Menschen nach der Trennung mit einer anderen Person sieht oder gerade reinkommt, wenn der Freund oder die Freundin gerade dabei ist, es mit einem anderen oder einer anderen zu treiben.
 

Die Welt hört für eine Sekunde wirklich auf sich zu drehen. Alles ist still und der gesamte Körper ist für diesen kurzen Moment taub. Man spürt nichts, bis eine Sekunde später die Erkenntnis einsickert, dass das was man sieht die Realität ist. Dann tut jeder Atemzug und jeder Herzschlag weh.
 

Ich weiß gerade nicht, was mich fassungsloser macht – was mich mehr schmerzt – dass er jetzt mit jemanden flirtet, nachdem er mir vor einigen Tagen noch versichert hat, er würde mich niemals gehen lassen oder dass er so unvorsichtig ist es in aller Öffentlichkeit zu tun, wo ihn jeder sehen kann. Ein Flirt ist es plötzlich wert sich öffentlich zu outen und gegen die Verträge zu verstoßen, die er abgeschlossen hat? Ein unbekannter Typ reicht aus, um ihn seine Karriere zu riskieren? Wirklich?
 

„Und ich nicht?“, höre ich ein kleines Stimmchen in meinem Kopf fragen. Was ist jetzt anders? Warum jetzt und warum bei so einem Kerl? Wieso war ich es nicht wert gewesen? Warum war ich nicht genug gewesen? Warum hatte seine Karriere im Vergleich zu unserer Beziehung weniger Bedeutung, als dieser Flirt bei demselben Vergleich?
 

So viel zu meiner Theorie er könnte doch noch wirklich etwas für mich empfinden und nicht nur so tun als ob, weil er meine Nähe einfach so gewohnt war. Nun, wenn er über mich hinweg ist, dann werde ich vielleicht jetzt gehen können. Kaiba wird mich nicht mehr hier halten können. Dann soll er mich doch verklagen weil ich mich nicht an meinen Vertrag halte. Es ist besser als hier zu bleiben und mir anzusehen, wie Yami sein Leben weiterlebt.
 

Es ist irgendwie unfair, dass er das jetzt kann, denn ich habe meins die letzten zwei Jahre still gelegt und nur für seine Karriere gearbeitet. Wie heißt es doch so schön: ‚Das Leben ist hart, aber unfair.“ Genauso fühlt es sich gerade an.
 

**********
 

Ich bin wieder in meinem Schneideraum. Alle meine persönlichen Dinge habe ich zusammengepackt. Das Ticket zurück nach Domino ist bezahlt und am Flughafen hinterlegt. Meine Koffer sind auch gepackt.
 

Kaiba hat zu mir gemeint es gebe keinen Grund mehr mich halten zu wollen, weil der Rest der Welttournee sowieso ausfallen würde wegen dem Unfall. Er hat Recht und irgendwie war ich erleichtert, dass es so einfach war, aber ein kleiner Teil von mir ist sich sicher, dass unser Chef andere Gründe dafür hat, dass er mich jetzt gehen lässt. Ich werde das jetzt aber nicht hinterfragen. Ich bin zufrieden, dass ich endlich gehen kann. Ich habe nur noch eine Sache zu erledigen. Ich habe Kaiba einen Brief hinterlassen, den er heute, wenn mein Flieger geht von dem Rezeptionsmitarbeiter des Hotels bekommen wird. In diesem habe ich ihm erklärt, dass Thomas die Aufnahmen von dem Kuss gemacht hat. Ich habe geschrieben, dass es ein Versehen war. Nichts weiter als ein dummer Zufall. Jetzt muss ich Thomas nur dazu bringen, dass er auch bei der Story bleibt. Ich will nicht, dass er die Stelle hier verliert.
 

Was auch immer er gemacht hat, dass Yami niemanden mehr sehen wollte, er hat es für mich getan und irgendwie ist es schön zu wissen, dass ich jemanden genug bedeute, dass er mich mit allen Mitteln beschützen will.
 

Ich habe gerade die CD eingelegt, als es leise an der Tür klopft.

„Komm rein Thomas, es ist auf“, rufe ich hinter mich, während ich versuche das Video an die richtige Stelle zu spulen.

„Du wolltest mich sehen Yugi?“, fragte er.

„Ja, ich wollte dir etwas zeigen. Setz dich schon mal“, antworte ich.
 

Noch ist der Bildschirm schwarz, die Aufnahmen sind etwa an der Stelle, ab der ich ihm das Video zeigen will, doch vorher muss ich Thomas noch etwas sagen.

„Ich weiß, dass du mich und Yami gesehen hast. Den Kuss meine ich“, beginne ich ohne Vorworte. Er schaut mich absolut überrascht an. So als hätte ich ihn bei etwas ertappt. Er sieht ein bisschen schuldig aus, aber das wundert mich nicht. Thomas ist ein guter Mensch und sein schlechtes Gewissen plagt ihn bestimmt. „Die Szene ist auf meiner Festplatte gelandet. Ich habe sie sofort Kaiba gezeigt. Wir beide hatten Panik, dass uns ein riesiger Skandal bevorstand, als keine Erpresserforderung kam.“
 

„Nein, nein, nein. Ich würde dir nie solch Schwierigkeiten machen Yugi. Niemals. Ich wollte nie Geld. Ich habe…das Video nur dazu benutzt, damit dieser eingebildete Lackaffe dir vom Leib bleibt. Nur weil er der Star ist, denk er, er kann sich alles erlauben.“

Thomas fährt sich frustriert durchs Haar. Es ist immer wieder dasselbe Lied. Er konnte Yami von Anfang an nicht leiden. Ich weiß nicht, woran es genau lag, aber ich glaub er erinnerte ihn einfach zu sehr an die Art von Mensch, die er selbst vor dem Tod seines Bruders gewesen ist.
 

„Er…er hat dich geküsst Yugi…und…und du hattest Tränen in den Augen. Es war ganz klar, dass du nichts von ihm wolltest. Bei dem Frauenverschleiß, den er hat, wundert es mich gar nicht, dass er es mit dem anderen Geschlecht versucht. Wahrscheinlich hat er alle schon durch und will sich jetzt auch andere Möglichkeiten erschließen“, grollt Thomas leise. Er hat seine Hände vor Wut zu Fäusten geballt, doch auch ich merke, dass ich sauer werde.
 

„Thomas“, sage ich scharf und schaffe es so, dass er mich überrascht ansieht. „Sag jetzt lieber nichts weiter. Du könntest es später noch bereuen.“ Er will irgendetwas erwidern, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. „Du hast Recht. Ich wollte nicht, dass er mich küsst, aber das lag nicht daran, dass ich seine neueste Jagdtrophäe werden sollte. Ich habe es dir an dem Abend eigentlich auch gesagt: Er war ein Feigling und das hat mir fast das Herz gebrochen.“
 

„Ich…ich verstehe nicht…“, stammelt mein Assistent.

„Lass mich dir etwas zeigen.“
 

Ich starte das Video auf meinem PC. Das Bild zeigt eine alte Schaukel. Yami sitzt auf den oberen Balken, an dem die Ketten befestigt sind. Er grinst. Er hatte gerade einige Überschläge an der Schaukel geübt und war dann auf den Verbindungsbalken geklettert, weil ihm langweilig war. Das Grinsen wird breiter, als er etwas entdeckt, das auf dem noch nicht zu sehen war.
 

„Komm schon Yugi, ich weiß doch, dass du es auch kannst. Lass die Kamera, Kamera sein und leiste mir Gesellschaft.“

Ein Sprung, ein paar Schritte, die ausgestreckte Hand, die zu der Wippe hindeutete.

„Mal sehen, ob wir sie gemeinsam im Gleichgewicht halten können“

Unser gemeinsamer Versuch das Gleichgewicht zu halten, der Sturz, der Kuss. All das noch einmal zu sehen, bevor ich wirklich ging, war irgendwie schön. Eine Erinnerung an den Anfang, jetzt da alles vorbei war.
 

„I…Ich verstehe nicht…“, stammelte Thomas.

Sein fassungsloses Gesicht ist irgendwie witzig. Ich kann einfach nicht verhindern, dass ein amüsiertes Lächeln über mein Gesicht huscht, dann werde ich jedoch wieder ernst.

„Das Video habe ich vor etwa sieben Jahren aufgenommen. Wir waren zusammen. Ein kleines bisschen mehr als fünf Jahre. Früher, da war Yami anders. Er war ein bisschen so wie du es jetzt bist. Er hat versucht mich zu beschützen und mich glücklich zu machen. Egal wie es aussehen mag, ich weiß, dass er mir die gesamten fünf Jahre, die wir ein Paar waren treu war“, sage ich und mache das Video aus. Ich hole die CD aus dem Deck und packe sie in die Hülle zurück.
 

„Als es vor zwei Jahren endete, wollte ich nur schnell weg, doch ich war an meinen Vertrag gebunden. Yami…er hat es nicht akzeptiert, dass es vorbei war. Er hat gedacht, ich hätte unsere Beziehung beendet, weil ich dachte, er hätte mich mit einer Frau betrogen, dabei war das mit der komischen Schauspielerin in seinem Bett nicht einmal ein Grund sich aufzuregen. Es war sein Verhalten, an diesem Morgen. Er hat gesagt, ich sollte mich nicht in sein Leben einmischen. Damals stand es schon sehr schlimm um unsere Beziehung. Diese ganze Geschichte mit der Berühmtheit…dem Star sein…das hat ihn verändert. Irgendwann war diese Karriere wichtiger geworden als ich. Da war der Grund warum ich es damals beendet hatte. Er hat es zugelassen, dass ich nicht mehr in sein Leben passe. Er hat mich hinausgedrängt.“
 

Ich drücke Thomas die CD in die Hände. Ich brauche sie nicht mehr. Es ist nicht gesund für mich, wenn ich mich an etwas hänge, dass nicht mehr da ist.

„Mach damit was du willst. Ich will nur noch meine Ruhe haben. Ich will nach Hause und ein normales Leben führen“, sage ich leise. „Das was du da aufgenommen hast, war nur sein feiger Versuch mir eine Entscheidung aufzudrängen, die nur Yami selbst treffen kann. Seine Karriere oder ich.“
 

„Du…du gehst?“, fragt er mich unsicher. Ich nicke.

„Kaiba hat mich aus dem Vertrag entlassen. Ich fliege in etwa drei Stunden. Ich habe ihm einen Brief hinterlassen, in dem ich ihm erklärt habe, dass du nie vorhattest dieses Video an die Presse zu verkaufen oder von Kaiba oder Yami Geld zu verlangen. Mit etwas Glück kannst du sogar die Stelle hier behalten“, erzähle ich Thomas.
 

„Aber so gesehen…habe ich den Idioten doch erpresst, damit er dich in Ruhe lässt. Ich habe gedroht es zu veröffentlichen, wenn er nicht die Finger von dir lässt“, murmelt mein Assistent, doch er scheint nicht besorgt zu sein.

„Du solltest den Mann für den du arbeitest vielleicht nicht unbedingt als einen Idioten bezeichnen“, rate ich ihm grinsend. „Du könntest gefeuert werden.“

„Also erstens arbeite ich für dich und nicht für Kaiba oder den so genannten Star, zweitens ist er ein Idiot, wenn ein Haufen kreischender Fans, die ihn bewundern, weil er sich in Lebensgefahr begibt, dir vorzieht und drittens werde ich hier sowieso nicht länger bleiben. Was soll ich noch in dieser Crew, wenn du nicht mehr hier bist? Arbeiten kann ich überall. Ich bin da nicht so festgelegt“, erklärt mir Thomas.
 

Ich bin wirklich gerührt, dass er auch jetzt noch versucht mich aufzumuntern. Er scheint immer noch geschockt zu sein, dass ich mit Yami zusammen war. Er starrt zumindest die CD in seinen Händen einen Moment lang an, als wäre es eine Bombe oder so. He, he im übertragenem Sinne ist sie das ja auch. Dann zuckte er aber mit den Schultern und schmeißt sie in den Mülleimer neben dem Arbeitstisch.
 

„Komm, ich fahre dich noch bis zum Flughafen“, bietet er mir an und öffnet die Tür.

Ich nehme das Angebot gerne an. So spare ich das Geld fürs Taxi und kann mich noch richtig von ihm verabschieden.
 

**********
 

Irgendwie habe ich gedacht, es wäre einfacher zu gehen, aber es fühlt sich so endgültig an. Ich sitze hier alleine im Wartebereich des Flughafens. Noch eine halbe Stunde bevor das Boarding beginnt. Es ist niemand da, der mich verabschiedet. Thomas hat mir angeboten noch mit mir zu warten, bis ich ins Flugzeug steige, aber ich wollte das nicht. Er hat genug zu tun, wenn er wirklich auch kündigen will.
 

Ich will mir noch einen Kakao holen. Es ist eine Weile her, dass ich was Süßes hatte. Als ich in meine Jackenasche greife, um das Portmonaise rauszuholen, streifen meine Finger etwas, das sich ziemlich kalt anfühlt. Ich ziehe es hervor. Es ist ein MP3 – Player, an dem ein Post – it klebt.
 

‚So einfach kannst du dich auch nicht davonschleichen.

Ich habe dir eine Play – List erstellt für den Flug. Hör dir Song 12 an!

Meine Nummer habe ich dir ins Handy eingespeichert, als du bei K. warst. Ruf mal an.

J.‘
 

Ich merke das ich lächle. Joey hat an mich gedacht. Er will mit mir in Kontakt bleiben. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das freut.
 

Neugierig geworden stecke ich die Ohrstöpsel in meine Ohren und mach den Player an. Ich spule vor, bis Lied zwölf. Es trifft mich wieder wie ein Schlag, obwohl ich den Song schon kenne.
 

I know I can be a little stubborn sometimes

A little righteous and too proud

I just want to find a way to compromise

'Cos I believe that we can work things out.

I thought I had all the answers never giving in

But baby since you've gone I admit that I was wrong

All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie

How am I going to be strong without you I need you by my side

If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye don't know what I'd do ...I'm lost without you

I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you

I keep trying to face the day I'm lost without you

How am I ever gonna get rid of these blues

Baby I'm so lonely all the time

Everywhere I go I get so confused

You're the only thing that's on my mind

Oh my bed is so cold at night and I miss you more each day

Only you can make it right no I'm not too proud to say

All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie

How am I going to be strong without you I need you by my side

If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye

don't know what I'd do ...I'm lost without you

I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you

I keep trying to face the day I'm lost without you

If I could only hold you now and make the pain just go away

Can't stop the tears from running down my face

Oh

All I know is I'm lost without you I'm not gonna lie

How am I going to be strong without you I need you by my side

If we ever said we'll never be together and we ended with goodbye don't know what I'd do ...I'm lost without you

I keep trying to find my way but all I know is I'm lost without you

I keep trying to face the day I'm lost without you

Go in and win!

Yugi war wieder in Domino und hatte sich nicht einmal verabschiedet von mir. Der Tag kam mir eh schon so unwirklich vor, aber dass er einfach wieder zurück in unsere Heimat flog ohne sich zu verabschieden ließ meinen Kopf arbeiten.

Natürlich ging mir die Trennung von Yugi nah und ich wollte mir gar nicht vorstellen wie es erst werden würde wenn ich wieder arbeiten müsste.
 

Andererseits, wenn mich nicht eine Verletzung ausbremsen würde, dann spätestens das Alter. Wenn ich es noch einmal schaffen sollte mich so hinzulegen wie ich es getan hatte bei dem Sprung von der Kirche, dann konnte man von Glück reden dass ich noch lebte.

Wenn ich ehrlich sei sollte, dann wollte ich noch lange leben. Dazu würde mich sicherlich bald jemand überholen der besser war als ich.
 

Aber zurück zu meiner Karriere. Jetzt wo ich hier lag, im Krankenhaus, wurde mir bewusst dass diese Karriere nicht ewig anhalten würde. Ich würde auch immer älter werden und irgendwann hätte ich mir gewünscht so gehandelt zu haben damit sich Yugi in mich neu verliebte.

Ich konnte vor meinem inneren Auge sehen wie ich alleine in meinem späteren Haus saß, mich nach ihm sehnte und mir tiefe Vorwürfe machte. Nur weil ich ihm nie richtig gezeigt hatte wie sehr ich ihn liebte, sondern ihm zeigte dass er einfach eine Laune meines Stolzes war, anstatt meine große Liebe.

Hätte ich es ihm so klar gemacht, dann wäre er jetzt sicherlich nicht nach Domino zurück gegangen und er wäre bei mir geblieben. Aber nein ich hatte mich ja wie der letzte Arsch aufführen müssen.
 

Am liebsten hätte ich ihm ja gesagt, dass ich ihm sein Spielzeug gekauft hatte, weil ich wollte, dass er sich freute. Und jetzt? Jetzt war es nutzlos geworden weil sich Yugi gar nicht mehr freuen könnte, weil er ja verdammt noch mal in Domino war.

Seufzend schloss ich meine Augen, starrte auf die schneeweiße Bettdecke und versuchte meine Gedanken an Yugi zu verdrängen. Aber leider war das ganze schwerer als gedacht.

Ich vermisste ihn schrecklich.
 

So musste es wohl auch den anderen gehen, wie ich von Kaiba gehört hatte. Er war einfach ein volles Mitglied in unserer Truppe und nun wo er einfach ausgestiegen war, war das ganze Projekt irgendwie trostlos. Fast schon ungreifbar. Yugi hatte der ganzen Sache erst ein Leben eingehaucht mit seiner Fröhlichkeit und Liebenswürdigkeit die er an den Tag legte und jedem ein Lachen aufs Gesicht zauberte. Ja das war einfach nötig um den ganzen Tag zu bestehen, ohne diesen Kerl überstand man den Tag nicht.

Ehrlich gesagt hatten sich alle anderen besser mit Yugi verstanden als mit mir. Vor allem die Leute von der Ton- und Aufnahmestation hatten mich sicherlich öfter verflucht als ich mitgehört hatte.

Vielleicht war es auch mal gut so hart wie möglich auf den Boden der Tatsachen zu klatschen. Auch wenns makaber klang.
 

Murrend lehnte ich mich in meinem Bett zurück, seufzte schließlich und dachte daran wie gute Fortschritte ich gemacht hatte, während ich hier lag und mich langweilte. Naja wenigstens erholte ich mich irgendwie.

Wäre die Sache an Yugi nicht gewesen, die mich immer wieder am genesen hinderte, weil ich ihm am liebsten sofort folgen wollte.
 

Ach das war doch zum Mäuse melken. Ich lehnte mich an das Kissen unter meinem Rücken und starrte aus dem Fenster. Es schüttete und wie es das tat, schon seit Tagen regnete es wie aus Eimern.

Irgendwie war die ganze Szene sehr langweilig, da ich ja niemanden um mich herumhatte. Ich hatte immer noch niemanden Eintritt zu meinem Zimmer gewährt, selbst wenn ich vor langweile schon überlegte wie ich meinen Arzt oder die Schwestern schocken konnte.

Doch das alleine sein war auch irgendwie zu was gut gewesen.
 

Da saß ich nun, alleine und verlassen.

Kaiba hatte mich immer mal wieder informiert was passierte zwischen dem ganzen Chaotenhaufen. Der Chef kam mich nur besuchen wenn er neue Verträge hatte, etwas mit mir besprechen wollte oder wenn etwas mit Joey vorgefallen war. Also...jeden Tag.

Ich fühlte mich irgendwie nicht alleine aber irgendwie doch. Das hörte sich vielleicht dämlicher an, als ich es wahrnahm aber so war es leider.
 

So musste sich Yugi gefühlt haben wenn er daheim saß, auf mich wartete und sich erhoffte, dass ich vielleicht eine Stunde früher heim kommen würde. Er hatte alles erduldet. 3 Jahre lang, während ich mich beklagt hatte, wie ätzend es doch war diese ganzen Modetussis um mich zu haben, hatte er alles geschluckt. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen weil ich wirklich so blind war. Niemand musste mich darüber aufklären, ich war von ganz alleine darauf gekommen. War ja schon mal ein Fortschritt.
 

Genau deswegen wollte ich einen Schlussstrich darunter ziehen. Unter die Beziehung, unter Yugi. Ihn aus meinem Leben streichen und einfach nie mehr wieder sehen. Aber die Realität war eine andere.

Pf. Ganz ehrlich? Wer hielt mich wirklich für so blöd, meine große Liebe wirklich gehen zu lassen?

Okay, vielleicht Kaiba. Okay...der Rest der Firma auch, aber ich würde Yugi nicht aufgeben, noch nicht.
 

Es klopfte und sofort war mir klar, dass es nur einer sein konnte der hier her kam und das war nur ein gewisser Kaiba. Schließlich war er der einzige der von dem Besuchsverbot ausgeschlossen war

"Herein.",

hauchte ich also müde und lehnte mich wieder in meinem Bett zurück. Meine Finger machten sich wie von selbst zu meiner Nase um mein schmerzendes Nasenbein zu massieren.
 

"Yugi ist vor 2 Stunden abgereist. Meinst du wirklich das war die richtige Entscheidung?"

Sofort lächelte ich, seufzte dann jedoch weil ich genau wusste um was es hier ging. Es ging um mich und Yugi, sowie ihn und Joey. Ich sah ihm lange in die Augen, die nicht wie immer wirkten, er war ein bisschen aufgewühlt und ausgelaugt. Ja er war müde, hatte die letzte Zeit noch weniger geschlafen als ich und sagte noch weniger als früher. Das lag aber weder an mir noch an dem Video.

"Kaiba. Du weißt genau wie ich, dass meine Entscheidung endgültig ist und dass wir beide keine Chance mehr haben noch etwas an der Situation zu ändern."
 

"DU könntest etwas ändern!"

Sofort stahl sich ein noch breiteres Grinsen auf meine Lippen, als ohnehin schon. Ich schaffte es sehr gut Kaiba aus seiner Reserve zu locken, die er sich mit Müh und Not aufgebaut hatte. Die endgültige Trennung von mir und Yugi schien ihm mehr zuzusetzen als man es ihm zutrauen würde.

"Setz dich doch erstmal hin. Ich weiß warum du heute so eine...dünne Haut hast, aber mach mir bitte keine Vorwürfe. Kaiba, ich hab keine Lust noch weiter darauf einzugehen."
 

Ich konnte sehr genau vernehmen wie Kaiba schluckte und kurz den Kopf hängen ließ. Dies jedoch war nur von kurzer Dauer. Wenn er nur wüsste der gute Chef, was noch auf ihn warten würde, er würde mich wahrscheinlich umbringen.

"Ich bin enttäuscht von dir, Yami. Wirklich."

Seine eiskalte, monotone Stimme ließ mich kurz zusammenzucken.
 

"Irgendwann wird das auch vorbei sein und jetzt zeig mir was du da hast."

Ja ich weiß, ich befand mich auf sehr dünnem Eis, dennoch musste ich dieses Spiel spielen. Aber vielleicht sollte ich mein Feingefühl rauskramen und ihn mit Samthandschuhen anfassen.

"Ich weiß Kaiba was du dir erhofft hast. Aber Yugi und ich sind nicht mit dir und Joey zu vergleichen. Lade ihn normal zum Essen ein, vielleicht nicht in so einen Nobelschuppen. Ein Laden den er sich auch leisten könnte und rede normal mit ihm. Wir, du und ich, sind grundverschieden Kaiba. Du hast die Chance es noch zu retten ich müsste da ein bisschen länger kämpfen als du."
 

Ein paar Minuten herrschte eine eisige Stille zwischen uns bis er endlich irgendwas machte und zwar seufzen, zum wiederholten Male an diesem Abend. Wenn er so weiter machte, dann würde er noch vom Fleisch fallen, denn er sah wirklich nicht besonders aus. Aber von mir würde sich der kühle Eisprinz keinen Rat geben lassen. Er wusste ich hatte recht und ich wusste auch, dass ich recht hatte. Seufzend, legte ich meinen Kopf aufs Kissen schloss die Augen und sah an die Decke, wo ich bereits 379 Kacheln gezählt hatte.
 

"Du weißt gar nicht wie stur Joey sein kann!",

murrte mein Gegenüber was mich zum auflachen brachte. Schließlich hatte ich mein ganzes Leben mit dem Blonden verbracht, naja er war halt ein sehr großer Teil meines Lebens geworden.

"Ohhh doch! Der is genauso stur wie du wenn man das so sagen mag. Aber auch dieser Sturkopf hat einen weichen Kern, selbst wenn du ihn noch nicht gefunden hast."

Innerlich musste ich lachen, weil ich genau wusste welchen Schwachpunkt Joey hatte. Jedoch glaubte ich nicht das Kaiba darauf kam welcher Schwachpunkt dies war. Dabei war es so simpel. Man sah es dem Blonden doch manchmal wirklich mehr als nur überdeutlich an, wie er an dem anderen hing.
 

Kaiba schwieg, was ein gutes Zeichen war das er darüber nachdachte. Sanft nickte ich als er mir dann die Papiere hinhielt, welche ich anschauen sollte. Kurz schluckte ich als ich die Zeilen auf dem weißen Papier las.

"Ich will keinen neuen Kameramann.",

murrte ich nach kurzer Überlegung und gab ihm das Schreiben wieder zurück. Ich wollte keinen anderen Kameramann als Yugi haben, Yugi war der einzige der mich in- und auswendig kannte. Egal um was es ging.
 

"Aber wenn du wieder ganz bist, müssen wir weitermachen."

`Müssen tun wir nichts, nur sterben müssen wir.´, dachte ich mir, hielt aber den Mund. Ich konnte Kaiba heute nicht noch mehr verärgern, ich hatte es nämlich schon ziemlich übertrieben. Das merkte man an der auf einmal sinkenden Laune des brünetten.

"Yugi ist der einzige der mich kennt, die anderen gefährden nur mein und ihr Leben wenn sie mir im Weg stehen und das meine ich nicht mal im übertragenen Sinne. Wir wissen das beide mein Guter."

Sein Blick traf mich und ja ich hatte schon wieder recht. Im Großen und Ganzen wussten wir, dass dieses Projekt keine Chance mehr hatte ohne Yugi. Er war immerhin das Goldstück, in diesem ganzen Wirrwarr von Stunts und Sprüngen, der die Augenblicke eingefangen hatte wenn man sie gebraucht hatte. Das, würde niemand so schnell hinbekommen wenn er nicht von Yugi gelernt hatte, da war ich mir sicher.
 

Es wurde wirklich Zeit darüber nachzudenken, ob diese Karriere ohne Yugi überhaupt noch eine Chance hatte.

Die Antwort hatte ich zwar schon gefunden, eigentlich schon die ganze Zeit seit ich hier war. Selbst ohne Yugi an meiner Seite, hatte diese Karriere keine Chance mehr. Das wussten wir alle. Das Team war super wirklich, aber ohne Yugi nicht zu gebrauchen.
 

"Apropos. Yugi hat mir noch eine Nachricht hinterlassen, dass Thomas derjenige war der die Einstellung gefilmt hat."

Thomas, ja diesen kleinen widerlichen Kerl. Oh wie gern hätte ich diesen Idioten, der meinte meinen Ex zu kennen, eine aufs Maul gegeben, aber dann wäre er wahrscheinlich zu Yugi gerannt und hätte geheult, dass der bitterböse Yami ihm eine mitgegeben hatte. Ja ich mochte ihn nicht und ich würde ihn nie mögen, vielleicht...aus einem Grund den ich nie zugeben würde.
 

Er erinnerte mich an mich selbst, als ich noch ich selbst war.
 

Doch bevor ich noch etwas erwidern konnte, hörte ich ein weiteres Klopfen und Dr. Legrand kam herein. Wie viele Gespräche hatten wir schon miteinander geführt. Wie oft waren wir der gleichen Meinung und doch, gab es noch eines was ungeklärt war.

"Dr. Legrand, freut mich dass sie sich hierher verirrt haben.",

witzelte ich und warf Kaiba einen Blick zu, worauf er nickte aufstand und zur Tür ging.

"Auf Wiedersehen, Yami. Und bitte Herr Dr. bringen sie ihn bald wieder auf die Beine."
 

Doch mein Arzt lächelte mich nur an, was Kaiba nicht sehen konnte, weil dieser bereits die Tür öffnete und aus dieser ging.

Noch bevor die Tür geschlossen war, sagte er:

"Wenn er das will."
 

Kaiba hatte es gehört, da war ich mir sicher. Nun wusste er dass ich einen Plan hatte. Einen Plan der mich vielleicht alles kosten könnte, was ich hatte. Aber das war immer noch mehr als nichts.

Wer wollte schon alleine in einem großen Haus leben, Geld haben, schöne Frauen um sich herum haben für die man sich null interessierte, wenn einem der eine Mensch im Leben fehlte?
 

"Yami.",

ja er duzte mich mittlerweile. Ich hatte für mich entschieden dass ich ihn siezen wollte. Vielleicht würden wir das irgendwann ändern.

"Wie hast du dich entschieden?"

Sofort lächelte ich rümpfte die Nase, überlegte kurz gespielt bis ich lachte.

"Das steht doch schon fest. Wir beide wissen das schon seit Anfang an."

Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett, reichte mir ein Klemmbrett mit ein paar Schreiben darauf. Ich las mir alles aufmerksam durch, lächelte unterschrieb das wichtigste Blatt und reichte es ihm zurück.

Ein Schweigepflichtsformular. Wofür? Das würde wohl vorerst mein und des Dr´s. Geheimnis bleiben.

"Gut Yami. Dann sehen wir uns morgen im Op."
 

**************
 

Der nächste Tag war für mich wirklich nicht der schönste, die Op stand bevor und alle meine Freunde waren hier. Zum ersten Mal seit ein paar Wochen wieder, vor allem hatte sich Joey gefreut mich wiederzusehen. Mir ging es wieder besser, ich hatte mich gut erholt und war wieder fast gesund, bis auf das komische Ding in meinem Fuß.

Doch zuerst mussten wir das klären warum jetzt noch eine Op anfiel, welche vor allem für Kaiba nicht ganz verständlich wirkte. Da er darauf gewettet hatte, dass ich nachdem ganzen hiermit fertig war. Gott, als Dr. Legrand ihm mitgeteilt hatte, dass ich noch eine Op machen musste war er anscheinend ziemlich sauer geworden. Auch wenn er sich mir meine Gesundheit wünschte, so wünschte er sich auch über alles Bescheid zu wissen.

Verdammter Kontrollzwang.
 

Kaiba saß als einziger auf einem Stuhl und sah sich meinen Fuß an, welcher der operative sein würde. Wenn er so weiter machen würde, konnte man meinen Fuß gar nicht mehr retten können weil er zuvor abgestorben war. Mit hochgezogener Augenbraue musterte ich meinen Chef, damit er aufhörte.

Joey saß auf dem hinteren Teil meines Krankenbettes und wartete wahrscheinlich auf eine Erklärung, warum ich auf einmal das Verbot aufgehoben hatte. Auch ich hatte einfach mal einen schwachen Moment. Natürlich unterhielten wir uns über das was in der Firma im Moment los war, wer nur doof rum saß, oder wieder blöde Wetten schloss. Joey hatte dabei ziemlich auffällig an die Decke gestarrt. Wie machte er das nur immer wieder. Hatte er damals nicht schon genug als er mit den High Heels laufen musste?

Egal wir kamen zum springenden Punkt, oder eher Kaiba.

"Warum auf einmal die Op?"
 

Das war nicht schwer zu erklären.

"Damals als Yugi im Urlaub war hatte ich doch den Unfall.",

begann ich zeigte auf meinen Fuß und Joey schluckte sofort, was mich zum Schmunzeln brachte.

"Er belastet mich. Ich kann von ihm nicht abspringen, da ich Schmerzen habe. Die Op ist wichtig, funktioniert sie dann kann ich weiter machen. Wenn nicht, dann müssen wir uns was anderes überlegen."
 

Hätte Tea eine Nadel hierher mit gebracht dann wäre diese in jenem Moment wahrscheinlich lautstark auf den Boden gefallen und jeder hätte sie gehört. Alle waren still und das war genau die Reaktion die ich erwartet hatte. War ja auch irgendwie komisch wenn ich auf einmal nicht mehr dem nachgehen konnte, was ich mein Leben lang getan hatte.

Jedoch war es Kaiba der sich wieder zuerst fing, ehe er seufzte und den Kopf in den Nacken legte.

"Oh man. Das hättest du mir auch ruhig vorher sagen können. Selbst wenn er nicht mehr wird, dann denk ich, finden wir eine andere Stelle für dich in der Firma."
 

Es freute mich was Kaiba sagte, weswegen ich ihm zulächelte.

Man wünschte mir Glück ehe ich in den Op geschoben wurde. Der Narkosearzt ließ mich noch unterschreiben dass er mich unterwiesen hatte, ehe er mit seiner eigentlichen Arbeit anfing. Kaum das er fertig war wurde ich müde, sah noch das Licht an der Decke ehe ich von der Müdigkeit überrannt wurde.

Die Dunkelheit lullte mich ein und bevor ich ganz weg war, hauchte ich noch seinen Namen.
 

"Yugi..."
 

**********
 

Die Zeit nach der Op war wirklich nicht besonders einfach für mich. Mein Fuß schmerzte und ich musste auf Krücken laufen. Aber man hatte mir versprochen, dass das ziemlich bald aufhören würde, spätestens dann wenn die Naht verheilt war. Ich hoffte wirklich, dass das bald war. Es war nicht besonders angenehm, hier im Krankenhaus als Dauergast bezeichnet zu werden. Vor allem wenn ich daran dachte, was das alles kostete dann drehte sich mir der Magen um. Zum Glück hatte ich eine gut zahlende Versicherung und ein bisschen Geld auf der Bank, geschweige denn einen Chef der jede Menge auf der Bank hatte.
 

Auch wenn mich viele der Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen erkannten, so waren es einfach Leute die sich um mich kümmerten. Ich hatte mit keinem mehr geflirtet. Yugi war mir einfach zu wichtig, auch wenn er in diesem Moment bei mir war. Was ich sehr bedauerte. Wenn er hier wäre, würde ich mich wahrscheinlich noch viel mehr anstrengen als ich es so schon tat. So blieb nur die Möglichkeit sich einfach anzustrengen.
 

Dr. Legrend sah sich meine Fortschritte genauestens an, bis er irgendwann meinte, dass mein Bein gut zu verheilen schien. Jedoch sollte ich nichts überstürzen und es langsam angehen, mit der Zeit würde das schon heilen.

Doch Zeit hatte ich im Moment nicht. Yugi war schon seit 3 Wochen wieder zuhause in Domino und mir wurde immer mehr bewusst wie sehr er mir fehlte. Sein Lachen und auch wenn er mich nur ignorierte oder mich tadelte, all das fehlte mir.

Thomas hatte, sich 2 Tage nach dem Yugi nach Hause gefahren war, verabschiedet mit einer Kündigung. Natürlich er war von Anfang an hier um von Yugi zu lernen, weil er ihn bewunderte. Yugi war in diesem Bereich eine wahre Koryphäe. Allein der Blick für die Details und diese Stundenarbeit welche mein Ex an den Tag legte waren ein Punkt für ihn. Natürlich wollte jemand wie Thomas von ihm lernen. Da der, von dem er lernen wollte, nicht mehr da war, brachte es keinen Sinn mehr noch weiter in einer Firma zu arbeiten wo der Star ein wahres Arschloch war.
 

Ja ich hatte mich nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Sogar viele der Praktikanten die nicht mit Yugi gearbeitet hatten, hatte ich nicht besonders nett behandelt. Aber naja, das war ja jetzt erstmal vorbei solang ich noch ihm Krankenhaus war. Die waren sicher heilfroh dass die erstmal ihre Ruhe hatten vor mir.

Ich würde mich auch nicht vermissen, wenn ich so zurückdachte. Da fragte ich mich wirklich wieso sich alle damit abgefunden hatten, dass ich so geworden war. All das was ich früher gehabt hatte, hatte ich durch diese Karriere verloren. Sogar der Reiz, nach diesem Sport war mir nach der Trennung mit Yugi vergangen. Seit jenem Tag als er sich von mir getrennt hatte, wollte ich nichts weiter als Aufmerksamkeit und wenn ich sie hatte, dann dauerte es nicht lange bis sich Yugi wieder von mir abwandte. Kein Wunder, dass er bald vollkommen die Schnauze voll hatte.
 

Über so was dachte ich nach während ich einen Spaziergang durchs Krankenhaus machte, dass war echt ein Ansporn. Immer mal wieder hielt ich an, machte eine Übung die mir die Krankengymnastikerin gezeigt hatte und seufzte dann erleichtert auf, als es vorbei war. Ich wollte hier schnell wieder raus, dieser ständige Geruch nach Medizin, die gleichbleibende weiße Farbe der Klamotten, all das war langweilig. Natürlich waren die Krücken mein stetiger Begleiter und manch einer hätte sich sicherlich gewundert wie oft ich jeden Tag unterwegs war. Die Krücken waren wirklich eine verdammt gute Hilfe und der Gang hier mein Lieblingslaufweg, genauso wie der Weg zur Cafeteria. Haha da hatte Joey aber nicht schlecht gestaunt als ich auf einmal vor ihm lief, der war glatt geschockt wie schnell ich mit den Dingern schon laufen konnte.
 

Doch heute hatte ich es echt übertrieben, keuchend durch die Anstrengung, schleppte ich mich den Gang gerade zurück. Man sah, ich strengte mich ziemlich an um schnell wieder weiter machen zu können. Es war sicherlich mehr als nur, das laufen. Es war nicht mehr weit in mein Zimmer, jedoch war ich so ausgepowert, dass ich erst einmal eine Pause brauchte. Ich atmete ein paar Sekunden frische Luft ein, bis ich weiter gehen wollte, mir aber mein Lieblingsarzt entgegenlief und mich anlächelte.

"Du machst schnelle Fortschritte. Das seh ich gerne, aber dennoch solltest du manchmal ein bisschen langsamer machen, Yami."

Er hatte ja recht. Aber ich wollte einfach nicht.
 

Wir beide verstanden uns prächtig, wie ich das geschafft hatte, aber einen Arzt zum Freund war doch immer gut. Man wusste nie wann man mal einen brauchen konnte. Vor allem so einen hilfsbereiten und netten Arzt fand man nicht jeden Tag.
 

"Ja ich will ja auch schnell wieder nach Hause. Was sagen die Akten?"

Theatralisch seufzte er, bat mich dann ihm zu folgen. Was ich auch sofort ohne Umschweife tat. Er ging etwas langsamer als sonst, wofür ich ihm echt die Füße küssen wollte, wenn ich mich jetzt bücken wollte. Da ich aber, wie man mitbekommen hatte, einen etwas anderen Charakter hatte, so ließ ich es lieber bleiben. Endlich kamen wir in meinem Zimmer an und ich war echt heilfroh dass ich sitzen konnte. Es war echt anstrengend die ganze Zeit zu laufen um wieder auf die Füße zu kommen. Wer noch nie eine Op am Fuß hatte, wusste echt nicht was das für idiotische Schmerzen waren. Bewegte man einen Zeh, dachte man er fiele ab. Oder man stellte sich kurz auf den noch heilenden Fuß, das tat ziemlich beschissen weh. Glücklich seufzte ich auf, als wir in meinem Krankenzimmer angelangt waren und ich mich auf mein Bett setzen konnte
 

Schnell schob ich die Trainingshose hoch, damit sich Dr. Legrand die ganze Sache mal anschauen konnte. Die Narbe war wirklich nicht schön, aber die Fäden waren bereits gezogen worden und es fing schön an zu heilen. Dieses richtig eklige Jucken setzte ein, welches einem mitteilte: Wenn du kratzt, bist du selbst Schuld wenn du dir weh tust.

Wusstet Ihr eigentlich wie oft ich dem einfach nachgeben wollte? Mindestens alle 10 Minuten.
 

Diesmal ließ sich der Gute Dr. ziemlich viel Zeit. Noch mehr als er es sonst tat, vielleicht wollte er einfach nur Zeit schinden? Das konnte doch gut möglich sein. Ich wusste ja, dass er es nicht wollte aber er wollte sich vergewissern. Er drückte den Fuß zu mir, dehnte ihn somit, worauf ich nur kurz zischte. Das tat schon noch ein bisschen weh. Sofort sah er mich an.

"Schmerzt es noch sehr?"

"Ab und an schon, vor allem das gerade."
 

Kurz schien er zu überlegen, nahm dann aber sein Klemmbrett, welches er auf meinem Nachttisch abgelegt hatte. Irgendwas schien er auf dem Blatt rumzukritzeln, sah noch mal darüber und legte einen Finger an sein Kinn. Er schien in Gedanken noch einmal alles durchzugehen was er heute zum Mittag gegessen hatte, was er zum Frühstück, gestern Abend...bis er auf einmal begann zu sprechen.

"Nächste Woche Montag will ich dich hier nicht mehr sehen. Dein Hausarzt kann sich das ja dann weiter anschauen und ich rede mit deinem Chef."

Sofort grinste ich ihm zu und nickte, da es bereits Samstag war, musste ich nur noch morgen bleiben und Montagmittag dürfte ich endlich gehen. Es wurde langsam auch echt Zeit wirklich.

"Endlich...Danke."

"Um den Rest kann sich Ihr Hausarzt kümmern. Ich hoffe es verläuft alles so wie Sie es sich wünschen, sowohl in Gesundheit als auch Liebe."
 

Er nickte mir freundlich zu, klopfte mir auf die Schulter ehe er zur Tür ging. Wenn ich gehen würde, würde ich diesen Arzt sicherlich vermissen er hatte mir sehr viel geholfen, da konnte jeder sagen was er wollte. Das ganze hier würde wohl unter uns bleiben. Vielleicht.
 

Damit war alles geklärt und abgesprochen. Kurz musste ich an Frankreich denken, das wäre ja die nächste Anlaufstelle der Tournee.
 

***************
 

Es verging noch eine Woche in denen ich alles Mögliche planen musste, man mochte es glauben oder nicht aber es war wirklich nicht einfach. Vor allem bei dem was ich zu planen hatte. Meinen Fuß schonte ich noch, auch wenn ich langsam wieder richtig laufen konnte. Seufzend strich ich gerade wieder über meinen Fuß, da ich diesen ziemlich belastet hatte. Ich war heute den ganzen Tag auf meinen Krücken unterwegs gewesen, hatte noch jenes besorgt, dieses unterschrieben.

Auf was ich mich jedoch am meisten freute war mein Zuhause.

Der nette Chauffeur brachte mir noch die Taschen nach oben wofür ich ihm spontan dankbar war. Die Taschen ließ ich im Flur stehen und ging ins Schlafzimmer. Das Shirt welches ich anhatte, zog ich mir über den Kopf und legte es auf das Bett. Ich sah aus dem Fenster und schmunzelte, das war meine Stadt. So wie ich sie kennen und lieben gelernt hatte.
 

Frankreich. Paris, war wirklich eine schöne Stadt, das musste man sagen. Ich war ja schon oft in der Stadt der Lichter, wie man

sie ja auch nannte, sie war einfach wunderschön. Aber übertrefflich wurde sie, wenn man zu zweit dort war.
 

Und genau deswegen war ich nicht dort. Alleine hätte ich es dort keine 2 Minuten ausgehalten, es hätte mich nahezu fertig gemacht. Seufzend sah ich mich in meiner Wohnung um starrte aus dem Fenster und fand meine Stadt viel schöner. Ich war hierher zurückgekehrt nach Domino, mir hatte es sehr gefehlt. Wem nicht? Diese Stadt hatte alles was man brauchte, aber etwas hatte diese Stadt was alle anderen alt aussehen ließ. Einen Yugi Muto. Keine Stadt der Welt konnte mir einen Yugi geben. Diesen einen gab es nur hier.

Lange sah ich mich im Spiegel am Kleiderschrank an, ehe ich die Tür öffnete und mir ein neues Shirt nahm. Als ich mir dieses übergezogen hatte, ging ich langsam ins Wohnzimmer. Diese Wohnung war so verdammt leer. Auch wenn sie alles beinhaltete was eine Wohnung haben sollte, so fühlte ich mich hier noch nicht ganz so wohl. Lag vielleicht einfach an der Situation.
 

Kaum, dass ich mich auf die Couch gesetzt hatte, schaltete ich den Fernseher an und sah auf die Uhrzeit. Gleich würden Nachrichten anlaufen und ich würde die wohl Schlagzeile genießen. Auf einen anderen Kanal umgeschaltet wartete ich auf die Nachrichten.

Es wurde über die Ereignisse berichtet welche am heutigen Tag passiert waren, Politik und Wirtschaft, irgendwelche Geschichten aus dem Rest Japans. Bis wir zum Sport kamen und nun schien auch die Nachrichtensprecherin ein bisschen verwundert, so als hätte sie den Text vorher nicht durchgelesen gehabt. Taten die eigentlich nichts um sich vorzubereiten? Konnte mir um Grunde auch egal sein, denn als ich ihre Stimme hörte, musste ich lächeln.

"Heute haben wir eine sehr traurige Mitteilung erhalten. Der Sportstar Yami Athem muss mit dem Sport, wegen dem vor wenigen Wochen vorgefallenen Unfall, aufhören. "
 

Hatte eigentlich irgendwer eine Ahnung wie befreiend das war? Auch wenn es vielleicht dämlich klang und das wollte ich nicht bestreiten, ich war auch ohne Karriere zufrieden. Naja, fast. Der Fernseher wurde ausgeschalten, ehe ich mir noch schnell eine andere Jacke holte und wieder aus meiner Wohnung ging. Mit den Schlüsseln in der rechten Jackentasche und meine Krücken als Stütze, verließ ich die Wohnung und schließlich das Haus. Heute hatte ich nur noch eine Aufgabe zu erledigen, die wohl wichtigste. Wie lange war ich hier schon nicht mehr auf diesen Straßen unterwegs, alleine einfach um einen Spaziergang zu machen? Das musste schon sehr viel länger her sein als ich es in Erinnerung hatte. Die Straßen hier waren mir noch so sehr vertraut, wie die zu mir nach Hause und den zur Schule.
 

Ich sollte nachher noch zu meiner alten Schule laufen, vielleicht hatte sich ja irgendwas verändert auch wenn ich es nicht glaubte. Warum sollte sich hier etwas verändert haben? Es war ziemlich anstrengend mich zu orientieren, ich hatte gedacht ich wüsste wohin ich laufen musste. Aber weit gefehlt, es hatte sich vielleicht doch ein bisschen mehr verändert als es sollte.

Allerdings würde ich egal wie lange ich hier noch rum rennen würde zu ihm finden. Das war ja schon irgendwie peinlich so wie ich hier rum rannte, da war ich hier in meiner Jugendzeit fast jeden Tag bei Yugi und fang nun nicht einmal mehr zu seinem Haus.
 

Eine halbe Stunde humpelte ich hier mit den Krücken herum und hatte noch immer nicht genau den Weg gefunden. Bevor ich von zu Hause los gegangen war, hätte ich vielleicht nach dem Weg schauen sollen. Aber sowas hielt mich sicherlich nicht auf! Selbst dann nicht wenn mein Fuß abfallen würde nicht, auch wenn mich mein Hausarzt umbringen würde. Er war eh nicht begeistert gewesen als er gehört hatte dass ich zu ihm in die Praxis gelaufen war.

Gerade als ich einen Fluch ausstoßen wollte, erkannte ich die Straße wieder und ging sie einfach rauf. Gerade aus war nie verkehrt, so sagte man doch oder nicht?
 

Die Straße weitergehend lächelte ich als ich immer mehr erkannte. Ein breites Lächeln huschte mir über die Lippen als ich endlich angekommen war. Gott, wie lange hatte ich das hier nicht mehr gesehen, wie lang war nicht mehr davor gestanden?

Es weckte so viele Erinnerungen und jetzt wo ich hier stand, merkte ich zum ersten Mal nach Jahren wie beschissen es war, so eine Karriere zu haben.
 

Was wollte ich Yugi sagen wenn ich ihn gleich sehen würde? Ja natürlich ich hatte mir die ganzen 2 Wochen überlegt was ich sagen wollen würde, wie ich ihm erklären sollte dass ich jetzt auf einmal meine Karriere einfach so hingeworfen hatte, wegen ihm. Doch egal wie oft ich die Worte in meinem Kopf durchging, egal wie oft ich darüber nachdachte es machte das ganze nur noch schlimmer. Es kamen mir immer mehr Sachen in den Sinn die ich ihm sagen wollte, immer komplexere Gedanken und Worte. Keiner dieser Gedanken und Worte konnte wahrscheinlich das ausdrücken was ich wirklich dachte. Ach es war doch zum Mäuse melken.
 

In den letzten Wochen hatte ich noch einmal über das nachgedacht was mir bevorstand und was ich verloren hatte wenn sich Yugi gegen mich und unsere Beziehung entscheiden sollte. Dann hatte ich zwar immer noch eine Feststellung bei Kaiba, aber das war immer noch nicht das was ich wollte. Aber ich konnte nichts erzwingen, von Niemanden. Am allerwenigsten von Yugi, schließlich hatte er die ganzen Jahre über mehr gelitten als ich und ich konnte es mittlerweile sehr gut nachvollziehen warum er mir fern bleiben wollte. Nichts desto trotz wollte ich noch einmal darum bitten mir noch eine Chance zu geben, ohne Karriere, ohne dass ich Abends nicht daheim sein konnte, ohne flirten und ohne den Sportstar Yami Athem, sondern seinen Yami. Den, den er kennen und lieben gelernt hatte, wen ich der noch werden konnte.
 

Unschlüssig stand ich vor seiner Wohnung, weil ich nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Sollte ich ihn begrüßen wie man es eben so tat unter alten "Freunden". Waren wir überhaupt noch Freunde? Vielleicht war ich auch einfach nur der Ex. Gott wenn ich weiter darüber nachdachte, würde ich sicherlich kneifen und morgen erst wieder kommen und das konnte ich auf keinen Fall erwarten. Yugi war immerhin ein junger hübscher Mann und wer diesen nicht wollte war wirklich dämlich.

Wenn ich erfahren sollte, dass er mit irgendwem zusammengekommen war, während ich im Krankenhaus lag, dann, dann...wusste ich auch nicht. Dann würde ich ihn wahrscheinlich ziehen lassen.
 

War das peinlich oder was?

Ich dachte wirklich darüber nach, dass ich Yugi gehen lassen würde. Pff, dass würde ich nicht. Naja, ach war doch auch egal jetzt war ich auf jeden Fall hier und musste nur noch klingeln. Nichts stand mehr zwischen Yugi und mir außer dieser Tür.

Ich fasste mir ein Herz und ging auf die Tür zu. Gerade als ich einen Schritt näher gekommen war, hörte ich ein etwas lauteres Poltern und die Tür wurde aufgerissen. Sofort schlich sich ein Grinsen auf meine Lippen und ich schüttelte kurz den Kopf. Wie hätte es anders sein können?
 

Meine Augen sahen in die von Yugi. Er schien ziemlich überrascht zu sein, dass ich hier stand und ihn anstarrte. Er sah einfach so süß aus wenn man ihn überraschte. Lächelnd stemmte ich mich auf die Krücken hob meinen heilenden Fuß etwas an und sah ihm einfach nur ins Gesicht. Gott und ich hatte vorhin noch darüber nachgedacht ihn einfach gehen zu lassen wenn er mit Jemanden zusammen war. Das war ja wohl der dämlichste Gedanken in meinem ganzen Leben, dass hätte ich nicht. Alleine wenn ich wieder in diese Augen gesehen hätte, musste ich um ihn kämpfen.

Dieser Moment war irgendwie anders. Ich hatte das letzte Mal das Gefühl so einen Moment erlebt zu haben, als wir auf dem Spielplatz waren. Diese leichte Nervosität, gefolgt von Schwärmerei ergaben diesen Moment. So als wäre er geplant worden.
 

Lächelnd sah ich auf den Boden, brach den Augenkontakt ab nur um ihm Sekunden später wieder in seine verwirrten Augen zu blicken.

"Yami...Wie?",

hauchte er unsicher. Ich musste fast Lachen, anscheinend glaubte er nicht dass ich hier vor ihm stand. Ich an seiner Stelle würde das wahrscheinlich auch nicht glauben.
 

"Ja und du hast jetzt die Überraschung versaut, Yugi. Aber ich freu mich dich zu sehen.",

sagte ich selbst etwas unsicher. Wie lange hatten wir uns jetzt nicht mehr gesehen? Viel zu lange und ich hatte einfach viel zu viel Zeit gehabt über meinen Standpunkt nachzudenken. Oder war es vielleicht auch genau die richtige Zeit, darüber nachzudenken?

Kurz schmunzelte ich und bejahte das ganze innerlich.
 

"W- was?",

hörte ich seine verwirrte Stimme, welche mir einen Schauder über den Rücken jagte. Er klang so verwirrt, so süß. Anscheinend war ich auf einem Yugi- Entzug und dieser hatte mir wohl mehr zugesetzt als ich es eigentlich wollte. Ich bekam ja regelrecht eine Gänsehaut von der ganzen Situation hier.

"Sag nichts. Bitte. Ich bin mir sicher du hast heute nicht Radio gehört und auch nicht fern gesehen. Kaiba hat heute eine Information rausgelassen die uns beide betrifft. Naja oder jetzt...eher mich alleine."
 

Wie sollte ich es ihm jetzt sagen? Auf die knallharte Yami- Tour? Japp die wäre wohl am besten für mich, aber ob sie das für Yugi war. Dann machen wir halt einfach mal Nägel mit Köpfen...

"Ich hab meine Karriere beendet. Es ist vorbei, Yugi. Ich bin froh, dass ich nun hier stehen kann und nicht darauf achten muss, dass ich vielleicht zuviel bei dir bin damit die Presse nichts von uns mitbekommt.",

sagte ich ihm lächelnd. Es war wirklich befreiend, egal wie oft ich es wiederholte. Yugi hatte scharf die Luft eingesogen, sah mich nun kritisch an, ehe sein Blick zu meinem angewinkelten Fuß glitt. Ja woher sollte er das auch wissen? Er hatte sicherlich bemerkt, dass ich den Fuß nicht weiter belastet hatte wenn er die Videos bearbeitet hatte, da war ich mir sicher. Aber warum ich ihn nicht belastete, dass wusste er nicht und vielleicht war es auch besser wenn ich ihm einen Teil sagen würde.

"Ich hatte eine Verletzung am Fuß, einen nicht verheilten Knochenbruch, eine...Pseuphrose oder so was naja...und wegen dieser musste ich mich einer Op unterziehen. Auch wenn die Op gut verlaufen ist und ich wieder normal gehen kann, somit musste ich den Parkour aufgeben. Belaste ich den Fuß weiter, so wie ich es beim Parkour tue, kann es sein, dass mein Sprunggelenk den Geist aufgibt und ich nie wieder richtig laufen kann. Im Moment brauch ich noch die 2 Krücken hier, aber ich geb mir noch ein paar Wochen und dann bin ich ganz heil."
 

Ein kurzer Blick in seine wunderschönen Augen um mich zu vergewissern dass alles okay war und wie es schien war er ziemlich geschockt darüber was ich ihm gerade erzählte. Aber gut, dass war nun mal ein Risiko.

Kurz sah ich auf den Boden, scharrte mit dem noch nicht verheilten Fuß auf dem Boden herum.

"Aber ich bin nicht hier, um mich bei dir auszuheulen. Ich wäre der Letzte, der das bei dir einfordern dürfte. So wie ich dich behandelt habe."
 

Kurz sog ich die Luft ein, hob den Kopf um ihn anzusehen. Jetzt wollte ich ihn genau beobachten, was er machen würde.

"Ich will dich zurück.",

hauchte ich und verlieh diesen Worten alles an Gefühl die ich hatte. Vielleicht hatte er mich genauso vermisst wie ich ihn und er würde mich zurückwollen. Jetzt, wäre mir natürlich am liebsten gewesen, aber das wäre ziemlich unrealistisch. Schließlich kannte ich Yugi besser als alle anderen.

"Yugi! Ich will noch eine Chance. Ich will dir beweisen, dass ich mich ändern kann und wieder der Yami sein kann der sich in dich verliebt hat! Diese Karriere...alles was damit zutun hatte, war eine Last. Ich konnte nicht dahin gehen wo ich wollte und musste darauf achten, dass ich ja nicht zu viel mit dir telefonierte und, und, und. Mir hat das auch keinen Spaß gemacht. Wenn ich dann bei dir war, fühlte ich mich Zuhause. Das will ich nicht aufgeben. Ich will dich nicht aufgeben, das wollte ich nie."
 

"Yami...",

hauchte er, doch ich schüttelte den Kopf. Er sollte mich zu Ende reden lassen, weil ich nicht wusste wie ich es sonst sagen sollte. Jetzt hatte ich einen genauen Redeplan in meinem Kopf und der hieß: Rede!

Das tat ich auch.
 

"Ich weiß, dass du, in jener Zeit, mehr gelitten hast als ich. Die Zeit alleine Zuhause, als du auf mich gewartet hast. Die ganze Fremdflirterei, aber das hört jetzt endlich auf. Ich kann auch verstehen wenn das alles ein bisschen viel für dich ist. Ich gebe dir Zeit bis morgen Abend um 23 Uhr. Wenn du mir eine zweite Chance geben willst dann kommst du zu dieser Adresse und siehst dir meine Wohnung an. Die vielleicht bald unsere Wohnung werden könnte. Aber jetzt denk erstmal nach. Setz dich auf dein Bett trink einen Kakao und...ich warte auf dich."
 

"Yami...ich..."

Seine Stimme bebte, aber dann schwieg er und nahm den Zettel in die Hand, welchen ich ihm gab. Besah sich die Adresse und dann mich. Dann aber nickte Yugi, auch wenn er mehr als verwirrt war. Ich hatte ihn nahegehend überfallen und hatte ihn nicht sprechen lassen. Gott ich hätte es vielleicht doch tun sollen, jetzt war er so verwirrt dass er nicht einmal mehr wusste was er sagen sollte. Es wäre besser wenn ich heute gehen würde, damit er in Ruhe überlegen konnte, aber eins musste ich noch los werden.
 

"Und Yugi? ...Ich liebe dich. Das habe ich immer."

Jetzt gerade sah er so verloren aus, so als wüsste er weder ein noch aus. Ich lächelte noch leicht da ich die Hoffnung nicht aufgeben würde. Wie sagte meine Mutter immer? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch wenn sie in meinem Leben gepfuscht hatte, so versuchte ich dass nun zu richten.

"Bis morgen dann, vielleicht."
 

Im Moment wusste ich nicht ob er sich noch für mich entscheiden würde, ich hoffte es einfach. Deswegen gab ich ihm genug Zeit, damit er darüber nachdenken konnte. Gerade als ich mich umgedreht hatte und losgehen wollte, hörte ich wie er einen Schritt auf der Treppe machte.

"Yami! Ich...ich werde darüber nachdenken u-und..."

Noch einmal hatte ich mich zu ihm umgedreht ihm ein liebevolles Lächeln geschenkt. Das hatte ich früher häufiger gemacht. Ein knappes Nicken war meine Antwort ehe ich anfing zu gehen. Ich krückte, praktisch den Weg entlang zu unserer altem Schule. Von Yugis Zuhause wusste ich sofort wo ich lang musste, schließlich waren wir oft zu ihm gegangen nach der Schule. Zumindest kannte ich diesen noch, was mich kurz schmunzeln ließ.
 

Kaum stand ich vor unserer Schule überfiel mich so etwas wie Freude. Es lagen so viele Erinnerungen an diesem Ort. Ich sah in den Himmel und lächelte leicht, es war ziemlich grau und trist, also nicht wirklich das Wetter für schöne Spaziergänge. Vielleicht waren deswegen so wenig Menschen auf den Straßen. Wenn ich gleich durch die Stadt gehen musste dann würden mich Menschenmassen wahrscheinlich überfallen. Zwar wollte ich schnell wieder nach Hause aber ich musste leider noch ein bisschen einkaufen gehen, sonst saß ich ziemlich auf dem Trockenen. Den Blick von dem Schulgebäude abwendend schlenderte ich die Straße gerade aus weiter.

Als ich um die Ecke bog, sah ich mich kurz um ehe ich meine Krücken in eine Hand nahm und ganz normale Schritte machte. Sofort als ich weiter lief erinnerte ich mich an mein Gespräch mit Joey welches wir einen Abend bevor ich abgeflogen bin hatten. Was vor genau 2 Wochen stattgefunden hatte.
 

**********
 

Joey saß auf meiner Couch im Hotelzimmer und half mir beim einräumen meiner Klamotten. Wir hatten uns schon lange nicht mehr so privat unterhalten wie jetzt. Joey erzählte mir Situationen von denen ich wirklich nicht wusste ob er sie erlebt hatte, oder im Suff geträumt hatte. Aber je länger ich mich mit ihm unterhielt, fiel mir auf wie sehr ich meine Freunde vernachlässigt hatte. Es war echt nahegehend peinlich, was ich falsch gemacht hatte, vor allem dass mein dämlicher Stolz mir im Wege stand um Zeit mit meinen Freunden zu verbringen.

Aber ich hatte mir geschworen, dass es ab dem morgigen Tag nur noch ein normales Leben gab, ein Leben indem ich mich nicht von Ruhm und Stolz beeinflussen ließ.

Kurz war ich aufgestanden, um aus einer Schublade meine Socken zu holen die ich nachdem ich sie hatte sofort in den Koffer schmiss.

Joey sah mich immer wieder skeptisch an als ich humpelte, oder zu den Krücken griff, weil ich mich noch nicht ganz traute länger als 5 Minuten zu laufen.
 

"Warum, Yami?"

Bei seiner Frage sah ich ihn fragend an und blinzelte kurz, weil ich zwar die Frage verstanden hatte, aber nicht warum er sie fragte. Vor allem auf was sich das `Warum´ bezog.

"Was, warum?",

hakte ich also nach und legte gerade einen Stapel T-Shirts in meinen Koffer, bis ich ihm meine volle Aufmerksamkeit schenken konnte.
 

"Wir wissen doch beide, dass das eine beschlossene Sache is, die du da machst, oder?"

Sofort schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen und bemerkte einmal wieder wie gut, Joey mich doch kannte. Grinsend setzte ich mich vor meinen Koffer und somit vor Joey. Ich kratzte mich im Nacken, ehe ich meinen geschundenen Fuß ausstreckte und ihm in die braunen Augen blickte. Er war der einzige neben Yugi dem ich mein Leben anvertrauen würde, er war eben doch mein bester Freund und er würde es immer bleiben.
 

"Ja, dass wissen wir Joey."

"Warum hast du mir nichts gesagt, Yami...?",

fragte er gleich nach und ich brauchte etwas um eine Antwort zu finden.

Sofort legte ich meinen Kopf in den Nacken und überlegte kurz, wie ich das ganze ausdrücken sollte. Kaiba hatte bis jetzt noch nichts bemerkt, oder aber er hielt sich aus Rücksicht zurück.

Es war nicht nur meine Karriere die enden sollte, sondern auch mein überheblicher Stolz sollte mit dieser Aktion verschwinden.
 

"Weil du deine eigenen Probleme hattest, außerdem musste ich erst ein bisschen grübeln. Das ganze ist ein bisschen schwieriger, als erwartet."

Ich griff zum Tisch nahm mein Glas welcher ich dort vor gut einer Stunde abgestellt hatte. Das Glas legte ich an meine Lippen ehe ich einen Schluck trank. Joey hatte mich die ganze Zeit angesehen, als wäre ich nicht ganz dicht. Kurz überlegte ich, was ich sagen sollte lächelte dann aber und beugte mich näher zu ihm.

"Aber weil du mein bester Freund bist...will ich es dir erzählen..."

Er sah mich fragend und zugleich skeptisch an, ehe er nickte und mir somit einen Freischuss gab, was soviel bedeutete wie, ich durfte nun sprechen.

"Ich wollte die ganze Zeit aufhören und das kam mir halt jetzt zugunsten."

Mit einer kurzen Geste klopfte ich auf meinen Fuß.
 

Jetzt war er an der Reihe zu lächeln und um seiner Tat Ausdruck zu verleihen hob er die Arme in die Luft, setzte somit einen leisen Freudeschrei frei und grinste einfach nur weiter.

"...Ist es wegen..?"

Sofort nickte ich, um ihn zu unterbrechen.

"Ja es ist wegen Yugi. Alleine, ohne ihn können wir die Aufnahmen vergessen und somit auch die ganzen Filme und Werbespots. Dazu können wir mich vergessen. Er ist alles für mich. Leider hat es etwas gedauert und ich musste erst auf den Boden der Tatsachen aufklatschen um das zu verstehen."

"Wohl oder übel...",

grinste Joey einfach nur und sah mich an.
 

Sofort lachten wir beide. Auch wenn die Situation nicht lustig war, wie ich im Krankenhaus gelandet war.

Aber sie hatte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.

Wir lachten wohl aus Erleichterung und Freude. Doch bevor ich nach Hause zurückkehren konnte muss ich noch eine kleine Sache die mich belastete loswerden.

"...Gibst du Ihm jetzt eine Chance?",

fragte ich in die eigentlich lustige Situation und zerstörte diese somit. Auch wenn mir das ein bisschen unangenehm war, so wollte ich es wissen. Schließlich bat ich um Verzeihung bei Yugi und vielleicht hatte somit auch Ihre Beziehung einen Sinn.
 

Ich sah auf den Boden, traute mich nicht ihn anzusehen es war mir schließlich ein bisschen unangenehm. Denn diese Situation war für uns beide komisch, schließlich gab ich somit Preis das Kaiba mit mir über alles geredet hatte. Für Kaiba jedoch hoffte ich nichts sehnlicher als, dass auch er sein Happy End finden konnte.

"...vielleicht. Wir werden sehen."

Doch als ich in sein Gesicht sah, sah ich ihn wie er lächelte.

Wir mussten zu dieser Sache nichts mehr sagen, sie war abgeklärt als er angefangen hatte zu sprechen und endete mit dem Lächeln welches wir uns beide schenkten.

Doch eines konnte ich nicht bei mir behalten.

"Ich muss dir aber noch etwas erzählen...das bleibt aber unser kleines Geheimnis. Okay?"
 

Der Blonde wurde hellhörig, sah mich fragend an und nickte dann sofort. Deswegen beugte ich mich zu ihm flüsterte ihm etwas ins Ohr, auch wenn niemand hier war so wollte ich es. Seine Mimik verriet mir wie erstaunt er war.

"D-Du?"

Ein Nicken meinerseits und Joey fiel mir um den Hals. Ich drückte ihn kurz an mich, sagte nichts und löste mich von ihm als er den Kopf schüttelte.

"Du bist so was von krank Yami Athem! Wirklich! Yugi muss echt wahnsinnig sein, sich in dich verliebt zu haben!!",

lachte er und ich erwiderte das Lachen. Denn es kam von Herzen, würde Yugi sich für mich entscheiden dann würde ich auch ihm das Geheimnis verraten. Oder auch nicht, nein ich würde es wahrscheinlich für mich behalten.

"Behalte es für dich. Das ist unser kleines Geheimnis."
 

Joey nickte und das war somit unser Versprechen aneinander. Auf Joey konnte ich mich verlassen, selbst wenn er es noch so sehr erzählen wollte, er würde es für sich behalten. In dieser Sache war er wohl der treueste Freund, den man haben konnte. Natürlich neben Yugi. Lächelnd schob ich den Koffer zur Seite und setzte mich neben Joey. Ich war jetzt nicht mehr belastet, ich konnte im Moment machen was ich wollte und morgen würde ich zurück nach Domino fliegen. Auch wenn ich noch viel zu organisieren hatte, so wusste ich nicht wie lange dies dauern würde. Erst wenn ich alles erledigt hatte, würde ich zu Yugi gehen. Wenn ich mein Leben auf geordnete Basis gebracht hatte würde ich ihn sprechen wollen und ihn um eine neue Chance beten.
 

Erst wenn ich all das losgeworden war, konnte ich Yugi wieder gegenübertreten wie in alten Zeiten. Sanft lächelte ich, während sich der Blonde erhob und zum Kühlschrank des Hotelzimmers griff und uns beiden eine Flasche Bier rausholte.

Als er mir diese reichte, nickte ich ihm zu, öffnete die Flasche mit einem Flaschenöffner und stieß mit meinem besten Freund auf die noch nicht klare Zukunft an. Noch lange unterhielten wir uns, besprachen und spekulierten wie Yugi wohl reagieren würde.
 

Dann war auch dieser Abend schneller vorbei, als all die anderen zuvor.

Aber dafür war er auch schöner als die Abende zuvor, welche ich meistens allein verbrachte. Schließlich hatte ich mich heute wieder gefühlt wie vor meiner Karriere. Frei und erleichtert. Vielleicht hätte ich den Parkour, nur als mein Hobby ansehen sollen. Etwas lernen und arbeiten gehen sollen.

Aber danach war man immer schlauer als zuvor.

Das waren meine Gedanken als ich in das Flugzeug nach Japan stieg und meine Karriere als Superstar des Sports hinter mir ließ um ein neues als Yami Athem anzufangen.
 

Mit oder ohne Yugi, dass würde sich von alleine ergeben.
 

***************
 

Die ganze Zeit auf dem Heimweg hatte ich über diesen Abend nachgedacht. Als ich die Tür zu meinem Zuhause öffnete flutete mich eine wohlige Wärme, ich war endlich wieder in der Stadt in der ich aufgewachsen war und genau hier würde ich mein ganzes Leben lang leben wollen. Vielleicht in dieser Wohnung mit Yugi zusammen.

Aber jetzt war ich es, der auf ihn warten musste. Doch ich tat es gerne.
 

Wie oft hatte meine bessere Hälfte alleine in der Nacht in unserem Bett auf mich gewartet? Wie oft war er verzweifelt und wie oft, war ich es der Schuld daran war? Wenn ich daran dachte, dann lief es mir eiskalt den Rücken runter. Es war wirklich keine schöne Vorstellung darauf zu warten, dass jemand nach Hause kam den man liebte. Nein das war es wirklich nicht und doch hatte ich es nicht sehen wollen.
 

Ich sah mich einmal in der Wohnung um und seufzte glücklich auf.

Die Wohnung hatte ich schon lange vor unserer Trennung gekauft, damit wir etwas hatten was uns gehörte. Wo wir beide Zuflucht von den Strapazen des Tages finden konnten, wenn ich mal wieder länger arbeiten musste. Doch leider kam es nie soweit.
 

Die Wohnung hatte ich damals fertig eingerichtet gekauft. Ich wollte nach Yugis Abschluss und nach Beendigung unserer Tournee hierher zurückkehren mit ihm zusammen. Naja vielleicht ließ sich das ja noch ändern.

Dazu konnten wir vielleicht gemeinsam die Wohnung renovieren, da ich sie mit Einrichtung gekauft hatte und ich nie die Zeit hatte mir selbst was für die Wohnung auszusuchen. Das war alles ziemlich unpersönlich.
 

Ich fühlte mich hier noch nicht ganz wohl. Zwar hatte ich bereits einige Gegenstände die mir wichtig waren auf die Regale gestellt, aber es fehlte noch so viel. Schon oft hatte ich überlegt ob ich nicht gleich damit anfangen sollte die Wände in Yugis Lieblingsfarben zu streichen. Andererseits wusste ich ja nicht einmal ob er wirklich hierher kommen würde. Dann wäre das vielleicht nichts weiter als Selbstfolterei, wenn man jeden Tag die farbigen Wände, in der Lieblingsfarbe seines Ex-Freundes sah. Vor allem dann wenn man ihn immer noch liebte.

Jetzt war ich erstmal hier und würde auch nicht mehr so schnell weggehen. Das war jetzt mein Zuhause, zwar ausbaufähig aber hier würde ich leben wollen.
 

Lächelnd ließ ich mich auf meiner Couch sinken und schloss die Augen. Meinen Fuß hatte ich ausgestreckt, um ihn diesmal wirklich zu entlasten. Das war vielleicht doch etwas zu weit zum laufen gewesen und jetzt wollte ich mich einfach nur noch ausruhen. Ich griff nach der Fernbedienung auf dem Tisch und schaltete den Fernseher an.
 

Tief atmete ich ein und hoffte, dass er kommen würde. Nichts wünschte ich mir mehr als dass er zu mir kam und mir verzieh.

Sicher konnte ich mir nicht sein das er wirklich kam aber die Hoffnung starb zuletzt.
 

Und wer mich kannte, wusste dass ich nicht so schnell aufgeben würde.

Meine Wahl

Kapitel 08: Meine Wahl
 

Nach Hause kommen hatte sich noch nie so gut angefühlt. Nicht dass ich so oft nach Hause zurückgekehrt bin, aber nach so langer Zeit war es schön wieder an einem vertrauten Ort zu sein.
 

Mein Großvater hat mich vom Flughafen abgeholt. Er hatte mich angelächelt und plötzlich war es so, als wäre ich nie weg gewesen. Gott! Mir war gar nicht klar gewesen, wie sehr ich ihn vermisst habe, bis er mich an sich gedrückt hatte. Dieser vertraute Duft hatte mich wieder eingehüllt. Wie altes Papier und Bergamotte.

„Großvater“, hatte ich glücklich gemurmelt.

Er lachte leise und tief.

„Schön dich wieder hier zu habenmein Junge.“
 

Meine Mutter war selbst noch auf einer Geschäftsreise als ich eintraf, sie rief mich aber am Abend an, um mir zu sagen, wie sehr sie sich freute mich wiederzusehen. In dieser ersten Nacht Zuhause schlief ich so gut wie schon lange nicht.
 

Auch die ersten Tage verliefen wundervoll ruhig. Ich half meinem Großvater im Laden aus und zum ersten Mal seit unserer Trennung musste ich nicht ständig an Yami denken. Nicht dass ich jemals aufhören konnte an ihn zu denken, aber zum ersten Mal seit zwei Jahren fragte ich mich nicht ständig ‚…was wäre wenn…‘ oder fühlte mich, als würde ich langsam verschwinden. Manchmal war es nur ein kleiner Augenblick. Ein Fetzen einer Erinnerung den ich sah, bevor ich schlafen ging. Trotzdem fragte ich mich ab und zu, ob ich ihn je wirklich[//i] vergessen würde. Yami war meine erste große Liebe gewesen und ich weiß, dass man über die nicht so leicht hinwegkommt, aber es beschäftigte mich, ob ich ihm wohl immer nachtrauern würde.
 

Vielleicht sogar noch, wenn ich mit einem anderen zusammen sein würde? Gott, ich hoffe nicht.
 

**********
 

Ein paar Tage späterging ich in der Stadt spazieren. Es war für mich ein schöner Tag, obwohl das Wetter grau und trüb war. Ich mochte solche Tage sehr.
 

Am Abend vorher hatte Thomas sich bei mir gemeldet. Eine Email, in der er mir erzählte, dass er eine neue Beschäftigung in einer australischen Produktionsfirma gefunden hatte. Er fragte mich, was ich nun vorhatte. Ob ich schon wusste, was ich machen wollte, jetzt, da ich nicht mehr diese Welttournee filmen musste.
 

Es war mir ein bisschen peinlich das einzugestehen, aber ich hatte mir deswegen noch keine Gedanken gemacht. Ich wusste gar nicht, wie es jetzt weitergehen würde. Auf das Showbusiness konnte ich getrost verzichten. Yami war immer die Berühmtheit gewesen, um die sich die Sponsoren gerissen hatten. Ich war nur der Gesichtslose Kameramann, dessen Namen man sich nicht merken konnte. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass irgendjemand mir die Tür einrennen würde, auch wenn ich die Produkte, die Yami in seinen tollen Videos präsentiert hatte toll in Szene gesetzt hatte. So etwas fiel niemanden auf.
 

Die Erfahrung, die ich gesammelt habe war zwar vorteilhaft, wenn ich weiter in der Branche arbeiten wollte, aber mir fehlten da etwas die Beziehungen und außerdem konnte ich mich nicht damit anfreunden nur einfache Werbung zu drehen. Ich hatte zwar mal mit einem Schauspieler zusammen einen Spot gedreht – das war das erste Mal gewesen, dass jemand speziell mich angefordert hat – aber ich glaube nicht, dass ich von diesen Jungschauspieler ein Jobangebot kriegen würde. Er hatte bestimmt schon vergessen wer ich war.
 

Es überraschte mich nicht, dass ich auf meinem Spaziergang automatisch den Weg zum alten Spielplatz eingeschlagen hatte. Er war noch verwilderter, als ich ihn in Erinnerung hatte. Die Stangen an dem Klettergerüst waren durchgerostet. Nur noch die vier Holzpfosten waren übrig geblieben. Das Gras war so hoch, dass man die Wippe, auf der Yami mich dazu herausgefordert hatte diese dämliche Gleichgewichtsübung zu machen, nichts mehr zu sehen war. Das Einzige, was noch halbwegs intakt war, war die Rutsche.
 

Um der alten Zeiten Willen sprang ich über die niedrige Mauer. Nach wenigen Schritten war ich an meinem Ziel angelangt die das Gelände umgab und lief die Rutschschiene hoch. Von der kleinen Plattform aus, von der die kleinen Kinder immer herunterrutschten, versuchte ich mich an ein paar alten Tricks aus dem Bodenturnkurs. Ein Flipflop und ein Salto vorwärts mit etwas Anlauf zu Anfang, dann dasselbe mit einem Rückwärtssalto. Zum Schluss ein paar Saltos aus dem Stand heraus. Ich war zwar etwas eingerostet, aber ich bekam es immer noch hin.
 

Ich hätte es wohl lieber sein lassen sollen, denn als ich da so stand kamen die alten Erinnerungen wieder auf mich eingestürzt. Die Tränen brannten mir in den Augen. Dieses Mal – das wusste ich – weinte ich nicht wegen oder um Yami. Für ihn hatte ich mehr als genug Tränen vergossen. Ich weinte, weil mich diese verwilderte, vergessene Landschaft daran erinnerte wie vieles sich um mich herum und in meinem Leben selbst verändert hatte. Wie sehr ich mich verändert hatte.
 

Ich denke, ich konnte nichts dafür, dass ein kleiner, kindlicher Teil in mir sich wünschte, alles wäre wieder wie früher. Wie vor sieben Jahren, als es noch so herrlich unkompliziert war und Parkour noch Spaß gemacht hatte.
 

Ich vermisste Joey und Tea. Ich vermisste sie als meine Freunde. Es tat so weh, dass sie sich nach der Trennung für Yamis Seite entschieden hatten. Ich war wieder allein gewesen, so wie zu der Zeit, bevor ich meinem Ex – Freund begegnet war.
 

Ich weiß nicht genau was mich an diesem Tag weitertrieb, aber von dem alten Spielplatz aus ging ich weiter zu meiner Schule. Vielleicht war ja ein bisschen schicksalhafte Fügung dabei, doch als ich dort ankam, war das Erste, was mir ins Auge fiel das riesige Plakat vor dem Schultor. Dasselbe Poster hing auch an den Eingangstüren. Ich konnte es von der Straße aus sehen.
 

Auf dem Plakat teilte einer der Lehrer mit, dass er einen Kurs im Umgang mit Fotoapparaten und Entwicklungsmethoden der Bilder geben wollte. Interessierte sollten sich in eine Liste eintragen, die im Bürgerhaus aushing. Es war ein Kurs für jung und alt und ich trug mich dafür ein. Mit einer Kamera konnte ich umgehen. Irgendwie erschien es mir richtig, dass ich auch lernte wie man gute, professionelle Fotos machte.
 

**********
 

Ich hatte selbst Wochen später noch keine Ahnung, warum ich mich dafür eingetragen hatte, aber dieser Fotographie – Kurs hielt mich zumindest beschäftigt, also konnte die Idee gar nicht so verkehrt sein. Tagsüber konnte ich meinem Großvater oder meiner Mutter aushelfen und abends ging ich in die Kurse. Ich fand neue Freunde und die Einsamkeit, die ich vorher gespürt hatte war nach und nach verschwunden.
 

Heute war ich etwas zu spät dran, weil mein Großvater mich gebeten hatte ihm beim Ausladen einer neuen Lieferung Spielzeug zu helfen. Das hatte sich den gesamten Vormittag hingezogen. Ich musste zwar erst gegen sechs Uhr abends in der Schule sein, aber ich hatte mich mit jemanden verabredet, den ich aus den Kursen kannte. Sein Name war Ryou und wir wollten zusammen etwas essen gehen und danach in der neuen Buchhandlung herumstöbern, die hier in Domino eröffnet worden war. Er war ein richtiger Bücherwurm und verbrachte viel Zeit in den Bibliotheken oder Buchhandlungen dieser Stadt.
 

Ich hatte Ryou auf Anhieb gemocht, aber mir war nicht so ganz klar warum. Als wir uns dann etwas besser kennen gelernt hatten, habe ich von ihm erfahren, dass auch er unglücklich in jemanden verliebt gewesen war. Ihn hatte es sogar etwas schwerer getroffen als mich, denke ich, denn er war niemals in einer wirklichen Beziehung gewesen mit dem Mann, den er geliebt hatte…immer noch liebte. Er war eher so etwas wie eine Affäre gewesen. Ich weigere mich es irgendwie anders zu nennen, auch wenn es nur ein sehr einseitige Liebe war und es dem anderen Kerl wohl nur um Sex ging. Ich weigere mich es anders zu betiteln, weil ich damit auch Ryou als Person herunterstufen würde und das möchte ich nicht einmal in Gedanken tun.
 

Es war schon seltsam wie wir beide uns ‚gefunden‘ hatten. Fast so, als wären wir dazu bestimmt Freunde zu sein, da wir ja fast dasselbe Schicksal teilten und dazu verdammt waren uns in die falschen Personen zu verlieben.
 

Als ich die Treppe herunterrannte, nachdem ich mich schnell umgezogen hatte stolperte ich über einen Zinnübertopf, den meine Mutter am Morgen ins Haus geholt hatte. Mein Fuß tat mir weh, weil der genau dagegen geknallt war. Während ich aus der Tür sauste, hörte ich das Poltern, weil der Topf umkippte. Ich schritt schnell nach draußen und schloss die Haustür hinter mir. Ich konnte auch später noch Ordnung schaffen, jetzt war ich einfach nur spät dran und musste weg.
 

In dem Augenblick, in dem ich mich jedoch umdrehte, war alle Eile vergessen. Ich wusste plötzlich nicht einmal warum ich mich so sehr beeilt hatte. Ich sah direkt in Yamis rote Augen. Augen, die ich nie wieder hatte sehen wollen…und plötzlich…plötzlich war es genauso wie damals. Ich fühlte mich als wäre ich wieder fünfzehn und würde mich in einen Jungen verlieben, der in einer ganz anderen Liga spielte. Für diese wenigen Augenblicke, in denen seine Augen meinen Blick gefangen hielten, existierten die vergangenen zwei Jahre nicht. Es fühlte sich an wie ein erstes Treffen.
 

Erst als er zu Boden schaute und auf seltsame Weise lächelte, wurde mir klar, dass ich ihn die ganze Zeit mit weit aufgerissenen Augen angestarrt hatte. Es fiel mir auch erst jetzt auf, dass er sich auf zwei Krücken stützte und versuchte sein rechtes Bein zu entlasten. Es war als wäre ich aus einer Trance erwacht, denn nun fragte ich mich wie und warum mein Ex – Freund hier war.
 

„Yami...Wie?“, brachte ich schwach hervor.

Ganz ehrlich, ihn wiederzusehen raubte mir den Atem, machte das Luft holen zu einer schwierigen Aufgabe und fegte meinen Kopf leer, deswegen weiß ich nicht, wieso ich überhaupt in der Lage war auch nur ein Wort richtig zu formulieren. War ich wohl gar nicht. Das würde zumindest diese Satzfragmente erklären, die meinem Mund entkommen waren und die irgendwie eine Frage darstellen sollten. Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand vor den Kopf geschlagen, so erbärmlich fand ich meine Wortwahl.
 

„Ja und du hast jetzt die Überraschung versaut, Yugi. Aber ich freu mich dich zu sehen.“

Das sollte wohl witzig klingen, tat es aber nicht. Es hörte sich eher so an, als wäre Yami unsicher, aber das konnte nicht sein. Er hatte ein viel zu großes Ego, um sich überhaupt jemals wegen irgendetwas unsicher zu sein.

„W…Was?“, hörte ich mich selbst fragen und verspürte wieder den Wunsch mir selbst gegen die Stirn zu schlagen.

Mir war noch nicht einmal klar gewesen, dass ich den Mund aufgemacht hatte und jetzt kam da peinlicherweise auch noch so ein Gestammel heraus. Man könnte meinen, meine Gehirnzellen seien abgestorben. Ich glaubte gerade selber, dass einige meiner Gehirnzellen abgestorben sind.
 

„Sag nichts. Bitte. Ich bin mir sicher du hast heute nicht Radio gehört und auch nicht fern gesehen. Kaiba hat heute eine Information rausgelassen die uns beide betrifft. Naja oder jetzt...eher mich alleine.“

Der letzte Teil des Satzes klang tatsächlich so als würde er es bedauern. Ich fragte mich zwar kurz, was Kaiba bekanntgegeben haben könnte, aber es war sinnlos jetzt Rätselraten zu spielen. Yami würde es mir sowieso gleich sagen. Er suchte nur nach einem Weg wie er es tun konnte. Deswegen schwieg er jetzt. Ich kannte ihn gut genug. Seine ganze Körperhaltung zeigte mir die Nervosität und innere Anspannung, die ihm zu schaffen machte.
 

„Ich hab meine Karriere beendet. Es ist vorbei, Yugi. Ich bin froh, dass ich nun hier stehen kann und nicht darauf achten muss, dass ich vielleicht zu viel bei dir bin damit die Presse nichts von uns mitbekommt“, sagte er mir endlich.

Yami lächelte dabei. So als wäre eine riesige Last von seinen Schultern genommen worden, als er die Worte aussprach. Ich hörte ein scharfes Einatmen und es sickerte nur langsam in mein Bewusstsein ein, dass ich es war, der die Luft so plötzlich einsog und sie nun anhielt.

„Warum jetzt?“, schrie die kleine, aber nicht mehr so leise Stimme in meinem Kopf. „Warum sagt er mir das jetzt, wo alles vorbei ist? Warum jetzt, wo ich mein Leben wieder in normale Bahnen gelenkt habe? Warum hält er es überhaupt für nötig es MIR zu sagen? Warum nicht einem dieser Pfleger oder irgendeiner Krankenschwester, die ihn sowieso anhimmeln, als wäre er ein Superstar?“
 

Erst langsam erinnere ich mich, dass die Welttournee doch noch gar nicht vorbei ist. Warum hatte er ausgerechnet diesen Zeitpunkt ausgewählt um auszusteigen? Er hatte doch einen Haufen Verträge, die ihn banden.

„Ich hatte eine Verletzung am Fuß, einen nicht verheilten Knochenbruch, eine...Pseuphrose oder so was naja...und wegen dieser musste ich mich einer OP unterziehen. Auch wenn die OP gut verlaufen ist und ich wieder normal gehen kann, somit musste ich den Parkour aufgeben. Belaste ich den Fuß weiter, so wie ich es beim Parkour tue, kann es sein, dass mein Sprunggelenk den Geist aufgibt und ich nie wieder richtig laufen kann. Im Moment brauch ich noch die zwei Krücken hier, aber ich geb mir noch ein paar Wochen und dann bin ich ganz heil“, erklärte er mir dann einfach geradeaus.

Das war Yamis Art. Er versuchte so wenig wie möglich um den heißen Brei herumzureden.
 

Es erschreckte mich, dass ich nichts von seiner Verletzung gewusst hatte. Ich hätte doch zumindest etwas vermuten können, schließlich habe ich jetzt etwa vier Jahre mit ihm zusammengearbeitet und mir alle seine Tricks öfter als mir lieb war auf DVD angesehen. Das schlechte Gewissen machte sich in mir breit und ich fand es schon fast unerträglich ihm in die Augen zu sehen.
 

Auf der anderen Seite hätte es mich vielleicht doch nicht so sehr wundern dürfen, warum ich nichts von seinem gebrochenem Fuß gewusst hatte. Wir waren schließlich nicht mehr zusammen gewesen. Sehr lange nicht mehr. Warum hätte er es mir erzählen sollen? Was mich zu der eigentlichen Frage brachte: Warum erzählte er es mir jetzt?
 

Er scharrte mit dem verletzten Fuß über den Boden. Das Geräusch brachte mich wieder ins Hier und Jetzt. Das was er da veranstaltete war nicht gut für seine Verletzung. Gerade als ich ihm das sagen wollte, sprach er weiter.

„Aber ich bin nicht hier, um mich bei dir auszuheulen. Ich wäre der Letzte, der das bei dir einfordern dürfte. So wie ich dich behandelt habe.“

Seit wann war er sich denn überhaupt darüber bewusst, wie er mich behandelt hatte? Ihm war doch noch nicht einmal klar gewesen, warum ich Schluss gemacht habe.
 

„Ich will dich zurück“, sagte er leise.

Diese Worte waren nicht mehr als ein Windhauch, aber sie trafen mich wie eine Kugel direkt in mein Herz. So grausam konnte Yami doch gar nicht sein, oder? Warum sagte er das, wenn er es gar nicht meinte?

„Yugi! Ich will noch eine Chance. Ich will dir beweisen, dass ich mich ändern kann und wieder der Yami sein kann der sich in dich verliebt hat! Diese Karriere...alles was damit zu tun hatte, war eine Last. Ich konnte nicht dahin gehen wo ich wollte und musste darauf achten, dass ich ja nicht zu viel mit dir telefonierte und, und, und. Mir hat das auch keinen Spaß gemacht. Wenn ich dann bei dir war, fühlte ich mich Zuhause. Das will ich nicht aufgeben. Ich will dich nicht aufgeben, das wollte ich nie“, fuhr er lauter fort.
 

Wie können Worte einen gleichzeitig glücklich und wütend machen? Sie machten mich glücklich, weil es das war, was ich mir immer gewünscht hatte zu hören. Seit dem Moment, in dem ich aus diesem Hotelzimmer gegangen bin, habe ich mir nichts mehr gewünscht, als das er es einsehen würde…dass er feststellen würde, dass ich wichtiger war als dieser Sport oder sein Image.
 

Diese Worte machten mich wütend, weil sie erst so spät kommen. Zu einem Zeitpunkt, von dem ich mir sicher war, dass ich nun endlich bereit war weiterzumachen. Ich dachte wirklich, ich hätte all die Erinnerungen und den Schmerz hinter mir gelassen. Ich war mir so sicher gewesen, ich wäre über Yami hinweg und ausgerechnet jetzt taucht er wieder auf und bringt das alles wieder zurück.
 

„Yami...“, begann ich leise, weil ich ihm eigentlich sagen wollte, dass er sich den Rest seiner Worte sparen konnte, doch er ließ mich nicht. Er schüttelte nur den Kopf und redete weiter.

„Ich weiß, dass du, in jener Zeit, mehr gelitten hast als ich. Die Zeit alleine Zuhause, als du auf mich gewartet hast. Die ganze Fremdflirterei, aber das hört jetzt endlich auf. Ich kann auch verstehen wenn das alles ein bisschen viel für dich ist. Ich gebe dir Zeit bis morgen Abend um 23:00 Uhr. Wenn du mir eine zweite Chance geben willst dann kommst du zu dieser Adresse und siehst dir meine Wohnung an. Die vielleicht bald unsere Wohnung werden könnte. Aber jetzt denk erst mal nach. Setz dich auf dein Bett trink einen Kakao und...ich warte auf dich“, schlug er mir vor und es erschreckte mich, dass er ausgerechnet solche Kleinigkeiten über mich noch wusste.

Meine Vorliebe für heiße Schokolade. Vor allem dann, wenn es mir nicht gut ging oder wenn mich etwas wirklich stark beschäftigte.
 

„Yami...ich...“, probiere ich es nochmal, muss mich allerdings selbst unterbrechen, als ich merke, dass die Worte nicht so fest und überzeugend klingen, wie ich es mir vorgestellt habe..

Wie gerne würde ich ihm sagen er sollte endgültig aus meinem Leben verschwinden. Ich hätte ihm so gerne entgegen geschrien, dass es zu spät war und er mich endlich mein Leben führen lassen sollte. Das alles wollte ich so gern, weil es das Vernünftigste gewesen wäre. Leider hörte mein Herz nicht auf die Vernunft. Es schmerzte immer noch bei der Vorstellung ohne Yami leben zu müssen. Es flatterte immer noch aufgeregt beim Klang seiner Stimme. Voller Hoffnung, dass wir vielleicht doch eine Chance hatten.
 

Ohne es wirklich mitzubekommen griff ich nach dem Zettel, den er mir hinhielt und starrte auf die Worte, auf dem Papier und nickte, als ich die Adresse erkannte. Der Straßenname sagte mir etwas. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er hier in der Stadt eine Wohnung hatte.
 

„Und Yugi? ...Ich liebe dich. Das habe ich immer.“

Noch eine Kugel direkt in mein Herz. Musste das sein? Musste er mir wieder Hoffnungen machen?

„Bis morgen dann, vielleicht“, sagte er zum Abschied und drehte sich um.

Noch bevor ich wusste, was ich eigentlich tat antwortete ich mit: "Yami! Ich...ich werde darüber nachdenken u…und..."
 

Gott, das war noch nicht einmal ein Satz, der aus meinem Mund heraus geplumpst kam. Außerdem machte ich ihm damit Hoffnungen, die einfach nur unrealistisch und falsch waren. Ein ‚Ich liebe dich‘ war einfach nicht genug. Ich hätte ihm sagen können, dass er nicht auf mich zu warten brauchte, dass ich nicht daran interessiert war mich noch einmal auf ihn einzulassen, doch stattdessen kamen diese Worte aus meinem Mund. Warum hatte ich überhaupt das Bedürfnis gehabt ihn aufzumachen?
 

Yami drehte sich noch einmal zu mir um und nickte mir lächelnd zu. So wie früher. So wie damals, wenn ich mich unsicher und verletzbar gefühlt hatte. Mein Herz begann wieder schneller zu schlagen und ich hätte ihm am liebsten hinterhergerufen, dass er nicht gehen sollte. Zum Glück war mein Verstand nicht völlig ohne Einfluss auf mich, denn ich blieb still.
 

Erst als Yami außer Sichtweite war fiel mir wieder ein, dass ich in Eile gewesen war. Jetzt würde ich definitiv zu spät zu meiner Verabredung mit Ryou kommen.
 

**********
 

„Ein Wiedersehen mit dem Ex – Freund also“, sagte Ryou nachdenklich und nippte an seinem Tee.

Ich hatte ihn bestimmt hundert Mal um Entschuldigung gebeten, weil ich fast zwanzig Minuten zu spät dran war und ihm von meiner seltsamen Begegnung mit Yami erzählt. Davon, dass er mich wiederhaben wollte und mir Zeit gab mich zu entscheiden.

„Was hast du jetzt vor? Gibst du ihm noch eine zweite Chance?“, fragte er mich.
 

„Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht“, sagte ich ganz ehrlich. „Ich habe Angst.“

„Wovor?“, wollte Ryou wissen.

Er strich sich seine weiß – silbernen Haare zurück. Einige der Strähnen waren ihm in die Augen gefallen und für einen Moment beobachtete ich das schimmern der Sonnenstrahlen in den glänzenden Haaren.
 

„Davor, dass er nur zurückgekommen ist eben weil er seinen persönlichen Lieblingssport nicht mehr ausführen kann. Ich habe Angst davor, dass ich nur das Nächstbeste bin, nach der Karriere. Ich habe Angst davor mich wieder auf Yami einzulassen, nur um dann irgendwann festzustellen, dass er nur zurückgekommen ist, weil er nicht mehr der berühmte Sportler sein kann und ich bin nur die sichere Zuflucht für ihn. Jemand, den er kennt und den von dem er weiß, was er zu erwarten hat“, versuchte ich zu erklären. „Es ist…ich habe Angst davor, dass ich nur darauf warten muss, dass er mich für die nächste Obsession oder irgendeinen besseren Kerl verlässt…ich…“
 

Ich hörte auf zu reden, weil ich nicht wusste, wie ich beschreiben konnte wie es mir ging.

„Du willst nicht der Lückenbüßer sein für was auch immer noch kommt, das die Aufmerksamkeit und das Interesse deines Ex – Freundes weckt“, stellte mein Gegenüber sehr sachlich fest.
 

Mir war fast schon zum Lächeln zu Mute. Ryou verstand mich einfach so gut.

„Das ist verständlich denke ich“, sagte er zu mir und lächelte wieder. „Was du dich jetzt vielleicht fragen solltest, ist: Warum steckst du in diesem Dilemma?“

Ich runzelte die Stirn. Hatte er mir überhaupt zugehört?

„Ich habe es dir doch schon erzählt. Ich stecke in diesem Dilemma – wie du es so schön ausdrückst – weil Yami heute vor meiner Tür stand…“

„Ich weiß das Yugi“, unterbrach mich mein weißhaariger Freund, „aber das ist nicht das was ich meine. Es ist doch so, wäre da nur diese Angst, dann wäre es kein großes Thema für dich. Du würdest dir keine Gedanken mehr darum machen und morgen einfach nicht hingehen. Du würdest dein Leben einfach weiterführen und so tun, als hätte dein Ex – Freund nicht vor deiner Tür gestanden. Du hättest es mir vielleicht gar nicht erzählt. Das lässt nur einen Schluss zu: Da ist noch etwas anderes. Ein anderes Gefühl in dir außer der Angst und das macht dir diese Entscheidung so furchtbar schwer.“
 

Ich schaute verlegen auf die Tischdecke.. Er hatte natürlich Recht.

„Yami war mein allererster Freund. Er war der Erste in den ich je verliebt war. Der Einzige, den ich bisher geliebt habe. Ich habe mich nie wieder so gefühlt, wie damals, als wir zusammengekommen sind. Ich habe seit unserer Trennung nie wieder etwas derartiges für jemanden empfunden und ich…ich frage mich, ob ich es überhaupt kann“, gab ich leise zu.
 

Ich sah in Ryous warme, braune Augen und konnte genau sehen, dass er es verstand.

„Ich…ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, das ist so, weil ich…ich…oh Mann, das ist so lächerlich…aber vielleicht waren Yami und ich dafür…bestimmt zusammen zu sein. Nicht kosmisch oder vom Schicksal bestimmt oder so, aber…aber vielleicht ist er derjenige, mit dem ich im Leben glücklich sein kann und ich…ich weiß es irgendwie und ich weiß, dass ich nie jemand anderen so lieben werde wie ihn und mich jetzt von ihm abzuwenden wäre Zeitverschwendung, weil jede andere Beziehung mich doch wieder zu ihm zurückbringen würde“, stotterte ich mich durch meine eigene, kleine, unlogische Vermutung. „Vielleicht ist das alles aber nur Blödsinn und ich lebe einfach zu sehr in der Vergangenheit. Ich will nicht, dass ich all meine Hoffnungen auf etwas setze, dass es gar nicht mehr gibt.“
 

Das war die realistischere Variante. Ich war einfach zu besessen davon, was ich einmal ge3habt hatte und war nicht bereit es aufzugeben. Dabei übersah ich, dass das was ich wollte gar nicht mehr existierte.

„Nun“, meinte Ryou mit einem freundlichen Lächeln, „es ist deine Wahl. Dein Ex – Freund überlässt dir die Wahl ob du ihm glauben willst, dass er wirklich dich zurückhaben will oder ob du glauben willst, dass du nur das bist was er gewählt hat, weil ihm Ruhm und Erfolg scheinbar nicht mehr offen stehen. Du musst wissen, welcher Gedanke dir besser gefällt und welcher der wahrscheinlichste ist.“
 

„Wie würdest du dich entscheiden, wenn dein Ex vor dir stehen würde und sagen würde, er wollte dich zurück und er würde dich immer noch lieben?“, wollte ich wissen.

Diese Frage war etwas gemein und das wusste ich. Ich wollte nur wissen, ob er auch solche Bedenken hätte. Ich wollte wissen, ob es ihm auch so schwer fallen würde seine Wahl zu treffen.
 

Im selben Moment wie diese Worte meinen Mund verließen, bereute ich es sie ausgesprochen zu haben. Der Schmerz, der in Ryous Augen für einen Moment aufflackerte war so tief und so groß, dass ich fast sehen konnte, wie gebrochen sein Herz war.

„Leider geht es hier nicht um mich Yugi“, sagte er nach einem Moment, in dem er sich fassen musste. „Meine Entscheidung würde dir nicht weiterhelfen, weil unsere Geschichten nicht die gleichen sind, auch wenn sie vielleicht ähnlich klingen.“
 

Er schaute für einen Augenblick an mir vorbei in den Himmel, der sich langsam rot färbte, weil die Sonne unterging.

„Im Gegensatz zu dir, weiß ich, dass mein Ex mich nie geliebt hatte. Ich weiß nicht, ob er überhaupt jemals jemanden geliebt hatte. Ich war es, der sein Herz einfach so aufs Spiel gesetzt hatte in der Hoffnung, dass er lernen würde mich zu lieben, wenn ich ihm nur zeigte, das ich ihm alles geben würde, was ich hatte, in dem ich ihm zeigte, dass ich ihm bedingungslos vertraute. Eingebracht hat es mir nur ein gebrochenes Herz, als er dann weitergezogen ist, weil er jemand anderen gefunden hatte, der nicht so anhänglich und jämmerlich war wie ich.“
 

Ich wusste genau das diese letzten Worte die seines Ex – Freundes gewesen waren, obwohl er mir nie gesagt hatte, wie mit ihm Schluss gemacht worden war. In diesem Moment wünschte ich mir mehr als alles andere, dass ich diese Frage nicht gestellt hätte.

„Meine Wahl würde also ziemlich eindeutig ausfallen. Ich würde mich nicht noch einmal auf ihn einlassen. Nicht nur, weil ich dir mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass er niemals auftauchen und mir seine unsterbliche Liebe gestehen wird, sondern auch weil es mir nicht wert wäre, mir noch einmal das Herz so brechen zu lassen. Ich war naiv und dumm und habe dafür mit meinem Herzen bezahlt. Ich bin aber nicht du und meine Geschichte ist nicht deine. Der Mann, der heute vor deiner Tür stand hat dich einmal geliebt und er hat einen Fehler begangen. Vielleicht hat er diesen ja endlich eingesehen? Vielleicht hat er ja begriffen, dass du das Beste warst, was ihm je passiert ist.“
 

Ich hatte ein wirklich schlechtes Gewissen, weil ich Ryou an seinen Schmerz erinnert hatte und er trotzdem so großmütig war, mir Mut zu machen.

„Es tut mir leid“, murmelte ich beschämt.

„Warum? Das muss es nicht. Es war eine berechtigte Frage“, erwiderte Ryou. „Jetzt sollten wir aber los denke ich. Der Kurs beginnt bald.“

Ich nickte leicht und rief nach dem Kellner.
 

**********
 

Es war schon halb zwölf, als ich nach Hause kam. Ich hatte meine Entscheidung immer noch nicht getroffen. Ich hatte mir noch nicht einmal erlaubt darüber nachzudenken. Im Flur war es dunkel und ich schaltete deswegen das Licht an. Irgendjemand hatte den Zinnübertopf weggestellt. So leise wie möglich schlich ich mich hoch in mein Zimmer und machte dann durch den Schalter im Obergeschoss das Licht in der Diele wieder aus. Ich hatte diese Etage ganz für mich und gerade heute war ich sehr froh darüber.
 

Erst als ich in meinem Schlafzimmer war warf ich einen prüfenden Blick auf mein Handy. Ich hatte es während des Kurses lautlos gestellt. Obwohl ich nicht wirklich mit Anrufen oder SMS rechnete ging ich auf Nummer sicher. Deswegen überraschte es mich auch, dass das Display mir drei Anrufe in Abwesenheit anzeigte und eine SMS. Alles von Joey. Er hatte mir ja geschrieben, dass er mir seine Nummer eingespeichert hatte. Wahrscheinlich hat er sich dabei meine Nummer zu den Kontakten hinzugefügt.
 

Die SMS lautete:
 

»Mann Alter, wieso gehst du nicht an dein Handy?

Ich dachte wir wären noch Freunde?

Melde dich, wenn du das hier liest. Ich habe dir etwas Wichtiges zu erzählen.

Ruf an. Egal wie spät es ist.«
 

Ich runzelte die Stirn und fragte mich, was so wichtig war. Logischerweise würde ich es nicht erfahren, wenn ich Joey nicht anrufen würde. Also tat ich das.
 

Viertelstunde später glaubte ich immer noch mein Herz im Hals schlagen zu spüren, wegen dem was er mir erzählt hatte. Gott, ich hoffte so sehr er log mich nicht an, nur weil er sein eigenes Happy End haben wollte. Wollte ich es riskieren?
 

Als ich weitere fünfzehn Minuten später in meinem Bett lag fühlte ich mich so ausgelaugt wie noch nie. Yami hatte mich vor eine Wahl gestellt. Er hatte mir wieder die Entscheidung überlassen, doch dieses Mal musste ich nur über mein Schicksal entscheiden und nicht auch noch über seines. Das war fair, nur glaubte ich nicht, dass ich wusste, was ich wollte.
 

Mit diesem Gedanken schlief ich ein und erst als ich wieder aufwachte, wurde mir klar, dass ich meine Wahl schon lange getroffen hatte.
 

tbc…



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Kommentare zu dieser Fanfic (46)
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Von:  Lamello
2021-12-20T22:02:32+00:00 20.12.2021 23:02
Auch eine sehr schöne FF. Eine tolle Story mit starken Charakteren. Mir hat es sehr gut gefallen. Ein hammer Cliffhanger zum Schluss ... Aber man kann gerade so mit leben, wenn man sich denkt, was Yugi machen wird. Klar wäre ein Ende toll gewesen, aber so what ... Mir hat es gefallen! Habt ihr schön geschrieben!
Von:  Sandy
2013-10-06T18:24:46+00:00 06.10.2013 20:24
Hallo ich habe gerade die FF gelesen und ich muss Miaka zustimmen ich habe die story komplett durch gelesen und ich bin echt begeistert ich hoffe auch das ihr bitte die FF weiter schreiben werdet oh Bitte ich will wissen wie es weiter gehen wird darum habe ich sie auch in meine Favoritenliste dazugefügt bitte schreibt mir eine ENS wenn es weiter gehen wird ich liebe diese Ff weiter so oh BItte
lg von mir Sandy
Von:  -Miaka-
2013-04-14T11:03:23+00:00 14.04.2013 13:03
Das kann doch nicht euer Ernst sein ... die FF ist SO GUT!! Und jetzt, wo es um die Entscheidung geht, sozusagen der Punkt, auf den alles vorher hingearbeitet hat, hört ihr auf? Ich glaub, ich heul gleich. Ich hab die FF die ganze Nacht lang gelesen, ich konnte nicht aufhören. Draußen haben schon die Vögel gezwitschert und mir sind vor Müdigkeit die Augenlider fast ineinander zusammengefallen! Und ratet mal, wie oft mir das bei einer deutschen FF passiert - so gut wie nie! Das hier ist eine Perle. Gott, ich liebe die FF. Ich kann nur hoffen, dass sie wenigstens noch beendet wird, dass wir es eine Entscheidung geben wird. Bitte ... ?
Von:  mu_chan
2011-10-23T21:40:33+00:00 23.10.2011 23:40
aiii wie süß...hach...ein wunderschönes kapitel!
ich bin gespannt wie es weiter geht & besonders auf yamis sichtweise..
& wie das eventuelle treffen verläuft!

ich freu mich schon^-^

glg mu_chan
Von: abgemeldet
2011-10-12T07:59:00+00:00 12.10.2011 09:59
Man kann Yugis Gefühle, Zweifel und Überlegungen sehr gut nachempfinden, denn nicht weinige haben denke ich mal schon etwas ähnliches im Leben durchgemacht.
Klasse geschrieben. Vor allem die Szene, wo Yami Yugi sagt, dass er ihn liebt und es immer getan hat... Wow, da bin ich doch leicht weggeschmolzen ^^
Freue mich schon auf das nächste Kapitel und lasst euch bitte nicht zu sehr Zeit damit XD

Greez von AtemRa
Von:  lanhua-yu
2011-10-11T10:06:08+00:00 11.10.2011 12:06
yeah - ein neues kapi!!!
das war mal wieder echt spitze ^^
kann yugi's standpunkt echt gut nachvolziehen...
aber was was hat joey ihm bitte erzählt?

ich hoff das nächste kapi kommt ganz schnell

lg
luan
Von:  Atem
2011-10-11T07:54:27+00:00 11.10.2011 09:54
Bis auf einige Tippfehler ein sehr schönes Kapitel! Ich kann Yugis Überlegungen genauestens nachvollziehen. Eine sehr schwierige Situation. Freue mich schon auf die Fortsetzung!

Lg
Atem~
Von:  viky
2011-10-10T12:18:26+00:00 10.10.2011 14:18
oh wie schön, aber man oh man, was war mit joey...böse, böse, jetzt muss man wieder aufs nächste pitel warten, und ich warte natürlich sau gerne drauf :)

na mal sehen, was geschehen wird... hibbel, hibbel XD

lg
viky
Von:  Shanti
2011-10-10T10:26:03+00:00 10.10.2011 12:26
heyyyyyyyyyy

ein super geiles kappi jaaaaaaaa ^^
omg wie süß yami auf einmal ist hahahahahahaha
büdde schreib ganz schnell weiter bis dann^^

lg
shanti
Von:  viky
2011-07-11T23:07:49+00:00 12.07.2011 01:07
oh yami, hat lange gedauert wah?!
XD

schönes pitel, freue mich auf das nächste kuss


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